Protokoll der Landratssitzung vom 22. Mai 2008
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2007-307 vom 12. Dezember 2007
Motion von Karl Willimann, SVP: Schuldenabbau des Kantons in guten Zeiten angehen
- Beschluss des Landrats am 22. Mai 2008: < als Postulat überwiesen >
Nr. 556
Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) erklärt, dass der Regierungsrat bereit sei, die Motion als Postulat entgegenzunehmen.
Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) erklärt, dass es sich bei der vorliegenden Motion sachlich um ein Postulat handle, da gemäss § 35 Abs. 1 lit. f des Finanzhaushaltgesetzes der Regierungsrat über die Aufnahme von Staatsanleihen im Rahmen von Finanzplan und Voranschlag entscheide. Gemäss § 36 Abs. 1 lit. e, f und g obliegt die Liquiditätsplanung, die Beschaffung der finanziellen Mittel sowie die Verwaltung des Staatsvermögens der FKD. Die Forderungen des Motionärs greifen demzufolge in den Verantwortungsbereich des Regierungsrates ein, was mit einem Postulat geschehen müsste. Für die Bildung von Zweckvermögen ist gemäss § 17 Abs. 2 Finanzhaushaltgesetz eine gesetzliche Grundlage notwendig, weshalb die Bildung von Fonds und die Fondseinlagen dem Landrat jeweils zum Schluss unterbreitet werden. Ausserdem untersteht der Beschluss dem fakultativen Referendum. Der Landrat kann über jede einzelne Fondseinlage und Fondsbildung beschliessen, dafür ist eine einzelne Gesetzesgrundlage nicht notwendig. Die Regierung ist bereit, das Anliegen in Form eines Postulats entgegenzunehmen und es im Rahmen der Revision des Finanzhaushaltgesetzes zu prüfen.
Karl Willimann (SVP) erklärt, dass sich die SVP-Fraktion für die Umwandlung in ein Postulat ausgesprochen habe und er damit einverstanden sei. Es ist zu betonen, dass die finanzielle Situation eines Staatswesens wesentlich von den Steuereinnahmen abhängig ist. Wenn man bedenkt, wie rasch die Konjunktur variieren kann, handelt es sich um eine schmale Gratwanderung. Wie schnell ging es bei Swissair, die innerhalb weniger Jahre 16 Milliarden Franken verlor; genau vor einem Jahr schrieben die Finanzzeitungen, UBS sei die bestfinanzierte Bank der Welt, 9 Monate später sieht die Situation sehr anders aus. Letztendlich hat der Abbau von Schulden nie geschadet, was diese Motion schliesslich verlangt. Man sollte die Schulden in den Zeiten abbauen, in denen dies möglich ist.
Ruedi Brassel (SP) meint, diese Motion komme nicht zu einem dringlichen Zeitpunkt. Die Begründung hält in der Substanz nicht Stand, es ist die Rede des «Klumpenrisikos» in der Region, von der Abhängigkeit der Region von der pharmazeutisch-chemischen Industrie. Jedoch könnten genau diese zielgerichteten Investitionen der öffentlichen Hand das «Klumpenrisiko» minimieren und einen Beitrag zur Diversifikation der regionalen Wirtschaft im Bereich Ausbau öffentlicher Verkehr, Strasseninfrastrukturen, Universität, Schulen, usw. leisten. Nun muss man schauen, wo die Belastung dieser Schulden liegt: Der Kanton besitzt nicht Suprime-Investitionen, die plötzlich einen massiven Wertverlust erleiden könnten, sondern die Investitionen werden im Kanton Baselland getätigt. Dabei konnten gewaltige stille Reserven angelegt werden. Die jährliche Zinsbelastung der lang- und mittelfristigen Schulden ist etwa halb so gross wie die Vermögenserträge, die der Kanton generiert. Es bestehen keinerlei Probleme durch die Belastung dieser Schulden, im Gegenteil tauchen in der Bilanz keine Schulden auf, denn der Kanton besitzt Eigenkapital, das sogar noch ausgebaut werden konnte. Das Problem ist schlichtweg nicht vorhanden, weshalb nach dem Zweck des Vorstosses gefragt werden muss. In den letzten Jahren wurden mittels GAP-Massnahmen im Bereich der kantonalen Sparmassnahmen die Zitronen bis ans Limit ausgepresst; nun soll zu einem volkswirtschaftlich und finanzpolitisch nicht zwingenden Zweck noch mehr Druck aufgesetzt werden. Soll nun das Blut abgesaugt werden? Die SP-Fraktion lehnt diese Motion auch als Postulat ab.
Klaus Kirchmayr (Grüne) ist erstaunt über diese Motion, weil sich der Motionär ebenfalls bewusst ist, dass der Kanton stille Reserven besitzt. Man kann diese gerne einmal aufzählen und den langfristigen Schulden gegenüberstellen. In allen Kennzahlen ist dieser Kanton äusserst solid finanziert, hat sehr gut gewirtschaftet und besitzt genügend Reserven, um einen allfälligen Abschwung zu verkraften. Die Grüne Partei kann diesen Vorstoss ebenfalls nicht unterstützen und sähe die finanzpolitischen Prioritäten bei der guten Finanzlage eher in langfristig renditebringenden Investitionen. Es ist erfreulich, dass auch aus der FDP-Fraktion ein entsprechender Vorschlag im Energiebereich eingereicht wurde.
