Protokoll der Landratssitzung vom 8. Mai 2008

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2008-089 vom 10. April 2008
Motion von Jürg Wiedemann, Grüne Fraktion: Sperrung von "festzeit.ch"
- Beschluss des Landrats am 8. Mai 2008: < abgelehnt >

Nr. 510

Die Regierung lehnt laut Regierungsrat Urs Wüthrich (SP) die Motion ab, weil sie nicht die Absicht habe, eine Bildungsgesetzrevision einzuleiten, eine Gesetzesänderung mit dem Inhalt «Die Internetseite festzeit.ch und ähnliche sind an den Schulen zu sperren» in die Vernehmlassung zu schicken und dann dem Parlament eine Vorlage zu unterbreiten - natürlich stets unter der Voraussetzung, dass dann diese Seite überhaupt noch existiert.


Die Haltung der Regierung gründet auf folgenden Aspekten:


1. Mit der aktuellen, generellen Grundfilterung wird sichergestellt, dass effektiv gefährliche Seiten, die an den Schulen und an den Arbeitsplätzen in den Büros des Kantons nichts zu suchen haben, nicht zugänglich sind.


2. Die Sperrung einzelner Problemseiten wäre eine willkürliche Auswahl aus einer breiten Palette vergleichbarer Internetangebote. Jüngere Leute können aus dem Stand mindestens ein Dutzend ähnlicher Seiten aufzählen. Wird an einer einzelnen Seite ein Exempel statuiert, wäre das ähnlich, wie wenn an den Schulen, statt eines generellen Rauchverbots, einfach nur der Konsum von Marlboro- Zigaretten verboten wäre.


3. Wo, wenn nicht an den Schulen, besteht die Chance, den verantwortungsbewussten Umgang mit den neuen Medien zu üben? Wo sonst lassen sich die Risiken thematisieren? Es gibt ein breites Beratungsangebot, und aufgrund der Diskussionen zum Thema «festzeit.ch» hat die Bildungsdirektion den Auftrag herausgeben, zielgerichtete Präventionsangebote an den Schulen zu schaffen.


4. Die Missbräuche, die bislang im Zusammenhang mit «festzeit.ch» zu disziplinarischen Massnahmen geführt haben, sind alle ausserhalb der Schulen begangen worden.


5. Die Schule haben die Möglichkeit, - wie in allen anderen Bereichen des Unterrichts - Spielregeln zu definieren und durchzusetzen; und die Lehrpersonen können mit den entsprechenden Werkzeugen jederzeit überprüfen, ob diese Spielregeln eingehalten werden.


Fazit: Der Regierungsrat will sicherstellen, dass das unverzichtbare Arbeitsinstrument Internet genutzt werden kann - mit all seinen Chancen, aber auch seinen Risiken und Nebenwirkungen.


Im Zusammenhang mit der Diskussion zum Thema «festzeit.ch an den Schulen» ist es an der Zeit, drei Illusionen auszuräumen:


1. Illusion: «Es gibt Schulen, die diese Seite erfolgreich gesperrt haben». - Die Nachfragen an baselstädtischen Gymnasien, am Gymnasium Liestal und an den KV-Schulen haben gezeigt, dass diese Seite trotz Sperrung von einigermassen gewieften Usern absolut problemlos angewählt werden kann: via Proxy-Server gelangen sie recht einfach auch auf gesperrte Seiten. Erkundigt man sich bei Jugendlichen danach, erntet man entweder Gelächter, oder man erhält den Hinweis: «Hier chillen alle fröhlich auf festzeit.ch!» Auch andere technische Einschränkungen hinken gewöhnlich der Realität hinterher, sind doch das Know-how und die Kreativität der Jugendlichen sehr hoch.


2. Illusion: «Ein Klick genügt, und die Seiten sind gesperrt.» - Die BKSD-Informatikabteilung hat sehr detailliert zusammengestellt, was für Massnahmen nötig sind, um die Seite an allen heutigen Sekundarschulstandorten - mit der beschriebenen, höchst relativen Wirkung - zu sperren: Es entstünden einmalige Hardware- Kosten von CHF 100'000, jährlich wiederkehrende Software -Kosten von rund CHF 60'000 sowie Arbeitsleistungen im Umfang von 56 Mann-/Frau-Tagen.


