Protokoll der Landratssitzung vom 26. Mai 2005
Protokoll der Landratssitzung vom 26. Mai 2005 |
Nr. 1236
6 2004/314
Motion von Rudolf Keller vom 8. Dezember 2004: Keine Imam-Ausbildung an der Basler UNI
Daniela Schneeberger begrüsst die Klasse 4A der Sekundarschule Birsfelden mit ihrem Lehrer Markus Brunner auf der Zuschauertribüne.
Regierungsrat Urs Wüthrich begründet die Ablehnung der Motion durch die Regierung. Rudolf Keller wolle den Regierungsrat damit beauftragen, dass die Vertretung im Universitätsrat Basel darauf hinwirke, keine mit Steuergeldern finanzierte Imam-Ausbildung an der Universität Basel zu betreiben. In seiner Argumentation beruft sich Rudolf Keller unter anderem auf eine Aussage des Bundesrats und behauptet, dieser stünde einer Imam-Ausbildung in der Schweiz skeptisch gegenüber. Jedoch habe sich der Bundesrat zu diesem Thema sehr differenziert geäussert und Urs Wüthrich zitiert wie folgt aus den Originalaussagen:
Der Bundesrat verfolgt mit Interesse die Diskussion über eine mögliche Ausbildung von Imamen in der Schweiz. Er ist der Ansicht, dass die Diskussion mit anderen involvierten Parteien fortgeführt werden muss, namentlich mit den Vertretern der muslimischen Gemeinschaft.
Die Einrichtung von Ausbildungsprogrammen oder Studiengängen an den Universitäten liegt in der Kompetenz der Universitäten und ist Teil ihrer Autonomie. Der Bund unterstützt die kantonalen Universitäten im Rahmen des Universitätsförderungsgesetzes, und zwar in erster Linie über die Grundbeiträge. Eine spezielle Finanzierung einzelner Studiengänge von Seiten des Bundes ist nicht vorgesehen. Der Bundesrat vertritt die Meinung, dass eine Ausbildung, mit der die Ausübung eines bestimmten Berufes vorbereitet wird, nicht prioritär auf universitärem Niveau anzusiedeln ist. Bei der Ausbildung von Imamen an einer Universität stellen sich komplexe Grundprobleme, etwa hinsichtlich der Zulassungsqualifikationen oder der Qualitätskontrolle der Lehre.
(Übersetzung aus dem Französisch)
Ebenfalls verkürzt sei die Aussage, welche von Rudolf Keller dem Rektor der Universität Basel unterstellt wird. Die Aussage, die Basler Universität ziehe trotz der Stellungnahme des Bundes in Betracht, eine Imam-Ausbildung zu schaffen, sei falsch. Bisher existiere einzig ein Diskussionsangebot an einen Professor für islamische Religionspädagogik an der Islamischen Religionspädagogischen Akademie in Wien. Der Rektor sei im Sinne der bundesrätlichen Antwort zu Sondierungsgesprächen über die Richtung einer Ausbildung in islamischer Theologie in Basel bereit, und zwar unter folgenden Bedingungen:
Die Finanzierung müsste in jedem Fall aus Drittmitteln erfolgen und das Projekt müsste sämtliche Bedingungen erfüllen, welche für Drittmittelprojekte gelten. Dazu gehören: Völlige Transparenz bei der Finanzierung, Autonomie der Universität bei der Ausrichtung und Besetzung der entsprechenden Professuren sowie beim Inhalt der Ausbildung und den Zulassungsbestimmungen zum Studium.
Das nicht korrekte Zusammenfassen zweier Aussagen führe zwangsläufig zu einer nicht korrekten Schlussfolgerung und in Anbetracht der Ausgangssituation, dass die Debatte über mögliche Formen einer Imam-Ausbildung in der Schweiz nicht abgebrochen, sondern vertieft werden sollte und dass die entsprechende Debatte im Universitätsrat noch nicht geführt wurde sowie der Tatsache, dass die Rahmenbedingungen an der Universität einer Imam-Ausbildung klare Grenzen setzen würden und dass derartige Fragen gesamtschweizerisch koordiniert würden, ist der Regierungsrat der Ansicht, sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits verbindlich festzulegen wäre kontraproduktiv.
