Protokoll der Landratssitzung vom 26. Januar 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 26. Januar 2006 |
2005-249 vom 20. September 2005
Vorlage: Postulat SVP-Fraktion: Ausbildungsdarlehen statt Stipendien ( 2004/310 ) / Bericht
- Bericht der Kommission vom: 25. November 2005
- Beschluss des Landrats < beschlossen >
Nr. 1607
Kommissionspräsident Karl Willimann gibt bekannt dass die SVP-Fraktion am 8. Dezember 2004 eine Motion betreffend Ausbildungsdarlehen statt Stipendien eingereicht hat. Mit Landratsbeschluss Nr. 1160 vom 21. April 2005 wurde dieser Vorstoss als Postulat überwiesen.
Zielsetzung der Vorlage ist es, das Gesetz über Ausbildungsbeiträge (SGS 365) vom 5. Dezember 1994 zu revidieren und als Ausbildungsbeiträge lediglich rückzahlbare Darlehen und keine Stipendien mehr auszubezahlen.
Die Vorlage wurde von der Erziehungs- und Kulturkommission (EKK) an der Sitzung vom 10. November 2005 beraten. An der Sitzung führten die Vertreter der BKSD aus, dass das Postulat einen Systemwechsel, nämlich die Aufhebung des Primats der grundsätzlich nicht rückzahlbaren Stipendien und eine Verlegung derselben auf Ausbildungsdarlehen verlangt. Bisher waren Letztere als Ergänzung, allenfalls als Ersatz von Stipendien gedacht. Es sei zu bedenken, dass nur ein relativ geringer Teil der in Ausbildung Befindlichen in den Genuss der Beiträge kommt; gestützt auf die kantonale Erhebung bezüglich Steuern wird dabei genauestens geprüft, ob ein Bedarf besteht. Aus der Kommission wird auf einen vor Kurzem erschienenen Artikel in der NZZ am Sonntag mit dem Titel « Verschärfter Verteilkampf um Stipendiengelder» hingewiesen. Dort ist zu lesen, dass - anstatt wie bisher 80 Mio. Franken - durch den neuen Finanzausgleich ab 2008 nur noch 25 Mio. Franken vom Bund an die Kantone fliessen. Ab diesem Zeitpunkt werden die Kantone einen Grossteil selbst finanzieren müssen. Der Bund verabschiedet sich ganz von der Unterstützung der Sekundarstufe II. Er unterstützt nur noch Stipendien im Tertiärbereich, was den zur Zeit an den Kanton BL ausgerichteten Betrag halbiert.
Die SVP legt dar, man versuche nicht, mit dem Postulat mittellose Studenten zu 'verhindern'. Das Postulat ziele auf die Tertiärstufe. Man nimmt an, dass ein gewisser Rückfluss der Gelder gerade wieder den mittellosen Studenten zugute kommen könnte. Der Kanton richtet im Jahr 11,5 Mio. Franken Stipendien aus. Im letzten Jahr erfolgten freiwillige Rückzahlungen in Höhe von Fr. 2'700. -; dies nicht etwa von gut situierten Akademikern, sondern von einer KV-Angestellten, einem Landwirt, einem Maschinenbautechniker und von einem Kunstmaler. Man ist erstaunt darüber. Der Kanton könnte beispielsweise nach 10 bis 15 Jahren den wirtschaftlichen Stand respektive die Steuererklärung der Betroffenen prüfen und ab einer bestimmten Höhe eine Rückzahlung der staatlichen Beiträge einfordern. Damit würde beim Entscheid über die Rückzahlung auf die wirtschaftliche Situation der Betroffenen Rücksicht genommen.
