Protokoll der Landratssitzung vom 22. Mai 2008
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2007-248 vom 18. Oktober 2007
Motion von Hannes Schweizer, SP: Windkraftanlagen auch in Schutzgebieten!
- Beschluss des Landrats am 22. Mai 2008: < überwiesen >
Nr. 572
Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) erklärt, dass die Regierung bereit ist, die Motion als Postulat entgegenzunehmen und dies nun begründet.
Regierungsrat Jörg Krähenbühl (SVP) hat Verständnis für die Forderung in der Motion, empfiehlt aber dennoch nur eine Überweisung als Postulat.
Im Rahmen der Neubeurteilung des Richtplans ist unter Einbezug der Natur- und Landschaftskommission eine Prüfung möglicher Standorte für Windkraftanlagen vorgenommen worden. Die potentiellen Standorte auf den Jurahöhen wurden aufgrund des Widerstands seitens des Natur- und Landschaftsschutzes nicht weiterverfolgt. Alle anderen Standorte sind im aktuellen Entwurf des Richtplans berücksichtigt, obschon diese dem direkten Vergleich zu den Jurahöhen bezüglich der Windgeschwindigkeiten nicht standhalten und als nicht optimal zu bezeichnen sind. In seiner Stellungnahme zum Begehren der Motion weist das ARP darauf hin, dass der Schutz der freien Landschaft und ein nicht durch technische Infrastrukturen beeinträchtigtes Landschaftbild ein hohes Gut darstellt. Eine generelle Öffnung der Vorranggebiete Landschaft für Windkraftanlagen lehnt die Regierung ab. Insbesondere, weil hierdurch auch ein Präjudiz für weitere, durch den Landschaftsschutz tangierte Interessen geschaffen würde. Die Meinung, dass Windkraftanlagen in Schutzzonen vorrangige oder gleichwertige Bedeutung zukommen solle, teilt die Regierung nur bedingt. Der Vorstoss wird insofern begrüsst, als zusätzlich zu den bekannten Standorten auch weitere Gebiete für die Windkraftnutzung unter Einbezug von Landschaftsschutzkreisen nochmals abgeklärt und darüber berichtet werden sollte.
Hannes Schweizer (SP) ist verwirrt von der Begründung, weshalb die Motion nur als Postulat entgegengenommen werden sollte. Der Motionär sieht einen Widerspruch, wenn in Rücksprache mit der Raumplanung eine Positionierung von Windkraftanlagen in Schutzzonen ausgeschlossen wird und gleichzeitig durch Entgegennahme als Postulat erneut geprüft werden sollte, wo Windkraftanlagen in Schutzzonen möglich wären.
Die sieben bekannten Standorte wurden festgelegt, wobei sämtliche Schutzgebiete aus der Betrachtung ausgeschlossen wurden. Dass solche Anlagen in Schutzgebieten von nationaler Bedeutung ausgeschlossen sind, ist auch richtig. In den Vorranggebieten, den "Schonzonen im Jura", die teilweise flächendeckend Gemeinden erfassen, sollen Windkraftanlagen ermöglicht werden. Letztlich geht es darum, dass niemand in eine Windkraftanlage investiert, wenn sie nicht wirtschaftlich betrieben werden kann. Für die Wirtschaftlichkeit einer Anlage braucht man eine Windgeschwindigkeit von 5m/s. Die ausgewiesenen Standorte kommen auf höchstens 4.8m/s. Am geplanten Standort in Titterten beträgt die Geschwindigkeit gemäss Windkarte von Meteoschweiz rund 4.5m/s. Wenn 3km entfernt auf einer kleinen Hochebene ein Standort mit 5.5m/s verfügbar wäre, dann kann man dies folgend dem Motionär nicht einfach kategorisch ausschliessen. Der Kilowattpreis am nun avisierten Standort wäre niemals konkurrenzfähig mit anderen Energieproduzenten. Hier muss über den Schatten gesprungen werden. Das Bundesgericht stellte im Übrigen fest, dass die Gewinnung alternativer Energien dem Landschaftsschutz mindestens gleichzustellen sei.
Der Motionär war ursprünglich mit einer Umwandlung seines Vorstosses in ein Postulat einverstanden. Nach der nun durch die Regierung dargelegten Begründung beharrt Hannes Schweizer aber auf der Motion.
Patrick Schäfli (FDP) erklärt, dass eine Mehrheit der FDP-Fraktion ein Postulat unterstützen würde, jedoch eine nicht zu unterschätzende Minderheit sich auch für eine Überweisung als Motion aussprechen könnte.
Das Anliegen ist angebracht. Schon in der Energiedebatte wurden verschiedene nachhaltige Energieformen unterstützt. Insofern wäre es folgend Patrick Schäfli nur richtig, den guten Absichten auch Taten folgen zu lassen und die Windkraftanlagen auch tatsächlich dort zu bauen, wo sie am meisten Sinn machen. Das ist natürlich, wo die Windverhältnisse am besten sind. Dass diesbezüglich auch von der SP eine gewisse Flexibilität an den Tag gelegt wird, ist für Patrick Schäfli erfreulich.
