Protokoll der Landratssitzung vom 21. Februar 2008

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2007-267 vom 30. Oktober 2007
Vorlage: Postulat von Jacqueline Simonet (CVP/EVP-Fraktion) vom 6. April 2006: Revision des Steuergesetzes; Abzug von Zeitspenden analog zu «freiwilligen Zuwendungen» (Abschreibung)
- Bericht der Finanzkommission vom < 31. Januar 2008 >
- Beschluss des Landrats am 21. Februar 2008: < Abschreibung abgelehnt (Stichentscheid) >

Nr. 349

Kommissionspräsident Marc Joset (SP) erklärt, dass der Landrat am 21. September 2006 das Postulat an den Regierungsrat überwies. Die Postulantin, Jacqueline Simonet, setzte die Finanzkommission bereits in Kenntnis, dass sie gegen die Abschreibung sei und dies im Landratsplenum auch begründen werde. Die Regierung bietet in ihrer Antwort keine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand an, obwohl in der Debatte zur Überweisung der Wert der Freiwilligenarbeit klar anerkannt wurde. Eine Mehrheit der Finanzkommission schliesst sich der Argumentation des Regierungsrates an. Das Steuerharmonisierungsgesetz lässt eine solche Abzugsmöglichkeit nicht zu. Der Kanton kann demnach keinen neuen Abzug einführen. Baselland hat im kantonalen Steuergesetz den entsprechenden Passus aus dem Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes übernommen: "Abzugsfähig sind die freiwilligen Leistungen von Geld und übrigen Vermögenswerten". Zur Frage steht, wie die übrigen Vermögenswerte juristisch ausgelegt werden. Hierzu ist einem Bericht der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben zu entnehmen, dass "Arbeitsleistungen" nicht als Vermögenswerte gelten.


Einer Minderheit der Finanzkommission genügen diese juristischen Begründungen nicht für die Abschreibung des Postulats. Für freiwillige, ehrenamtliche Arbeiten müssten Anreize geschaffen werden.


Die Finanzkommission beantragt mit 9:3 Stimmen ohne Enthaltungen, das Postulat 2006/099 von Jacqueline Simonet als erfüllt abzuschreiben.


Die Postulantin Jacqueline Simonet (CVP) bedankt sich für die Bearbeitung und Beantwortung des Postulats. Die Abstimmungsergebnisse in der Kommission wecken in ihr aber wenig Hoffnungen auf Erfolg. Jedoch solle man nicht von der Postulantin erwarten dürfen, sich mit dieser formellen, juristisch durchaus fundierten Antwort abzufinden. Die bisher in diesem Bereich unternommenen Bemühungen seien anerkannt, aber ungenügend. Sicher begrüssenswert ist der neue Abzug für soziale Arbeit im Umfang von 2'000 Franken pro Person, der voraussetzt, dass die betreuende Person in häuslicher Gemeinschaft mit der dauernd pflegebedürftigen oder invaliden Person lebt. Der Betrag ist aber sehr gering - fast mickrig - wenn man bedenkt, was solch eine Situation bedeutet. Zudem wird die Situation vieler alleinstehender, hilfebedürftiger Personen, die trotz Gebrechen mit der Hilfe aussenstehender Personen in ihrer Wohnung bleiben können, nicht berücksichtigt. Schliesslich kann es auch nicht als Ersatz für das Anliegen der Postulantin dienen. Auch ein Sozialpreis, der das Engagement Einzelner sichtbar machen kann, ist kein Ersatz.


Die Postulantin zitiert aus dem Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes: "lässt den Steuerabzug nicht zu". Der Kanton kann also keine neuen Abzüge einführen. Merkwürdig bleibt aber, wie der Kanton in anderen Bereichen gerne eine Pionierrolle übernimmt, nicht aber in diesem. Der Kanton war einst demographisch sehr jung, altert nun aber rasch, was neue Probleme bringen wird. Man ist auf die Hilfe der gesunden Menschen angewiesen, die bereit sind, sich ehrenamtlich für ihre Mitmenschen zu engagieren. Viele sind es nicht. Warum unternimmt man nichts in diesem Bereich?