3. Illusion: «Es gibt Dutzende von Anzeigen in Zusammenhang mit 'festzeit.ch'.» - Laut Auskünften der Jugendanwaltschaft sind im Jahr 2006 sechs Anzeigen eingegangen, im Jahr 2007 eine und im Jahr 2008 bisher noch keine. Zudem ist «festzeit.ch» in der Zwischenzeit für die Juga zu einem nützlichen Ermittlungsinstrument geworden.


Die ganze Thematik ist letztlich keine technische, sondern eine ganz grundsätzliche Frage: Lautet der Grundsatz im Baselbiet «Schulen am Netz» oder «Schulen vom Netz»? Man könnte den Schulen einfach ein paar Lern-CDs zur Verfügung stellen, und dann wären die Probleme vom Tisch. Gerade die FDP-Fraktion muss sich klar werden, ob diese Problematik aus einer liberalen Grundhaltung betrachtet werden soll oder mit einer Taliban-Optik.


Eva Chappuis (SP) ist, wie der grösste Teil der SP-Fraktion, gegen die Überweisung der Motion. Sie taxiert die Flughöhe als völlig verfehlt: Die vorgeschlagene Massnahme, eine Gesetzesänderung, ist zur Lösung eines Problems an den Schulen absolut ungeeignet. Die Internetseite «festzeit.ch» ist gewiss nicht geeignet für den Einsatz an Schulen, sondern sie hat dort an sich nichts verloren. Aber genau so wie diese Seite haben auch Abertausende anderer Internetseiten keine Berechtigung, an Schulen geöffnet zu werden. Flächendeckende Zensur ist aber grundsätzlich abzulehnen - Presse- und Meinungsfreiheit lassen grüssen!


Es ist die Aufgabe der Lehrkräfte, den Unterricht so stark in der Hand zu haben, dass Auswüchse vermieden werden können. Natürlich kann nicht jeder «festzeit.ch»-Zugriff eruiert werden - das ist auch gar nicht nötig: Schon früher wurden längst nicht alle beim Spicken erwischt.


Jürg Wiedemann (Grüne) hofft, dass ihm alle Anwesenden darin zustimmen, dass «festzeit.ch» keinen pädagogischen Wert hat. Sie wird vielmehr von ihrem Betreiber selbst als für unter 16-Jährige ungeeignet bezeichnet. Aber viele der über 90'000 NutzerInnen sind unter 16 Jahre jung; das Durchschnittsalter liegt bei 20,8 Jahren.


Die Seite wird vor allem an den Schulen genutzt. Bei den Primarschülern ist die Anzahl der accounts noch gering; aber kaum treten sie an die Sekundarschule über, lernen sie dort in hoher Zahl den Zugang auf «festzeit.ch». Dass diese Kinder in den Schulen solche accounts einrichten, gilt es zu verhindern.


Wenn die Regierung diese Internetseite mit Marlboro -Zigaretten vergleicht, ist das sehr irritierend, denn der Zigarettenmarkt teilt sich auf viele mehr oder weniger gleich starke Marken auf, aber bei diesen Internet-Treffpunkten ragt «festzeit.ch» ganz klar heraus: sie wird um ein Vielfaches häufiger angewählt als sämtliche anderen vergleichbaren Seiten. Es ist nicht eine Seite unter vielen, sondern die Seite, die von den Jugendlichen flächendeckend, immer und überall, angewählt wird. Eine Sperrung dieser Seite an den Schulen kann verhindern, dass die SchülerInnen, vor allem die jüngsten, an den Sekundarschulen einfach eigene accounts eröffnen können - und so lassen sich auch einige Probleme im Elternhaus vermeiden.


