Protokoll der Landratssitzung vom 16. Oktober 2008

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2007-274 vom 1. November 2007
Postulat von Siro Imber, FDP: Aufhebung der SMOG-Verordnung
- Beschluss des Landrats am 16. Oktober 2008: < abgelehnt >

Nr. 747

Regierungsrat Jörg Krähenbühl (SVP) erklärt, warum die Regierung das Postulat ablehnt: Auch hier kann der kleine Kanton BL nicht allein etwas unternehmen. Man habe aus den Erfahrungen vom Januar/Februar 2006,gelernt, als die hohe Feinstaubkonzentration letztlich zu einem Temposalat auf den Autobahnen geführt habe, da 11 Kantone Tempo 80 anordneten, während die restlichen an den 120 km /h festhielten. Die Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz (BPUK)hat das Thema aufgenommen und den Kantonen Empfehlungen abgegeben, denen sich der Kanton BL anschloss.


Die Feinstaubkonzentration wird täglich beobachtet, gemessen und aktualisiert. So konnte man insbesondere im vergangenen Dezember, bei der kritischen Wetterlage über Weihnachten, am PC mitverfolgen, wie sich die Werte stündlich veränderten. Überschreitet die Feinstaubkonzentration eine bestimmte Menge, müssen Massnahmen eingeleitet werden. Erste Massnahme ist die Information der Bevölkerung via Medien. Bei längere Zeit anhaltender, höherer Belastung nehmen die Umweltdirektoren untereinander Kontakt auf und beschliessen allenfalls entsprechende Temporeduktionen. Der Regierungsrat ist der Ansicht, ein Alleingang nütze nichts und empfiehlt daher das Postulat zur Ablehnung.


Siro Imber (FDP) stellt grundsätzlich die Wirksamkeit von Temporeduktionen in Frage. Im Kanton BL sind nur 2,5 Prozent Strassenkilometer solche Hochleistungsstrassen. Nur 1,5 % weisen eine Tempolimite von 120 km/h auf, wo also reduziert werden kann. Als Benutzer dieser 1,5 % Strasse fallen die LKWs weg, da sie nicht schneller als 80 km/h fahren können. Fallen alle Benzinfahrzeuge - die insgesamt 80 % ausmachen - weg, so bleiben noch 20 % Dieselfahrzeuge übrig. Von diesen fallen wiederum alle mit Partikelfilter weg. Die Temporeduktion bringe also letztlich nichts. Zudem habe sich Siro Imber vom Verband der schweizerischen Auto-Importeure bestätigen lassen, dass im Jahr 2007 90 % der Dieselfahrzeuge mit Partikelfilter verkauft wurden. Ab nächstem Jahr werden mit der Euro-5-Norm 100 % der Fahrzeuge einen solchen haben. Die Rede sei hier also lediglich von 1,5 % Strassen, von einem 20 %- Autoanteil und nur von Fahrzeugen ohne Partikelfilter, denn nur dort hätte es angeblich eine Wirksamkeit, und selbst dort nur im Bereich zwischen 80 und 120 km/h.


Seines Erachtens bringen die Temporeduktionen keine messbaren Resultate auf der Feinstaubskala. Wirksam wären einzig langfristige Massahmen. Im Strassenverkehr habe man bereits einiges mit der Euro-5-Norm erreicht dadurch, dass nur noch Autos mit Partikelfilter verkauft werden dürfen. Der eingeschlagene Weg ist der richtige. Der Regierungsrat möge die Smog-Verordnung aufheben, für Vernunft sorgen und die 'hysterische Massnahme' ad acta legen. Es sei dann zu hoffen, dass auch die andern Kantone folgen. Die Verordnung sei noch keinen einzigen Tag zur Anwendung gekommen; sie habe also bisher nichts zu einer Feinstaubsenkung beigetragen und sei damit zahnlos.


Ueli Halder (SP) hat an sich gegen den turboliberalen Postulanten nichts einzuwenden, findet aber, diesmal schiesse er übers Ziel hinaus. Am meisten erstaune ihn, dass der Postulant auf seiner Schalmei derartige 'Deregulierungsklänge' blase, auf welche hin ihm zudem das halbe Parlament wie Ratten hinterherlaufe. - Allein die Tatsache, dass Siro Imber eine Reihe von so genannt vernünftigen Erläuterungen abgebe und dabei alles andere - insbesondere die Massnahmen zur Temporeduktion - 'hysterisch' schimpfe, stört ihn. Im Übrigen könne man so genannte Ethno-Feuer sehr wohl verbieten respektive das Verbot auch durchsetzen. So war im Wallis während mehrerer Jahre das Feuerwerkabbrennen wegen grosser Waldbrandgefahr verboten, und die 1. Augustreden hatten vor kaltem Feuer stattzufinden. Es hat funktioniert, weiss er aus eigener Erfahrung. Man dürfe die Vernunft des Volkes nicht unterschätzen, ob es nun um Waldbrand oder Smoglagen geht.


Dass das Verbot im Baselbiet nie angewendet werden musste, darüber könne man nur froh sein; es handelt sich ja um eine Notmassnahme. In anderen Kantonen musste es hingegen im Jahr 2006 sehr wohl angewendet werden. Und leider ist damit zu rechnen, dass dies wieder nötig wird. Einig geht er mit Siro Imber, dass längerfristige Lösungen gefunden werden müssen - aber bitte schön, das eine tun und das andere nicht lassen! Das Postulat empfiehlt er zur Ablehnung. Mer wei luege, wie es 2015 mit der Feinstaubbelastung aussieht. Ist man dann so weit, dass man wieder beliebig 'herumblochen' und 1. Augustfeuerchen machen kann, umso besser! Im Moment soll aber die Massnahme bestehen bleiben.


