Protokoll des Landrates des Kantons Basel-Landschaft vom 24. Januar 2008
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Protokoll der Landratssitzung vom 24. Januar 2008
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2007-188 vom 28. August 2007
Vorlage: Gesetzesinitiative für die Abschaffung der Fachstelle für Gleichstellung von Mann und Frau
- Bericht der Personalkommission vom 13. Januar 2008
- Beschluss des Landrats am 24. Januar 2008: < Ablehnung beschlossen > || Landratsbeschluss
Nr. 313
Esther Maag (Grüne) bittet die Kommissionspräsidentin, Christine Mangold (FDP), nach vorn und übergibt ihr das Wort: Die Fachstelle für Gleichstellung war bereits mehrmals im Landrat Thema intensiver Diskussionen. So bei Einreichung der SVP-Initiative zur Abschaffung der Fachstelle. Die Motion wurde damals nicht vom Landrat überwiesen. Wiederum wurde über die Stelle diskutiert, als die FDP ein Postulat zur eingehenden Evaluation der Fachstelle einreichte; es sollte geprüft werden, ob eine solche Fachstelle überhaupt notwendig ist. Dieses Postulat wurde vom Landrat überwiesen. Aus der Evaluation ging hervor, dass die Fachstelle massgeblich zur Erreichung der Legislaturziele von Regierung und Parlament in Bezug auf die Gleichstellung beigetragen habe. Zudem ist Gleichstellungspolitik nicht nur eine Idee, die hier im Kanton Baselland besteht und hin und wieder diskutiert wird, sondern sie ist in der Bundes- und Kantonsverfassung festgeschrieben. Als bei dem Evaluationsbericht wiederum intensiv über die Fachstelle diskutiert wurde, konnte man von Regierungsseite hören, dass diese Stelle zu den bestevaluierten Fachstellen des Kantons überhaupt gehöre.
Sie wurde intern und extern evaluiert, es fand eine zweite Evaluation statt, um zu überprüfen, ob die erste objektiv genug war. Die Regierung geht daher - wie bereits damals bestätigt - davon aus, dass Qualität und Arbeit der Fachstelle gut ist. Man ist aber auch davon überzeugt, dass die Arbeit nach wie vor notwendig und sinnvoll ist. Damals wie heute wurde dargelegt, dass sich der Staat aufgrund der Bundesverfassung bei Gleichstellungsfragen der Geschlechter nicht einfach neutral zurückhalten darf, sondern eine aktive und positive Gleichstellungspolitik zu betreiben hat.
Die Kommission ist daher mehrheitlich der Meinung, dass dieser verfassungsmässige Auftrag - Männer und Frauen betreffend - noch nicht in allen Punkten erfüllt ist und beantragt dem Landrat, die formulierte Gesetzesinitiative zur Abschaffung der Fachstelle für die Gleichstellung von Mann und Frau abzulehnen und sie den Stimmberechtigten mit der Empfehlung auf Ablehnung zu unterbreiten.
Auch Rosmarie Vögelin und die SP stimmen der regierungsrätlichen Vorlage zu, welche die Ablehnung der Initiative verlangt. Sie verweist ebenfalls auf die verfassungsmässige Verankerung der Gleichberechtigung auf Bundesebene. Für Gemeinden und den Kanton entsteht daraus die Verpflichtung, für die tatsächliche Gleichstellung zu sorgen. Laut Initianten sind die Ziele der Gleichstellung erreicht, daher erübrige sich die Fachstelle. Schön wärs! Leider - muss man fast sagen - braucht es die Fachstelle für Gleichberechtigung noch. Denn der gesetzliche Auftrag, die Gleichstellung in allen Lebensbereichen zu erreichen, ist noch nicht erfüllt. Gezielte Massnahmen sind nach wie vor notwendig. Es muss weiterhin vorwärts gehen mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Lohngerechtigkeit für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit, wie auch bei der Chancengleichheit in der Berufswahl für Mädchen und Jungen; auf letztere gilt es zudem im Schulsystem vermehrt, ein Augenmerk zu halten. Denn heute ist tendenziell festzustellen, dass junge Frauen dank besserer Schulbildung mehr verdienen als ihre gleichaltrigen Kollegen.
Ein weiteres aktuelles Thema bildet die gerechte Lastenverteilung bei einer Scheidung. Der Druck auf Alleinerziehende ist gross. Die grosse Anzahl Alleinerziehender inklusive Kinder in der Sozialhilfe gebe zu denken. Die fachliche Kompetenz der Fachstelle für Gleichstellung ist also weiterhin gefordert, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Mit einer Aufhebung der Fachstelle riskiert man Stillstand oder gar Rückschritte in Sachen Gleichstellung. Für die SP gibt es kein glaubwürdiges Argument, um dieses Risiko einzugehen.
