Protokoll der Landratssitzung vom 15. Oktober 2009

Nr. 1411

Landratspräsident Hanspeter Frey (FDP) erklärt einleitend, dass die Regierung das Postulat ablehne.


Gemäss Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) wird der Vorstoss von der Regierung auch im 3. Anlauf abgelehnt. Seit 1987 ist die neue Kantonsverfassung in Kraft, die in § 35 Abs. 2 bestimmt:


«Der Kanton fördert die politischen Parteien in der Erfüllung dieser Aufgabe [bei der Meinungs- und Willensbildung des Volkes mitzuwirken], sofern ihr Aufbau demokratischen Grundsätzen entspricht, sie sich über die regelmässige und gesamthafte Betätigung in einem erheblichen Teil des Kantons ausweisen und über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft ablegen.»


Hierzu gibt es kein Ausführungsgesetz, denn das Volk hat am 4. März 2001 das Parteienförderungsgesetz , welches als eine von zwei Massnahmen den Versand von Wahlprospekten zu Lasten des Staates vorsah, deutlich abgelehnt. Im Dezember 2002 hat der Landrat einen entsprechenden Budgetantrag abgelehnt, und am 8. Juni 2006 hat dieser ein Postula t von Esther Maag zum Wahlversand der Parteien für 2007 abgelehnt.


Jetzt liegt ein Vorstoss vor für den Wahlversand 2011: Das nennt man Ermüdungstaktik. Ausser der grundsätzlichen Bestimmung zur Parteienförderung in der Kantonsverfassung gibt es keinerlei rechtliche Grundlagen für die Verpackung und Verteilung von Wahlprospekten, bzw. zur finanziellen Unterstützung durch den Kanton. Nachdem das Parteienförderungsgesetz vom Volk explizit abgelehnt worden ist, ist es rechtlich und politisch fragwürdig, diese Massnahme durch die Hintertür einzuführen. Wahlmaterialversand der Parteien durch ehrenamtliche Fronarbeit hält die Regierung im Sinne des Subsidiaritätsprinzip für richtig und eigenverantwortlich. Wenn Gemeinden - wie dies teilweise praktiziert wird - den Wahlversand auf ihre Kosten übernehmen wollen, ist das deren eigene Entscheidung. Es ist aber sicher nicht notwendig, dass der Kanton diese Aufgabe übernimmt. An die Adresse von Klaus Kirchmayr ist zu bemerken: Das wäre nun eine Aufgabe, die die Gemeinden sicher übernehmen können, und im Sinne der Aufgabenteilung wäre es auch richtig, wenn sie dieser Ebene zugeordnet wird.


Die Landeskanzlei schätzte 2006 die Kosten für Verpackung und Zustellung der Wahlunterlagen für die Regierungs-, Landrats-, Nationalrats- und Ständeratswahlen auf insgesamt CHF 140'000. Falls die Posttarife in der Zwischenzeit aufgeschlagen haben, wird es wohl noch ein bisschen teurer sein.


Was ist eine «faire Kostenbeteiligung»?


Darunter ist wohl eine Verkleinerung der Kosten für die Parteien und eine teilweise Subventionierung der Parteien durch den Steuerzahler zu verstehen. Dies entspricht offenbar nicht dem Volkswillen. Im Übrigen kann sich der Kanton mit Blick auf das Budget keine neuen, nicht notwendigen Aufgaben und Ausgaben leisten.


Gemäss Urs Hess (SVP) unterstützt die SVP voll und ganz die Argumente, wie sie von Regierungsrat Adrian Ballmer angeführt worden sind. Es ist ein Irrglaube des Postulats, davon auszugehen, dass «unnötige Leerläufe und personelle Ressourcenverschwendung vermieden» werden können, wenn der Kanton diese Aufgabe übernimmt. Eben wurde über Fusionen und Kooperationen diskutiert, und nun soll sogleich wieder eine Aufgabe an den Kanton übertragen werden. Eine Aufgabe, die alle vier Jahre einmal zu erledigen ist, bzw. eventuell gehen die Unterzeichnenden davon aus, dass dies dann bei jeder Abstimmung so sein wird. Das führt zu einer Aufstockung von personellen Ressourcen und zu weiteren Leerläufen durch Anstellung des nötigen Personals für die Abstimmungspropaganda, bzw. das Verpacken und das Versenden der Wahlhilfen. Profis würden Amateure ersetzen, was normalerweise die teurere Variante ist. Diese Aufgabe ist aber auf Gemeindeebene lösbar, weshalb die SVP dieses Postulat nicht unterstützt.


Philipp Schoch (Grüne) weiss nicht genau, wieso sich Regierungsrat Adrian Ballmer dermassen über das Postulat aufregt - vielleicht gerade wegen der Ermüdung?


