Protokoll der Landratssitzung vom 6. Mai 2004

Nr. 564

13 2003/286
Interpellation von Madeleine Göschke vom 13. November 2003: Krankenkassenprämien-Verbilligung dem Prämienschub anpassen. Antwort des Regierungsrates

Für RR Adrian Ballmer ist bei der Prämienverbilligung das Ziel wegleitend, wirtschaftlich Schwächere bei der Finanzierung der Krankenversicherungs-Grundprämie zu unterstützen. Das bei der Einführung des KVG gesteckte landrätliche Ziel, Haushalte mit niedrigen Einkommen und Haushalte mit Kindern stärker zu entlasten, wird erreicht. Mit der geltenden Regelung werden einerseits höhere Einkommen von der Verbilligung ausgeschlossen und die dadurch frei werdenden Mittel werden für Personen und Familien mit niedrigeren Einkommen eingesetzt. Ein Viertel der gesamten Prämienverbilligung wird heute an Haushalte mit einem massgebenden Einkommen unter 50'000 Franken ausbezahlt. An Haushalte mit einem massgebenden Einkommen unter 35'000 Franken wird gesamthaft mehr als die Hälfte des Gesamtbetrages ausbezahlt.
Weil die Krankenkassenprämien im Verlaufe der vergangenen Jahre massiv angestiegen sind, erhöhte der Regierungsrat 2003 die Richtprämie für Kinder von 50 auf 65 Franken, um Familien mit Kindern gezielt zu entlasten. Dazu kommen Verbesserungen für bestimmte Personengruppen. Versicherte können neu sofort eine Neuberechnung der Prämienverbilligung verlangen, wenn im Vorjahr gegenüber der Steuerveranlagung Veränderungen des Einkommens um 20 Prozent eingetreten sind oder sich die Familienverhältnisse geändert haben. Auch können seit der Gesetzesrevision Personen mit kleinerem Vermögen und geringem Einkommen eine Prämienverbilligung beziehen, indem 20 Prozent des steuerbaren Vermögens zum massgebenden Einkommen gezählt werden. Bei den allein Erziehenden werden zudem die zu versteuernden Kinderalimente bei der Berechnung der Krankenversicherungsprämienverbilligung vom massgebendem Einkommen abgezogen.
Die vom Bund ermittelten Durchschnittsprämien betragen im Kanton Basel-Landschaft für das Jahr 2000 285 Franken für Erwachsene, 219 Franken für junge Erwachsene und 73 Franken für Kinder. Baselland liegt im gesamtschweizerischen Mittelfeld, deutlich tiefer als Basel-Stadt, wo die Durchschnittsprämie statt bei 285 Franken bei 377 Franken liegt, für junge Erwachsene bei 304 und für Kinder bei 95 Franken.
Die Versicherten werden somit im Baselbiet mit weniger Mitteln gleich stark oder stärker entlastet als in Kantonen mit hohen Durchschnittsprämien. Diese Kantone müssen höhere Beträge verteilen, um eine mit Baselland vergleichbare Wirkung zu erzielen. Die für 2004 budgetierte 106 Millionen Franken Prämienverbilligungsbeiträge entsprechen einer Ausschöpfung der maximal verfügbaren Mittel von 84 Prozent. Basel-Stadt und Bern beanspruchen 100 Prozent der Bundesbeiträge, Zürich 80 Prozent, Solothurn 70 und Graubünden 60 Prozent.
Dazu kommt, dass die in Anspruch genommenen Bundesgelder mit einem entsprechenden Betrag aus dem kantonalen Haushalt ergänzt werden müssen. Eine Maximierung der beanspruchten Bundesgelder führt automatisch zu einer Mehrbelastung der Kantonsfinanzen. Beispiel: Der 2004 ins Budget eingestellte Betrag beläuft sich auf 106 Millionen Franken, davon finanziert der Bund 62,1 Millionen und der Kanton 43,9 Millionen. Bei voller Ausschöpfung der Bundesgelder, müsste der Kanton einen Betrag von 126,8 Millionen zur Verfügung stellen; davon gingen gut 75 Millionen zu Lasten des Bundes und 51,1 Millionen zu Lasten des Kantons; somit entständen bei voller Ausschöpfung für den Kanton Mehrkosten von 7,1 Millionen Franken. Der Regierungsrat ist der Auffassung, dass dies angesichts der angespannten Finanzlage des Kantons nicht vertretbar und nicht notwendig ist. Bereits im Rahmen der ersten Lesung des Budgets 2004 hat der Regierungsrat deshalb beschlossen, auf eine Erhöhung der Richtprämien bei der Krankenversicherungsprämie für das Jahr 2004 zu verzichten. Zudem ist der Regierungsrat der Auffassung, dass die Versicherten nach wie vor über ausreichende Sparmöglichketen (Wechsel zu kostengünstigeren Versicherungsmodellen, höhere Franchise, Wechsel der Kasse) verfügen, um den Prämienanstieg selber aufzuhalten.

