Protokoll der Landratssitzung vom 8. Juni 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 8. Juni 2006 |
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2005-224
vom 8. September 2005
Motion:
von Karl Willimann: Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Wald
- Beschluss des Landrats < als Postulat überwiesen >
Nr. 1893
Regierungsrat Erich Straumann führt aus, warum der Regierungsrat bereit ist, die Motion als Postulat entgegenzunehmen: Bereits das heutige Waldgesetz schreibt in § 29 vor, dass die Einwohnergemeinden die Bürgergemeinden zu unterstützen und Abgeltungen für im Wald erbrachte Allgemeinleistungen zu entrichten haben. Die Motion zielt darauf ab, dass der Kanton im Falle einer nicht zustande kommenden Einigung zwischen den beiden Parteien die Höhe der zu entrichtenden Abgeltung festlegt. Eine Entgegennahme der Motion würde die Bereitschaft der Gemeinden zu diesem Vorgehen voraussetzen. Die Regierung möchte daher den Vorstoss als Postulat entgegen nehmen, um im Rahmen der laufenden Revision des Waldgesetzes die geforderten Punkte nochmals zu diskutieren. Allerdings glaubt Erich Straumann, dass sich die Einwohnergemeinden über allfällige Vorschriften des Kantons in Bezug auf die zu entrichtende Abgeltung nicht freuen werden. Betreffend private Waldbesitzer bestehe im Übrigen noch eine Lücke.
Karl Willimann verweist darauf, dass der Erholungsfaktor des Waldes nicht nur am Banntag Bedeutung hat. Heutzutage habe der Wald eine viel breiter gefasste Erholungsfunktion als noch vor 50 Jahren. Er erinnert an die diversen Sportveranstaltungen, die im Wald durchgeführt werden. Der Ertrag, den der Wald abwirft, reicht den privaten Eigentümern oder den Einwohnergemeinden nicht aus, um den Wald so zu unterhalten, wie es aus forstwirtschaftlicher Sicht getan werden sollte, was zu Problemen führt. Idée de manoeuvre wäre nun eine den Forderungen der Motion entsprechende Ergänzung des Waldgesetzes. Im Übrigen, entgegnet er Erich Straumann, sei im Vorschlag für einen neuen Absatz 3 (§ 29) nicht nur die Rede von der Einwohnergemeinde, sondern auch von den Waldeigentümern, worunter die Privaten zu verstehen seien.
Heute gebe es sehr viele unterschiedliche Vereinbarungen zwischen Einwohnergemeinden und Waldeigentümern, welche an einzelnen Orten nicht funktionierten. Der Motionär gibt zu und findet es unschön, dass durch die Vorschrift des Kantons den Gemeinden ein Stück der hoch gehaltenen Autonomie weggenommen wird. Die Motionäre sind aber der Ansicht, dass die vorgeschlagene Regelung die Bereitschaft der Einwohnergemeinden und der privaten Waldeigentümer, bilaterale Vereinbarungen zu erzielen, vergrössern könnte. In diesem Sinne möchte er den Vorstoss als Motion aufrechterhalten.
Urs Hintermann ist mit der SP gegen die Überweisung des Vorstosses, sowohl als Motion wie als Postulat. Hauptbegründung: Diese Änderung braucht es nicht. Bereits heute gibt es eine Bestimmung, nach welcher besondere Leistungen abgegolten werden. Man begrüsst diese Handhabung und findet sie richtig. Braucht es in einem Wald Einrichtungen wie Feuerstellen, Bänke etc., so werden diese besonderen Aufwendungen heute durch die geltenden Bestimmungen bereits abgedeckt. Nun soll es neu für die Gemeinden einen Zwang zu Leistungsvereinbarungen geben, egal ob solche nötig sind oder nicht. Noch schlimmer: es soll eine wesentliche Ausweitung der abzugeltenden Leistungen stattfinden. Man sei auf bestem Wege, denselben Fehler zu machen, den man bereits bei der Landwirtschaft begangen hat. Man gehe davon aus, dass der Waldnutzer beliebig, sozusagen ohne Rücksicht, nutzen darf, und anschliessend soll man ihm dann die verlangte und auch erbrachte schonende Nutzung, bitteschön, auch noch abgelten. So wird in der Motion u.a. «eine schonende Fäll- und Räumpraxis» als abzugeltende Leistung aufgeführt. Dies sei klar abzulehnen, da jeder Waldbesitzer selbst die Verantwortung für eine schonungsvolle Nutzung und Fällung trage. Das müsse weissgott nicht noch speziell abgegolten werden.