Bei einem traditionellen Unterricht mit einem Informatiklehrer und zwanzig Computern in einem Raum besteht eine gewisse Kontrollmöglichkeit, aber bei einem individualisierten Unterricht mit Gruppenarbeit in verschiedenen Räumen eines Schulhauses (z.B. in der Bibliothek) ist eine Kontrolle schlicht nicht möglich. Sehr häufig werden Zwischenstunden in der Bibliothek verbracht; auch dann haben die Kinder Zugang zu den Computern, ohne Kontrolle durch Lehrpersonen. Wird die Seite gesperrt, führt dies zu einer Entlastung der Lehrkräfte, weil sie dann nicht dauernd Polizist spielen müssen.


Wer hat dem Regierungsrat bloss erzählt, die Kosten seien immens? Soll eine Seite auf dem Direktions-Router gesperrt werden, ist dies viel weniger aufwändig, als wenn dies auf den Hunderten Router der einzelnen Schulen geschehen würde. Die Sperrung von «festzeit.ch» in der BKSD-Informatik sollte ein Leichtes sein. Wenn nicht, gibt es nur zwei Gründe: Entweder beschäftigt die Direktion ganz schlechte Informatiker - dann sollten diese schleunigst ersetzt werden -, oder dem Regierungsrat ist ein Bär aufgebunden worden.


Der Einwand, sehr geübte Schüler könnten die Sperrung allenfalls umgehen, ist nicht ohne weiteres zu widerlegen. Aber es ist ein grosser Unterschied, ob die breite Masse Zugriff auf die Seite hat oder nur einzelne SchülerInnen. Das Sperren von «festzeit.ch» würde einen wesentlichen Beitrag zum Jugendschutz leisten und wäre eine sinnvolle Massnahme, der zuzustimmen sich lohnt.


Thomas de Courten (SVP) und die SVP-Fraktion sind erstaunt darüber, dass sich der Landrat mit diesem Thema befassen muss. Die Fraktion ist diesbezüglich gespalten. Der eine Teil hat kein Verständnis für die von Jürg Wiedemann geschilderten Zustände in den Schulzimmern und ist der Meinung, dieses Problem sollte eigentlich an den Schulen in den Griff bekommen werden. Es kann nicht darum gehen, nur die Seite «festzeit.ch» allein zu sperren; die Motion verlangt schliesslich die Sperrung auch von weiteren, ähnlichen Seiten, die von Schülerinnen und Schülern missbräuchlich im Unterricht verwendet werden.


Der andere Teil der Fraktion fragt sich: Kann es tatsächlich Gegenstand einer Gesetzesrevision sein, diese Situation zu bewältigen? Die SVP-Fraktion ist üblicherweise bekannt dafür, nicht für jedes Problem gleich ein Gesetz zu schaffen bzw. zu ändern; und hinter die Wirkung einer solchen Gesetzesbestimmung müssen ebenso wie hinter die Kosten Fragezeichen gesetzt werden.


Trotz dieser Überlegungen hat sich die Fraktion grossmehrheitlich dazu entschlossen, die Motion zu unterstützen. Denn es geht darum, den Schulen und den Lehrkräften in dieser Frage den Rücken zu stärken. Der Landrat sollte ein klares Signal abgeben, dass er nicht damit einverstanden ist, wenn Jugendliche während des Unterrichts so viel Zeit auf solch fragwürdigen Internetseiten verbringen. Die Lehrer und die Schulen müssen durchgreifen können, und dabei sollte der Landrat ihnen behilflich sein.


Bea Fünfschilling (FDP) hat die Motion unterschrieben, weil sie genau mitbekommt, dass diese Seite die von den Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe absolut am meisten genutzte Internetseite ist. Es geht nicht an, auf eine Sperrung dieser Seite zu verzichten mit der Begründung, die Jugendlichen würden sonst einfach auf andere Seiten ausweichen. Wenn es möglich ist, zu verhindern, dass Jugendliche in der Schule sich auf «festzeit.ch» einloggen, dann ist schon ganz viel erreicht.


Im Zusammenhang mit dieser Motion muss ganz klar die Frage im Vordergrund stehen: «Wofür ist die Schule da?» Den Kindern weiterhin die Zugangsmöglichkeiten zu dieser Seite offenzulassen und die Verantwortung für die Kontrolle ganz auf die Lehrkräfte abzuschieben, ist zynisch.