Erwähnt wurden in der Debatte ferner Vollzugs- und Abgrenzungsprobleme. Das Postulat betrifft aber klar die Fälle von Krankheit, Invalidität und Altersbeschwerden. Erst in der Landratsdebatte zur Überweisung wurden von anderen Seiten Engagements in Sport Clubs, im Kulturbereich und weiterem erwähnt. Richtigerweise wird erwähnt, dass in diesen Fällen öfter Entschädigungen erfolgen oder die Auslagen erstattet werden. Die Postulantin beklagt, dass es in ihrem Bereich anders aussehe, da sie von der Hilfe für die Mitmenschen spricht, die aufgrund dauernder oder momentaner Behinderung in ihrem Heim bleiben müssen. Bei Einreichung des Postulats erwähnte sie, dass nur gewisse Institutionen zugelassen und die Abzugshöhe nach oben begrenzt werden sollten.


Die Forderung des Postulats betrifft also nicht gegenseitige Hilfe innerhalb der Familie oder im nachbarschaftlichen Kreis. Diese Form der Hilfe sollte selbstverständlich sein und als natürliche Pflicht betrachtet werden. Das Postulat spricht von Personen, die sich im Namen von Hilfsorganisationen zu ehrenamtlicher Tätigkeit verpflichten. Konkret bekam die Postulantin den Hinweis auf diese Situation von Mitarbeitern der Multiple Sklerose-Gesellschaft.


Zu den Fakten: Die Kurzmitteilung der Steuerverwaltung zu den abzugsfähigen Spenden beträgt 41 Seiten. Jene zu den Krankheits-, Unfall- und behinderungsbedingten Kosten nur 2 Seiten, dazu ein Kreisschreiben der eidgenössischen Steuerverwaltung mit 12 Seiten. Für eine Liste der Organisationen, die bei Zeitspenden infrage kommen, würde eine Seite mit 20 Zeilen ausreichen. Doch gibt es vielleicht auch noch andere Möglichkeiten.


Von einem befreundeten Steuerberater weiss die Postulantin, dass man in Steuerfragen gerne auf Deutschland verweise. Am heutigen Tage mag diese Bemerkung geschmacklos erscheinen. Dennoch: Dort gibt es seit dem 21. September 2007 ein Gesetz zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements. Anstatt weiterer Verbotsgesetze könnte man also auch in diesem Kanton mal wieder ein Ermunterungsgesetz kreieren.


Kurzum: Mit der Antwort der Regierung ist das Problem nicht gelöst, denn die Arbeit der Freiwilligen wird weiterhin nicht gebührend anerkannt. Daher bittet die Postulantin darum, der Abschreibung ihres Postulats nicht zuzustimmen.


Ruedi Brassel (SP) stimmt der Postulantin seitens der SP-Fraktion in der Sache zu. Das Problem des Vorstosses ist aber, dass der formulierte Auftrag zu breit gefasst ist. Die von Jacqueline Simonet nun mündlich gegebene Einengung fehlt. Aus diesem Grund kann der Argumentation der Regierung insofern gefolgt werden, als eine pauschale Umsetzung tatsächlich nicht möglich ist. Die juristische Begründung der fehlenden Umsetzbarkeit ist, dass Arbeitsleistungen nicht als Vermögenswerte anerkannt werden können. Die Bezugnahme auf andere Vermögenswerte, die in Abzug gebracht werden können, trifft also nicht auf die Arbeitsleistungen zu. Arbeitsleistungen sollen also keine Vermögenswerte sein. Der Freiwilligenarbeit müsste aber dennoch ein hoher Wert beigemessen werden, da diese ein unschätzbares Vermögen für die ganze Gesellschaft darstellt. Irgendetwas stimmt also mit dieser juristischen Begründung nicht. Die SP-Fraktion ist der Meinung, dass es neuer Vorstösse zu dieser Thematik bedürfe, die das Anliegen Jacqueline Simonets aufnehmen, präzisieren und nach einer neuen Rechtsgrundlage fragen, um diese Entlastung schaffen zu können. Liesse man das Postulat stehen, so sollte man - streng formell betrachtet - nicht in derselben Sache noch einen Vorstoss einreichen. Eine Abschreibung würde den Platz für neue Vorstösse räumen. Für die Abschreibung spricht also einzig, dass dadurch Platz für neue, präzisere Vorstösse entstünde. Dennoch wird sich ein grosser Teil der SP-Fraktion gegen die Abschreibung äussern, da das Anliegen als derart wichtig erachtet wird, dass man symbolisch auch nicht dagegen Stellung beziehen möchte. Diese Situation ist paradox. Auf alle Fälle muss man in der Sache präziser werden und das Anliegen genauer fassen.


