Protokoll der Landratssitzung vom 27. Oktober 2005
Protokoll der Landratssitzung vom 27. Oktober 2005 |
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2005-151
vom 31. Mai 2005
Vorlage:
EFFILEX: Änderung des kantonalen Gesetzes vom 20. Mai 1996 über die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, des Personaldekrets vom 8. Juni 2000 und des Gerichtsorganisationsgesetzes vom 22. Februar 2001
- Bericht der Kommission vom:
27. September 2005
- Beschluss des Landrates < 1. Lesung beendet >
Nr. 1419
Kommissionspräsidentin Regula Meschberger bemerkt einleitend, der wichtigste Punkt in der Revision des kantonalen Gesetzes über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht betreffe die Zuständigkeit für die Überprüfung der Ausschaffungshaft. Bis heute ist das Präsidium der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsgericht des Kantonsgerichts zuständig. Da die Zahl der Überprüfungen in der Ausschaffungshaft zugenommen hat, wuchs die Belastung des Präsidiums stetig an. Dazu kommt die Problematik der Fristen: Innerhalb von 96 Stunden muss die Überprüfung erfolgen. Lange und intensiv diskutierte die Kommission, ob die Haftüberprüfung tatsächlich, wie es der Regierungsrat vorschlägt, von den GerichtsschreiberInnen übernommen werden soll.
Überzeugen liess sich die Kommission letztlich von den diesbezüglich im Kanton Basel-Stadt gemachten Erfahrungen, wo die GerichtsschreiberInnen seit über 10 Jahren in der Funktion von EinzelrichterInnen über die Ausschaffungshaft befinden.
Als Vorteile erweisen sich die kurzfristige Verfügbarkeit der GerichtsschreiberInnen und ihre Sachkompetenz; zudem garantieren sie damit eine kontinuierliche Rechtsprechung.
Ein Diskussionspunkt war das Antragsrecht des Kantonsgerichts in Bezug auf die Wahl von GerichtsschreiberInnen zu EinzelrichterInnen; dies wurde von einzelnen Mitgliedern der Kommission als Eingriff in den Kompetenzbereich des Landrates empfunden. Letztlich aber stimmte die Kommission dem Antragsrecht mit der Begründung zu, die Eignung für die Aufgabe müsse von sachverständiger Seite abgeklärt werden.
Mit 8 Stimmen gegen 1 Stimme bei 3 Enthaltungen beantragt die Justiz- und Polizeikommission dem Landrat, der Revision des kantonalen Gesetzes über die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht und den daraus folgenden Änderungen im Personaldekret sowie dem Gerichtsorganisationsgesetz die Zustimmung zu erteilen.
Ursula Jäggi spricht von einer veritablen Baustelle im Ausländerrecht auf Bundesebene und fügt bei, der Kanton schliesse sich mit Effilex dieser Baustelle an. Die vorliegende Änderung will, dass künftig neben dem Präsidenten der Abteilung Verfassuns- und Verwaltungsgericht auch GerichtsschreiberInnen als EinzelrichterInnen zur Überprüfung der Ausschaffungshaft eingesetzt werden können.
Die SP vertritt die Auffassung, in der Justiz sei eine klare Rollenverteilung notwendig. Es ist davon auszugehen, dass sich die Rolle von GerichtsschreiberInnen grundlegend ändert, wenn sie zur Überprüfung der Ausschaffungshaft eingesetzt werden. Die Wahl durch den Landrat verleiht den GerichtsschreiberInnen die notwendige Legitimation.
Der SP entgeht nicht, dass die grosse Zahl von Überprüfungen für das Präsidium eine grosse Belastung darstellt. Allerdings ist die Zahl Asylsuchender rückläufig, weshalb nicht, wie in der Vorlage festgehalten, von einer stetig steigenden Fallzunahme auszugehen ist.
Die Frage der Ernennung von GerichtsschreiberInnen zu EinzelrichterInnen hat die SP sowohl in der Kommission wie in der Fraktion intensiv diskutiert. Ausschlaggebend für die Zustimmung des regierungsrätlichen Vorschlags war letztlich die Anhörung des Appellationsgerichtspräsidenten Basel-Stadt und einer dort für die Überprüfung der Ausschaffungshaft zuständigen, als Einzelrichterin fungierenden Gerichtsschreiberin. Bereits 1995 erliess die baselstädtische Regierung provisorische Einführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg. In der Zwischenzeit ist diese Verordnung durch ein Einführungsgesetz abgelöst worden. Als Vorteil der heutigen Lösung in Basel wurde unter anderem auch angeführt, dass die GerichtsschreiberInnen in die Organisation der Gerichte eingebunden sind; zwar sind sie als EinzelrichterInnen weisungsunabhängig, unterstehen aber der Aufsicht des Gerichts.
Was die Ausstattung des Amtes für Migration mit polizeilichen Befugnissen anbelangt, kann der Landrat davon ausgehen, dass die in § 4 Absatz 2 beschriebene Festhaltung durch das Amt für Migration von der SP in Zweifel gezogen wird.
