Protokoll der Landratssitzung vom 21. Februar 2008
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2007-183 vom 21. August 2007
Vorlage: Bericht über den Stand der Bemühungen zur Verminderung der Fluglärmbelastung im Jahre 2006
- Bericht der Umweltschutz- und Energiekommission vom 5. Februar 2008
- Beschluss des Landrats am 21. Februar 2008: < zur Kenntnis genommen >
Nr. 350
Kommissionspräsident Philipp Schoch (Grüne) erklärt, dass der Regierungsrat jedes Jahr dem Parlament über die "sogenannten" Bemühungen zur Verminderung der Fluglärmbelastung um den Euroairport berichtet. Es geht also nicht um den Euroairport an sich, sondern um eine Auswirkung, nämlich den Lärm.
Die Umweltschutz- und Energiekommission ist hierin seit sechs Jahren an den selben Themen interessiert: Die Benützung der Ost-West-Piste und das Nachtflugverbot.
Zur Ost-West-Piste: Deren Nutzung liegt weit unter dem versprochenen Wert und somit weit unter den Erwartungen. Gespannt darf man sein, wie es während der Euro08 aussehen wird. Da wird die Ost-West-Piste nämlich zur Abwicklung des gesamten Verkehrs benötigt werden. Die Kommission erwartet ein stärkeres Engagement der Baselbieter Vertretung in den zuständigen Gremien des Euroairports für die stärkere Nutzung der Ost-West-Piste.
Dasselbe gilt für das Nachtflugverbot. Dieses Problem ist nach wie vor ungelöst. Für die betroffene Bevölkerung muss eine Lösung gefunden werden.
Die Kommission beantragt dem Landrat einstimmig, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.
Folgend Ueli Halder (SP) nimmt die SP-Fraktion den Bericht zur Kenntnis und würdigt diesen als differenziert und transparent. Auch anerkennt die Fraktion die Bemühungen, die wachsende Nachfrage mit modernen Flugzeugen, die eine geringere Lärmbelästigung verursachen, zu bewältigen. Ferner wird auch eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens anerkannt.
Verschwiegen werden soll aber nicht, dass die Fraktion Zweifel an der Nachhaltigkeit dieses Business anmeldet. Was die Ökologie betrifft, ist es selbstverständlich nicht nachhaltig. Zweifel seien aber auch in ökonomischer Hinsicht angemeldet. Insbesondere der Bereich der Billig-Fluglinien ist ein äusserst volatiles Geschäft.
Sobald das Kerosin etwas teuerer wird, werden diese Billigflieger rasch verschwinden.
Sorgen bereiten der SP-Fraktion und Ueli Halder die Bewertung im Bericht: Es handle sich, was den Lärm betrifft, um eine "weitgehend unproblematische" Situation. Als Mitglied der Kommission und als Allschwiler kann Ueli Halder diese Aussage nicht unterstützen. Konkreter bereitet erstens die Zunahme der Nachtflüge Sorgen. Die Nachtflüge nahmen um 14% zu, im Südsektor, der den Kanton betrifft, gar um 31% beziehungsweise 56%. Im Schnitt sind das nur 3 Flüge pro Nacht. Aufgerechnet auf das gesamte Jahr handelt es sich aber dennoch um rund 1000 Flüge, an welchen sich die Leute stören müssen. Es ist damit zu rechnen, dass in der Hysterie um die Euro08 noch eine ganz andere Anzahl an Flügen hinzukommen wird, um die "betrunkenen Fans wieder loszuwerden". Zum zweiten bereitet die erwartete Zunahme der Fracht- und Wartungsflüge Sorgen. Verschiedene Firmen, unter anderem die Jet Aviation, bauen ihre Infrastrukturen aus. Man möchte also mehr Flugzeuge haben und mehr Flugzeuge fliegen lassen. Gerade bei den Frachtflügen handelt es sich häufig um alte, schwere und laute Maschinen, die äusserst störend sind, weil sie tief fliegen und nur langsam aufsteigen.
Von der Regierung erwartet die SP-Fraktion, dass diese auf eine Abwicklung der Nachtflüge Richtung Norden hinwirkt. Natürlich ist das für die dort lebenden Leute auch nicht lustig, jedoch ist das Gebiet nicht so dicht besiedelt. Auch sollte eine Nutzung modernerer Maschinen angestrebt werden.
