Protokoll der Landratssitzung vom 10. April 2008
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2007-171 vom 3. Juli 2007
Vorlage: Änderung des Raumplanungs- und Baugesetzes vom 8. Januar 1998: Aufhebung des Verbandseinspracherechts bei kantonalen und kommunalen Nutzungsplanungen (1. Lesung)
- Bericht der Bau- und Planungskommission vom 26. März 2008
- Beschluss des Landrats am 10. April 2008: < an Regierungsrat zurückgewiesen >
Nr. 422
Rolf Richterich (FDP) stellt seinen Ausführungen voran, dass über die Vorlage in der Kommission aufgrund ihrer politischen Brisanz während 4 Sitzungen höchst intensiv debattiert wurde. In erster Linie geht es um eine - durch eine Motion der SVP-Fraktion verlangte - Anpassung des Raumplanungs- und Baugesetzes, welche eine Streichung der Passus betreffend Verbandseinspracherecht für Vereinigungen, die sich dem Natur- und Heimatschutz oder um Umweltschutz widmen, vorsieht. Der Motionär Karl Willimann wurde von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen. Weitere Anhörungen lehnte die Kommission ab. Eintreten war bestritten, wurde aber schliesslich mit 6 zu 5 Stimmen beschlossen.
In der Detailberatung schoss sich die BPK auf drei Punkte ein. Einerseits ging es um die Menge der betreffenden Fälle. Konkret wurde ein einziger Anwendungsfall gefunden, bei welchem das Verbandseinspracherecht überhaupt zur Anwendung gekommen war. Es gab nun zwei Sichtweisen: Die eine bestand darauf, das Einspracherecht könne gleich abgeschafft werden, wenn es kaum Fälle gäbe. Auf der anderen Seite wurde argumentiert, gerade dass der Fall eben doch eintreten kann, zeige, dass der Passus notwendig ist. Insgesamt kann fest gestellt werden, dass wohl die Anzahl der konkreten Fälle nicht das geeignete Argument für eine Beurteilung sein kann. Weiter wurde der Stand auf Bundesebene in dieser Frage diskutiert. Zur Zeit werden in Bern zwei Wege diskutiert. Einerseits eine Anpassung, die per 1. Juli 2007 in Kraft gesetzt wurde, und die zurück geht auf die parlamentarische Initiative Hofmann [Nr. 02.436, Hofmann Hans, Vereinfachung der UVP sowie Verhinderung von Missbräuchen durch eine Präzisierung des Verbandsbeschwerderechts]. Momentan befindet sich die zugehörige Verordnung - betreffend Anpassung der Liste UV-pflichtiger Anlagen - in der Vernehmlassung.
Des Weiteren ist die von der FDP eingereichte Initiative in Behandlung, welche unzweifelhaft massivere Auswirklungen auf die kantonale Gesetzgebung hätte, wenn sie denn einmal beschlossen würde. Es stellt sich aber die Frage, ob sie je beschlossen wird und wenn ja, so würde es bis dahin doch einige Jahre dauern. In der Diskussion wurde auch fest gestellt, dass bei einer Beschneidung des Rechts auf der Nutzungsplanungsebene die Gefahr bestünde, dass auch auf das Baubewilligungsverfahren Einfluss genommen werden könnte. Daraus resultierte schliesslich ein Antrag.
Ein Rückweisungsantrag mit folgendem Auftrag wurde mit 2 zu 9 Stimmen von der Kommission abgelehnt: Das Beschwerderecht im Baubewilligungsverfahren soll gestrichen werden und die Einschränkung des Verbandseinspracherechts auf Bundesebene ins kantonale Recht übertragen werden. Sprich, man hätte abgewartet, bis der Bund seine Gesetzgebung angepasst hat, um anschliessend die Auswirkungen im Kanton BL nachzuvollziehen.
Die regierungsrätlichen Anträge a. und b. hiess die Kommission mit 6 zu 5 Stimmen gut und beschloss die Abschreibung der Motion einstimmig. Im Weiteren formulierte die BPK einen neuen Antrag c., welcher lautet: «Der Regierungsrat wird beauftragt, in einer weiteren Vorlage das Beschwerderecht zusätzlich im Baubewilligungsverfahren zu streichen und die Einschränkungen des Verbandseinspracherechts auf Bundesebene ins kantonale Recht zu übertragen.» Diesem Antrag stimmte die Kommission mit 6 : 5 Stimmen zu.