Die übrigen Fraktionen äussern sich gegenüber dem Postulat ablehnend und befürworten die Haltung des Regierungsrates. Es wird auf die geringe Anzahl der Stipendiaten (10 bis 13%) hingewiesen; zudem handle es sich bei diesen nicht nur um Akademiker, und nicht jeder Akademiker verdiene schliesslich auch gut. Bei einer Familiengründung komme dazu, dass man kaum allzu viel Geld übrig habe, um Beiträge zurückzubezahlen. Es gebe allerdings schockierende Einzelfälle, in denen Leute sehr gut leben, aufgrund ihrer hohen Verschuldung aber die Kinder Anrecht auf Stipendien haben.
Mehrheitlich ist die Kommission der Ansicht, die Stipendienmöglichkeit sei die einzige gerechte Grundlage, um allen Jungen, ungeachtet ihrer finanziellen Lage, ein Studium zu ermöglichen. Unterstützung erfährt das Postulat vereinzelt in der Stossrichtung Motivierung zur freiwilligen Rückzahlung bei denjenigen ehemaligen Stipendienempfängern, die es sich aufgrund ihres finanziellen Berufserfolges sehr gut leisten könnten.
Die EKK hat mit 9 zu 3 Stimmen ohne Enthaltung bestimmt, das Postulat 2004/310 sei abzuschreiben. Die EKK schliesst sich damit dem Antrag des Regierungsrates an und beantragt Zustimmung zur Vorlage.
Eva Chappuis und die SP votieren einstimmig für Abschreiben des Postulates, stehen also dafür ein, dass im Kanton Basel-Landschaft, wie bisher, Stipendien ausgerichtet und nicht bloss Ausbildungsdarlehen gewährt werden. Ausbildungsdarlehen bedingten einen massiven bürokratischen Aufwand, Mittel, die man besser in die Ausbildung junger Menschen steckt. Zudem können im Kanton Basel-Landschaft Stipendien sowohl auf der Sekundarstufe 2 wie auch auf der Tertiärstufe ausgerichtet werden. Ein grosser Anteil der BezügerInnen kommt nicht aus dem akademischen Kreis, sondern aus dem Fachschulniveau und anderen Bereichen der tertiären Ausbildung.
Jörg Krähenbühl weist darauf hin, dass die SVP die Regierung auffordert, einen Systemwechsel von den heutigen Stipendien zu rückzahlbaren Darlehen zu prüfen. Die Regierung empfiehlt, das Postulat abzuschreiben; damit ist die SVP-Fraktion nicht einverstanden. Im Speziellen gefällt der SVP nicht, dass die BKSD die Begründung der kantonalen Erziehungsdirektorenkonferenz übernimmt. Unter anderem ist darin zu lesen, dass mit einem Systemwechsel die Chancengleichheit für Weiterbildungen der Jugend beeinträchtigt würden. Jörg Krähenbühl kann dieses Argument nicht nachvollziehen, hofft aber, Regierungsrat Wüthrich könne ihm Nachhilfe erteilen. Jörg Krähenbühl meint, es werde das Gegenteil der Befürchtung eintreffen, indem nämlich die Abhängigkeit junger in Ausbildung befindlicher Menschen sinkt, weil sich die Auszubildenden schneller von der Abhängigkeit der Eltern lösen können.
Zudem: Ist es denn verwerflich, wenn Personen, die dank der staatlichen Ausbildung später über ein hohes Einkommen verfügen, einen Teil oder das Ganze der Ausbildungskosten zurückerstatten müssen?
Der Kanton Basel-Landschaft müsste sich absolut nicht verstecken, wenn er als erster einen solchen Systemwechsel einführen würde. In vielen europäischen Ländern, speziell auch in Deutschland, wird laut darüber nachgedacht. Der Landrat ist gebeten, das Postulat nicht abzuschreiben.
Bea Fünfschilling schliesst sich namens der FDP-Fraktion dem Abschreibungsantrag der Regierung mit folgenden Begründungen an: Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag überzeugt nicht und die Erfahrungen in anderen Ländern und Kantonen sprechen nicht für den Vorstoss. Auch die vergleichsweise geringe Anzahl Stipendienbezüger, die klare gesetzliche Regelung des Anspruchs sowie die Forderung, dass die Stipendien bei Misserfolg obligatorisch zurückzubezahlen wären, führten in der Fraktion zur Ablehnung des Vorstosses.