Die bevorstehende Schulharmonisierung in der Nordwestschweiz misst der individuellen Förderung der Schüler(innen) einen hohen Stellenwert bei. Das bedeutet, dass für jedes einzelne Kind ein Lernprogramm erstellt wird, dass die Lehrpersonen mit einzelnen Kindern gezielt arbeiten, während andere Schüler(innen) alleine arbeiten. Es ist also gar nicht möglich, die Jugendlichen durchs Band weg zu kontrollieren, zumal sie enorm schnell sind, wenn es darum geht, die «festzeit.ch»-Seite anzuwählen. Selbst in Klassen mit einem guten Klima dauert es nur wenige Minuten, bis bei der Arbeit im Informatikraum die ersten Jugendlichen sich auf dieser Internetseite eingeloggt haben. Gewisse Lehrkräfte fordern bereits die grundsätzliche Abschaltung des Internet an den Schulen; sie möchten die Schüler(innen) nur noch in Word und Excel unterrichten. Wer das möchte, kann die Motion auch ablehnen, wer nicht, sollte ihr unbedingt zustimmen.


Jacqueline Simonet (CVP) hat die Motion ebenfalls mit unterzeichnet und gibt bekannt, dass die CVP/ EVP-Fraktion einstimmig für die Überweisung stimmen werde. Die «festzeit.ch»-Seite ist nicht irgend eine Internetseite: Über 90'000 Personen sind dort registriert.


Zwar verlangt die Motion tatsächlich eine Form von Zensur - das kann niemandem wirklich sympathisch sein -, aber es ist keine absolute Zensur, sondern sie beschränkt sich auf die Schule: deren Zweck ist es nämlich ganz bestimmt nicht, dass dort Seiten wie «festzeit.ch» konsumiert werden. Dafür gibt es in der Freizeit noch genügend Gelegenheiten.


Neue Fragestellungen verlangen nach neuen Antworten. In der Schule gab es schon seit jeher für ganz bestimmte Gelegenheiten Bücher, Comics, Gesellschaftsspiele - aber selbstverständlich wurden sie nicht dauernd während des regulären Unterrichts eingesetzt. Eine solche Einschränkung ist in Bezug auf «festzeit.ch» aber kaum möglich: sobald die Computer eingeschaltet sind, kann auch eine sehr gute Lehrperson nicht gewährleisten, dass jeder Schüler und jede Schülerin das tut, was von ihm bzw. von ihr erwartet wird.


Dieses neue Phänomen bedarf einer Lösung, und diese besteht in der Sperrung dieser Seite an den Schulen. Prävention ist der CVP/EVP-Fraktion ein wichtiges Anliegen, was auch im heute eingereichten Postulat 2008/123 - Schutz vor Cyberbullying - zum Ausdruck kommt.


Prävention gehört zum Auftrag der Schule, auch wenn nicht immer alle Bemühungen fruchten. Leider nicht immer in gewünschtem Masse lassen sich die Eltern erreichen: Wie oft werden Kurse genau von jenen Eltern besucht, die bereits am Thema interessiert sind, und jene, die man eigentlich erreichen möchte, kommen nicht? Es gibt nach wie vor Eltern, die vom Problem «festzeit.ch» keine Ahnung haben.


Spricht man mit Jugendlichen über das Thema, merkt man bald, wie gross die Faszination von «festzeit.ch» ist: Dort findet man sämtliche Freunde und Kolleginnen. Es ist schon schwierig, den Jugendlichen klar zu machen, dass sie nicht allzu viel von sich preisgeben sollten.


Laut einer Zeitungsmeldung vom 2. Mai 2008 wurde das Thema «festzeit.ch» an einer Sekundarschule im Baselbiet bereits zu einem solchen Problem, dass alle frei zugänglichen Computer entfernt wurden. Computer gibt es dort nun nur noch in den Schulräumen und in den Informatikräumen, und die Schüler können nur noch unter Aufsicht einer Lehrperson im Internet surfen. Gruppenarbeiten am Computer sind also nicht mehr möglich - das darf doch eigentlich nicht sein! Wer will, dass die Jugendlichen lernen, sich zu organisieren, individuell oder in Gruppen zu arbeiten, muss ihnen dies vereinfachen, indem man sie nicht allen ablenkenden Versuchungen aussetzt. Deshalb sagt die CVP/EVP-Fraktion Ja zur Motion.


