Protokoll der Landratssitzung vom 3. Februar 2005

Nr. 1029

13 2004/297
Motion der Fraktion der Grünen vom 25. November 2004: Reduktion der Anlagegrenzwerte in Schulen und Kindergärten

Regierungsrätin Elsbeth Schneider erklärt, dass die Regierung auch diese Motion ablehnt, auch wenn sie weiss, dass die Mobiltelefonie sehr umstritten ist, dass sie vielleicht auch gewisse Risiken mit sich bringt und dass es Leute gibt, die das Gefühl haben, ihre Gesundheit sei dadurch beeinträchtigt.
Die Motionärin findet die Resultate der erwähnten Langzeitstudie aus Naila zu Recht beunruhigend. Es muss aber erwähnt werden, dass gerade diese Studie inzwischen von verschiedenen Forschern kritisiert wird. Es handelt sich dabei laut den Autoren um eine Pilotstudie, d.h. die Ergebnisse können nicht als Nachweis für eine mögliche krebsfördernde Wirkung der Mobilfunkstrahlung gewertet werden.
Die Studie steht im Widerspruch zu anderen Untersuchungen, die keinen entsprechenden Zusammenhang aufzeigen können. Studien zum gleichen Effekt müssen ganzheitlich bewertet werden: Je übereinstimmender die Ergebnisse sind, desto sicherer ist der untersuchte Effekt. Die Resultate der Studie müssen deshalb durch unabhängige Studien reproduziert werden können, damit die Wissenschaft ihre Ergebnisse anerkennen kann.
Die Gesamtbewertung aller heute vorliegenden wissenschaftlichen Studien über gesundheitliche Folgen der Mobilfunkstrahlung ergibt, dass unterhalb der Immissionsgrenzwerte der NIS-Verordnung keine gesicherten Daten über gesundheitliche Schäden vorliegen.
Das Buwal hat den Auftrag, laufend die weltweite Forschung über die gesundheitlichen und biologischen Auswirkungen der nichtionisierenden Strahlung zu verfolgen. Gemäss dieser Abklärungen hat sich bis heute kein Bedarf für eine Verschärfung der Grenzwerte ergeben.
Die Bestimmungen der NISV sind mehrfach vom Bundesgericht bezüglich ihrer Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit überprüft und bestätigt worden. Das Bundesgericht hat betont, dass die NISV, im Umweltschutzgesetz verankert, dem Vorsorgeprinzip bei Immissionen gemäss Art. 13 USG genüge und dass die Anlagegrenzwerte nach dem heutigen Stand des Wissens geeignet seien, das unbekannte Risiko für Gesundheitsschäden bei tiefer Strahlenbelastung zu minimieren; es brauche nicht mehr.
Nach Art. 49 der Bundesverfassung geht das Bundesrecht kantonalem Recht vor, und gemäss Art. 13 USG ist der Bundesrat zuständig, mittels Verordnung die Immissionsgrenzwerte festzulegen, und nicht der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. Die Kantone können daher im Bereich der nichtionisierenden Strahlung kein selbständiges Recht schaffen. Folglich können sie keine vom Bundesrecht abweichenden Immissionsgrenzwerte einführen. Dafür bittet die Regierung den Landrat um Verständnis.
Eine Verfassungsänderung im Sinne der Motion würde dem Bundesrecht zuwiderlaufen. Der Bund gewährleistet nach Art. 51 BV kantonale Verfassungen und deren Änderungen nur dann, wenn sie dem Bundesrecht nicht widersprechen.
Zusammenfassend sei nochmals festgehalten: Es liegt keine ausreichende materielle Begründung für eine Verschärfung der Anlagegrenzwerte vor. Und der Kanton Baselland hat keine Kompetenz für die Festlegung von Immissionsgrenzwerten, die vom Bundesrecht abweichen. Deshalb bittet die Regierung um Ablehnung der Motion.

