Protokoll der Landratssitzung vom 22. Mai 2008

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2007-207 vom 6. September 2007
Interpellation von Hanspeter Frey, FDP: Flughafen Basel-Mulhouse: Sicherheit
- Schriftliche Antwort des Regierungsrates vom 26. Februar 2008
- Beschluss des Landrats am 22. Mai 2008: < erledigt >

Nr. 537 und 552

Hanspeter Frey (FDP) beantragt Diskussion.


://: Diskussion wird bewilligt.


Hanspeter Frey (FDP) möchte zwar keine lange Flughafendebatte auslösen, aber dennoch einige Worte zur Beantwortung durch die Regierung sagen. Diese ist nicht ganz befriedigend ausgefallen, insbesondere nicht für die direkt Betroffenen in Allschwil, Hegenheim, Buschwiler und Schönenbuch. Nach dem Absturz eines Kleinflugzeugs im Juli 2007 stellen sich immer noch einige Fragen.


Die Interpellationsantworten zeigen auf, dass die Regierung dem Wachstum des Euro-Airports einen grossen Stellenwert beimisst.


Es wird immer wieder auf dessen Wichtigkeit für den Wirtschaftsstandort hingewiesen. Dies stellt auch niemand in Frage.


Aber die Regierung unterstützt auch die beabsichtigte Frachtstrategie, die mit viel Lärm, mit Umweltbelastungen und mehr Überflügen über die betroffenen Wohngebiete verbunden ist. Es wird stets betont, alles sei so umweltverträglich und lärmarm wie möglich, zum Schutze der Bevölkerung. In Tat und Wahrheit wird jedoch sehr wenig unternommen, um die Bevölkerung zu schützen und um eine positive Entwicklung der flughafennahen Gemeinden nicht zu gefährden. So wird zum Beispiel ein Fluglärmbelastungskataster über Allschwil gelegt, damit dann irgendwelche Amtsstuben trocken feststellen können, dass die Planungswerte für die erste Nachtstunde (also 22:00 bis 23:00 Uhr) deutlich überschritten würden und somit eine weitere Bauentwicklung nicht zulässig sei.


In der Antwort auf Frage 3 schreibt die Regierung: «Aus Lärmschutzgründen hat die französische Flugsicherung veranlasst, dass in verkehrsarmen Zeiten vermehrt Nordstarts [...] durchgeführt werden.» Der Regierungsrat ist nun in der Pflicht, diesen schönen Worten auch Taten folgen zu lassen und mit Nachdruck Verbesserungen einzufordern, ja zu erzwingen, statt nur in lauen Worten zu beteuern, man gebe sich Mühe.


Es ist zu hoffen, dass das vom BAZL ausgesprochene Verbot für Test- und sonderbewilligungspflichtige Flüge nicht nur eine vorsorgliche Massnahme ist, sondern ein dauerhaftes Verbot. Dafür soll sich die Regierung unbedingt einsetzen.


Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die geforderten 20 % Starts und Landungen auf der Ost/West-Piste nicht eingehalten werden, sollte die Direktstart-Vereinbarung von 1998 überarbeitet werden. Denn die Risikoanalysen zeigen klar, dass Direktstarts ein kleineres Risiko darstellen als Starts mit engen Kurven. Dadurch liesse sich zudem auch eine gerechtere Lärmverteilung erreichen.


Es muss daran gezweifelt werden, dass am EAP wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um Richtung Norden zu starten. Wenn ein Jumbo mit 100 Tonnen Fracht, 200 Tonnen Kerosin und 150 Tonnen Eigengewicht über Allschwil hinweg fliegt, löst das keine Begeisterung in der Bevölkerung aus, sondern schürt das Gefühl der Gefährdung. Durch vermehrte Nordstarts könnten die dichtbesiedelten Gebiete besser geschützt werden. Es scheint, als ob die Bedürfnisse der Wohnbevölkerung längst nicht mehr oberste Priorität geniessen.


Die von der Regierung erhobenen Forderungen für eine vermehrte Nutzung der Ost/West-Piste scheinen erfolglos zu verhallen. Diese Bemühungen sind fortzusetzen: Es muss Druck gemacht werden, dass Kurzstreckenflieger, vor allem aber die kleinen und wendigen Privat- und Businessjets zwingend auf die Ost/West-Piste geschickt werden müssen.


Die regierungsrätliche Antwort auf Frage 5 ist zu relativieren. Denn das Prinzip der Wahlfreiheit gilt nicht absolut. Die Pisten werden den Piloten vielmehr zugeteilt. In Frankfurt, Chicago, Atlanta oder Schanghai können doch die Piloten nicht nach Lust und Laune ihre Pisten aussuchen - sonst würden sie ja stundenlang auf die Abfluggenehmigung warten!


Es ist zu hoffen, dass nun endlich wirksame Massnahmen zugunsten der Bevölkerung in den überflogenen Gebieten ergriffen und dass die Forderungen und Ausbauwünsche des Flughafens ins zweite Glied zurückgestellt werden. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre die Überweisung der folgenden Motion 2008/091 von Madeleine Göschke für eine Nachtflugsperre auf dem EAP. Mit der Umsetzung dieser Motion könnte die Regierung beweisen, dass es ihr ernst ist, Massnahmen zugunsten der überflogenen Gemeinden zu treffen.