Hans-Jürgen Ringgenberg (SVP) äusserte sich bereits im Rahmen der Überweisung und tut dies gerne auch nochmal. Schon damals äusserte er sich dagegen und fühlt sich nun in seinen Argumenten durch die Antwort bestätigt. So, wie es vorgeschlagen wird, funktioniert es nicht. Ruedi Brassel stimmt er insofern zu. Auch die SVP-Fraktion ist nicht a priori gegen eine Entschädigung von Freiwilligenarbeit. Nur klappt es eben nicht in der vorgeschlagenen Art und Weise.


An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass es verschiedene Formen der ehrenamtlichen Tätigkeit gibt. Im Postulat wird dies nicht ausreichend eingeengt. Auch war die Rede von einer Liste von Organisationen, deren Mitarbeiter in den Genuss dieser Entlastung kommen sollten. Doch fängt schon hier das Problem an. Für welche Arbeit sollte das gelten, welcher Tarif sollte zur Anwendung kommen? Die zahlreichen Gründe möchte Hans-Jürgen Ringgenberg nicht wiederholen. Es gibt klare Probleme, vor allem rechtlicher Natur, welche die SVP-Fraktion dazu bewogen, für eine Abschreibung zu sein. Kommt ein neuer Vorstoss, dessen Umsetzung weniger problematisch ist, dann würde dieser womöglich unterstützt. So wie jetzt geht es nicht. Es müsste eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, die dies ermöglicht. Dafür wäre wohl die Bundesebene adäquater. Diese Wege können begangen werden. Das vorliegende Postulat muss aber abgeschrieben werden.


Auch Dieter Schenk (FDP) und die FDP-Fraktion sprechen sich für eine Abschreibung des Postulats aus. Formell sind die vorgebrachten Anliegen in dieser Form nicht umsetzbar. Auch die FDP vertritt die Auffassung, dass nach anderen Wegen gesucht werden müsste, wobei eine gewisse Hoffnung beim Bund liegt. Die Antwort stützt sich auf die Meinung einer ständerätlichen Kommission. Im Parlament wurde die Frage aber nicht diskutiert, weshalb an diesem Punkt angesetzt werden könnte. Vielleicht hätte es dort mehr Chancen. Dieter Schenk bittet die Postulantin, nach anderen Wegen zu suchen.


Rita Bachmann (CVP) erlebte in ihrer nun fast zwölfjährigen Zugehörigkeit zum Landrat einige Vorstösse zu diesem Thema. Dies verdeutlicht den Handlungsbedarf. Andererseits muss dem Kommissionsbericht und der Vorlage entnommen werden, dass gemäss eidgenössischem Steuerharmonisierungsgesetz Arbeitsleistungen im Gegensatz zu freiwilligen Leistungen von Geld und übrigen Vermögenswerten nicht abzugsberechtigt sind. Diese eidgenössische Regelung ist abschliessend, es besteht also keine Handlungsmöglichkeit auf kantonaler Ebene. Die CVP/EVP-Fraktion wird sich daher für einen baldigen Vorstoss im Nationalrat zu diesem Thema einsetzen. Als Zeichen dafür, dass Handlungsbedarf besteht, was im Landrat auch von vielen nicht bestritten wird, soll das Postulat bestehen bleiben. Ehrenamtlich geleistete Arbeit kann nachgewiesen werden. Bereits seit Jahren gibt es einen eidgenössisch anerkannten Ausweis, der von grossen Organisationen unterstützt und benutzt wird. Die ehrenamtliche Arbeit wird durch die Leitungen dieser Organisationen jährlich bestätigt und kann schon heute als Arbeitsbestätigung bei einer Anstellung verwendet werden. Sehr wichtig ist dies beispielsweise auch bei Frauen, die eine Erziehungspause einlegen und hiernach wieder in den Beruf einsteigen wollen. Selbst wenn ehrenamtliche Arbeit dereinst zu einer steuerlichen Erleichterung führen sollte, so handelt es sich noch lange nicht um eine bezahlte Arbeit. Es wäre ein Zeichen des guten Willens. Von einer bezahlten Arbeit war nie die Rede.