Konsequenterweise ist der Regierungsrat nicht bereit, die vorliegende Motion entgegen zu nehmen und beantragt dem Landrat deren Ablehnung.
Rudolf Keller zeigt sich von der Antwort des Regierungsrates nicht überrascht. Da es sich um ein heikles Thema handle, halte er sich bei seinem Votum weitgehend an seinen vorbereiteten Text.
Im islamischen Glauben stellt der Imam eine sehr zentrale Person dar. Er ist der Vorbeter in einer Moschee, leitet also das Gebet und die Gläubigen folgen ihm. Seine Predigt hält er jeweils am Freitag. Zudem ist er für die organisatorischen Fragen der islamischen Gemeinde verantwortlich. Der Imam nimmt damit eine führende Stellung ein. Wenn wir nun den Imam nach unseren westlichen Kriterien selbst ausbilden wollen, so kommt dies laut Rudolf Keller einer Anmassung gleich. Auch aus diesem Grund ist der Bundesrat wohl gegen eine Ausbildung von Imamen an unseren Universitäten. Der Bund würde die Ausbildung von Imamen finanziell nicht unterstützen, wolle sich aber auch sonst nicht einmischen, da es sich um eine religiös heikle Frage handle. Eine derartige Ausbildung dürfe auch nicht mit Baselbieter Steuergeldern unterstützt werden.
Auch die private Finanzierung eines entsprechenden Lehrstuhls könnte recht heikel sein. Am Radio äusserte sich der Rektor der Universität klar dahingehend, man wolle in Basel eine Ausbildung für Imame schaffen. Dies bedeutet für Rudolf Keller eine religiöse Anmassung, egal ob mit Steuergeldern oder privat finanziert. Wie würde wohl unsere Kirche reagieren, wenn die Ausbildung von katholischen und reformierten Pfarrern, welche in einem islamischen Land arbeiten wollen, an einer islamischen Universität stattfinden würde? Man würde in einem solchen Fall von Bevormundung, Anmassung und Diskriminierung sprechen und Amerika würde sogar im Namen der Freiheit auf den Plan treten.
Aus den genannten Gründen bittet Rudolf Keller, seinen Vorstoss ernsthaft zu überdenken. Es ist ihm klar, dass gegen eine privat organisierte Imam-Ausbildung nichts unternommen werden könnte, sollte etwas derartiges jedoch staatlich gefördert werden, begäbe man sich auch kirchenideologisch aufs Glatteis. Rudolf Keller möchte erreichen, dass der Regierungsrat alles Erdenkliche unternimmt und im Universitätsrat darauf hinwirkt, dass sicher keine Steuergelder für eine derartige Ausbildung verwendet werden. Er bittet den Landrat daher, seinen Vorstoss zu überweisen, da es um ein Thema gehe, mit welchem sich der Landrat in nächster Zeit so oder so werde auseinandersetzen müssen.
Fredy Gerber erklärt, falls der Universitäts-Rektor eine Imam-Ausbildung an der Universität Basel in Betracht ziehen würde, erschiene dies der SVP-Fraktion als sehr komisch, habe doch der Universitätsrat unlängst versucht, aus Spargründen verschiedene Studiengänge zu streichen. Es liege auf der Hand, dass die desolate Finanzlage der Universität Basel den Unirat zu solchen unbedingt notwendigen Sparmassnahmen zwinge. Es mache daher keinen Sinn, nun zusätzlich eine Imam-Ausbildung anzubieten. Der SVP gehe dies eindeutig zu weit, denn ein solcher Schuss in den Rücken der Sparbemühungen des Unirates wäre in der jetzigen Situation absolut unvernünftig und unnötig. Auch in der Bevölkerung würde dies auf Unverständnis und Ablehnung stossen.
