Protokoll der Landratssitzung vom 24. September 2009
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2008-270 vom 21. Oktober 2008 Vorlage: Gesetz betreffend öffentliche Filmvorführung und die Abgabe von elektronischen Trägermedien (FTG); Partnerschaftliches Geschäft [1. Lesung] - Bericht der Justiz- und Sicherheitskommission vom 9. September 2009 - Beschluss des Landrats am 24. September 2009 < 1. Lesung beendet > |
Kommissionspräsident Urs von Bidder (EVP) berichtet, mit der von der Regierung am 21. Oktober 2008 verabschiedeten Vorlage soll der Kinder- und Jugendschutz im Bereich der öffentlichen Filmvorführungen - d.h. der Kinos - und der Abgabe elektronischer Trägermedien - d.h. Video, DVD, Computerspiele usw. - gewährleistet werden. Die Belange des Jugendschutzes fallen ausdrücklich in die Zuständigkeit der Kantone, seit das Bundesgesetz über Filmproduktion und Filmkultur in Kraft ist (August 2002). Leider herrscht damit in den Kantonen ein ziemliches Durcheinander. Bis vielleicht in Zukunft einmal eine nationale Medienkommission für eine gewisse Einheitlichkeit sorgen wird, wollen wenigstens Basel-Stadt und Basel-Landschaft mit einer gemeinsam geführten Medienkommission die Alterslimiten für den Zutritt zum Kino bzw. den Verkauf von Trägermedien festlegen. Neu soll die Alterslimite bei besonders harten Darstellungen auch auf 18 Jahre erhöht werden können. Angesichts der heutigen Bedeutung und Verbreitung von Videos, DVDs und Computerspielen wäre eine Beschränkung allein auf den Kinosektor nicht vertretbar.
An dieser Stelle dankt Urs von Bidder, welcher dieses Geschäft noch von seinem Vorgänger Ivo Corvini übernommen hat, den beteiligten Fachleuten der Verwaltung, insbesondere Gerhard Mann, Leiter Bewilligungen, Freiheitsentzug und Soziales, für ihre Mitarbeit. Ausserdem dankt er den Landräten Daniele Ceccarelli (FDP) und Kaspar Birkhäuser (Grüne) für die Mithilfe bei den Verhandlungen. Wertvolle Vor- und Nacharbeiten habe wie immer der Kommissionssekretär Alex Klee geleistet.
Da es sich um ein partnerschaftliches Geschäft mit Basel-Stadt handelt, wurden eine Anhörungsrunde und die erste Gesetzeslesung gemeinsam mit der Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission des Grossen Rates Basel-Stadt durchgeführt. Die weiteren Verhandlungen fanden anschliessend getrennt statt, wobei sich die Kommissionen immer gegenseitig über den aktuellen Stand informierten.
Mit dem unbestrittenen Eintreten anerkannte die Kommission die Notwendigkeit, dass staatliche Massnahmen ergriffen werden, um einerseits die Eltern zu informieren und bei der Auswahl von geeigneten Medien zu unterstützen und andererseits, wo nötig, Regeln für öffentliche Filmvorführungen und den Handel mit Medienprodukten aufzustellen. Nach der Anhörung sämtlicher Branchenverbände war eine klare Zustimmung, auch für die Übernahme der Kosten der Medienkommission durch Gebühren, zu erkennen.
In den beiden Kommissionen gaben vor allem zwei Themenfelder Anlass zu langen, ausführlichen Diskussionen:
- Zutritt in Begleitung einer erziehungsberechtigten Person
Eines der Hauptziele des neuen Gesetzes ist zu verhindern, dass nicht zutrittsberechtigte Jugendliche an der Kinokasse eine beliebige erwachsene Person bitten können, sie mit in die Vorstellung zu nehmen. Im entsprechenden § 5 ist geregelt, dass Kinder und Jugendliche Filme, deren Zutrittsalter sie um nicht mehr als drei Jahre unterschreiten, besuchen dürfen, sofern sie von einer erziehungsberechtigten oder von dieser bevollmächtigten erwachsenen Person begleitet sind. Die Spanne von drei Jahren, um welche das Zutrittsalter unterschritten werden darf, stelle ein Entgegenkommen an Basel-Stadt dar, denn die Baselbieter Kommission votierte ursprünglich für eine Spanne von zwei Jahren. Die beantragte Streichung dieses Paragraphen wurde abgelehnt.