Marc Joset (SP) unterstützt die kritischen Bemerkungen seines Vorredners. In der Antwort auf Frage 3 schreibt die Regierung: «Aus Sicherheitsgründen muss die Flugsicherung sicherstellen, dass sich startende und landende Flugzeugen nicht kreuzen (Vermeidung von Gegenverkehr)» - das ist doch selbstverständlich. Hat schon einmal jemand Gegenverkehr auf einer Flugpiste erlebt? [Heiterkeit] Wenn sich der Flughafen auf solch lapidare Selbstverständlichkeiten wie die Verhinderung von Gegenverkehr so stark konzentrieren muss, bleiben fürwahr kaum mehr Kapazitäten für weitere Massnahmen übrig.


Zum Glück schreibt die Regierung, sie fordere von den zuständigen Behörden weiterhin eine verbesserte Benutzung der Ost/West-Piste. Das muss sie nämlich auch, denn der Landrat hat ihr diesen Auftrag verbindlich gegeben. Aber mit der Formulierung, «dass die Bemühungen [...] fortgesetzt werden müssen», schwächt die Regierung wieder ab. Der Landrat hat aber der Regierung einen Befehl erteilt, und diese hat dem Flughafen weiterzubefehlen, was er tun muss. Vielleicht versteht der Flughafenkommandant einen militärischen Ton sogar etwas besser: Die Ost/West-Piste muss zu mindestens 20 % genutzt werden! Das ist möglich.


Was die Wahlfreiheit des Piloten angeht, nur soviel: In der Vorlage heisst es: «Der Regierungsrat ist daher nicht bereit, sich gegen deren Einschränkung einzusetzen.» Das ist eine doppelte Verneinung, d.h. die Regierung will sich für die Einschränkung des Wahlfreiheitsprinzips engagieren. Ist das wirklich so gemeint?


Genau weil die Wahlfreiheit des Piloten über alles gestellt worden ist, ist es übrigens zum Unfall vom Juli 2007 gekommen: Laut Zeitungsberichten, die der Flughafen bestätigt hat, wurde der Pilot über die Windrichtung informiert und angewiesen, in Richtung Norden zu starten. Dies hat er aber nicht befolgt; deshalb ist es zum Absturz gekommen. Wenn die Wahlfreiheit über alles gestellt wird, kommt es zu Unfällen.


Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) unterbricht die Beratung dieses Traktandums; sie wird am Nachmittag fortgesetzt.


Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



(Fortsetzung vom Nachmittag)

Paul Jordi (SVP) meint, die Vorlage des Regierungsrates sei sachlich und richtig ausgearbeitet worden. Die SVP steht hinter dem Bericht, will aber noch folgende Bemerkungen hinzufügen: Dank der Intervention des Regierungsrates dürfen auf den drei Landesflughäfen keine Experimentalflüge mehr durchgeführt werden, was als gut zu bewerten ist. Die Antwort auf Frage 5 ist nicht ganz richtig: Der Pilot regelt zwar das Abflug- und Landeverfahren, jedoch unterliegt seine Entscheidung der Flugsicherung, welche über die Piste bestimmt. Die Pistenrichtung darf also nicht vom Pilot gewählt werden. Beim von Marc Joset geschilderten Fall handelte es sich um einen Experimentalflug, welcher von diesem Verfahren ausgenommen wurde, was sich als falsch erwies. Die Oberaufsicht obliegt der Luftfahrtbehörde.


Madeleine Göschke (Grüne) ergänzt zur Ost-West-Piste, Frage 4 der Interpellation: Betreffend dem Flugzeugtyp könnten fast 50% der Direktstarts nach Süden ebenso nach Westen starten, wie dies der Anhang 2 des letzten Fluglärmberichts zeigt. Beispielsweise handelt es sich hierbei um Embraer-, BAe-146- sowie Turboprop-Maschinen. Das hier zu 80% herrschende Westwindwetter ist ideal für Weststarts. Entscheidend ist jedoch nicht der Flottenmix oder die Wettersituation, sondern die angeblich durch den Piloten getroffene Entscheidung, wo auf dem EAP gestartet und gelandet wird. Auf Seite 5 der regierungsrätlichen Antwort ist zu lesen: «Diese Wahlfreiheit der Piloten ist eine auf der ganzen Welt angewandte, unbestrittene und für die Abwicklung des Flugverkehrs elementare Kompetenz- und Verantwortungsregelung». Eine Recherche der Rednerin zeigt jedoch ein ganz anderes Bild: Es konnte kein einziger Flughafen gefunden werden, auf dem die Piloten über die Start- und Landepisten entscheiden, sondern dies übernimmt der Tower; Emergency Cases sind natürlich ausgenommen.


://: Somit ist die Interpellation 2007/207 erledigt.


Für das Protokoll:
Miriam Schaub, Landeskanzlei



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