Protokoll der Landratssitzung vom 21. Februar 2008

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2007-294 vom 27. November 2007
Vorlage: In Würde sterben - auch im Spital! - Bericht des Regierungsrates zum Postulat 2003-192 von Röbi Ziegler, SP (Abschreibung)
- Bericht Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission vom 6. Februar 2008
- Beschluss des Landrats am 21. Februar 2008: < abgeschrieben >

Nr. 345

Gemäss Kommissionspräsident Thomas de Courten (SVP) beauftragte das vom Landrat im Jahr 2004 überwiesene Postulat den Regierungsrat, in den kantonalen Spitälern, insbesondere in den geriatrischen Spitalabteilungen, räumliche und weitere Massnahmen zu prüfen, um auch im Spital ein würdiges Sterben sicherzustellen.


Der Regierungsrat zeigte in seinem Bericht auf, dass ein Sterben in Würde heute an den Spitälern sichergestellt sei und dass alle Spitäler entsprechende Massnahmen getroffen hätten.


Damit wäre das Postulat rein juristisch als erfüllt zu betrachten und entsprechend abzuschreiben. Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission (VGK) hat sich aber mit dem Thema vertieft befasst. In der Kommissionsberatung sind verschiedene Problemkreise, die bestehen, bestehen könnten oder in Zukunft allenfalls noch stärker bestehen werden, angesprochen worden; diese sind im Kommissionsbericht in aller Kürze erwähnt. Die Kommission kam zum Schluss, dass weiterer Beratungs-, Klärungs- und Handlungsbedarf zum Thema "Sterben in Würde" im Kanton Baselland besteht; sie möchte sich vertiefter damit auseinandersetzen.


Die Kommission beantragt dem Landrat heute, dass vom Regierungsrat beantwortete Postulat Röbi Zieglers als erfüllt abzuschreiben. Gleichzeitig gibt sie bekannt, dass sie sich an einer ihrer nächsten Sitzungen mit dem Thema vertieft auseinandersetzen wird. Der Regierungsrat hat der Kommission einen Programmvorschlag gemacht, wie sie sich inhaltlich mit dem Thema befassen könnte. Dieses Programm befindet sich gegenwärtig noch in Beratung, weshalb noch nicht konkreter darauf eingegangen werden kann. Fest steht allerdings, dass die Kommission zum Thema "Sterben in Würde" sicherlich noch von sich wird hören lassen.


Sein Vorstoss, bemerkt Postulant Röbi Ziegler (SP) einleitend, sei natürlich beruflich bedingt und sehr naheliegend. Bei Todesfällen erfährt er sehr häufig in den seelsorgerischen Gesprächen mit den Angehörigen, unter welchen Umständen eine Mutter, ein Vater oder ein Ehepartner gestorben ist. Viele dieser Sterbefälle ereignen sich im Spital. Im Jahre 2003, als er das Postulat eingereicht hat, berichteten mehrere Angehörige von einem absolut unwürdigen Sterben im Spital. Diese Berichte erinnerten ihn an den Tod des eigenen Vaters vor über 20 Jahren, der in einem Geräteraum des Kantonsspitals hatte stattfinden müssen. Um dieses Bild zu ergänzen, ist festzuhalten, dass es auch ganz anders lautende Berichte gibt - so etwa der Bericht, dass das Kantonsspital Liestal dem Ehemann einer sterbenden Frau ein Bett in deren Zimmer zur Verfügung gestellt hat und so durch eine Art "Rooming-in" eine Sterbebegleitung durch den Ehemann möglich war.


Röbi Ziegler will in keiner Art und Weise das Pflegepersonal kritisieren. Er weiss, dass dieses in allen Spitälern auf die Frage sensibilisiert ist und dass dem Thema bei der Ausbildung Beachtung geschenkt wird. Dass ein Sterben in Würde, entgegen dem schriftlichen Ausdruck des Regierungsrates, noch nicht sichergestellt ist, liegt also nicht am Pflegepersonal, sondern vielmehr an der Planung, der Organisation und den räumlichen Gegebenheiten.


Fakt ist, dass beim Kantonsspital Liestal ein würdiges Sterben sichergestellt ist, soweit dies im Rahmen der Gegebenheiten möglich, denn es fehlen schlicht und einfach die Räumlichkeiten.


Prekärer sieht es im Kantonsspital Bruderholz aus, wo die Belegung sehr hoch ist und die räumlichen Verhältnisse seit Jahren ausgesprochen kritisch sind. Die Situation ist dort dermassen pitoyabel, dass im regierungsrätlichen Bericht ausdrücklich festgehalten wird, es handle sich um ein Planungspapier. Das Sterben in Würde ist also nicht gewährleistet - ist also weder in Vollzug noch die Regel -, sondern lediglich in Planung . Das Pflegepersonal tut sein Bestes im Rahmen des Möglichen. Wenn also ein würdiges Sterben nicht möglich ist, so ist dies nicht dem Pflegepersonal anzulasten.