Klaus Kirchmayr (Grüne) will nicht direkt pro oder contra «festzeit.ch» Stellung nehmen - diesbezüglich ist er gespalten -, kann sich aber nicht zurückhalten, noch etwas zu den Kosten zu sagen. Falls es zur Sperrung einer einzigen Webseite wirklich 56 Manntage und CHF 100'000 Hardware-Kosten braucht, widerspräche dies jeder gängigen Erfahrung mit EDV-Infrastrukturen vergleichbarer Grösse. Stimmen diese Angaben, besteht ein dringend zu prüfendes Einsparungs-Potenzial; stimmen sie nicht, sind schlicht falsche Fakten präsentiert worden.


Röbi Ziegler (SP) kann nachvollziehen, dass für Unterrichtende die Faszination des Internets und seiner bisweilen pädagogisch fragwürdigen Inhalte nervig ist und ihnen mitunter sogar den Unterricht versaut. Aber ob der in der Motion verlangte Schritt der richtige ist, ist fraglich.


«festzeit.ch» ist so etwas wie ein virtueller Jugendtreffpunkt. Jugendtreffpunkte funktionieren nach ganz bestimmten Regeln: Wenn ein solcher Treff durch permanente Polizeipräsenz aufgelöst wird, dauert es 36 Stunden, und er hat sich in einen Park oder zu einer Tankstelle oder sonst wohin verlagert. Mit den virtuellen Jugendtreffpunkten wird es nicht anders sein: Wird einer sabotiert oder unzugänglich gemacht, entsteht anderswo sehr bald ein neuer.


Bei Gruppenarbeiten kommt es oft vor, dass die Schülerinnen und Schüler etwas anderes tun, als was ihnen vorgegeben worden ist - und zwar mit oder ohne Internet.


Das ist ein methodisches Problem, das sich jeder Lehrkraft stellt und das diese eigentlich lösen können sollte.


Eva Chappuis (SP) bezieht sich auf die von Jacqueline Simonet zitierte Zeitungsnotiz vom 2. Mai 2008: Die betreffende Schulleitung hat auf Nachfrage bestätigt, dass zwar alle frei zugänglichen Computer weggeräumt worden seien, und zwar schon vor Monaten - aber beileibe nicht wegen «festzeit.ch», sondern aus einem anderen Grund. Als Nebeneffekt gibt es jetzt auch keine Probleme mit «festzeit.ch».


Dass bei einer Sperrung sofort auf einen anderen virtuellen Spielplatz ausgewichen würde, ist selbstverständlich. Den Betreibern von «festzeit.ch» würden, wenn die Zugriffszahlen einbrechen, Sponsorengelder entgehen, und deshalb wären sie gezwungen, das Angebot neu zu organisieren, d.h. unter einem anderen Namen, beispielsweise unter «festzeit2.ch» aufzuschalten - und somit finge der ganze Zirkus wieder von vorne an; da kann man sperren, soviel man will.


Die Kritik an den Kantons-Informatikern erscheint reichlich fehl am Platz. Wer ihnen vorwirft, sie seien unqualifiziert, möge bitte bedenken, dass es auch unqualifizierte Lehrer und unqualifizierte Landräte gibt - und die Kombination von beidem gibt es auch! [Heiterkeit]


Madeleine Göschke (Grüne) ergänzt Bea Fünfschillings Frage, wofür die Schule eigentlich da sei, mit der Frage: Wofür sind eigentlich die Lehrerinnen und Lehrer da? Ist es ihre Aufgabe, Polizeifunktionen zu übernehmen? Sie haben wichtigere Funktionen und einen anderen Auftrag.


Früher, im Vor-Handy- und Vor-Internet-Zeitalter, gab es nur Spicken und Streiche-Spielen; vom Schwänzen wurde nur selten Gebrauch gemacht [Heiterkeit] - das ist nicht vergleichbar mit der heutigen Situation, wo die Lehrerschaft dauernd kontrollieren muss. Damit geht wertvolle Zeit verloren.