Verständnis bringt die FDP für das ungute Gefühl über die Freiwilligkeit der Rückzahlung von Personen auf, die sich die Rückzahlung problemlos leisten könnten.
Nicht verboten bleibt es der Regierung, gute Ideen zu entwickeln, beispielsweise indem ohne aufwändige Abklärungen nach angemessener Zeit sämtliche ehemaligen Stipendienbezüger angeschrieben, ihnen die Bezüge aufgezeigt und sie auf die freiwillige Rückzahlung aufmerksam gemacht werden. Womöglich liegt es ja wirklich bloss am Erinnerungsvermögen der einstigen Stipendienbezüger.
Jacqueline Simonet und die Fraktion der CVP/EVP sind der SVP an sich dankbar für den Überprüfungsauftrag, kommen nach dem Studium der regierungsrätlichen Beurteilung aber zum Schluss, das Postulat sei abzuschreiben. Auch neue Studien belegen, dass der Bildungsstand des Elternhauses massgebend ist. Je ungünstiger das Bildungsmilieu, desto weniger junge Leute studieren. Mit dem Stipendienwesen kann diese unterschiedliche Ausgangslage entschärft werden.
In der Zeit nach der Ausbildung wird üblicherweise nicht besonders gut verdient, vielmehr stehen Auslandaufenthalte, Praktika oder die Gründung der Familie bevor.
Bildung bleibt eine private Angelegenheit, aus der Einzelne, aber nicht alle einen grossen Gewinn erzielen können. Bildung ist aber auch ein unverzichtbarer Rohstoff für unser Land. Wer also die Voraussetzung für eine Ausbildung mitbringt, soll sie auch durchlaufen können.
Zwar gibt es überall Profiteure, doch darf gehofft werden, dass die bestehenden Kontrollmechanismen funktionieren. Nicht statthaft wäre es, das gesamte System wegen einzelner schwarzer Schafe zu stürzen.
Jürg Wiedemann stellt fest, dass der Begriff Chancengleichheit in der Vorlage sehr häufig gebraucht wird und bemerkt dazu, das Bildungssystem befinde sich weit entfernt von der Chancengleichheit. Schon ein Blick auf die Herkunft der Maturandinnen und Maturanden zeigt, dass ein überproportional hoher Anteil aus reichen Elternhäusern stammt. Dieser Sachverhalt ist durchaus einleuchtend, denn dieses Elternsegment kann mit finanziellen Mitteln reagieren, wenn Lernschwierigkeiten auftreten.
Zumindest gilt es für die Politik, darauf hin zu arbeiten, dass die Chancenungleichheit nicht weiter akzuentiert wird, eine Gefahr, die mit dem vorliegenden Postulat sicherlich besteht. Die grüne Fraktion ist der Auffassung, dass jedes Kind, egal aus welcher sozialen Schicht es stammt, das Recht haben muss, jene Erstausbildung, zu welcher es fähig ist, kostenlos absolvieren zu dürfen. In keinem Fall soll ein junger Mensch die Kosten seiner Erstausbildung zurückerstatten müssen. Jeder junge Mensch soll beim Wechsel von der Ausbildung in das Erwerbsleben schuldenfrei bei null starten können. Alle anderen Überlegungen dazu wären unsozial und eines Staates, der die Wichtigkeit von Bildung und Ausbildung anerkennt, unwürdig.
Die grüne Fraktion ist dezidiert für Abschreiben des Postulates.