Weiter sind ganz spezielle Massnahmen in Bezug auf «die Sicherung der Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren» durchaus zu begrüssen. Wolle man aber beispielsweise irgendwo einen Niederwald für bestimmte Tierarten haben, so sei dies bereits mit heutigem Gesetz machbar und kann auch abgegolten werden. Ansonsten brauche es keine Entschädigung. Pflanzen und Tiere gab es bereits im Wald, lange bevor es ein Gesetz gab, und deren Vielfalt könne durchaus durch eine angemessene, vernünftige Waldbewirtschaftung erhalten werden.
Noch absurder scheint Urs Hintermann der nächste Satz, in welchem die «Sicherung der Trinkwasser-, Staubfilter- oder Luftreinhaltefunktion des Waldes» genannt wird. Was, lautet seine rhetorische Frage ans Ratsplenum, macht ein Waldbesitzer, um die Sicherung der Staubfilter- oder Luftreinhaltefunktion des Waldes zu fördern? - Das machen die Bäume ganz allein, und dafür muss nichts entschädigt werden. Er sieht nicht ein, warum zwangsweise neue Abgaben eingeführt werden sollen.
Nochmals betont er, die SP sei nicht gegen die Entschädigung von Waldbesitzern für die Erbringung von speziellen Leistungen. So habe man sich in Reinach vor ein paar Jahren für eine spezielle Waldrandpflege entschieden, um diese ganz besonderen Lebensräume zu erhalten. Das Ganze kostet jährlich ca. 50'000.- Franken, die von der Einwohnergemeinde bezahlt werden. Die Abgeltung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, kann aber problemlos im Rahmen des heutigen Waldgesetzes erfolgen. Dazu braucht es keine zwangsweise Verpflichtung der Gemeinden zu Leistungsvereinbarungen. Er gibt seiner Hoffnung Ausdruck, die Präsidentin des VBLG werde im Folgenden auch die Sicht der Gemeinden zu dieser Frage noch darlegen.
Rolf Richterich unterstützt mit der FDP mehrheitlich die Überweisung des Vorstosses als Postulat. Für die Motion konnte keine Mehrheit gefunden werden, da man weder die vorgeschlagene Neuformulierung des Gesetzes noch die Begründung für ganz geglückt hält. Mittels Postulat sollten erst Abklärungen gemacht werden.
Christian Steiner von der CVP/EVP-Fraktion spricht sich grundsätzlich für die Überweisung als Motion aus. Nachdem sich aber plötzlich gewisse Zerrüttungserscheinungen bemerkbar gemacht haben, sieht er ein wenig schwarz und möchte allenfalls später nochmals auf den Entscheid zurückkommen. In seiner Begründung der Motion gibt er Urs Hintermann ein stückweit Recht und meint, in dem Text seien alle Leistungen des Waldes aufgelistet worden. Darin eingeschlossen sind auch einige ökologische Leistungen - Luftfiltern, Trinkwasserreservoir usw. -, die dieser aus ureigener Kraft erbringt. Bereits aber, wenn es darum gehe, etwa die Artenvielfalt zu erhalten, so werde dem Waldbesitzer eine besondere Leistung abverlangt.
Nun wisse man, dass sich Bund und Kanton langsam aus diesen Entschädigungsverpflichtungen hinausschleichen. Den Gemeinden seien aber gewisse Massnahmen schmackhaft gemacht worden, so etwa die Erstellung eines Reptilienschutzgebietes. Man habe Einbussen in Kauf genommen im Wissen, dass Kanton und Bund bezahlen. Nun ziehen diese sich langsam zurück. Die Gemeinde möchte zwar das Naturschutzgebiet behalten, erhält dafür aber nicht die einst vereinbarte Entschädigung.