- Strafbestimmungen
Eine intensive Diskussion entbrannte in beiden Kommissionen um die Begriffe "vorsätzlich" und "fahrlässig". Einen Antrag, dass Verstösse gegen Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Falle einer vorsätzlichen Begehung strafbar sein sollen, lehnte die Kommission ab und schuf somit eine Differenz zur baselstädtischen Version. Fahrlässigkeit bedeutet für die deutliche Kommissionsmehrheit, dass jemand "nicht aufpasst", das Gesetz will das Verkaufspersonal aber gerade zum Aufpassen ermutigen und verpflichten. Im ganzen übrigen Verwaltungsrecht ist zudem die vorsätzliche wie auch die fahrlässige Begehung einer Tat strafbar. Die Streichung der Fahrlässigkeit aus § 13 würde nach Ansicht der Mehrheit der Justiz- und Sicherheitskommission die Substanz des Gesetzes aushöhlen, denn der Nachweis der Vorsätzlichkeit sei sehr schwierig zu erbringen.
Eine Kommissionsminderheit beantragte, statt des Film- und Trägermediengesetzes ein reines Kinogesetz zu verabschieden. Der Medienkonsum sei nicht regulierbar und der Kanton müsse daher von gesetzgeberischer Seite aus auf das vorgeschlagene Gesetz verzichten. Die grosse Mehrheit der Kommission lehnte diesen Antrag jedoch ab. Sie ist der Ansicht, Video-, DVD- und Computerspiele-Shops dürften nicht einfach aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Ausserdem wäre es ein fragwürdiges Zeichen der Politik gegenüber dem Handel, wenn sie auf die Regelungen, die mit den Branchenverbänden abgesprochen sind, verzichten würde.
Wie bereits oben dargelegt, wurde in den Kommissionsberatungen eine materielle Differenz zwischen dem basellandschaftlichen und dem baselstädtischen Gesetz geschaffen. Nach Ansicht der Kommission und gemäss der betreffenden Vereinbarung zwischen Basel-Landschaft und Basel-Stadt ist es am Landrat zu entscheiden, ob er ein Differenzbereinigungsverfahren einleiten möchte bzw. ob auf Partnerschaftlichkeit des Geschäfts verzichtet werden solle. Die Kommission erachtet den geschaffenen Unterschied als nicht gravierend, weshalb er auch bestehen bleiben könnte. Zudem wurde das Geschäft im Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt noch nicht behandelt und es bestehe die (wohl eher schwache) Möglichkeit, dass der Grosse Rat auf die Version des Landrates einschwenken werde.
Das neue Gesetz bringe einen verbesserten Jugendschutz und dank den klaren Vorgaben werden künftig hoffentlich auch Diskussionen an den Kino- oder Ladenkassen entfallen. Nicht zu unterschätzen ist laut Urs von Bidder auch die Signalwirkung auf andere Kantone, welche noch nicht über entsprechende Regelungen verfügen.
Die Justiz- und Sicherheitskommission beantragt dem Landrat mit 9:3 Stimmen bei einer Enthaltung, dem Gesetz betreffend öffentliche Filmvorführungen und Abgabe von elektronischen Trägermedien in der von der Kommission beschlossenen Fassung zuzustimmen.
Christoph Hänggi (SP) spricht sich seitens der SP-Fraktion für Eintreten auf die Vorlage 2008/270 aus. Die Möglichkeit, das Schutzalter bei Kinofilmen, welche Gewalt zeigen, auf 18 Jahre erhöhen zu können, wird begrüsst. Einstimmig habe man sich auch für die Ausdehnung des Jugendschutzes auf Trägermedien wie Videofilme, DVDs oder Computerspiele ausgesprochen. Mit dem neuen Gesetz werde diesbezüglich eine Lücke geschlossen, ausserdem stehe dabei der Kinder- und Jugendschutz im Vordergrund.
Die SP-Fraktion ist also mit dem Zweck des Gesetzes und den darin enthaltenen Regelungen einverstanden.