Karl Willimann und die SVP beantragen Abschaffung der Fachstelle für Gleichstellung, da man der Ansicht ist, die Ziele, die man sich in den letzten zehn Jahren gesetzt hat, seien erreicht. Die Gleichstellung ist bei der einheimischen Bevölkerung, in Verwaltung und Betrieben anerkannt und wird praktiziert. Sie ist in der Verfassung verankert. Die bestehende Gleichstellungskommission genügt, um das Erreichte zu sichern und Neues vorzuschlagen. Der Betrag von einer halben Million Franken, welchen die Fachstelle pro Jahr kostet, könne somit eingespart werden.
Zwar wurde eine Evaluation durchgeführt, und das Evaluationsgutachten sei positiv ausgefallen - ja es hiess, die Existenz der Fachstelle für den Kanton sei lebenswichtig, meint er sarkastisch. Ganz anders töne es aber in der - wahrlich nicht 'rechtsverdächtigen' - Sonntagszeitung, welche vermelde, bei nüchterner Betrachtung sei die Gleichstellung bei uns erreicht und auf eine spezielle Stelle könne verzichtet werden.
Dass die Initiative richtig ist, kann man seines Erachtens an den Aktivitäten der Fachstelle ablesen. In der letzten Zeit gehe es vor allem um Feinschliff und Feinjustierung am Bisherigen. Es würden 'Gleichstellungsübungen' in der Verwaltung durchgeführt. Dies sei relativ einfach, da man es sich unter der Schirmherrschaft des Regierungsrates gefallen lassen müsse und niemand den Mut habe, den Übungen politisch entgegen zu treten. Eine schöne Tätigkeit sei auch, sich mit den 'Kinderlein' zu beschäftigen und den Schulen ein Genderbüchlein zu schicken, mokiert er sich, indem er zwei "tiefschürfende Empfehlungen" daraus zitiert.
Aber auch mit Blick auf das Jahresprogramm 08 dieser Fachstelle werden einmal mehr Grundlagen und Planungsberichte erarbeitet und natürlich biete man Schulungsangebote zu Gender- und Gleichstellungsfragen an.
Nach Meinung der SVP ist dies aber zu wenig. Die effektiven Gleichstellungsprobleme werden in der Gesellschaft verdrängt und nicht angegangen, poltert er weiter. Die 'linken Feministinnen' von CVP bis SP, die in diesen Gremien das Sagen haben, stecken vor den eigentlichen Problemen den Sand in den Kopf. Darunter fallen beispielsweise Zwangsheiraten, mit welchen viele Migrantinnen aus muslimischen Ländern konfrontiert sind, Beschneidungen, Kleiderzwang, häusliche Gewalt, repressiver Umgang von Männern mit Frauen, elterliche Verbote für die Teilnahme im Sport- und Schwimmunterricht bei Mädchen usw. [aufmerksames Schweigen im Saal]. All das seien für die Fachstelle und die Gleichstellungskommission sehr unangenehme Fakten, die nicht in ihre 'heile' Gleichstellungswelt hineinpassen und vor denen man sich daher verschliesse.
Die 'Partei mit dem christlichen C' fordert er fragend heraus, wie es denn in der katholischen Kirche mit der Gleichstellung von Mann und Frau steht, z. B. bei der Priesterweihe, die den Frauen nicht zugänglich ist. Als Ordensschwestern dürften sich die Frauen bestenfalls vor dem lokalen Bischof oder vor dem "grossen Manitu" in Rom niederknieen, spottet er und diesen im wahrsten Sinne des Wortes anbeten [Unruhe; teils Empörung, teils Belustigung - die Landratspräsidentin bittet mittels Glocke zur Ruhe]. In der Pfarrei reiche es den Frauen bis in den Bereich der Haushälterin des katholischen Pfarrers und dann sei Ende der Fahnenstange. Diesbezüglich hätten die 'CVP-Genderaktivistinnen' bisher nichts unternommen, stellt er fest, denn andernfalls würde mit Exkommunikation gedroht. In der Gleichstellung freue man sich an Gender-Sandkastenspielen. Das sei zu bequem und nicht konsequent. Die Fachstelle habe keine Existenzberechtigung mehr, ohne sie würde zudem eine halbe Million pro Jahr gespart, die an einem besseren Ort, beispielsweise in der Bildung, eingesetzt werden könnte.
Die Landratspräsidentin bittet um Mässigung in Bezug auf persönliche Angriffe.
