Protokoll der Landratssitzung vom 24. April 2008
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2007-083 vom 19. April 2007
Motion von Regula Meschberger, SP: Änderung des Bürgerrechtsgesetzes: Zulassung von Einbürgerungskommissionen
- Beschluss des Landrats am 18. Oktober 2007: < abgesetzt >- Beschluss des Landrats am 24. April 2008: < als Postulat überwiesen >
Nr. 467
Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) erklärt, dass die Regierung diese Motion ablehnt und dies nun begründet.
Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP) zufolge ist das Einbürgerungsverfahren in diesem Kanton gut eingespielt und bewährt. Die Rollenverteilung zwischen den Gemeinden und dem Kanton ist klar, die zuständigen kommunalen und kantonalen Organe erfüllen ihre Aufgaben ausgezeichnet. Das sei an dieser Stelle ausdrücklich betont. Bis auf Birsfelden haben alle grösseren Gemeinden (mit mehr als 10'000 Einwohnern) eine Bürgergemeinde, eine Bürgergemeindeversammlung und einen Bürgerrat. Zu den Kernaufgaben des Bürgerrates gehört im Einbürgerungsverfahren die Durchführung der Eignungsgespräche. Kommt dieser aufgrund des Gesprächs zum Schluss, dass der Gesuchsteller gut integriert ist, dann stellt er der JPMD Antrag auf Erteilung der kantonalen Einbürgerungsbewilligung. Das Eignungsgespräch spielt eine zentrale Rolle beim späteren Einbürgerungsentscheid. In diesem Gespräch zeigt sich, ob die Personen über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen und ob sie mit den örtlichen Verhältnissen und Gegebenheiten vertraut sind. Keinen Sinn macht es, wenn der Bürgerrat diese Kernaufgabe - die für die Qualität des Einbürgerungsverfahrens so wichtigen Eignungsgespräche - an eine Einbürgerungskommission abtreten und hiernach, ohne den Gesuchsteller überhaupt zu kennen, eine Stellungnahme zur Frage der Eignung des Gesuchstellers abgeben solle. Die Einführung einer Einbürgerungskommission würde zu unnötigen Doppelspurigkeiten führen, was weder im Interesse der Gesuchsteller, noch im Interesse der kommunalen und kantonalen Einbürgerungsbehörden ist.
In Bürgergemeinden, die keinen Bürgerrat aufweisen, nimmt der Gemeinderat diese Funktion wahr. Wie der Bürgerrat, so muss sich auch der Gemeinderat selbst ein Urteil bilden können. Diese ureigene Verantwortung kann er nicht an eine Einbürgerungskommission abgeben.
Zum Sonderfall Birsfelden: Mit der Bildung einer Bürgergemeinde und der Einberufung eines Bürgerrates könnte sich der Gemeinderat von den Aufgaben im Zusammenhang mit den Einbürgerungen entlasten. Birsfelden hätte sodann dieselbe Gemeindestruktur, wie die anderen grossen Gemeinden des Kantons.
Zum Schluss sei daran erinnert, dass der Landrat im Jahre 2001 in einem anderen Zusammenhang die Einführung einer solchen Einbürgerungskommission bereits ablehnte. Aus diesem Grund bittet der Regierungsrat darum, diese Motion nicht zu überweisen. Um auch noch auf eine Frage Regula Meschbergers zu antworten: Vor einem halben Jahr war dieses Geschäft bereits einmal traktandiert. Damals war die Regierung noch zur Entgegennahme als Postulat bereit. Zwischenzeitlich wurde geprüft und auch mit diesem Postulat kann nichts anderes mehr berichtet werden. Die Regierung würde eine solche Einbürgerungskommission nicht begrüssen; dies wegen der Doppelspurigkeiten und der Abgabe der wichtigen Eignungsgespräche.
Regula Meschberger (SP) ist genau darüber überrascht, dass noch vor einem halben Jahr die Bereitschaft vorhanden war, die Motion als Postulat entgegenzunehmen und dies nun nicht mehr gilt.
Eigenartig ist indes, so zu tun, als wolle man jemandem ureigene demokratische Rechte wegnehmen. Das ist aber gar nicht das Thema. Es geht lediglich um die Schaffung der gesetzlichen Möglichkeit, eine solche Kommission einzuführen. Keine Bürgergemeinde, niemand ist dazu gezwungen, das auch tatsächlich zu tun. Ein Thema wird das vor allem in jenen Gemeinden sein, wo die Einwohnergemeinde die Einbürgerungen vornimmt; Birsfelden wurde bereits als Beispiel genannt. Im Gemeinderat ist eine Einbürgerung ein Geschäft unter hundert anderen. Gerade in einer solchen Gemeinde kann eine Einbürgerungskommission die Eignungsprüfung wesentlich seriöser durchführen als es einem Gemeinderat je möglich sein würde.