Martin Rüegg (SP) beginnt mit einem Zitat aus der News-Zeitschrift «heute» vom 14. März 2008: «Am 5. Juni 2007 feierte Ulrich Giezendanner seinen Sieg mit Champagner. Eben hatte der Nationalrat das Rundstreckenverbot aufgehoben. Giezendanner träumte von einem Formel-1 Rennen in der Schweiz.» In diesem Kontext und wohl auch in diesem Zeitgeist wird über die Vorlage zur Aufhebung des Verbandsbeschwerderechts VBR diskutiert - Ja zu Formel-1-Rennen, Nein zum Recht von Verbänden, sich für die Natur zu wehren. Natürlich handle es sich hier um einen Glaubenskrieg und solche würden in der Regel besonders erbittert geführt, indem Argumente keinen Platz mehr finden. - Eigentlich hätte Karl Willimann genügend Zeit gehabt, nach dem grössten Ärger, in dem er seine Motion verfasst hatte, diese wieder zurück zu ziehen, weil eigentlich gar kein Anlass dafür bestanden habe. Diese Chance habe er verpasst. Und deshalb werde nun auf dem Buckel der Steuerzahler viel Papier produziert und ein teurer Abstimmungskampf provoziert, der nicht notwendig und auch nicht gerechtfertigt ist.
Im Vergleich mit der Zahl der Einsprachen von Privaten sind diejenigen der Verbände absolut irrelevant; die Vorlage gebe somit vor, ein Problem zu lösen, das gar nicht existiert.
Nun wohne man einem weiteren SVP- Schauprozess bei, der viel Medienpräsenz garantiere - und die Mehrheit der FDP und der CVP laufe hinterher.
Die Vorlage selbst sei tendenziös, wenn nicht gar skandalös abgefasst; ganz im Geist des Motionärs. So etwas habe er in seinen 5 Jahren als Landratsmitglied noch nie erlebt. Mit keinem einzigen Wort werden die positiven Aspekte erwähnt, die das VBR mit sich gebracht hat. Nirgends wird z.B. die Rettung des Eisvogels, der Erhalt von seltenen Blumenarten und Uferschutzzonen oder die Rettung der alten Schmiede in Ziefen dank der Mitwirkung der Verbände erwähnt. Im Fall von Ziefen konnte sogar Geld eingespart werden, da der teure Abriss nicht notwendig wurde.
Die Umweltverbände können Bauvorhaben gar nicht verhindern, sondern nur eine Überprüfung durch die dritte unabhängige Gewalt im Staat - die Gerichte - verlangen. Die Gerichte hingegen können etwas nur dann verhindern, wenn das Vorhaben nicht rechtskonform ist. Und dies war überdurchschnittlich oft der Fall, was den Sinn des VBR und den verantwortungsvollen Einsatz durch die Verbände beweist. Die Natur kann sich nicht selber zur Wehr setzen, wenn es ihr an den Kragen geht. Es braucht Verbände, die sich für sie einsetzen und die dafür notwendigen Rechtsmittel zugesprochen erhalten - ein urliberales Anliegen! hält er den 'lieben Kolleginnen und Kollegen von der FDP vis-a-vis' entgegen.
So einseitig die Vorlage selber gestaltet war, so einseitig ist auch die Behandlung in der Kommission abgelaufen, kritisiert Martin Rüegg. Die Kommissionsmehrheit wollte nur den Motionär, nicht aber die betroffenen Verbände anhören. Das sei zum einen undemokratisch, zum anderen aber auch unseriös, da so nicht alle Argumente auf den Tisch kommen. Diskussionsverweigerung habe noch nie zur Lösung von Problemen beigetragen. Die Abschaffung des VBR auf kantonaler und kommunaler Ebene passt zu einer Reihe von Beschlüssen und Vorhaben, die den Umweltschutz in der Schweiz stark schwächen. Auf nationaler Ebene ist das VBR bereits im Juli letzten Jahres durch die parlamentarische Initiative Hofmann verschärft worden. In der Verordnung dazu ist vorgesehen, die Schwellenwerte für Bauprojekte mit UVP-Pflicht bei Parkplätzen von 300 auf 500, d.h. um zwei Drittel, und bei den Nettoladenflächen von 5'000 auf 7'500 m 2 , d.h. um 50 Prozent, massiv zu erhöhen. Wie der Chefjurist der BUD, Markus Stöcklin, die Meinung vertreten kann, es gehe dabei überhaupt nicht um eine Schwächung des Verbandsbeschwerderechts, ist dem Landrat ein Rätsel. Das alles reiche der SVP aber immer noch nicht, sie möchte das VBR gleich ganz abschaffen.