Die Zielsetzung der Gleichstellung ist in der FDP-Fraktion unbestritten, vermeldet Petra Schmidt . Sehr viele Aufgaben sind bereits erfüllt, was auch der externe Bericht so bestätigt. Die Meinungen in der FDP sind zwar etwas geteilt, jedoch einiges pragmatischer als die soeben gehörten. Ein Teil der FDP- Fraktion ist der Auffassung, die Aufgaben und Pflichten der Fachstelle seien weitestgehend erfüllt - es brauche sie daher nicht mehr - und weitere aus Sicht der FDP unbestrittene Kontrollfunktionen könnten auch durch die Gleichstellungskommission aufrechterhalten und gewährleistet werden. Der andere Fraktionsteil findet, zur Festigung der erreichten Ziele und zur langfristigen Sicherung der bisherigen Anstrengungen sollte die Fachstelle erhalten bleiben. Über den Stellenumfang der Fachstelle muss die entsprechende Direktion entscheiden. Trotz geteilter Meinung in der FDP wird die Initiative grossmehrheitlich unterstützt.
Da die Kommissionspräsidentin, ihre Vorrednerinnen und Vorredner die Pro- und Kontra-Argumente zur Gesetzesinitiative bereits umfassend dargelegt und ausgewalzt haben, beschränkt sich Birgitta Rebsamen (CVP) auf einen Aspekt in Zusammenhang mit der Initiative, der ihr speziell aufgefallen ist: Die SVP begründet ihre Initiative damit, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sei eine Selbstverständlichkeit. Die Ziele der Gleichstellung seien in den letzten zehn Jahren in allen Gesellschaftsbereichen erreicht worden. Schaut sie nun in die Reihen der SVP, so wird sie zwar eine sehr grosse Fraktion gewahr, die für sich in Anspruch nimmt, sie repräsentiere das Volk. Die Fraktion zählt 21 Mitglieder, wovon aber nur 3 Frauen sind. Dies entspricht einem Frauenanteil von unter 15 %. In der Bevölkerung aber macht der Frauenanteil ca. 50 % aus. Sitzen einmal auf den Landratsstühlen der SVP annähernd so viele Frauen wie Männer, so könne man wieder über die Abschaffung des Gleichstellungsbüros reden. In der Zwischenzeit lehnt die CVP-/EVP-Fraktion die Gesetzesinitiative ab.
Auch Christoph Frommherz und die Grüne Fraktion lehnen die Initiative ab. Die Infragestellung der Fachstelle für die Gleichstellung von Mann und Frau scheint in diesem Parlament trotz besseren Wissens nach wie vor ein Dauerbrenner zu sein. Vor ca. einem Jahr lieferte der Regierungsrat einen Bericht zur Arbeit der Fachstelle ab, in welchem drei Evaluationen zusammengefasst wurden,. und kam zum Schluss, dass die Fachstelle gute Arbeit leistet und auch weiterhin nötig ist, da noch nicht alle Gleichstellungsziele erreicht sind. Auch eine Neuausrichtung der Fachstelle auf mehr Koordinationsaufgaben wurde gefordert und eine bessere Abgrenzungen gegenüber der Gleichstellungskommission. Die Untersuchungen ergaben u.a., dass der Kanton im Gleichstellungsindex von Platz 19 auf Platz 11 vorgerückt ist, was sehr erfreulich ist. Zug hingegen, welches die Fachstelle abgeschafft hat, fiel auf Platz 21 zurück.
Die Arbeit der Gleichstellungs-Fachstelle ist noch nicht erledigt. Dazu genügt auch ein Blick in die Chefetagen. Im Kanton BL gibt es rund 11 % Frauen in den Chefetagen, im Nachbarkanton sind es 20 %. Ein weiteres Beispiel: Die Löhne sind auf kantonaler Ebene in der Verwaltung erfreulicherweise ziemlich angeglichen, in der Wirtschaft wohl kaum. Es stellen sich auch neue Aufgaben, so etwa, wie bereits erwähnt, im Bildungsbereich, wo festgestellt wurde, dass höchstwahrscheinlich zwischenzeitlich eine gezielte Förderung der Buben erfolgen muss, was - nebenbei bemerkt - der SVP entgegen kommen dürfte, wenn sie ihren Sitzanteil an männlichen Parlamentariern halten möchte. Insgesamt lehnt man die Initiative klar ab und empfiehlt der SVP deren Rückzug.
Abschluss der Vormittagsdebatte
Fortsetzung der Beratungen dieses Geschäfts >>>
Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei
Fortsetzung