Daniela Schneeberger (FDP) erklärt, dass auch die FDP sich für den Schuldenabbau einsetze und dieser auch in guten Zeiten im Auge behalten werden sollte. Die FDP-Fraktion teilt jedoch auch die Auffassung von Regierungsrat Adrian Ballmer und möchte das Postulat überweisen, damit im Rahmen der Gesamtrevision des Finanzhaushaltsgesetzes die Fondseinlagen und der Abbau der Kantonsschulden überprüft werden können.
Rita Bachmann (CVP) bemerkt, dass wohl niemand etwas gegen den Abbau von Schulden einzuwenden habe. Die CVP-/EVP-Fraktion trägt die Prüfung im Rahmen der Revision des Finanzhaushaltsgesetzes mit. Die bisherige Handhabung des Regierungsrates, in «guten Zeiten» zweckgebundene Reserven zu schaffen, wird sehr unterstützt. Beispielsweise wurden für den Neubau des Kantonsspitals Bruderholz bereits Reserven von 240 Millionen Franken generiert, weitere Reserven bestehen für die Sanierung Elbisgraben, das Wirtschaftsförderungsgesetz und den Campus Uni Basel, welche wirklich notwendige und absehbare Investitionen darstellen. Man soll nicht in einen Schuldenfonds einzahlen, sondern zukunftsgerichtete Projekte vorzeitig absichern.
Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) versteht nicht, was für Gründe gegen eine Entgegennahme dieser Vorlage als Postulat sprechen könnten. Schuldenabbau ist grundsätzlich ein zu beachtendes Thema. Die finanzielle Situation des Kantons ist nicht dramatisch, andererseits ist diese aber bei Weitem nicht vergleichbar mit jener der Kantonalbank: Es gibt Reserven, aber es gibt auch Risiken. Würde man nach normalen international gültigen Standards die Rechnung offenlegen, gäbe es einen gewaltigen Bedarf an Rückstellungen für Altlasten. Deshalb gibt es keinen Grund zur Euphorie. Man besitzt ein Triple-A-Rating, aber dieses soll auch beibehalten werden. Man muss wissen, dass nicht alle Investitionen produktiv sind, ein Unternehmen würde nicht alle dieser Investitionen tätigen. Vielleicht zahlen sich diese volkswirtschaftlich aus, jedoch nicht zwingend für die Rechnung des Kantons.
Für das Protokoll:
Miriam Schaub, Landeskanzlei
Karl Willimann (SVP) kann die Aussage des SP-Fraktionschefs nicht unbeantwortet lassen. Gerade die Linke tue sich ja relativ leicht mit der Frage, woher das Geld komme und sei dann bei den Ausgaben flink zur Sache. Nun ist aber die Staatskasse BL kein Bancomat, der im Himmel gefüllt und auf Erden geleert wird, meint er. Sehr wohl bestehe auch in der Nordwestschweiz ein Klumpenrisiko. Wohl sei der Pharma- und Life Science-/Chemie-Bereich ein Segen für den Kanton und habe sich unbestrittenermassen in der letzten Rezession auch durch seine Stabilität ausgezeichnet. Lässt dieser Bereich nur ein wenig nach, so bekommt dies die Region auch viel stärker zu spüren als der Rest der Schweiz, respektive es wirkt sich sehr rasch auf die Staatskasse aus. Diversität ist sicher ein Ziel, effektiv hänge aber in unserer Region mehr als 80 - 90 % von der Industrie im Life-Science-Bereich ab. Bezogen auf die Einkommen gebe es nicht viel mehr angesichts der von den Firmen generierten Milliardenumsätze und der ausbezahlten Löhne. Die ganze Wertschöpfungskette bis zum Detailhandel profitiere davon; um die Bezeichnung Klumpenrisiko komme man einfach nicht herum.
Klaus Kirchmayr repliziert er, bezogen auf die erwähnten stillen Reserven, es solle nur einmal versuchen, in schlechten Zeiten 'das Tafelsilber' zu verscherbeln... In diesem Fall würde dem Kanton niemand die Liegenschaften zu zum heutigen Preis abkaufen.
In Bezug auf GAP und 'Zitrone auspressen' meint Karl Willimann, es werde hier auf sehr hohem Niveau geklagt. Glücklicherweise habe der Kanton zwar eine schlanke Verwaltung, trotzdem gebe es darin noch 'Luft'. Zudem müssen laut Staatsverfassung einerseits die Ausgaben laufend überprüft werden, anderseits sollten sie stets mit den Einnahmen in Einklang gebracht werden, und dazu gehöre es, auch in guten Zeiten an den Schuldenabbau zu denken.