Trotz der kritischen Anmerkungen hat sich ein kleine Mehrheit der SP für Eintreten auf die Effilex-Vorlage ausgesprochen.
Dieter Völlmin führt aus, die Vorlage stehe zwar unter dem Titel Effilex, habe aber aus materieller Sicht mit Effilex nichts zu schaffen. In Tat und Wahrheit geht es um - je nach Standpunkt - grössere oder kleinere Ritzungen im Bereich der Gewaltentrennung.
Neu ist, dass, erstmals im Kanton Basel-Landschaft, GerichtsschreiberInnen formell richterliche Funktionen zugespochen erhalten. Dieser Wandel hat mit Gewaltentrennung zu tun, denn GerichtsschreiberInnen werden weder vom Volk noch vom Landrat, sondern vom Gericht
gewählt. Deshalb wehrte sich die SVP gegen diesen Schritt, fürchtet auch ein unbedingt zu vermeidendes Präjudiz und müsste sich auf Basis dieser grundsätzlichen Überlegungen an sich gegen die Vorlage aussprechen.
Andererseits liegt es in der Tradition des Kantons, dass günstige und effiziente Lösungen pragmatisch angesehen werden. Trotz grosser Bedenken stimmt die SVP deshalb der Vorlage zu, zumal sie sich hat überzeugen lassen, dass auch der Beizug von nebenamtlichen RichterInnen unbefriedigend wäre.
Sicherlich ist es nicht Sache des Kantonsgerichtspräsidenten, sich ausschliesslich dieser Routinefälle anzunehmen. Materiell dürfte sich überdies wenig ändern, denn schon heute basierte der Kantonsgerichtspräsident auf dem Know-how und den Vorbereiterungen der GerichtsschreiberInnen.
Die SVP stimmt der Gesetzesänderung nur unter der Voraussetzung zu, dass damit kein Präjudiz für andere Bereiche geschaffen wird. Nicht einverstanden wäre die SVP, wenn in Zukunft argumentiert würde, nachdem sich das Vorgehen bewährt habe, könnte es nun auch auf anderen Gebieten zur Anwendung kommen.
Mühe hat die SVP mit dem zweiten Sündenfall, dass nämlich die Wahl dieser Gerichtsschreiberinnen durch den Landrat auf Antrag des Kantonsgerichtes basieren soll. Dieses Vorgehen käme einem rein formellen Durchwinken des Landrates gleich und bedeutete eine weitere Gewichtsverschiebung weg vom Landrat hin zur Judikative.
Die SVP bedauert den Schritt, schluckt aber die Kröte und stimmt dem Antrag der Regierung zu.
Zu den Bemerkungen im Bericht, eine Fraktion werde aus Protest gegen das Ausländerrecht dagegen stimmen und die Ausschaffungshaft sei Ausdruck einer menschenunwürdigen Politik: Für die SVP hat die Ausschaffungshaft nichts mit Menschenunwürdigkeit zu tun, vielmehr wird damit das Recht vollzogen. Die Ausschaffungshaft dient dazu, die Rechtsordnung durchzusetzen.
Daniele Ceccarelli spricht der Präsidentin, Regula Meschberger , vorab ein grosses Komliment für den ausgezeichneten, umfassenden, sämtliche Probleme der Materie darlegenden Bericht aus. Ein Kompliment geht auch an Kantonsgerichtspräsident Peter Meier für seine grosse Arbeit im Bereich der Ausschaffungshaft. Im Jahre 2004 hat Peter Meier - nebenbei nota bene - mehr als 200 Fälle erledigt.
Konsens bestand in der Kommission, dass der Kantonsgerichtspräsident nicht fachliche, sondern kapazitätsbezogene Unterstützung benötigt. Im Klaren war sich die Kommission auch, dass mit dem geplanten Schritt keine neuen Richterstellen geschaffen werden und dass die nebenamtlichen RichterInnen nicht so schnell verfügbar sind wie die GerichtsschreiberInnen. Einig war man sich mit Blick nach Basel, dass die GerichtsschreiberInnen wirklich die Personen der Wahl wären.
Dissens bestand im Wahl-Vorschlagsrecht durch das Kantonsgericht. Allerdings ist der Vorschlag durch das Kantonsgericht folgerichtig, zumal die Wahl letztlich doch beim Landrat liegt. Ist der Landrat der Meinung, eine Person eigne sich nicht, steht einem Nein nichts im Wege.
Die FDP spricht sich für Eintreten aus und heisst die Anträge des Regierungsrates einstimmig gut.
Elisabeth Schneider -Schneiter führt aus, dass die Rechtsprechung künftig durch GerichtsschreiberInnen wahrgenommen werden sollte, habe in der Fraktion doch einiges Kopfzerbrechen verursacht. Die Kommissionsberatung förderte dann allerdings zu Tage, dass die Lösung mit einer klaren Effizienzsteigerung einher gehen kann, dass das Präsidium entlastet werden kann, die Vorlage kostenneutral ausfällt und sich die vorgeschlagene Lösung in Basel bereits bewährt hat. Wer in dieser Weise eine Güterabwägung vornimmt, kommt um die Zustimmung nicht herum.