Aus diesem Grund sollte unsere Vertretung im Universitätsrat versuchen, ein derart ungeschicktes Vorhaben zu verhindern, falls es tatsächlich zum Thema würde. Die SVP-Fraktion unterstützt daher Rudolf Kellers Motion.
Röbi Ziegler hält den Gedanken einer Imam-Ausbildung in der Schweiz für durchaus reizvoll und prüfenswert. Einerseits argumentierte Rudolf Keller, eine solche Ausbildung in der Schweiz käme einer Art religiösem Imperialismus gleich. Dieser Argumentation kann sich Röbi Ziegler ein Stück weit anschliessen. Andererseits wurde auch das Thema Islam-Förderung mit Steuergeldern angesprochen, bei welchem das "Keller-Herz" doch mehr zu schlagen scheine.
Röbi Ziegler machte in der eigenen Religion schon mehr als einmal die Erfahrung, wie schwierig sich die Vorbereitung einer ökumenischen Trauung gemeinsam mit einem katholischen Priester beispielsweise aus Süditalien gestalten kann, weil diese Priester nicht auf die religiöse, kulturelle und historische Situation in der Schweiz und auf die Lebensweise der Menschen in konfessionell gemischten Verhältnissen vorbereitet sind. Das Gleiche gilt für den Islam. Wenn Imame aus anderen Ländern in der Regel für eine beschränkte Zeit ihrer Berufsausübung in die Schweiz kommen, fehlt ihnen die Erfahrung darüber, wie ihre Gläubigen in der Schweiz leben.
Röbi Ziegler denkt nicht, dass in der Schweiz eine Imam-Grundausbildung angeboten werden müsste, jedoch sollte die Zielrichtung einer Zusatzausbildung angestrebt werden, welche die seelsorgerische Betreuung von muslimischen Menschen in einer pluralistischen, säkularisierten und religiös gemischten Welt zum Inhalt hat. Die so Ausgebildeten könnten ihren Gläubigen dann gerechter werden und eine Art Kulturvermittler zwischen zwei Welten werden. Sie würden einen Beitrag zu religiösem und politischem Frieden in unserem Land leisten. Eine derartige Ausbildung müsse nicht forciert werden, jedoch wäre es ein falsches Zeichen, wenn schon jetzt die Tür für derartige Lösungen verschlossen würde. Wichtig wäre eine solche Stossrichtung auch, um die Problematik des Zusammenlebens verschiedener Kulturen und Religionen präventiv anzugehen.
Die SP-Fraktion spricht sich für eine Ablehnung von Rudolf Kellers Motion aus.
Kaspar Birkhäuser betont, in der heutigen Schweiz sei der Islam nicht mehr derart exotisch, wie Rudolf Keller dies zu Beginn seines Votums vermitteln wollte. Immerhin stellen Moslems die zweitgrösste Religionsgemeinschaft in der Schweiz dar und beim Islam handelt es sich um eine öffentlich anerkannte Religion. Eine Imam-Ausbildung in der Schweiz und nicht im Orient würde sicherlich dem Zweck dienen, westlich angepasste Formen des Islam zu unterstützen und zu entwickeln und damit die Integration ausländischer Mosleminnen und Moslems in unserem Land zu fördern.
Die Grünen sind der Ansicht, eine Imam-Ausbildung in der Schweiz diene dem Religionsfrieden und dem kulturellen Frieden.