Birsfelden solle, so wurde gesagt, eine Bürgergemeinde einführen. Dieser Vorschlag mutet schon als lächerlich an: Diese Bürgergemeinde hätte die alleinige Aufgabe, Einbürgerungen vorzunehmen! Eine andere Funktion kann sie in einer Gemeinde wie Birsfelden gar nicht übernehmen. Die Gemeinde hat keinen Land- oder Waldbesitz, nichts dergleichen, was in anderen Gemeinden bei den Bürgergemeinden liegt und diese auch rechtfertigt.
Es geht überhaupt nicht um die Beschneidung irgendwelcher demokratischer Rechte, sondern darum, dass auch in einer grossen Gemeinde, wo der Gemeinderat die Einbürgerungen durchführt, die Eignungsprüfung seriös durchgeführt werden kann. Die SP-Fraktion setzt sich, wie sie bereits im Kontext des Integrationsgesetzes darlegte, stark für die Integration der Menschen aus dem Ausland ein. Sind diese integriert, dann können sie auch eingebürgert werden. Diese Abklärung soll aber eine Einbürgerungskommission vornehmen können. Regula Meschberger bittet um Zustimmung zur Motion.
Thomas de Courten (SVP) erklärt im Namen der SVP-Fraktion, diese Motion abzulehnen. Zwar könne man dem Titel der Einbürgerungskommission durchaus einen gewissen verführerischen Klang abgewinnen, weil er suggeriert, dass die Gemeinden selbst bestimmen können, wie, bzw. in welchem Verfahren eingebürgert werden soll - was auch dem Anliegen der SVP entspräche. Betrachtet man das Anliegen aber genauer, dann lässt sich nicht mehr wirklich bestimmen, was darunter zu verstehen sei. Zudem enthält dieser Vorstoss Elemente, die seitens der SVP klar bestritten werden. Einerseits trifft die Andeutung, dass Einbürgerungsverfahren in der Gemeinde Birsfelden unseriös behandelt würden, nicht zu. Auch lässt sich bestreiten, dass das Verfahren in anderen Gemeinden, wo die Bürgergemeinden das Verfahren durchführen, unseriös gehandhabt würde.
In der Begründung zur Motion lässt sich nachlesen, dass sich die Mitglieder einer solchen Einbürgerungskommission die notwendigen Fachkenntnisse aneignen könnten. "Meine Damen und Herren. Ich sage Ihnen, dass die nötigen Fachkenntnisse schon heute in den Bürgerräten, Bürgergemeinden und den zuständigen Einwohnerbehörden bereits vorhanden sind und angewendet werden!" Das genau so, wie auch weitgehend gleiche Kriterien in der Beurteilung der Sprachkenntnisse zur Anwendung kommen. Die Motionärin argumentiert, das Verfahren würde hierdurch objektiviert und überprüfbar und somit auch rechtsstaatlicher. Darin liegt die weitere Unterstellung, dass dies heute noch nicht der Fall wäre, was vehement bestritten sei.
Insgesamt trage dieser Vorstoss folgend Thomas de Courten ferner die Handschrift und die Tendenz, die Einbürgerungsentscheide dem Volk wegzunehmen und in die Hände einer "Kommission von Behördenmitglieder" zu legen, die dem Volk nicht direkt Rechenschaft schuldig sind. Das läuft den Absichten der SVP im Einbürgerungswesen entgegen. Aus diesem Grund lehnt die Fraktion den Vorstoss ab.
Werner Rufi (FDP) erklärt, dass seine Fraktion gegen eine Motion sei, durchaus aber gewisse Beweggründe für diesen Vorstoss erkenne. Die Sache muss differenziert betrachtet werden, weil es Konstellationen gibt, wo Einwohner- und Bürgergemeinde zusammenfallen. Dort hat das Anliegen durchaus Berechtigung. Im Kanton lasse sich zudem die Tendenz erkennen, dass gewisse Bürgergemeinden ihre Aufgaben nicht mehr richtig wahrnehmen können und in der Folge von der Einwohnergemeinde einverleibt werden. Auch diese Tendenz muss im Auge behalten werden.
Zur Argumentation von Thomas de Courten entgegnet Werner Rufi, dass die Einbürgerungskommissionen eine Art Vorprüfung vornehmen sollen. Entscheiden sollte letztlich aber die Versammlung der Bürger. Ob noch ein Bürgerrat zwischengeschaltet werden sollte, ist eine Frage der Konstellation. Über dieses Anliegen zu prüfen und zu berichten erscheint aber sinnvoll, zumal allem Anschein nach bereits einiges an Vorarbeit geleistet wurde. Die FDP-Fraktion würde eine Überweisung als Postulat unterstützen, eine Motion geht aber zu weit.