Als dritten Punkt bemängelt die SP-Fraktion die geringe Nutzung der Ost-West-Piste. Immer wieder war zu vernehmen, dass es sich letztlich um eine Entscheidung des Piloten handle, welche Piste er nutzen wolle. Der Flughafen verfügt aber sehr wohl über Möglichkeiten, um die vermehrte Nutzung der Ost-West-Piste voranzutreiben. Die Regierung sollte auch in dieser Frage ihren Einfluss wahrnehmen.
Zuletzt, als vierten Punkt, kritisiert die SP-Fraktion, dass noch immer kein verbindlicher Fluglärmkataster vorliegt. Hier wäre das Bundesamt für Zivilluftfahrt gefordert. Für eine Gemeinde wie Allschwil bedeutet die jetzige Situation nämlich eine Unsicherheit in der Frage, in welchen Gebieten und Zonen überhaupt gebaut werden darf. Der Flughafen und die Regierung sind es der Bevölkerung schuldig, damit diese weiss, was sie letztlich für den Flughafen zahlt.
Im übrigen ist fraglich, wie sinnvoll es ist, Anfang 2008 über einen Lärmbericht für das Jahr 2006 zu befinden. Die Dynamik des Flughafens dürfte sich gerne etwas mehr in der Berichterstattung niederschlagen.
Fredy Gerber (SVP) und die SVP-Fraktion entnehmen dem vorliegenden Bericht, dass die Fluglärmsituation nach wie vor unbefriedigend ist. Als Vertreter Binningens stellt Fredy Gerber fest, dass Fluglärm wohl ein Problem darstellt, welches die umliegenden Gemeinden belastet und die Wohnqualität mindert. Der Fraktion ist durchaus bewusst, dass die Kantonsvertreter beim Euroairport mit ungleich langen Spiessen kämpfen müssen. Das Sagen hat eindeutig "la Grande Nation". Die Fraktion wünscht sich aber ein unverdrossenes Eintreten der Kantonsvertreter für eine Art Bonus-Malus-System, welches den Überflug über die Basler Region mit lärmintensiven Flugzeugen unattraktiver gestalten sollte.
Die SVP-Fraktion verdankt den Bericht und nimmt ihn leicht frustriert zur Kenntnis.
Christa Oestreicher (FDP) empfindet den Bericht als Déja-vu. Alle Jahre wieder werden dieselben Punkte aufs Neue festgestellt. Es ändert sich also nicht viel, der Landrat kann den Bericht zur Kenntnis nehmen. Auch der Regierung sind die Hände ein Stück weit gebunden, weil eben kein Einfluss auf die Fluggesellschaften ausgeübt werden kann. Diese entscheiden am Ende, wann und wo sie fliegen wollen und wo sie starten und landen. Die Piloten sind verantwortlich für die Landung und letztlich auch die Sicherheit der Passagiere. In diesem Sinne nimmt die FDP den Bericht zur Kenntnis.
Elisabeth Augstburger (EVP) erachtet es einerseits als erfreulich, dass der Euroairport im Jahre 2006 ein derart gutes Resultat zustande brachte. Die grösseren Flugzeuge und eine vierte Maschine von Easyjet führte zu diesem Erfolg. Andererseits ist der CVP/EVP-Fraktion aber auch wichtig, dass die Ost-West-Piste vermehrt genutzt wird. Dies wurde bereits mehrfach begründet. Auch wünscht sich die Fraktion eine Minderung der Lärmbelastung durch die lauten Frachtflieger und durch die Nachtflüge. Die Zunahme der lauten Flugzeuge beträgt 68%, jene der sehr lauten 35%. Gerade in Allschwil führt das zu Planungswertüberschreitungen. Auch fordert die Fraktion einen Lärmkataster, was auch bereits mehrfach begründet wurde. Die CVP/EVP-Fraktion nimmt den Bericht zur Kenntnis und verdankt der Regierung und der Fluglärmkommission deren Arbeit.
Madeleine Göschke (Grüne) und die Grüne Fraktion nehmen den Bericht zur Kenntnis, sind aber mit dem Inhalt nicht einverstanden. Tatsächlich, Christa Oestreicher erwähnte das ganz korrekt, ist es alle Jahre wieder dasselbe. Es ändert sich rein gar nichts, es wird nur schlimmer. Drei Punkte möchte die Fraktion ins Zentrum der Aufmerksamkeit schieben:
1.
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Die Missachtung der Lärmschutzverordnung durch den Euroairport: Der Regierungsrat und die Fluglärmkommission berufen sich ständig auf die schweizerische Lärmschutzverordnung. Beide ignorieren aber, dass diese überhaupt nicht eingehalten wird. Die Lärmschutzverordnung verlangt, dass der Fluglärm zwischen 23.00 Uhr und 06.00 Uhr gemessen wird. Der Euroairport foutiert sich aber um diese Vorschrift. Die Grünen verlangen bereits seit Jahren die Einhaltung der Lärmschutzverordnung. Selbst die Regierung scheint sich nicht an dieser Rechtsverletzung zu stören.
