Protokoll der Landratssitzung vom 26. Mai 2005
Protokoll der Landratssitzung vom 26. Mai 2005 |
Nr. 1235
5 2004/316
Postulat der SVP-Fraktion vom 8. Dezember 2004: Keine Duldung von undemokratischen Parallelgesellschaften
Regierungsrätin Sabine Pegoraro erklärt, die Regierung nehme das Postulat entgegen und wolle es gleichzeitig abschreiben. Man erachte die Errichtung einer Stelle, welche extremistische und undemokratische Organisationen beobachtet und je nachdem auch einschreitet, als nicht notwendig, da eine solche Stelle bereits existiere (siehe schriftliche Antwort des Regierungsrates zum vorherigen Traktandum). In unserem Kanton bearbeitet der Nachrichtendienst der Polizei Basel-Landschaft Staatsschutzbelange und verfasst einen jährlichen Tätigkeitsbericht zuhanden des Bundesamtes für Polizei. Dabei wird speziell auf terroristische und extremistische Aktivitäten eingegangen. Dies basiert auf dem Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, welches Staatsschutzaufgaben ausdrücklich dem Bund und den Kantonen zuweist.
In den letzten Jahren hat der Nachrichtendienst speziell im Bereich islamischer Gesellschaften mehrere vertrauliche Berichte zusammen mit Listen von Moscheen, Gebetssälen, Versammlungslokalen und Versammlungsräumen in unserem Kanton erstellt und weitergeleitet. Die im Postulat angesprochene Beobachtung findet also bereits statt.
Die Funktion der oben erwähnten Anlaufstelle Rechtsextremismus besteht ausschliesslich darin, ausstiegswillige Jugendliche oder deren Eltern und Lehrer zu beraten. Es kommt ihr also keine strafrechtliche oder staatsschützerische Bedeutung zu, es handelt sich um eine reine Beratungsstelle.
Dieter Völlmin betont, das Anliegen der SVP sei weiter gefasst, denn es gehe ihr nicht nur um Repression, sondern auch um Unterstützung. Wie beim Rechtsextremismus müsste eine Beratungs- und Anlaufstelle existieren, welcher nicht nur repressive Funktion zukommt. In diesem Sinne ist die SVP-Fraktion daher mit der Abschreibung ihres Postulats nicht einverstanden.
Röbi Ziegler stellt fest, die Welt des Islam, sowohl im Ausland als auch bei uns, sei in seiner Ausformung sehr vielfältig, ebenso vielfältig wie das Christentum. Es gebe sowohl extreme wie auch liberale Formen. Unsere Schwierigkeit gegenüber dem Islam besteht unter anderem in einem weitgehend fehlenden Verständnis, da uns die Sprachen, in welchen der Islam ausgeübt wird, nicht bekannt sind. Nüchtern betrachtet liegt darin wohl auch die grosse Schwierigkeit für die geheim- und sicherheitsdienstliche Arbeit. Islamische Versammlungen finden in einem geschlossenen Rahmen und in bei uns nicht verbreiteten Sprachen statt. Röbi Ziegler versteht daher auch das Motiv der SVP, dass man griffigere Mittel in diesem Bereich haben möchte.
Es handelt sich jedoch um Probleme, welche uns auch in einem nicht muslimischen Bereich nicht zugänglich sind. Bei der Diskriminierung der Frau hat der Staat beispielsweise in der innerfamiliären Diskriminierung keine Eingriffsmöglichkeit, so lange keine offensichtliche Klage oder Straffälligkeit vorhanden ist. Auch auf das, was sich bei geschlossenen religiösen Veranstaltungen abspielt, hat der Staat eine beschränkte Ein- und Zugriffsmöglichkeit. Es wäre wahrscheinlich ein Kurzschluss, allein daraus abzuleiten, dass sehr viel Gemeingefährliches, Undemokratisches oder Extremistisches ablaufe, genauso wie die Behauptung ein Kurzschluss wäre, dass nichts Undemokratisches oder Extremistisches ablaufe. Röbi Ziegler bittet seine Kolleginnen und Kollegen, in dieser Frage die Relationen zu wahren und darauf zu vertrauen, dass die zuständigen Personen bei der Polizei das tun, was möglich ist.
Die SP-Fraktion beantragt dem Landrat, das Postulat 2004/316 an den Landrat zu überweisen und gleichzeitig abzuschreiben, dies im Sinne der Begründung der Justiz- und Polizeidirektorin.
Jacqueline Simonet betont, entgegen Kaspar Birkhäusers Meinung sei die CVP/EVP-Fraktion nicht der Ansicht, dass Interpellation und Postulat keinen Sinn machen. Das Signal, welches von den beiden Vorstössen ausgeht, sei gut. Mit der Antwort der Regierung zeigt sich die CVP/EVP einverstanden, denn es bestehen bereits entsprechende Instanzen. Trotzdem sei man froh, wenn das Problem ernst genommen werde. Das Postulat soll daher überwiesen und abgeschrieben werden.
Daniele Ceccarelli bezeichnet die Forderung der SVP als richtig, undemokratische Parallelgesellschaften nicht zu dulden. Trotzdem kann die FDP-Fraktion dem Antrag des Postulats 2004/316 nicht folgen, denn auch im Sinne von Sparmassnahmen sei es nicht nötig, eine neue Stelle einzurichten. Man vertraue darauf, dass die notwendigen Arbeiten gut ausgeführt werden.
Zum wichtigen Anliegen, undemokratische Parallelgesellschaften nicht zu tolerieren, zitiert Daniele Ceccarelli wie folgt aus dem Buch "Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren oder Anleitung zum subversiven Denken" von Hubert Schleichert:
Keiner Ideologie, ob christlich, jüdisch, islamisch, marxistisch, atheistisch, rassistisch, nationalistisch oder was sonst, so friedlich sie sich auch zeitweilig verhält, darf man trauen, wenn sie intolerante oder inhumane Elemente auch nur in der verstecktesten theoretischen Nische verborgen duldet. Man muss immer mit dem Ausbruch eines Fundamentalismus rechnen.
Damit will Daniele Ceccarelli zeigen, dass das vorliegende Postulat eher in die repressive Richtung geht. Seiner Meinung nach ist Prävention jedoch wichtig, und hier könne man beispielsweise an den Schulen versuchen, auch innerfamiliäre Diskriminierungen abzubauen.
Laut Kaspar Birkhäuser sind die Grünen damit einverstanden, extreme und undemokratische Tendenzen sowie die Entwicklung von Parallelgesellschaften nicht zu ignorieren und etwas dagegen zu tun. Dies soll vor allem mittels Diskussionen in der Öffentlichkeit erreicht werden. Die bestehenden Stellen bei unseren Behörden genügen, um Rechtswidrigkeiten zu begegnen, weshalb keine zusätzliche Stelle eingerichtet werden soll.
Adrian Ballmer bezieht sich auf Röbi Zieglers Aussagen zu innerfamiliärer Diskriminierung und erinnert an die Aktion "Fairplay at home", welche die Männer dazu bringen wollte, auch einen Teil der Hausarbeit zu übernehmen. Hier wolle man also in die Familie eingreifen, und dies gelte auch für Familien anderer Religionen.
://: Der Landrat beschliesst, das Postulat 2004/316 an den Regierungsrat zu überweisen und gleichzeitig abzuschreiben.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
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