Jürg Wiedemann versichert der Regierung, dass auch er sich auf wissenschaftliche Studien bezieht und nicht auf die Schulaufsätze seiner SchülerInnen, auch wenn diese ebenfalls ernstgenommen zu werden verdienen.
Die Motion verlangt eine Reduktion der Grenzwerte in den Schulen, Kindergärten und Pausenhöfen. Die maximale elektrische Feldstärke soll auf 0,006 V/m gesenkt werden, also um den Faktor 1'000. Bei diesem Wert würde die gesundheitliche Belastung ganz deutlich reduziert, und trotzdem könnte - das ist der entscheidende Punkt! - nach wie vor mit Handys telefoniert werden. Denn ein Natel funktioniert schon bei 0,000004 V/m, also bei einer 1'580-mal tieferen Strahlung als dem in der Motion für Schul- und Kindergartenareale verlangten Grenzwert.
Das Ziel der Motion ist es, genau diejenigen zu schützen, die ganz massiv an den Spätfolgen der Mobilfunkstrahlen zu leiden hätten: unsere Kinder. Mobilfunkstrahlen töten sicher nicht heute, nicht morgen und auch nicht übermorgen. Aber was ist in dreissig, in vierzig Jahren? Niemand übernimmt die Garantie, dass dann nichts passiert.
Kinder haben, insbesondere wegen ihrer hohen Lebenserwartung, ein Anrecht darauf, dass ihre Gesundheit ganz speziell geschützt wird. Es wäre sehr sinnvoll, in jenem Bereich, wo die Kinder einen grossen Teil ihrer Zeit verbringen, die Strahlenbelastung zu verringern.

Die Mehrheit der SP-Fraktion ist auch bei diesem Vorstoss der Meinung, er müsse als Postulat statt als Motion überwiesen werden. Regula Meschberger begründet dies damit, dass die Regierung beauftragt werden solle, zu prüfen, ob nicht in diesem speziellen Bereich - Schulen und Kindergärten - trotz Vorrang des Bundesrechtes separate Anlagengrenzwerte möglich wären.
Allerdings findet auch die SP, die Festlegung der Anlagegrenzwerte gehöre eigentlich nicht in die Kantonsverfassung, sondern bräuchte eine andere rechtliche Basis.

Die SVP-Fraktion lehne den Vorstoss mehrheitlich ab, gibt Gerhard Hasler bekannt, und zwar aus den gleichen Gründen wie beim vorhergehenden Geschäft.
Es ist nicht die Angelegenheit des Kantons, solche Regelungen vorzunehmen; der Bund ist zuständig für die Festlegung der Grenzwerte.
Die besten Möglichkeiten ergeben sich im eigenen Umfeld: Kindern sollte der Zugang zu Natels nicht so leicht gemacht werden. In den Schulen gibt es wohl die grösste Massierung von Natels überhaupt, weil bald jedes Kind eines dabei hat. Bekanntlich ist die Strahlung am grössten, wenn man das Telefon am Körper hat. Man muss also versuchen, die Nachfrage zu reduzieren und den Bedürfnissen anzupassen. Nicht jeder, der ein Natel in der Tasche hat, braucht es auch wirklich - schon gar nicht Schulkinder. Diese sind selten darauf angewiesen. Aber trotzdem haben wahrscheinlich 80 % der Kinder ein Natel bei sich.
Wenn die Nachfrage sinkt, hören die Anbieter automatisch auf, Antennen zu bauen. Es handelt sich um ein gesellschaftliches Problem: Wenn man auf jeden Furz der Technik reagiert und gleich alles kauft, muss man sich über Auswüchse nicht wundern.

Bea Fünfschilling hält es für völlig sinnlos, auf eine fachliche Diskussion einzugehen, denn eine Annäherung der Meinungen ist unmöglich: Es fehlen beiden Seiten belegbare Beweise.
Das Buwal ist verantwortlich für die Überprüfung aller Forschungsresultate. Die FDP erwartet vom Amt professionelle Arbeit. Dort muss das ganze Know-how gebündelt sein. Wer daran zweifelt, muss die Abschaffung des Buwal verlangen - aber das steht ja nicht zur Diskussion.
Die freisinnige Fraktion lehnt die Motion ab.

Auch die CVP/EVP-Fraktion lehnt laut Peter Zwick den Vorstoss der Grünen ab. Er hat immer noch die Worte von Alt-Landrat Bruno Krähenbühl im Ohr. Er war der Erbauer der ersten Mobilfunkantenne im Kanton und sagte, eine Reduktion des Anlagegrenzwerts bedeute nichts anderes, als dass man mehr Antennen bauen müsse, um die Abdeckung sicherzustellen.

Esther Maag gibt bekannt, dass die Grünen mit der Umwandlung ihrer Motion in ein Postulat einverstanden sind.

://: Das als Motion eingereichte Postulat 2004/297 wird abgelehnt.

Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



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