Der Auftrag zur Parteienförderung ist nicht nur in der Kantonsverfassung, sondern auch in der Bundesverfassung verankert. Wenn man davon ausgeht, dass das, was in Verfassungen steht, das höchste Gut ist, ist dies doch auch zu be- und verfolgen. Es ist wohl zweitrangig, ob es zu solchen Aufträgen Ausführungsbestimmungen oder Gesetze zur Umsetzung gibt.


Das Postulat beinhaltet mit der Übernahme des Versands von Wahlhilfen für 2011 einen konkreten Vorschlag und nicht Parteienförderung im eigentlichen Sinn. Dies soll dannzumal getestet werden, um so auch die einzelnen Parteien zu unterstützen. Diese müssen grössere Anstrengungen unternehmen, um herauszufinden, wie der Versand von Wahlunterlagen in jeder der 86 Baselbieter Gemeinden funktioniert. Es ist zu bezweifeln, dass Regierungsrat Adrian Ballmer bei den letzten Wahlen selbst Material verpackt und versendet hat.


Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) unterbricht mit einem Zwischenruf: «Er [Regierungsrat Adrian Ballmer] ist schon Wahlkampfleiter gewesen!»


Philipp Schoch (Grüne) fährt fort, dass er selbst diese Arbeit schon einige Male gemacht habe. Dies mag auch auf Regierungsrat Adrian Ballmer zutreffen, aber für diesen ist es vielleicht schon etwas länger her.


Ein zentraler Versand der Wahlhilfen wäre eine große Hilfe. Man könnte sich auf wichtigere Elemente des Wahlkampfs konzentrieren, denn bekanntlich ist es nicht einfach, solche Helfer zu finden. Wahlkandidaten, die sich auf inhaltlich höher stehende Fragen konzentrieren möchten und sollten, könnten mit dieser Massnahme von solcher Arbeit entlastet werden. Für die einen mag diese Versandaufgabe ein hohes Gut sein, den Postulanten hingegen erscheint es nicht sinnvoll, Leute, die sich für die Demokratie einsetzen, für das Verpacken von irgendwelchen Prospekten einzusetzen.


Er bittet den Landrat um Unterstützung für das Postulat.


Rolf Richterich (FDP) erinnert daran, dass die FDP Postulate dieser Stossrichtung schon dreimal abgewiesen habe. Und auch dieses Mal ist sie der Meinung, dass es etwas Derartiges nicht brauche und es keinen Grund gebe, die Meinung zu ändern. Die Demokratie ist vielschichtig, und es braucht Leute mit unterschiedlichen Begabungen. Wenn die vier Postulanten den mit dem Anliegen verbundenen Aufwand berappen, soll es gemacht werden. Wenn andere mit zahlen sollen, machen wir es nicht.


Jürg Degen (SP) beantragt namens der SP und im Sinne der Argumente der Postulanten Überweisung des Postulats, um so einen einmaligen Probelauf durchführen zu können.


Elisabeth Schneider (CVP) hält fest, dass die CVP-/EVP-Fraktion den letzten, derartigen Vorstössen zugestimmt habe. Es handelt sich tatsächlich um ein Problem: Schon nur die Bezirksrichterwahlen zeigen, welche Arbeit die Parteien aufgrund der relativ kurzen Fristen zu leisten haben. In Rekordzeit müssen diese nun Flugblätter drucken, Plakate aufstellen etc. und auch teilweise Kosten übernehmen. Es geht nicht um eine Unterstützung der Gemeinden, sondern der Parteien. Deshalb soll das Postulat überwiesen werden. Wenn der Regierungsrat - wie eben beim Thema Gemeindefusionen - diesen Wunsch dann nicht erfüllen will, soll wenigstens die Sache geprüft und darüber berichtet werden und also das Postulat nicht abgeschrieben werden.


Hans-Jürgen Ringgenberg (SVP) hält das Traktandum für ein typisches Beispiel: Es wird über die Finanzen des Kantons gejammert, aber auch in diesem Fall wäre man ohne Weiteres wieder bereit, Geld auszugeben. Auch wenn es kein grosser Betrag sein mag, ist es ein weiterer Tropfen.


Im Übrigen hat er Verständnis für die Ablehnung des Vorstosses durch den Regierungsrat, denn im Postulat heisst es, der Regierungsrat solle den Versand vornehmen [leichte Erheiterung].


Die SVP ist gegen das Postulat. Der Versand von Wahlmaterial soll weiterhin von jeder Partei selbst organisiert werden.


://: Der Landrat überweist mit 41:33 Stimmen bei 2 Enthaltungen das Postulat 2008/305. [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Michael Engesser, Landeskanzlei



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