Rosmarie Brunner (SVP) informiert, die SVP-Fraktion wolle auf das Geschäft eintreten, jedoch kein Differenzbereinigungsverfahren mit Basel-Stadt mehr durchführen. Der Kommissionsfassung werde man grossmehrheitlich zustimmen. Die grösste Differenz zu Basel-Stadt entstand bei der Diskussion der Begriffe "vorsätzlich" und "fahrlässig". Nur mit der Version, wie sie jetzt von der Justiz- und Sicherheitskommission verabschiedet wurde, könne jedoch sichergestellt werden, dass Ware, welche schädlich für Jugendliche sei, nicht an diese abgegeben werde. Das Verkaufspersonal werde zum Aufpassen ermutigt, ihm werde der Rücken gestärkt und es könne Verantwortung übernehmen. Den Antrag auf ein reines Kino-Gesetz wird die SVP ablehnen, denn Videos, DVDs und Computerspiele stellen ein viel grösseres Problem dar. Auf Bundesebene werden zur Zeit auch Regelungen betreffend Internet erarbeitet, welche zu einer weiteren Verschärfung der Gesetze führen werden.
Siro Imber (FDP) anerkennt seitens der FDP-Fraktion grundsätzlich die Anliegen des Jugendschutzes. Das Gesetz betreffe einerseits den Bereich Kino, wo Anpassungen notwendig wurden, andererseits die Trägermedien. Zu diesem Bereich stellte die FDP-Fraktion in der Kommission diverse Anträge, welche jedoch keine Zustimmung fanden. Bezüglich Trägermedien zweifelt die FDP an der Wirksamkeit des vorgeschlagenen Gesetzes. Die FDP-Fraktion werde noch einen Antrag in die Detailberatung einbringen, wolle dem Gesetz jedoch grundsätzlich eine Chance geben.
Christine Gorrengourt (CVP) bezeichnet es als störend, dass man im Internet recherchieren könne, in welchem Kanton ein bestimmter Film ab welchem Alter freigegeben sei und man so wählen könne, wo man ein Kino besuchen wolle. Diese Situation werde sich auch mit dem neuen Gesetz nicht ändern. Im Nationalrat wurde seitens CVP/EVP schon mancher Antrag zu diesem Thema eingebracht. Der Bund betone jedoch, für den Jugendschutz seien die Kantone zuständig. Es sei jedoch zweifelhaft, ob die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektionen diesen Bereich derart koordinieren können, dass schliesslich in allen Kantonen die gleichen Regeln gelten. Auch bezüglich Hundegesetz oder Rauchverbot habe man es leider nicht geschafft, einheitliche Regelungen umzusetzen.
Die CVP/EVP-Fraktion unterstützt das vorliegende Gesetz in der von der Kommission verabschiedeten Fassung. Man wolle nicht nur ein Filmgesetz, denn das Argument, Spiele könne man sich vom Internet herunter laden, gelte heute auch für Filme. Es sei wichtig, dass die Eltern ihre Aufgaben wahrnehmen, aber auch Gesetze seien sinnvoll. Zudem müssten die Ängste der Menschen vor Amokläufen ernst genommen werden. Es sei zwar belegt, dass es sich nicht unbedingt direkt negativ auswirke, wenn jemand ab und zu ein Gewalt-Videospiel spiele. Belegt sei aber auch, dass das Spielen solcher Videogames sich kumulierend auswirke. Wenn der Gesetzgeber auch nur wenig gegen Amokläufe und Gewalttaten unternehmen könne, so wolle man dies trotzdem tun.
Klaus Kirchmayr (Grüne) spricht sich seitens der Grünen für einen sinnvollen Jugendschutz im Bereich der elektronischen Medien aus. Der vorliegende Gesetzesvorschlag leiste dies, weshalb die Grünen auf das Gesetz eintreten werden. Sollte die FDP noch einen Antrag bezüglich Fahrlässigkeit stellen, so werde sich die Mehrheit für die Kommissionsfassung aussprechen, eine Minderheit für die Fassung, wie sie Basel-Stadt vorsieht.
Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP) dankt für die gute Aufnahme des Gesetzes. Jugendschutzbestimmungen betreffend Kino bestehen in unserem Kanton bereits seit langem, gleich wie in Basel-Stadt. Die Verbreitung von Trägermedien in Verbindung mit den heutigen technischen Möglichkeiten geben diesen Medien jedoch eine Intensität, welche mit den bestehenden Regelungen nicht mehr abgedeckt werden kann. Eine Gesetzesrevision ist daher notwendig.
