Protokoll der Landratssitzung vom 8. September 2005
Protokoll der Landratssitzung vom 8. September 2005 |
Mittteilungen
Antrittsrede des Landratspräsidenten Eric Nussbaumer
Geschätzte Damen und Herren
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Wir kommen aus den verschiedensten Parteien und wir haben alle beim Amtsantritt ein Gelöbnis abgegeben. Unser Gelöbnis hat zwei Schwerpunkte: Einerseits ist die Verpflichtung enthalten, dass wir unsere politische Arbeit so erledigen, dass Verfassung und Gesetz eingehalten werden. Andererseits betont der zweite Schwerpunkt, dass wir die Pflichten der landrätlichen Arbeit gewissenhaft erfüllen sollen. Zur gewissenhaften Erfüllung des Landratsmandates gehört es, bei Entscheiden im Rat mit Ja oder Nein zu antworten, dies nach Abwägung der Argumente der Befürworter und der Gegner.
Die sorgfältige Abwägung der Argumente bleibt auch in meinem Amtsjahr als Landratspräsident ganz in Ihrer individuellen Verantwortung. Erleichterungen kann ich hier nicht anbieten. Erleichterung in der gewissenhaften Amtsausübung bringt - Technik sei Dank - hoffentlich die neue Audio- und Abstimmungsanlage. Die zentrale Aufgabe Ihres Wirkens wird sich aber trotz der neuen, farbigen Abstimmungsknöpfe nicht verändern. Die parlamentarische Arbeit ist nämlich nicht dadurch getan, möglichst rasch auf den roten oder grünen Knopf zu drücken. Die zentrale Arbeit eines Landrates oder einer Landrätin erfolgt vor dem Knöpfedrücken.
Wir sind Vertreterinnen und Vertreter einer pluralen Gesellschaft. Einige empfinden die dadurch entstandene Vielfalt und Differenz der Lebensentwürfe als Bedrohung. Ich erlebe sie als Reichtum. Die unterschiedlichen Meinungen und Interessen der Einwohnerinnen und Einwohner unseres Kantons in einer Lösung zusammenzuführen, die noch etwas mit Gemeinwohl zu tun hat, ist jedoch immer mehr eine schwierige Aufgabe.
Parlamentarische Arbeit ist darum nicht Selbstzweck. Ihr Ziel ist das Wohl der Menschen. Wir arbeiten an Rahmenbedingungen, die das Gelingen des Lebens begünstigen. Dabei sind wir auf die Mitwirkung der Einwohnerinnen und Einwohner angewiesen. Mit ihnen geht vieles, ohne sie geht nichts. Darum ist es auch wichtig, dass sich der Landrat nicht abschottet, sondern Offenheit zeigt. Mit der Bevölkerung ständig im Gespräch zu bleiben, gehört zu den Merkmalen der Demokratie.
Ich begrüsse an dieser Stelle darum gerne die kleine Zahl von Gästen auf der Tribüne, darunter einige Mitglieder der Verwaltung, die unsere heutige erste Sitzung nach der Sommerpause begleiten. Und ich nehme diese Gelegenheit auch gerne zum Anlass, allen zu danken, die sich - an welcher Stelle auch immer - um andere Menschen in unserem Kanton kümmern und für sie sorgen. Ich erwähne stellvertretend die Mütter und Väter, Frauen und Männer, die - manchmal unbeachtet - Kinder auf ihrem Weg in die Selbständigkeit begleiten, seien es die eigenen Kinder oder die, welche ihnen im Rahmen ihrer beruflichen Verantwortung als Lehrerin oder Lehrer anvertraut sind. Durch ihre Arbeit entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, zur Demokratie gehören das Gewinnen und das Verlieren. Nur, wer beides mit Anstand leisten kann, ist ein wirklicher Demokrat. Zur Demokratie gehört aber auch der kultivierte Streit um den besten Weg für unseren Kanton. Dabei ist die Fähigkeit zum Kompromiss ein wichtiger Bestandteil. Manchmal hat man in unserem Landrat den Eindruck, es gehe bei den Geschäften um "alles oder nichts", winner or looser, Gewinner oder Verlierer. Beobachter sprechen dann von der bekannten Blockbildung. Die Politik gewinnt in diesem Moment keinen Schritt an Anerkennung. Gute Politik denkt nicht in der Kategorie "alles oder nichts", sondern versucht, das Spannungsverhältnis zwischen individueller Freiheit, mehr Gerechtigkeit für alle und einer solidarischen Lebensweise zu entdecken, vielleicht sogar zu lösen, zumindest aber in kleinen Schritten zu gestalten.