Judith van der Merwe merkt an, ihre Übersetzung der bundesrätlichen Erklärung sei ähnlich, wenn auch nicht ganz gleich wie diejenige der Regierung. Der Bundesrat verfolge die Diskussion um eine allfällige Imam-Ausbildung mit Interesse, äusserte sich jedoch dahingehend, dass einzig eine Berufsausbildung der Imame nicht auf universitärem Niveau angesiedelt werden sollte. Judith van der Merwes Abklärungen bei der Universität zeigten zudem, dass die Einrichtung eines Lehrstuhls für Islamwissenschaften an der Universität einer allgemeinen wissenschaftlichen Ausbildung zu Inhalten des Islam dienen würde, in keinem Fall also ein religiöses Training einer Religion darstellen würde.
Wie von Urs Wüthrich erwähnt, würde ein derartiger Lehrstuhl nie aus den normalen Mitteln finanziert, sondern es müsste eine Drittfinanzierung gefunden werden. Die Universität versicherte Judith van der Merwe, dass das Berufungsverfahren auf jeden Fall wie üblich ablaufen würde, also keine Gefahr von unerwünschten Einflussnahmen von Geldgebern bestünde. Für eine derartige wissenschaftliche Ausbildung besteht in Europa ein Vorbild, die Islamische Religionspädagogische Akademie in Österreich.
Grundsätzlich begrüsst die FDP-Fraktion wie auch der Bundesrat und die Regierung die Idee, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit derartigen Fragen stattfindet. Die Motion Keller sei überflüssig, da eine Finanzierung im normalen Budgetrahmen nicht zur Diskussion stehe. Die FDP verfolge die weitere Entwicklung vor dem Hintergrund der gesamthaften Entwicklung des Universitäts-Portfolios sehr gerne.
Jacqueline Simonet stellt fest, ihre Recherchen hätten die gleichen Antworten gebracht, wie sie von Urs Wüthrich vorgetragen wurden. Es ist klar, dass kein Geld der Universität und damit Steuergeld für derartige Experimente zur Verfügung gestellt wird. Nicht vergessen werden dürfe zudem die Seite der Kulturvermittlung. Was man nicht kennt, macht Angst und was man nicht versteht, weckt Argwohn. Es sei legitim, dass unsere Universitäten an der Wissenschaft einer bei uns sehr verbreiteten Religion interessiert sind. Die praktische Ausbildung von Imamen jedoch muss nicht unbedingt an einer Universität stattfinden.
Die CVP/EVP-Fraktion ist überzeugt, dass sich der Universitätsrat der Brisanz des Themas bewusst sei und bestimmt keine übereiligen Entscheide getroffen werden. Da der Rektor gegenüber der Presse gewisse Aussagen zum Thema machte, verstehe man auch das Anliegen der Motion ein Stück weit und hätte eine Annahme des Vorstosses als Postulat mit sofortiger Abschreibung unterstützt. In Anbetracht der aktuellen Situation will die CVP/EVP aber nicht auf die Motion eintreten.
Sabine Stöcklin bemerkt, ohne den kulturellen Mantel bleibe bei allen Religionen folgender Kern: Die Beschäftigung mit den Fragen: Woher kommen wir? Was ist der Sinn unseres Lebens? Wohin gehen wir, wenn wir sterben? Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch der Islam und im Gegensatz zu Rudolf Keller ist Sabine Stöcklin der Auffassung, wir würden in unserer Gesellschaft und Kultur viel besser fahren, wenn die Ausbildung von Imamen öffentlich wäre und nicht in einen privaten Raum abgeschoben würde. Bei der Ausbildung in einem privaten Raum bestehe die Gefahr, dass sich dort ein Klima entwickeln könnte, in welchem Hassprediger ihren Nährboden finden oder Parallelgesellschaften genährt werden.
Die Imam-Ausbildung muss öffentlich gemacht werden, damit auch die öffentliche Kontrolle gegeben ist und über die Kernfragen der Religion nachgedacht wird, nicht über fundamentalistische und kulturelle Werthaltungen.
://: Der Landrat lehnt eine Überweisung der Motion 2004/314 ab.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
Fortsetzung >>>
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