Fredy Gerber (SVP) und die SVP-Fraktion finden es ebenfalls sinnvoll, die besten Standorte im Kanton zu suchen, da nur diese vom Bund unterstützt werden. Die SVP folgt aber dem Regierungsrat und unterstützt nur eine Überweisung als Postulat.
Isaac Reber (Grüne) zufolge weist die Windkraft in der Schweiz ein gewisses, wenn auch nicht riesiges Potential auf. Dieses Potential wird sicherlich nicht das Rennen um die künftige Versorgung machen, aber es ist ein wesentlicher Teil des Ganzen und man sollte sich darum bemühen, die vorhandenen Möglichkeiten auch zu nutzen. Es ist zudem wichtig, nicht eine Technik gegen die andere auszuspielen. Alle Techniken und alle Möglichkeiten müssen in ihrem Potential ausgeschöpft werden.
In der Verfassung steht, dass der Kanton nicht auf Atomstrom zurückgreifen möchte. Zwar macht man das heute. Will man aber davon wegkommen, dann muss das Potential für erneuerbare Energien konsequent genutzt werden. "Wer heute auf die Techniken von Gestern setzt, der wird Morgen zu den Verlierern gehören."
Das Thema "nachhaltige Energien" wird die Schweiz in Zukunft sehr stark beschäftigen. Für die Schweiz liegt hierin auch eine grosse Chance. Umso bedauerlicher findet Isaac Reber das zögerliche Verhalten bei Bund und Kantonen. Die Schweiz verfügt über Bildung und Forschung, industrielles Know-How und das Kapital, um bei diesen Techniken in der ersten Liga zu spielen. Leider ist man aber dabei, diese Chancen sträflichst zu verschlafen. Es braucht mehr Innovationsgeist, ein Zeichen der öffentlichen Hand, und natürlich auch den entsprechenden Platz, damit diese erneuerbaren Energien überhaupt zum Einsatz kommen können.
Es ist für Isaac Reber sehr entscheidend, dass man zu neuen Bildern kommt, wie beispielsweise ein Ortskern aussehen sollte. Ein Sonnenkollektor darf kein Denktabu mehr darstellen. Es geht dabei nicht um eine Umkehr der Denkweise, sondern um die Suche nach adäquaten Lösungen. Beim Landschaftsschutz dasselbe: "Wo erstellt man sinnvollerweise eine Windkraftanlage, auf dem Berg oder im Tal?" Die Frage ist für Isaac Reber bereits dumm, denn niemand würde eine Windkraftanlage im Tal bauen, wenn er auf dem Berg könnte.
Im Kanton Baselland sind sämtliche Höhen entweder im BLN Tafeljura oder im BLN Faltenjura gelegen und somit für solche Anlagen tabu. Isaac Reber findet das falsch und bekennt sich gleichzeitig zu einem starken Landschaftsschutz. Jedoch müsse man alle 20 bis 30 Jahre seine Bilder revidieren. Angestrebt werden sollte eine Vorstellung von Landschaftsschutz, welche die Errichtung von solchen standortgebundenen Bauten wie eine Windkraftanlage an einer Stelle erlaubt, wo es auch Wind gibt. Was Hannes Schweizer wünscht ist lediglich, ein kleines Fensterchen zu öffnen, um die Möglichkeiten zu evaluieren. Nicht mehr und nicht weniger. Daher bittet Isaac Reber darum, den Mut zur Überweisung der Motion als Motion aufzubringen.
Elisabeth Augstburger (EVP) erachtet in einer Abwägung zwischen Naturschutz und der Förderung alternativer Energien Letzteres als wichtiger und empfiehlt daher im Namen ihrer Fraktion, die Motion zu unterstützen.
Rolf Richterich (FDP) erklärt, dass die Bau- und Planungskommission zurzeit über den Richtplan berät. Ein Objektblatt befasst sich mit der Windkraft. Windkraftanlagen sind bisher nur ausserhalb der Vorranggebiete und der BLN vorgesehen. Mit der Motion wird gefordert, dass künftig solche Anlagen auch innerhalb der Vorranggebiete möglich sein sollten. Im Verständnis von Rolf Richterich spielt es keine Rolle, ob eine Motion oder ein Postulat überwiesen wird, weil der richtige Weg ohnehin über den Richtplan wäre, wo die Standorte explizit bewilligt werden. Ist dem nicht so, dann würde Rolf Richterich nur ein Postulat unterstützen, um zu verhindern, dass die ganzen Jurahöhen ohne Mitsprachemöglichkeit des Parlaments mit Windkraftanlagen zugepflastert werden. Neue Anlagen sollten im Richtplan eingezeichnet werden müssen, da sich der Landrat so im Klaren sein könnte, dass er dies auch wollte.