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2.
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Die Ost-West-Piste: Vor der Abstimmung über den Flughafenkredit wurde ein Zielwert von 20-25% der Starts gegen Westen nach dem Ausbau versprochen. Jetzt liegt man aber im Bereich einiger weniger Prozente. 33% der Direktstarts nach Süden - das kann im Bericht nachgelesen werden - sind EMBRAER-Maschinen und Jumbolinos. Diese könnten alle nach Westen starten. Folglich ist es auch eine reine Schutzbehauptung, dass der neue Flottenmix Schuld haben sollte. Während der Reparatur der Hauptpiste war zudem der Start nach Westen plötzlich möglich.
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3.
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Der Fluglärm in der Nacht: Die Nachtflüge im Südsektor nahmen in den Jahren 2004 bis 2006 um 300% zu. Das kann in Tabelle 2 nachgelesen werden. Die Regierung nennt das "eine leichte Verlagerung der Nachtflüge nach Süden". Ist das eine objektive Berichterstattung? Die Regierung verliert kein Wort darüber, wie sie sich für die Wahrung der Nachtruhe und die Erhaltung der Wohnqualität der Bevölkerung einsetzen möchte. Das BAZL stellt in der Intraplan-Studie fest, dass im Raum Basel in den kommenden Jahren weiterhin mit einer starken Zunahme der Nachtflüge zu rechnen sei. Dies, weil die Nachtflüge in Zürich und Frankfurt eingeschränkt werden. Warum findet das im Bericht keine Erwähnung? Laut Jürg Tschopp vom Euroairport läge es in der Kompetenz des Verwaltungsrates, eine Nachtflugsperre zu verhängen. Die regierungsrätlichen Vertreter von Basel-Stadt und Basel-Landschaft im Verwaltungsrat sollten endlich ihre Verantwortung wahrnehmen, für eine Nachtflugsperre sorgen und somit die Bevölkerung schützen.
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Agathe Schuler (CVP) nimmt die Gelegenheit wahr, sich als Vertreterin einer direktbetroffenen Gemeinde zu Wort zu melden und dem Regierungsrat ein paar Hinweise auf den Weg zu geben.
Das ILS 34 ist seit rund 2 Monaten in Betrieb. Der Regierungsrat schreibt im Bericht zu diesem, dass es ihm ein wichtiges Anliegen sei, dass die ausgehandelten Bedingungen eingehalten würden. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass bei bestimmten Wetterlagen die Flugzeuge im 10-Minutentakt wie auf einer Schiene von Süden her auf den Flughafen zusteuern und dabei wesentlich mehr Menschen mit Lärm beschallen. Zwar mag der Lärm gesamthaft betrachtet etwas weniger laut sein, die Zahl der Betroffenen ist aber deutlich höher.
Auf der Webseite des Euroairports findet man aktuell den Hinweis, dass dieses ILS 34 in rund 10% der Fälle verwendet werde, besonders bei gewissen Wind- oder Betriebsverhältnissen. Das stimmt aber nicht mit den Abmachungen über die Pistenbenutzung und die Kontrolle der Massnahmen zum ILS 34 überein. Es handelt sich dabei um ein Abkommen zwischen BAZL und DGAC (Französische Luftfahrtbehörde), wonach der Grenzwert bei 10% liegt. Die Formulierung lautet "unter 10%", nicht "rund 10%". Eine Limite bestünde also, doch wird diese schon heute auf der Webseite angeknabbert. Massgebend sind laut Abkommen die Windverhältnisse am Boden. Auf der Webseite ist aber die Rede von Wind- und Betriebsverhältnissen. Den Regierungsrat möchte Agathe Schuler daher ersuchen, jetzt den Fragen nachzugehen und nicht noch zwei Jahre zuzuwarten. Es sollte abgesichert werden, dass das ILS 34 gemäss Abkommen eingesetzt wird.
Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) liegen keine weiteren Wortbegehren vor. Sie lässt abstimmen:
://: Der Landrat nimmt den Bericht über den Stand der Bemühungen zur Verminderung der Fluglärmbelastung (2007/183) mit 54:0 Stimmen bei 11 Enthaltungen zur Kenntnis. [ Namenliste ]
Für das Protokoll:
Pascal Andres, Landeskanzlei
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