Die Aussage im regierungsrätlichen Bericht, wonach die Spitäler keine Sterbehäuser seien, stammt vielleicht noch aus der Feder von Regierungsrat Zwicks Amtsvorgänger, welcher sich mit Haut und Haaren gegen die Entgegennahme des Postulates gesträubt hatte - insofern ist Regierungrat Zwick in Schutz zu nehmen. Der Satz ist jedoch Ausdruck eines Zielkonfliktes. Alle, die ein Spital aufsuchen, möchten dieses wenn möglich gesund wieder verlassen können. Alle Ärzte und das Pflegepersonal verfolgen selbstverständlich das gleiche Ziel. Es ist aber gleichzeitig eine Tatsache, dass es im Kantonsspital Bruderholz pro Jahr etwa 300 Todesfälle gibt; im Kantonsspital sind es ungefähr deren 200. Die Aussage, unsere Spitäler seien keine Sterbehäuser, ist aus Sicht des Leistungsauftrages sehr richtig, entspricht aber nicht den Tatsachen.


Die Verdrängung des Todes aus dem Leben hat in den letzten Jahrzehnten bei der Bevölkerung etwas abgenommen. Dem könnte Rechnung getragen werden, indem in den Spitälern mit dem Tod anders umgegangen wird, vor allem wenn es um politische Entscheidungen und um den Stellenwert des würdigen Sterbens innerhalb des Leistungsauftrages des Spitals geht. Hier ist nicht das Pflegepersonal gefordert, sondern die Politik, die einen ersten Schritt machen sollte. Das war mitunter ein Grund für dieses Postulat.


Röbi Ziegler kann sich mit der Abschreibung des Postulates einverstanden erklären, allerdings nur darum, weil er weiss, dass die Kommission sich des Themas weiterhin annehmen wird. Die Zielrichtung muss sein, dass das Sicherstellen eines würdigen Sterbens im Leistungsauftrag der Spitäler enthalten ist und auch in die Planung einfliesst. Er dankt der Kommission für ihre Arbeit und Regierungsrat Peter Zwick dafür, dass die Angelegenheit bei ihm auf anderes Gehör gestossen ist als bei seinem Vorgänger.


Juliana Nufer (FDP) kann die Aussagen Röbi Zieglers nur unterstützen - der Tod gehört ebenso zum Leben wie die Geburt.


Es gibt Organisationen wie SEOP, Palliative Care, Spitex, die sich mit dem würdigen Sterben beschäftigen und auf regionaler Ebene mit den Spitälern sowie Alters- und Pflegeheimen zusammenarbeiten. Auch der Kommission ist es ein Anliegen, aufgezeigt zu bekommen, wie diese Organisationen funktionieren, wie deren Trägerschaften aussehen und wie die Koordination erfolgt.


Wichtig ist auch, dass die Bevölkerung sich mit dem Thema "Sterben" auseinandersetzt. In diesem Zusammenhang ist es durchaus auch vorstellbar, dass von kantonaler Ebene aus eine verstärkte Kommunikation dazu erfolgt. Die FDP-Fraktion unterstützt es, dass die Kommission in dieser Sache weiterhin am Ball bleibt.


Es sei die eine Sache gewesen, so Regierungsrat Peter Zwick (CVP), das Postulat Röbi Zieglers zu beantworten - diesbezüglich habe die Direktion ihre Aufgabe erfüllt. Schon bald aber ist ihm bewusst geworden, dass Sterben ein sehr heikles Thema ist. Es gibt Menschen, die von Berufes wegen damit zu tun haben - Seelsorger wie Röbi Ziegler oder das Spitalpersonal - und für die der Umgang mit dem Sterben nicht einfach ist, und es gibt die Angehörigen, die sehr emotional davon betroffen sind. Aus diesem Grund hat er das Thema nicht zur Sache der Spitaldirektionen, sondern zu seiner persönlichen Sache gemacht. In der Folge hat er der Kommission Vorschläge unterbreitet, wie in dieser Frage weiter vorgegangen werden kann - so etwa, sämtliche Spitaldirektoren und Seelsorger einzubeziehen, ein Palliativspital zu besichtigen, etc. Es geht darum, das Feld für Ideen zu öffnen.


Für ihn nicht der richtige Weg ist es, separate Sterbezimmer einzurichten, wohin die Patienten zum Sterben verlegt werden. Wie von Röbi Ziegler angesprochen, muss es vielmehr darum gehen, dass Sterbende in einem Raum - gemeinsam mit ihren nächsten Angehörigen oder mit Seelsorgern - ihren letzten Weg gehen können.


Das ist das Ziel, welches die Kommission und auch er selbst erreichen wollen. Er ist froh, dass das Postulat abgeschrieben werden kann und nicht weitergehende Vorstösse, etwa in Form von Motionen, folgen. Vielmehr soll dieses heikle Thema gemeinsam angegangen werden, um zu guten Konzepten zu kommen.


Keine weiteren Wortbegehren.


://: Der Landrat spricht sich mit 63:0 Stimmen bei einer Enthaltung dafür aus, das Postulat 2003/192 als erfüllt abzuschreiben. [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Barbara Imwinkelried, Landeskanzlei



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