Man muss sich vor Augen halten, dass ein Bauer als Beispiel in den Vorranggebieten nicht ausserhalb seines Hofes siedeln darf. Die Handhabe ist sehr restriktiv. Vor einer Carte Blanche für die Windkraft möchte Rolf Richterich daher warnen. Es sollten die richtigen Instrumente zur Anwendung kommen. Besser als die Carte Blanche wäre ein Postulat, da so der Weg über den Richtplan erhalten bliebe.
Ueli Halder (SP) gehört zu einer kleinen und gewichtigen Minderheit in seiner Fraktion, die sich sowohl gegen die Überweisung als Postulat, wie auch gegen eine Motion stellt. Ueli Halder ist seit gut 30 Jahren beruflich wie privat im Natur- und Landschaftsschutz tätig. In dieser Zeit konnte er beobachten, wie Natur und Landschaft chronisch erodieren. Jedes Jahr geht irgendwo etwas verloren, während die Landschaft zunehmend "möbliert" wird. In der gleichen Zeit konnten aber auch einige Erfolge verbucht werden. Dazu gehört ein Netz von Landschafts- und Naturschutzgebieten, welches allerdings noch lückenhaft und kleinflächig ist. Insgesamt stehen einige wenige Prozente der Landschaft unter diesem Schutzgrad. Ausgerechnet diese wenigen Prozente möchte man nun mit dieser Motion auch noch angreifen und "möblieren". Alle standortfremden Bauten in den Landschaftsschutzgebieten sind eine Entwertung der Schutzgebiete. Ob es sich nun um neue Strassen, Hochspannungsleitungen, oder eine Produktionsstätte von alternativen Energien handelt, spielt dabei keine Rolle.
Ferner sieht Ueli Halder auch in der Argumentation des Regierungsrates einen Widerspruch, da nicht aufgrund des Widerstands von den Naturschützern in gewissen Zonen im Richtplan keine Anlagen gebaut werden dürfen, sondern weil schlicht die Rechtsgrundlage das nicht zulässt. Es sind nicht ein paar "böse, linke Grüne", die das zu verhindern suchen.
In der Güterabwägung zwischen Schutzwürdigkeit und der Beschaffung alternativer Energien darf das Augenmass nicht verloren gehen. Ueli Halder ist von der Grünen Fraktion enttäuscht, da diese ihre Kernwerte bezüglich Konservierung verrät. Die Rede war von neuen Landschafts- und Ortsbildern. "Werdet euch bewusst, was ihr damit alles verliert!" Ein Windkraftwerk in einem Schutzgebiet entwertet die charakteristische Baselbieter Juralandschaft für mindestens die kommenden 30 Jahre. Ueli Halder positioniert sich in dieser Frage auf der konservativen Seite, weil er nicht will, dass diese Werte verloren gehen. Zwei bis drei Windrädchen, die hierdurch aufgestellt werden könnten, werden die Energieprobleme nicht lösen. Es gibt viele Möglichkeiten, um Energie zu sparen und alternative Energien zu produzieren. Es gibt aber nur eine Landschaft!
Isaac Reber (Grüne) fühlt sich von Ueli Halder herausgefordert. "Die Grünen, nur damit das alle wirklich wissen, sind keine konservative Partei." [Heiterkeit]
Zudem gibt es für die Grünen neben dem Thema Naturschutz auch das Thema Umweltschutz. Wenn Ueli Halder den Umweltschutz mit dem Begriff "Windrädchen" lächerlich machen möchte, dann kann er das zwar, es ist aber nicht gut. Schliesslich sind die Grünen selbstredend auch für die Natur und deren Schutz. Schützt man aber die Umwelt, dann schützt man letztlich auch die Natur. Hierin einen Widerspruch zu konstruieren entspricht nicht einer zeitgemässen Denkweise. Die Grünen denken in dieser Frage fortschrittlicher.
Karl Willimann (SVP) stellt fest, dass Hannes Schweizer mit seiner Motion technisch vollkommen richtig liegt. Entweder möchte man die alternativen Energien wirklich nutzen, wie es in der Energiedebatte beschlossen wurde. Dann sollte man sie aber auch dort nutzen, wo die besten Möglichkeiten bestehen. Jedermann weiss, dass ein Windpark in Pratteln aussichtslos ist. Karl Willimann war schon auf dem Mont Soleil spazieren und hatte nicht den Eindruck, dass die Natur durch die Windräder verschandelt worden wäre. Dass nun mit dem Argument des Natur- und Landschaftsschutzes die Befürworter der alternativen Energien - zu denen sich auch die SVP zählt - bekämpft werden, tut ihm ausgesprochen leid: "Aber wir rufen euch zur Versöhnung auf!" [Heiterkeit]
://: Der Landrat stimmt der Überweisung der Motion 2007/248 mit 52:25 Stimmen bei 1 Enthaltung zu. [ Namenliste ]
Für das Protokoll:
Pascal Andres, Landeskanzlei
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