In Anlehnung an das Votum von Dieter Völlmin will Elisabeth Schneider-Schneiter aber festgehalten haben, dass die Lösung als Ausnahme und keinesfalls als Präjudiz zu betrachten ist.
In diesem Sinne spricht sich die CVP/EVP-Fraktion für Eintreten auf die Vorlage aus, stellt selbst keine Anträge und wird allfällige Anträge anderer Fraktionen ablehnen.
Kaspar Birkhäuser stellt fest, dass der Antrag der Regierung letztlich einer besseren Abwicklung der Zwangsmassnahmen dient. Diese Zwangsmassnahmen sind nach Ansicht der Grünen Ausdruck einer falschen Ausländerpolitik der Schweiz, die ihrerseits als Mosaiksteinchen der europäischen Abschottungspolitik gegen Migrantinnen und Migranten aus der Welt des Südens dient. Wie verfehlt die Abschottung der Reichen gegen die Armen ist, zeigten innerhalb der vergangenen Wochen die Vorgänge in Seouta und Melvilla.
1994 beteiligten sich die Grünen aktiv am Referendum gegen die Zwangsmassnahmen und auch 1996 setzen sie sich im Abstimmungskampf ein. Diesen Kampf haben die Grünen verloren. Seither wird die Asylpolitik der Schweiz immer enger und schlimmer. Die Fallzunahme von Prüfungen durch das Kantonsgericht stieg von 20 im Jahre 1994 auf 210 im Jahre 2004 und spiegelt deutlich die ungute Entwicklung. Welche menschlichen Tragödien sich im Rahmen dieser Überprüfungen abspielen, konnte die Justizkommission im Rahmen der Behandlung der Vorlage von einem zuständigen Beamten erfahren. Kaspar Birkhäuser gingen diese Berichte unter die Haut; für die heutige Asylpolitik der Schweiz schämt er sich. Gegen jeden Versuch, die Zwangsmassnahmen noch effizienter zu gestalten, wehren sich die Grünen, sie nehmen die Rolle des Sands im Getriebe dieser Ausschaffungsmaschinerie wahr.
Aufgrund dieser grundsätzlichen Überlegungen wird die grüne Fraktion gegen Eintreten auf die Effilex-Vorlage stimmen.
Sabine Pegoraro bedankt sich trotz der geäusserten Bedenken, für die sie Verständnis aufbringt, für die insgesamt gute Aufnahme der Vorlage.
In der JPK herrschte Konsens, dass das Präsidium des Kantonsgerichts im Bereich der Ausschaffungshaft dringend auf Entlastung angewiesen ist. Mit der Vorlage kann diese Entlastung geschaffen werden.
Als Präsident der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht und als Präsident des Kantonsgerichts übt Peter Meier an sich schon eine sehr zeitaufwändige Doppelfunktion aus. Dazu kommen die nicht planbaren Ausschaffungsfälle, im Jahre 2004 waren es mehr als 200 Fälle. Wegen der gesetzlich vorgegebenen, sehr kurzen Frist muss der Kantonsgerichtspräsident bei jedem Ausschaffungsfall seine Arbeit liegen lassen und den Ausschaffungsfall bearbeiten.
Eine Abnahme der Fälle ist nicht zu erwarten, zumal der Bundesgesetzgeber im Rahmen der Asylrechtsrevision neue Haftgründe eingeführt hat.
In Basel-Stadt steht ein vergleichbares Modell seit Jahren erfolgreich in Kraft.
Die staatsrechtlichen Bedenken von Dieter Völlmin zum Vorschlagsrecht des Kantonsgerichts versteht die Justizdirektorin, doch hält sie den Vorschlag für eine pragmatische Lösung. Das Kantonsgericht kennt ihre GerichtsschreiberInnen am besten, weshalb davon ausgegangen werden darf, dass die vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten die benötigten Voraussetzungen mitbringen.
Dass Bestimmungen zum Schutz der Mitarbeitenden im Amt für Migration eingeführt werden, freut die Justizdirektorin. In ihrer täglichen Arbeit sind die Mitarbeitenden des Amtes gewissen Risiken ausgesetzt; mit der Revision können Verbesserungen in diesem Bereich erzielt werden.
RR Sabine Pegoraro bittet den Rat, den vorgeschlagenen gesetzlichen Änderungen zuzustimmen.
- Eintreten
://: Der Landrat tritt mit 58 gegen 8 Stimmen bei 5 Enthaltungen auf die Vorlage ein.
- Gesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländrrecht
Kein Wortbegehren
://: Damit ist die 1. Lesung abgeschlossen.
- Dekret zum Personalgesetz (Personaldekret)
Keine Wortmeldung
://: Der Landrat stimmt der Änderung des Personaldekrets mit 64 zu 6 Stimmen bei 5 Enthaltungen zu.
- Gesetz über die Organisation der Gerichte und der Strafverfolgungsbehörden
Gerichtsorganisationsgesetz (GOG)
Keine Wortmeldung
://: Damit ist die 1. Lesung abgeschlossen.
Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei
Fortsetzung