Ein dritter Punkt ist das öffentliche Betretungsrecht des Waldes. Alle Personen dürfen sich im Wald aufhalten. Jede Interessengruppe leitet gleichzeitig aus diesem Betretungsrecht irgend ein Nutzungsrecht ab, die Sportler, Pilzler, Jäger usw. All diese Ansprüche führen zu Aufwand für den Waldbewirtschafter respektive den Grundeigentümer, und man ist der Meinung, der Grundeigentümer habe ein Anrecht auf eine gewisse Entschädigung; dies ist auch der Hauptgrund für die Motion.
Man will die Gemeinden nicht überfahren, findet aber, im Rahmen der Bearbeitung der Motion könne der Kontakt mit den Gemeinden gesucht und diese somit frühzeitig mit eingebunden werden.
Nachdem nun aber die FDP die Motion nicht mehr stützt und nur noch die SVP und CVP übrig bleiben, befürchtet Christian Steiner, dass alles bachab geht. Er möchte daher die weiteren Voten abwarten und dann eventuell nochmals auf seinen Entscheid zurückkommen, um die Umwandlung in ein Postulat in Aussicht zustellen.
Marianne Hollinger unterstützt vor allem Urs Hintermanns Votum. Ein zusätzliches Gesetz braucht es nicht. In § 29 Waldgesetz ist geregelt, dass die Einwohnergemeinden für besondere, von den Waldbesitzern zu erbringende Leistungen, angemessene Beiträge zu entrichten haben. Sie appelliert an ihre Ratskolleginnen und -kollegen, den Einwohner- und Bürgergemeinden zuzutrauen, dass diese ihre Aufgaben gemeinsam lösen können. Kantonsvorschriften seien nicht nötig. Sollte man aber auf Kantonsseite der Meinung sein, die Waldbesitzer sollten für gewisse ausserordentliche Leistungen unterstützt werden, so glaubt sie, müsste konsequenterweise auch der Kanton die Kosten übernehmen. Das wiederum, nimmt sie an, will weder das Parlament noch die Regierung. Das Gesetz genüge. Sie persönlich plädiert dafür, weder die Motion noch das Postulat zu überweisen.
Jürg Degen hatte als Mitmotionär in seiner Fraktion als Einzelgänger einen einsamen Stand. Nun habe er aber eine Handvoll Leute gewinnen können, die bereit wären, den Vorstoss als Postulat zu überweisen. Inhaltlich kann er sich Christian Steiner und Karl Willimann anschliessen.
Christian Steiner und die CVP/EVP-Fraktion haben sich entschieden, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
Urs Hintermann findet einen einzigen positiven Punkt in der ansonsten stark von ihm kritisierten Vorlage. Er stellt ein Umdenken in der SVP fest, die sich grundsätzlich immer gegen Abgeltungen gegenüber Basel-Stadt wehre. Da der Kanton Basel-Stadt einer der grössten Waldbesitzer vor allem im unteren Kantonsteil ist, sei positiv zu vermerken, dass die SVP erstmals bereit ist, von der Stadt erbrachte Leistungen mit einem Vorstoss abzugelten.
Eric Nussbaumer weist angesichts der bald auslaufenden Zeit seines Präsidialjahres ein letztes Mal auf den Bürobeschluss hin, welcher fest hält, dass bei gemeinsamen Vorstössen jeweils der Linksunterzeichnete zuständig ist. Also liegt es an Karl Willimann zu entscheiden, ob der Vorstoss als Postulat überwiesen wird oder nicht.
Karl Willimann erklärt sich mit der Umwandlung in ein Postulat einverstanden.
://: Der Landrat stimmt der Überweisung der in ein Postulat umgewandelten Motion 2005/224 mit 40 : 26 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu.
Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei
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