Rudolf Keller bereitet der Vorstoss vor allem deshalb Mühe, weil er den Eindruck erweckt, Stipendienbezüger seien "negative Profiteure". Viele Stipendiaten stammen aus einfachen Häusern und viele BezügerInnen absolvieren nicht eine Hochschulausbildung, sondern eine "durchschnittliche" Ausbildung. Personen solcher Ausbildungsgänge gehören später nicht zu den Grossverdienern und hätten entsprechend Mühe, die Ausbildungsbeiträge zurückzubezahlen. Möchten die Betroffenen gar noch eine Familie gründen, so wäre der Rückzahlungszwang eine sehr hohe Belastung. Insgesamt empfindet Rudolf Keller den Vorstoss eher als asozial und familienfeindlich.
Wer Stipendien bezogen hat und später gut verdient, bezahlt seinen Beitrag in Form hoher Steuern in der Regel wieder zurück - ein Gesichtspunkt, der in der Beurteilung des Vorstosses ebenfalls zu berücksichtigen ist. Eine kürzlich publizierte Studie zeigt auf, dass viele Studierende nebenher auch noch Erwerbsarbeit leisten. Dies hat oft eine Verlängerung des Studiums und dementsprechend auch eine Verteuerung des Ausbildungslehrgangs zur Folge.
Den Vorstoss empfindet Rudolf Keller als Eigentor. Als einziger Kanton in der entgegengesetzten Richtung zu gehen, ist unrealistisch. Zudem wäre es im Zeitalter hoher Mobilität ausserordentlich schwierig und bürokratisch sehr aufwändig, die ehemaligen StipendienbezügerInnen aufzutreiben.
Eine Mehrheit der Schweizer Demokraten stimmt der Kommission und damit dem Abschreibungsantrag zu.
RR Urs Wüthrich hält das konsequente Ausschöpfen des einzigen verfügbaren Rohstoffes in der Region - gut qualifizierte Arbeitskräfte - für überlebenswichtig. Einerseits werden in China zur Zeit beispielsweise 120'000 Chemieingenieure diplomiert und andererseits stellt die Wirtschaft auch hier ständig höherer Ansprüche an die Ausbildungsstandards; in der Zeit zwischen 1995 und 2001 stieg die Anzahl so genannter wissensbasierter Akteure um mehr als 17 Prozent an, während die Anzahl der Arbeitsplätze im gleichen Zeitraum nur um zwei Prozent wuchs.
Die BKSD hat den SVP-Auftrag, zu prüfen und zu berichten, erfüllt und dabei folgende drei Aspekte betont:
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Stipendien werden im Kanton Basel-Landschaft nach klaren Kriterien ausgerichtet, der Bedarf muss begründet und belegt sein.
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Der Zweck von Stipendien reduziert sich nicht auf eine finanzielle Überlebenshilfe; vielmehr sollen Anreize geschaffen werden, möglichst viele junge Menschen auf ein möglichst hohes Kompetenzniveau zu bringen. Diese zusätzliche Wertschöpfung ist um ein Vielfaches grösser als die investierten Stipendien.
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Stipendien werden nicht ausschliesslich zukünftigen GrossverdienerInnen gewährt. Ein wesentlicher Anteil des Betrags geht an Absolventinnen und Absolventen von Berufslehren und Berufsfachschulen.
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An die Adresse von Jörg Krähenbühl klärt der Bildungsdirektor, Nachhilfestunden erteile er, da nicht im Besitze eines Lehrpatentes, nicht, meine aber zum Stichwort Chancengleichheit, mit Subventionen würden die Unterschiede insofern etwas ausgeglichen, als damit mit gleich langen Spiessen gefochten werden könne. Bei den sehr hohen Einkommen könne nicht mit einem komplizierten Rückerstattungssystem viel zurückgeholt werden, sondern über den Verzicht, die Steuern zu senken.
Das Postulat der SVP gab der BKSD die Gelegenheit, die korrekte und erfolgreiche Stipendienpolitik gegenüber Parlament und Öffentlichkeit aufzuzeigen, herzlichen Dank.
://: Der Landrat schreibt das Postulat 2004/310 der SVP-Fraktion mit 50 zu 20 Stimmen ab.
Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei
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