Der Jugendschutz bei den Kinos stellt heute keine grosses Problem dar. Primär wird der Jugendschutz gefährdet durch Videogames und andere Angebote, in welchen Jugendliche eine aktive Täterrolle übernehmen und irgendwann nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können. Als Beispiel dafür nennt Sabine Pegoraro einen Prozess in Zürich, über welchen die NZZ am Vortag berichtete. Zwei fünfzehnjährige Schüler lockten eine vierzehnjährige Schülerin in eine Wohnung und vergewaltigten sie dort mehrfach. Die NZZ schreibt: "Was die Burschen mit der völlig überrumpelten, wehrlosen, sexuell unerfahrenen Kollegin taten, lässt darauf schliessen, dass sie sich an Pornofilmen orientierten." Das Problem liegt genau darin, dass gewisse gefährdete Jugendliche keine Unterscheidung zwischen Film oder Spiel und Realität mehr machen können. Selbstverständlich könne das neue Gesetz nicht sämtliche Probleme in diesem Bereich lösen, aber der Gesetzgeber habe eine Verantwortung, dort zu handeln, wo dies möglich sei, im öffentlichen Bereich also.
Auch die Internet-Nutzung stelle ein Problem dar, jedoch handle es sich dabei um einen privaten Bereich und für die Behörden bestehen nur wenig Eingriffsmöglichkeiten. Hier seien in erster Linie die Eltern gefordert. Sie müssen wissen, was ihre Kinder tun, und allenfalls auch handeln. Viele Eltern seien jedoch überfordert. Sie kennen diese Medien nicht und wissen nicht, wie damit umgehen. Es sei daher wichtig, dass sie Unterstützung erhalten. Mit den Branchenverbänden im Bereich des Handels und des Verleihs von Trägermedien haben sich die zuständigen Personen der Justizdirektion zusammengesetzt und nach der Vernehmlassung die entsprechenden Gesetzesbestimmungen ausgearbeitet und angeglichen. Die Branchenverbände selbst haben einen so genannten "code of conduct" eingeführt mit Verhaltensregeln, welche sie den ihnen angeschlossenen Detaillisten weitergeben. Die Zusammenarbeit mit den Branchenverbänden war also sehr gut und die nun vorgeschlagenen Regelungen stellen die gesetzliche Unterstützung für diejenigen Punkte dar, welche die Verbände selbst umsetzen wollen. Auch aus diesem Grund bittet Sabine Pegoraro den Landrat, das vorliegende Gesetz zu unterstützen.
Zur Frage, ob ein Verkauf auch dann bestraft werden soll, wenn fahrlässig gehandelt wurde: Im Bereich des Verwaltungsrechts sei diese Fahrlässigkeit gang und gäbe. Auch beim Baugesetz werde jeder fahrlässige Verstoss geahndet und niemand käme auf die Idee, eine vorsätzliche Verletzung der Bauvorschriften zu verlangen. Deshalb bestand die Kommission zu Recht darauf, fahrlässige Handlungen ins Gesetz aufzunehmen. Basel-Stadt vertrete hier eine andere Auffassung und unterstütze nur die Ahndung von vorsätzlichen Handlungen. Sabine Pegoraro fände es gut, in diesem Punkt eine Differenzbereinigung mit Basel-Stadt vorzunehmen. Sollte dies nicht möglich sein, müsste man eben eine Differenz in Kauf nehmen. Für Sabine Pegoraro wäre es folgerichtiger, fahrlässige Handlungen im Gesetz stehen zu lassen.
://: Eintreten auf die Vorlage 2008/270 ist unbestritten.
* * * * *
1. Lesung des Gesetzes betreffend öffentliche Filmvorführungen und Abgabe von elektronischen Trägermedien
Titel und Ingress keine Wortbegehren
A. keine Wortbegehren
§ 1 keine Wortbegehren
B. keine Wortbegehren
§§ 2 bis 6 keine Wortbegehren
C. keine Wortbegehren
§§ 7 und 8 keine Wortbegehren
D. keine Wortbegehren
§§ 9 bis 12 keine Wortbegehren
E. keine Wortbegehren
§ 13
Landratspräsident Hanspeter Frey (FDP) gibt den Antrag der FDP-Fraktion auf Streichung der Worte "oder fahrlässig" in diesem Paragrafen bekannt.
://: Der Landrat stimmt dem Antrag der FDP-Fraktion mit 34:27 Stimmen (ohne Enthaltungen) zu. [ Namenliste ] § 13 lautet neu:
§ 13 Strafbestimmung
Wer vorsätzlich
a. die zeitliche Beschränkung gemäss § 3 missachtet,
b. gegen die Bestimmungen des Jugendschutzes gemäss den §§ 4 - 8 verstösst,
wird mit Busse bestraft.
F. keine Wortbegehren
§§ 14 bis 16 keine Wortbegehren
://: Die erste Lesung ist damit beendet.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer, Landeskanzlei
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