Madeleine Göschke dankt einleitend dem Regierungsrat, nachdem ihr der Landrat die Diskussion bewilligt hat.
Die Landrätin ist von den regierungsrätlichen Antworten zwar nicht überrascht, aber auch nicht befriedigt. Ein sparsamer Umgang mit den Mitteln ist sicherlich nötig, noch wichtiger aber ist, dass die vorhandenen Mittel sehr sorgfältig eingesetzt werden. Konkret bedeutet dies, dass Personen mit niedrigen Einkommen wirksam unterstützt werden und dafür gesorgt wird, dass kein Geld an Personen ausgeschüttet wird, die es gar nicht brauchen.
Seit der letzten Änderung des Prozentanteils fliesst deutlich weniger Geld an kleinere Einkommen. Dazu kommt der Anstieg der Prämien von 7 Prozent im vergangenen Jahr und weiteren 7 Prozent, wenn alle Veränderungen mitberechnet werden. Eine vierköpfige Familie mit einem Jahreseinkommen von 60'000 Franken bezog vor zwei Jahren 3090 Franken, heute erhält sie noch 1890 Franken - oder 40 Prozent weniger. Gleichzeitig - und dies ist das besonders Störende - erhält eine Familie mit einem Einkommen von 150'000 Franken in einer Zweimillionen-Villa Prämienverbilligung, wenn sie ihr steuerbares Einkommen durch Abzüge der Hypothekarzinsen, der Unterhaltskosten und durch Einzahlungen in die dritte Säule auf 80'000 Franken drückt. Da wundert es nicht, dass gegen 50 Prozent aller Haushalte im Kanton heute Krankenkassenprämienverbilligungen beziehen.
Subventionen sollen dort ausbezahlt werden, wo sie nötig sind. Die Ausrichtung nach dem Giesskannenprinzip ist zu vermeiden. Heute erhalten hohe Einkommensbezüger dank Steuerabzügen bei Immobilien Krankenkassenprämienverbilligungen. Die grüne Fraktion erwartet von der Regierung eine Korrektur dieser Verhältnisse, zumal die nächste Prämienverbilligung mit Bestimmtheit eintreffen und wegen Tarmed höher ausfallen wird, als prognostiziert.

Eric Nussbaumer erkennt in der Interpellation eine Fragestellung, die vom Regierungsrat eine klarere Antwort erfordern würde. Das System kann durchaus kritisiert werden, grundsätzlich aber funktioniert es korrekt. Nicht korrekt ist, dass der jährliche Prämienschub, der durch die jährliche Anpassung der Bundesmittel vergünstigt wird, vom Baselbieter Regierungsrat ignoriert wird, indem er die Richtprämienanpassung unterlässt. Einem Prämienschub müsste zwingend zumindest auch die Anpassung der Richtprämien folgen.
Der Regierungsrat wird gebeten zu erklären, warum es im Sinne der Bundesmittelsteigerung nicht möglich sein soll, auch die Richtprämien anzupassen.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