Jürg Wiedemann (Grüne) zufolge wird sich die demographische Struktur der Bevölkerung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stark verändern. Ehrenamtliche Tätigkeiten im Alten- und Krankenwesen werden sehr wichtig sein, auch zur Entlastung einer Spitex oder der Altersheime. Die Grüne Fraktion begrüsst den Vorstoss Jacqueline Simonets. Die Fraktion spricht sich einstimmig gegen eine Abschreibung aus.


Das erwähnte Steuerharmonisierungsgesetz lässt einen gewissen Spielraum offen. Im Gesetz ist nirgends zu lesen, dass Zeitspenden nicht abzugsberechtigt werden könnten. Richtigerweise verwies Marc Joset in seinem Votum auf den Bericht der ständerätlichen Kommission. Doch entfaltet ein solcher Bericht keine Verbindlichkeit für die Kantone. Das Gesetz an sich liesse den Spielraum offen. Jürg Wiedemann drängt sich der Eindruck auf, dass es sich vielmehr um eine Frage des mangelnden Willens handelt und das Steuerharmonisierungsgesetz vorgeschoben werde. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass der Kanton Baselland in einigen Bereichen das Steuerharmonisierungsgesetz noch wesentlich stärker ausreizte - so bei den Bausparmodellen. Der Vorstoss ist gut, er sollte nicht abgeschrieben werden.


Ruedi Brassel meinte, dass der an sich gute Vorstoss im Detail nicht ganz korrekt sei. Er könne daher nicht stehen gelassen werden, damit Platz für andere Vorstösse entstehe. Das ist aber ein gewaltiger Salto mortale! In vielen Bereichen werden mehrere Vorstösse gemacht und auch immer wieder neue Vorstösse nachgereicht. Das hindert die SP nicht daran, auch in diesem Bereich Vorstösse zu schreiben, die womöglich in gewissen Bereichen anders aussehen, als der vorliegende. Jürg Wiedemann bittet darum, den Vorstoss nicht abzuschreiben.


Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) bittet um Abschreibung des Vorstosses. Es muss ganz grundsätzlich zwischen einem Ziel und der zur Erreichung gewählten Massnahme unterschieden werden. Das Ziel des Vorstosses ist, der Wertschätzung der Freiwilligenarbeit Ausdruck zu verleihen. Die vorgesehene Massnahme schreibt aber den steuerlichen Weg vor. Niemand äusserte sich dagegen, der Freiwilligenarbeit die notwendige Wertschätzung entgegenzubringen. Der aufgezeigte Weg ist aber der falsche, er ist fragwürdig und zudem unzulässig. Der steuerliche Abzug wird für jene am interessantesten, die viel verdienen und sich in der höchsten Progression befinden. Wer keine Steuern bezahlen muss, für den spielt dieser Abzug auch keine Rolle. Soll die Freiwilligenarbeit nur von jenen erbracht werden, die Steuern zahlen? Dieser Weg ist kein Weg! Aus diesem Grund empfiehlt der Regierungsrat, das Postulat abzuschreiben. Ein neuerlicher Vorstoss kann natürlich erwogen werden.


Muss aber der Freiwilligenarbeit wirklich durch Geld die Wertschätzung entgegengebracht werden? Könnten nicht auch andere Wege vielleicht sogar sinnvoller sein? Nur ein kleiner Hinweis: Andere Staaten machen dies mit Orden.


Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) liegen keine weiteren Wortbegehren vor. Sie lässt über die Abschreibung abstimmen.


://: Der Landrat lehnt die Abschreibung des Postulats 2006/099 mit 37:36 Stimmen ohne Enthaltungen durch Stichentscheid der Präsidentin ab. [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Pascal Andres, Landeskanzlei



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