Ruedi Brassel (SP) weist seinen Vorredner auf die Einführung der Schuldenbremse hin, die genau diesen Mechanismus vorsieht, um Einnahmen und Ausgaben über die Konjunkturzyklen hinaus im Griff zu halten; das Instrumentarium besteht also. Den Begriff Klumpenrisiko habe im Übrigen nicht er eingebracht, sondern er stehe in der Begründung der Motion. Keineswegs bestreite er selbst, dass tatsächlich eine Konzentration auf eine Sparte vorhanden ist und dies eben Risiken mit sich bringt. Genau deswegen brauche es auch andere Bereiche, in welche auch die öffentliche Hand investiert und sie damit fördert. Nun gebe es aber in der Region schlicht und einfach keine veritable Alternative. Es gilt, durch öffentliche Investitionen in diejenigen Bereiche, die auch den Wirtschaftsstandort ausmachen, die Stärken der Region auszubauen und zu entwickeln, und dadurch wenn möglich eine etwas breitere Abstützung zu erreichen. Diesbezüglich ist man, wenn die Investitionen getätigt werden, auf gutem Weg, wogegen ein Schuldenabbau zur Zeit weder nötig ist noch irgend jemandem etwas bringt.
Marc Joset (SP) weist darauf hin, dass die bereits seit mehreren Jahren anhaltende Triple-A-Bewertung des Kantons BL u.a. auf das entsprechende Wirtschaftspotential des Kantons zurückzuführen ist. Bei einer solchen Bewertung werden nämlich jeweils die Wirtschafts- wie auch Finanzlage des Kantons ganzheitlich betrachtet, und zwar nicht nur rückblickend; es werden auch Faktoren wie die politische Stabilität oder die demografische Entwick-lung untersucht. Zudem prüft die Ratingkommission prospektiv, wie sich der Kanton entwickeln wird. Bestünden grosse Risiken, würde die höchste Auszeichnung durch Standard & Poors gar nicht vergeben, beziehungsweise man würde umgehend auf allenfalls vorhandene grosse Risiken aufmerksam gemacht.
Triple-A müsse man nun langsam als Argument streichen, meint Thomi Jourdan (EVP), nachdem sich bis vor Kurzem noch etwelche Schweizer Banken - offensichtlich ohne die notwendige Voraussicht - mit dieser Auszeichnung gebrüstet hätten und nun dementsprechend 'brutal' auf die Nase gefallen sind. Das heisse nun aber nicht, dass es dem Kanton finanziell schlecht gehe. Es sei jedoch nichts dagegen einzuwenden, im Sinne von "prüfen" darüber nachzudenken, wie Schulden abgebaut werden können; denn um etwas anderes gehe es bei diesem Vorstoss nicht. Auch als Privatperson - etwa als Hausbesitzer - müsse sich jeder Einzelne auch Gedanken über den Privatschuldenabbau machen. Hier sei nicht die Rede von einer Milliarde, für die man selbst irgendwann einmal geradestehen muss, sondern es geht auch darum, dass man die Milliarde an zukünftige Generationen weiter gibt... Mit oder ohne AAA sei heute nicht abzusehen, wie es in 10 oder 20 Jahren mit der wirtschaftlichen Situation des Kantons aussieht. Daher handelt es sich um eine kontinuierliche Aufgabe der jetzigen Generation, sich laufend zu überlegen, wie Schulden verringert werden können. Tut man dies nicht, so betreibe man Raubbau an zukünftigen Generationen.
Soziales Denken schliesse ein, dass man auch an die zukünftigen Generationen denkt, deren Spielraum immer enger werde. Die jetzige Situation als nicht dramatisch zu bezeichnen und einfach nicht hinzuschauen, sei nichts als Blindekuh-Spielen. Er appelliert an das Parlament, auch gegenüber der Regierung klar zum Ausdruck zu bringen, dass man eine Prüfung der Ideen zur weiteren Reduktion des Schuldenbergs begrüsst.
Die Grünen sind sicher die letzten, die jemandem ein Denkverbot auferlegen wollen, entgegnet Klaus Kirchmayr , und das schliesse natürlich auch Schuldenabbau ein. Man befürchtet aber, dass damit ein eindimensionales Denken einhergeht. Zukunftsorientiertes Denken heisst nicht einfach, die Frage zu klären, wo Geld hergenommen werden kann, um die Schulden zu verkleinern, sondern - und das ist der zentrale Punkt - es muss auch überlegt werden, wo Geld sinnvoll zu einer Produktivitätsverbesserung des Standorts eingesetzt werden kann. Mit einer reinen Reduktion auf die Schuldendimension setze man ein falsches Zeichen.
Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) mahnt, am Boden zu bleiben. Nicht jeder einzelne Vorstoss müsse wohl eine 'eiermilchlegende Wollmilchsau' verlangen... Es sei wohl nichts falsch daran, dass im hier vorliegenden Vorstoss einmal der Focus auf den Schuldenabbau gesetzt werde. Anderseits werde auch sehr viel investiert, und es steht einiges mehr in petto, das noch investiert werden soll. Man tue weissgott vieles, um auch in Zukunft attraktiv zu sein, dabei soll aber auch über den anderen Teil nachgedacht werden.
://: Der Landrat überweist das Postulat mit 49 Ja- : 14 Neinstimmen bei 2 Enthaltungen an die Regierung. [ Namenliste ]
Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei
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