Dass sich die Krankenkassenprämien-Verbilligung seit 1996 nach den Steuergrundlagen richtet, ist für Regierungsrat Adrian Ballmer zwar vielleicht nicht ideal, aber wahrscheinlich optimal. Es handelt sich um eine einfache Lösung, wobei im konkreten Fall auch Leute in den Genuss von Prämienverbilligungen kommen können, die es effektiv nicht unbedingt brauchen. Dies stört auch den Finanzdirektor, aber es gibt keine Möglichkeiten, diese Personen auf Grund der Steuerunterlagen herauszufiltern. So hätten beispielsweise Adrian Ballmers eigene Kinder während des Studiums Anspruch auf Prämienverbilligungen gehabt - obwohl sie es nicht nötig hatten.
Bei einem Ja am 16. Mai zum Steuerpaket des Bundes entfallen die Abzüge beim Wohneigentum zugunsten von höheren Abzügen für die Familien.
Bei der letzten Revision wurde stark umgeschichtet, so dass weniger Leute in den Genuss von Prämienverbilligungen kommen. Es kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass in einer der wohlhabendsten Regionen 50 % der Bevölkerung in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen leben; das wäre bei einem Blick über die Grenzen etwas zynisch.
Es besteht ein grosser Unterschied zwischen einer siebenprozentigen Steigerung auf CHF 377 oder auf CHF 285. Die absoluten Beträge müssen immer berücksichtigt werden.
Jedes Jahr steigt im Budget der Betrag für die Krankenkassenprämien-Verbilligung. Und es gibt immer noch wesentliche individuelle Sparmassnahmen, welche die Leute nicht ergreifen. Sie könnten ganz einfach auf günstigere Kassen umsteigen, machen es aber nicht - das spricht dafür, dass der Druck nicht allzu gross ist.

Rita Bachmann findet, bei der Revision 2003 sei darauf geachtet worden, dass Personen mit niedrigerem Einkommen und mit Kindern mehr Ermässigungen erhalten. Der Anteil der Bezugsberechtigten ist stark zurückgegangen. Aber wegen der immer weiter steigenden Teuerung wird auch dieser Anteil wieder anwachsen.
Der Bund überlegt sich zur Zeit, ob nicht verbindliche Richtlinien für alle Kantone geschaffen werden könnten.

Anders als ihre Vorrednerin hält Madeleine Göschke-Chiquet das Resultat der letzten Revision für missglückt. Es gäbe eine gute und einfache Lösung, die zu prüfen wäre: den progressiven Anstieg des Prozentanteils. So könnte mit dem gleichen Aufwand bei tiefen Einkommen besser entlastet werden und bei höheren Einkommen weniger. Das wäre gerechter.

Es stimmt, so Eric Nussbaumer , dass bei der Revision umgeschichtet wurde. Die Interpellation kritisiert aber, dass dieser Pfad nicht weitergegangen wird, indem alles beim Status Quo gelassen und das Modell nicht angepasst wird. Die Richtprämie für die Verbilligung muss angepasst werden, sobald ein Prämienschub erfolgt. Die Verwaltung sollte das nochmals anschauen.

Das würde selbstverständlich dauernd angeschaut, versichert Regierungsrat Adrian Ballmer . Damit beschäftigt sich ein Ökonom jedes Jahr intensiv.
Es stimmt, dass der Bund auch in diesem Bereich, der Sozialpolitik, versucht, den Kantonen hineinzureden. Im Bundesparlament wurde ein Vorstoss für ein so genanntes Sozialziel von acht Prozent beraten - dies wäre fürs Baselbiet keine gute Lösung, weil es genau vorschreiben würde, welches System zur Anwendung kommen müsste. Dagegen haben sich die Kantone zu Recht gewehrt. Der Finanzdirektor ist gerne bereit, diese Überlegungen an einer Kommissionssitzung detailliert zu erläutern.

://: Damit ist die Interpellation beantwortet.

Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



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