Über die Flughöhe, auf welcher der Landrat diskutiert, staunt Rolf Richterich (FDP). Diese Diskussion hat er vor einigen Wochen im Schulrat der Sekundarschule und des Gymnasiums Laufen geführt - das ist der richtige Ort dafür. Die Schulleitung hat beantragt, ein Reglement für die Nutzung der Computerräume zu erlassen. Eine Sperrung von «festzeit.ch» wurde ausdrücklich nicht gewünscht: Das sei gar nicht ein so grosses Problem, und zudem müssten die Jugendlichen lernen, mit dem Internet umzugehen.


Der Landrat sollte nun zu einem Entscheid kommen und mit Diskutieren aufhören.


Der SVP-Fraktion scheint offenbar allmählich die Munition für ihre Effilex-Forderungen auszugehen. Denn ein «festzeit.ch»-Verbot im Bildungsgesetz wäre bestimmt in fünf Jahren bereit zur Entsorgung. [Heiterkeit]


Die Mehrheit der FDP-Fraktion lehnt die Motion ab.


Daniel Wenk (FDP) betont, wenn der direkte Weg zu «festzeit.ch» gesperrt würde, dann fänden die Interessierten schleunigst einen Umweg zu ihrem Ziel.


Eine generalstabsmässige Übung in Form einer Gesetzesänderung wäre absolut unverhältnismässig.


Siro Imber (FDP) hält fest, eine Motion bezwecke die Änderung der Verfassung bzw. den Erlass oder die Änderung eines Gesetzes. Dazu gehören Vernehmlassungen und, weil mit Bestimmtheit die Vierfünftelmehrheit im Landrat verfehlt würde, sogar eine Volksabstimmung über die Frage, ob diese Internetseite gesperrt werden solle. [Heiterkeit]


Schon einen Tag nach dieser Abstimmung wird, davon kann sicher ausgegangen werden, die Seite «festzeit2.ch» aufgeschaltet werden. Die Motion ist schlicht «daneben»!


Christine Gorrengourt (CVP) weist darauf hin, worum es eigentlich gehe: um eine Internetseite, die für unter 16-Jährige nicht geeignet ist. Während der Unterrichtszeit sollten sie diese nicht anwählen können. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sie sie nicht zuhause doch besuchen - aber dies ist dann in der Verantwortung der Eltern, nicht der Lehrkräfte.


In der Schule sollen sich die Schüler(innen) auf den Schulstoff konzentrieren, und deshalb ist «festzeit.ch» an den Schulen zu sperren. Die Seite wird deshalb nicht verschwinden.


Urs Berger (CVP) berichtet, dass die meisten Ausbildungsbetriebe im Kanton den Zugang zu «festzeit.ch» gesperrt hätten, weil diese Seite schlicht nichts mit der Ausbildung zu tun habe. Das ist ein deutliches Zeichen der Wirtschaft, das für die Überweisung der Motion spricht.


Christine Mangold (FDP) bittet sich zu überlegen, welches Signal der Landrat mit seinem heutigen Entscheid aussenden möchte.


An einer Podiumsveranstaltung hat der Betreiber von «festzeit.ch» neulich selber gesagt, seine Seite sei für unter 16-Jährige nicht geeignet, und das solle auch so bleiben. Nun kommt der Bildungsdirektor daher und sagt Ja zu «festzeit.ch» an den Schulen.


Widerspruch von mehreren Mitgliedern: Das hat er nicht gesagt!


Jedenfalls wolle der Regierungsrat die Seite nicht sperren, insistiert Christine Mangold (FDP). Die Sekundarschulen werden aber von lauter unter 16-Jährigen besucht. Für diese wäre es ein sehr seltsames Signal, wenn der Landrat weiter zuliesse, dass «festzeit.ch» an diesen Schulen weiterhin angewählt werden kann.


Die Botschaft, die damit vermittelt würde, wäre etwa so widersprüchlich, wie wenn das Alkoholverbot für unter 16-Jährige mit der Parole «Freibier für alle» durchgesetzt werden sollte.