Auch muss beachtet werden, dass noch eine Volksinitiative hängig ist, wo sich die Frage stellen lässt, inwiefern gewisse Synergien entstehen könnten. Schade wäre aber, die Idee von Einbürgerungskommissionen unbeachtet zur Seite zu schieben. Letztlich geht es darum, die Fragen der Willkürverhinderung, der Gleichbehandlung und der Transparenz der Prüfung zu beachten. Bestehende Bürgergemeinden mit Bürgerräten funktionieren gut. Andere Konstellationen bedürfen aber einer gewissen Unterstützung. Daher unterstützt die Mehrheit der Fraktion ein Postulat.
Christine Gorrengourt (CVP) zufolge unterstützt nur eine kleine Minderheit der CVP/EVP-Fraktion eine Motion. Ein Postulat würde aber aus den bereits seitens der FDP dargelegten Gründen Unterstützung finden.
Mit Blick auf die Initiative für demokratische Einbürgerungen entgegnet Christine Gorrengourt an Thomas de Courten, dass jede Gemeinde hiernach selbst darüber bestimmen dürfte, nach welchem Verfahren und durch welche Organe sie einbürgern will. In dieser Frage tut sich auch etwas hinsichtlich des Gegenvorschlags vom Parlament.
Zusätzlich muss folgendes betont werden: Je besser und genauer ein grösseres Gremium eine Einbürgerung begutachten kann, desto seriöser wird das Gesuch auch geprüft und die Einbürgerung vorbereitet.
Ziel der Motion ist gemäss Kaspar Birkhäuser (Grüne), das Verfahren objektiver und überprüfbarer zu gestalten. Die Grüne Fraktion teilt die Argumentation von Werner Rufi, dass solche Einbürgerungskommissionen Sinn machen können. Weil aber der Vorstoss nur die Möglichkeit eröffnet, eine solche Kommission einführen zu können und keinerlei Zwang besteht, kann er auch als Motion überwiesen werden. Die Abschwächung zum Postulat ist nicht nötig.
Regula Meschberger (SP) reagiert auf das Votum von Thomas de Courten und weist die versuchte Unterstellung, sie würde die Einbürgerungen in Birsfelden für unseriös befinden, von sich. Die Aussage, das Verfahren könne durch eine Einbürgerungskommission objektiviert werden, kann nicht zum Umkehrschluss führen, dass alles andere unseriös sei. Das ist eine Unterstellung!
Regula Meschberger erinnert daran, dass Emmen aufgrund seiner Einbürgerungspraxis vor Jahren schweizweit für Schlagzeilen sorgte. Heute verfügt der Ort über eine Einbürgerungskommission, mit der er beste Erfahrungen macht. Ganz so abwegig kann das Anliegen also nicht sein.
Aufgrund der Voten von FDP und CVP zeigt sich die Motionärin einverstanden mit einer Umwandlung in ein Postulat.
Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) lässt über die Überweisung als Postulat abstimmen:
://: Der Landrat überweist den Vorstoss 2007/083 mit 47:20 Stimmen bei 2 Enthaltungen als Postulat. [ Namenliste ]
Für das Protokoll:
Pascal Andres, Landeskanzlei
Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) möchte dem Landrat die verbleibenden 4 Minuten der Sitzung schenken und an dieser Stelle abbrechen, da als nächstes ein zusammenhängender Stapel weiterer Traktanden ansteht.
Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP) erlaubt sich, kurz in die Rolle der Landratspräsidentin einzugreifen. Vier Vorstösse zur Staufachstelle sind als nächstes traktandiert. Der Landrat hat hierzu einen langen Bericht erhalten, worin die verschiedenen Aspekte und die aufgeworfenen Fragen abgehandelt und die Vorstösse somit beantwortet wurden. Sofern der Interpellant mit der Antwort und die Motionäre bzw. der Postulant mit der Abschreibung einverstanden sind, dann können die Traktanden sehr rasch behandelt werden. Die Antworten liegen schliesslich vor.
Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) erhält aufgrund des lauten Widerspruchs aus dem Plenum den Eindruck, dass noch Diskussionsbedarf zu diesen Traktanden besteht und bleibt bei ihrem Vorschlag. Sie beendet die Sitzung unter Verweis auf die im Anschluss stattfindende Ratskonferenz um 17'00 Uhr .
Für das Protokoll:
Pascal Andres, Landeskanzlei
Die nächste Landratssitzung findet statt am 8. Mai 2008
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