Ich wünsche mir, dass sich der Landrat wieder näher an den Kern der politischen Lösungssuche heranwagt. Kein Block in der politischen Landschaft sollte glauben, er werde den grossen Wurf dann schon noch hinkriegen, wenn er nur standhaft an seiner ideologischen Ausrichtung festhält. Der grosse Wurf gelingt uns und unserem Kanton, wenn die Leute im Kanton merken, worin wir uns in unseren Schwerpunkten unterscheiden, worauf wir aber trotz dieser klaren Unterscheidung zielen, nämlich eine Lösung zu finden, welche im Interesse aller oder im Interesse von sehr vielen ist, die in diesem Kanton leben und arbeiten. Kompromisse sind kein Selbstzweck, sondern sie erhalten ihre Sinnhaftigkeit, wenn sie auf die Lösung von Problemen ausgerichtet sind, welche die Menschen beschäftigen. Unsere Wählerinnen und Wähler erwarten deshalb zu Recht, dass wir in diesem Sinne miteinander diskutieren, aber sie erwarten vor allem, dass wir nicht nur reden, sondern auch Handlungswege aufzeigen.
Wir schaden unserem Kanton und unserer Bevölkerung, wenn wir keine tragfähigen Kompromisse finden, die in Handlungen münden können. Wenn wir im politischen Wettstreit die eigentliche Fragestellung aus den Augen verlieren und darum die wirklichen Probleme nicht mehr bewältigen können, stehen auch in unserem Kanton wirtschaftliche, ökologische und soziale Errungenschaften auf dem Spiel.
Ich habe in diesem Zusammenhang eine persönliche Bitte an Sie alle: Mir ist bewusst, wie zeitaufwändig die Arbeit einer Landrätin oder eines Landrates ist. Sich a jour zu halten ist anspruchsvoll und nicht immer einfach. Gerade darum aber ist es wichtig, dass wir nicht nur auf jene hören, die uns wöchentlich mit Standpunkten, Positionspapieren und Lobbybriefen meist eindrucksvoll, vierfarbig und nachdrücklich ihre Interessen darlegen und im Zweifel auch Proteste und geschickte Kampagnen organisieren können, sondern dass wir bei unseren Entscheidungen vor allem auch an jene denken, die dies alles noch nicht oder nicht mehr können, nämlich an unsere Kinder und Jugendlichen, unsere Alten, kranke Menschen und Menschen mit einer Behinderung. Ich wünsche mir und uns als Politiker darum in dieser lauten und leider auch unbarmherzigen Welt die Sensibilität, die notwendig ist, um auch die ganz leisen Stimmen in unserem Kanton noch hören zu können.
Politikerinnen und Politiker sind Gott sei Dank auch nur Menschen, mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren Empfindsamkeiten und Irrtümern. Wir wissen nicht alles, wir können nicht alles. Wir können aber alle gewissenhaft arbeiten. Ich meine, Landrat sein zu dürfen, hat nichts mit Lässigkeit zu tun. Wenn das spürbar wird, werden die Menschen die Gewissheit bekommen, dass wir sie verstehen, dass wir uns Mühe geben, dass wir es ernst meinen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Regierungsräte, der Streit, die emotionalen Reden und die engagierten Auseinandersetzungen in diesem Saal sind für einen leidenschaftlichen Politiker, wie ich es bin, nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern auch eine Notwendigkeit. Man hat mir einmal gesagt, politische Reden haben den Charakter einer Handlung, wenn sie anstössig sind. Ich lade sie ein, politische Reden zu halten, Reden, die sich mit den Argumenten des Gegners auseinander setzen und nicht nur ihre eigene Position in unzähligen, blumigen Worten umschreiben. Zu lange und langweilige Reden macht auch die neue Audioanlage nicht besser.
Ich wünsche uns allen auch im dritten Jahr dieser Amtsperiode viel Leidenschaft, ehrliche Konfliktfähigkeit, ehrliche Bemühungen um den richtigen Weg sowie allen Fraktionen ein grosses Mass an Verantwortungsgefühl.
[Die Rede wird mit grossem Applaus verdankt.]
Instruktion über die neue Audio- und Abstimmungsanlage
Eric Nussbaumer informiert die Landratsmitglieder darüber, welche Knöpfe zu drücken sind, wenn jemand eine Wortmeldung anmelden möchte oder wenn abgestimmt wird. In einem Abstimmungs-Probelauf beschliesst der Landrat mit 61:14 Stimmen bei 9 Enthaltungen, dass am heutigen Tag keine Gewitter über das Baselbiet ziehen werden. Die Abstimmungsresultate werden auf vier Bildschirmen im Landratssaal angezeigt.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer, Landeskanzlei
Fortsetzung