Jacqueline Simonet (CVP) empfindet es als sehr resigniert, wenn man einfach davon ausgeht, die Internetseite werde nach ihrer Sperrung halt von «festzeit2.ch» abgelöst. Das würde heissen, dass es sich gar nicht mehr lohnt, irgend etwas zu verbieten. Das ist doch kein Argument! Unter 16 Jahren ist diese Seite nicht geeignet, also sollte sie an den Sekundarschulen nicht zugänglich sein.


Daniele Ceccarelli (FDP) weigert sich, am Erlass eines Gesetzes mitzuarbeiten, in dem steht, «festzeit.ch» an den Schulen sei verboten.


Die «festzeit.ch»-Betreiber reiben sich bestimmt die Hände, weil der Landrat stundenlang über ihre Seite diskutiert - das ist die beste Gratis-Werbung!


Rosmarie Vögelin (SP) hat einen 15-jährigen Sohn. Er ist Sekundarschüler und hat ein «festzeit.ch»-Profil. Als Mutter erwartet sie von ihm, dass er sich während der Schulzeit nicht auf dieser Seite aufhält, und von den Lehrkräften und von der Schulleitung, dass sie dies durchsetzen und dafür sorgen, dass die Jugendlichen in der Schule etwas lernen. Dafür ist aber nicht der Landrat zuständig.


Regierungsrat Urs Wüthrich (SP) reiht sich zu guter Letzt auch noch in die Gratis-PR-Gruppe für «festzeit.ch» ein. Schliesslich, so bemerkt er sarkastisch, müsse man dafür sorgen, dass es die Seite noch gebe, wenn sie dann endlich verboten werden soll. [Heiterkeit]


Der Bildungsdirektor sagt, an Klaus Kirchmayr und Jürg Wiedemann gerichtet, er werde seine Direktionsinformatiker selbstverständlich mit dem Protokollauszug konfrontieren. Die beiden Landräte sollen diesen Leuten bitteschön selber ins Gesicht sagen, dass sie unfähig seien.


Die Forderung nach einer «Sperrung der Internetseite 'festzeit.ch' sowie weiterer ähnlicher Seiten » ist etwas gar schwammig. Es ist nicht sicher, ob die Regierung es schafft, wirklich alle ähnlichen Seiten zu erfassen. Das sollte später dann wohl in regelmässigen Standortbestimmungen im Landrat erörtert werden... [Heiterkeit]


Jacqueline Simonet argumentiert widersprüchlich: Sie bedauert, dass viele Eltern gar keine Ahnung vom Problem hätten, will aber gleichzeitig das ganze Thema von den Schulen fernhalten und ganz auf die Eltern abwälzen.


Die Regierung hätte es sich leicht machen, der Scheinsperrung von «festzeit.ch» zustimmen und dafür viel Applaus einheimsen können - aber das wäre zu einfach gewesen. Denn wenn man schon mit «Jugendschutz» argumentiert, sollte man konsequenterweise auch für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren ein Fernsehverbot ab ca. 20:45 Uhr fordern. Was dort gezeigt wird - auf sämtlichen legalen Sendern -, ist auf jeden Fall viel problematischer als «festzeit.ch».


Man sollte sich nicht allzu scheinheilig aufführen, sondern dazu stehen, dass unsere Gesellschaft nebst allen Chancen, welche die neuen Medien bieten, auch mit Risiken konfrontiert ist. Sich damit auseinanderzusetzen, ist Aufgabe der Schule - es wäre völlig falsch, dabei die Kinder sich selbst zu überlassen.


Klaus Kirchmayr (Grüne) anerkennt, Gegner wie Befürworter verfügten über sehr gute Argumente. Er versteht nach wie vor nicht ganz, weshalb die Sperrung der Seite für die Sekundarschulen zentral vorgenommen werden muss. Denn diese Kompetenz müsste eigentlich bei den einzelnen Schulleitungen liegen; sie sollte ihnen vom Kanton übertragen werden.


://: Die Motion 2008/089 wird mit 35:32 Stimmen bei neun Enthaltungen abgelehnt. [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



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