Elisabeth Augstburger (EVP) und eine grosse Mehrheit der CVP/EVP-Fraktion sind, ganz im Sinne der Stellungnahme von Regierungsrat Jörg Krähenbühl, gegen eine Überweisung des Postulats. Zudem, betont sie, ist die kantonale Smog-Verordnung Bestandteil eines national koordinierten Vorgehens. Die verschiedenen diesbezüglichen Massnahmen hält man für sinnvoll, da sie dazu beitragen, das angestrebte Ziel bis 2015 zu erreichen.


Hansruedi Wirz (SVP) und die SVP unterstützen das Postulat. Sein Votum soll sich nach der bereits ausführlichen Behandlung der Temporeduktion auf das Feuerungsverbot für Cheminées und Speckstein- respektive Schwedenöfen konzentrieren, eine Massnahme, die bei breiten Kreisen der Bevölkerung auf Unverständnis gestossen sei. Er bezieht sich dabei u.a. auf den damit verbundenen Imageverlust bei der lokalen Holzindustrie. Letztlich wachse doch der Energierohstoff Holz im Baselbiet praktisch vor der Haustüre, muss also nicht viele Kilometer heran transportiert werden. Und die Energiebilanz falle wohl mit dem Verfeuern dieses Holzes in den Heizungen - auch wenn letztlich ein wenig mehr an Feinstaub oben raus geht - immer noch besser aus, als wenn andere Energieträger von weither herangeführt werden müssen. Im Übrigen entwickle sich auch die Technologie in diesem Bereich ständig weiter. Mit dem Reglementierungsdrang schaffe man zuweilen ebenso viele Probleme, wie man eigentlich lösen möchte.


Laut Röbi Ziegler (SP) hat Siro Imber eine regelrechte Stalinorgel von Prozentzahlen losgelassen, und dies in einem solchen Tempo, dass man den Rechnungsfehler kaum herauszuhören vermochte. Trotzdem sei er aber da, nämlich: auf der Strasse zwischen Bretzwil und Reigoldswil fahren klar weniger Autos als zwischen der Hagnau und Kaiseraugst. Er rät dem Postulanten, einmal die Luftreinhalteplan-Karte zur Feinstaubbelastung zu konsultieren. Erkennbar ist dort ein deutlicher Gürtel entlang der Nationalstrasse, wo die Feinstaubbelastung am höchsten ist. Die Massnahme muss also dort ansetzen. Wenn man bisher diesen Nothebel nie ziehen musste, so heisst das nicht, dass er unberechtigt ist. Auch in einem Dorf, in dem es noch nie brannte, gibt es eine Feuerwehr. Wohne man zudem in dem meistbelasteten Gebiet entlang der Nationalstrasse, so kenne man etliche Leute, die bereits unterhalb des Grenzwertes akut an Atembeschwerden leiden.


John Stämpfli (SD) ist klar für Nichtüberweisung des Postulats, denn es muss etwas unternommen werden. Als Vertreter der Autobranche halte er im Übrigen den Diesel-Partikelfilter keineswegs für das Ei des Kolumbus, wie es Siro Imber darstelle und stellt klar, jedes Dieselfahrzeug mit Diesel-Partikelfilter 'regeneriere' sich automatisch, zudem komme es auf den Fahrstil an. Die Restmengen von Partikel werden verbrannt und dann auf einmal ausgestossen. Ob das nun letztlich Sinn der Sache ist, wagt er zu bezweifeln und rät Siro Imber, sich entsprechend zu informieren...


[einzelnes laut-beifälliges Klopfen aus der Mitte ]


Kaspar Birkhäuser (Grüne) kritisiert Regierungsrat Jörg Krähenbühls Äusserung zu dieser Vorlage wie auch zur vorherigen betreffend den Kanton Baselland als kleines 'Gemeinwesen', welches quasi nichts ausrichten kann. Genauso könnte man argumentieren, es spiele kaum eine Rolle, wie man sich verhalte, d.h. letztlich sei es geradezu 'wurst', wie sich jeder Einzelne verhält bei der Nutzung von Verkehrsmitteln oder gar in Bezug auf Wahlen und Abstimmungen, da man ja eh einen derart beschränkten Einfluss auf das Geschehen habe. So gesehen könne man aber gleich den Kopf in den Sand stecken! - Und dies tue man letztlich mit einem solchen Postulat, welches nahelegt, am besten gar nichts zu machen, da ja alles in Ordnung sei...


Siro Imber (FDP) repliziert, es werde gemeinhin davon ausgegangen, dass erstens die Massnahme wirksam ist und zweitens ein Ausschlag in der Feinstaubbelastung tatsächlich relevant ist. Relevant sei aber in Wirklichkeit das tiefe Gesamtniveau der Belastungen, die sich über Jahre und Jahrzehnte akkumuliert haben. Nicht einzelne Ausschläge müssten bekämpft werden, sondern wichtigstes Ziel sei es, die Gesamtbelastung niedrig zu halten. Der Vergleich mit der Feuerwehr hinke, diese könne sehr wohl einen Brand löschen, die Smog-Massnahmen aber bringen seines Erachtens nichts.


Keine weiteren Wortbegehren


://: Der Landrat lehnt die Überweisung des Postulats 2007/274 mit 42 Nein- zu 39 Ja-Stimmen ohne Enthaltungen ab. [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei



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