Zusammenfassend hält Martin Rüegg fest, die Vorlage sei tendenziös abgefasst und in der Kommission einseitig behandelt worden - für einen Rechtsstaat ein absolut unwürdiger Vorgang! empört er sich. Der Vorlage liegt nur gerade ein Fall zugrunde, der erst noch nicht missbräuchlich war. Hier werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, und die der Vorlage zugrunde liegende Verhinderungsmentalität sei noch schlimmer als diejenige, die den Verbänden vorgeworfen wird. Nicht genug damit: nun sollen die Einschränkungen auch noch auf das Baugesuchsverfahren ausgedehnt werden! Hier wird seines Erachtens ein Exempel in Form einer Kollektivstrafe statuiert - was im Übrigen in der Schule schon längst verboten sei. Zielscheibe sei der VCS, aber alle einspracheberechtigten Verbände, auch wenn sie noch nie von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, werden mit bestraft. Verlierer sind aber letztlich nicht die Verbände und die Parteien, die sich für das VBR einsetzen. Verlierer sind Pflanzen, Tiere und zuletzt auch wir Menschen. In Zeiten, in denen noch immer 1 m 2 pro Sekunde überbaut wird, braucht es nicht weniger, sondern mehr Schutz der Umwelt. Die SP beantragt Nichteintreten auf die 'undemokratische' Vorlage [zustimmendes Klopfen von links].
Auch Urs Hess (SVP) meint, es sei in Tat und Wahrheit ein Glaubenskrieg. Nach Dafürhalten der SVP wiegt aber ein demokratisch gefällter Entscheid mehr als ein Verbandsbeschwerderecht, ja ein demokratischer Entscheid sei das höchste Gut und daher ein Verbandsbeschwerderecht nicht auch noch zwingend notwendig. Man habe es hier schon einmal gesagt, gewisse Parteien würden im Falle ihres Unterlegenseins im Parlament jeweils 'ihre' so genannte zweite Instanz, nämlich den VCS angehen und mittels diesem zu gewinnen suchen, was er wiederum für sehr undemokratisch hält.
Die SVP ist mit der Vorlage einverstanden. Wird das Verbandsbeschwerderecht bei der Nutzungsplanung eingeschränkt, so gehört dazu auch zwingend der nächste Punkt, im Sinne eines Antrags c., dass anschliessend im Bau- und Planungsverfahren gewisse Einschränkungen gemacht werden, ansonsten es zu ewigen Verzögerungen bei der Baueingabe komme. Den Investoren soll klar signalisiert werden, dass im Anschluss an den demokratisch gefällten Entscheid auch endlich gebaut werden kann, ohne durch - zum Teil missbräuchliche - Verbandseinsprachen erst langwierige Verfahren abwarten zu müssen.
Hanspeter Frey (FDP) tut Martin Rüeggs Votum als "Tränendrüsenvortrag" ab, mittels welchem er den Befürwortern der Verbandsbeschwerdeabschaffung unterschiebe, sie beabsichtigten, die ganze Natur kaputtzumachen. Dem sei aber nicht so. Auch könne er dessen Aussagen bezüglich demokratischem Verhalten und Vorgehen nicht zustimmen. Die Zusammenarbeit in der BPK sei stets sehr gut. Die Gründe für eine Nichtanhörung der Verbände seien dargelegt worden. Usanz sei, dass jeweils der Motionär oder die Motionärin eingeladen wird, um seine/ ihre Sache zu vertreten. Namens der FDP verwahrt er sich vor dem Vorwurf, der SVP nachzulaufen. Er hält fest, bereits bei der Beratung des Raumplanungs- und Baugesetzes am 8. Januar 1998 habe die FDP darauf hingewiesen, dass ein einseitiges Beschwerderecht nicht unterstützt wird. Damals hätten erst ca. 11 SVP-Landräte im Saal gesessen, es könne also keine Rede von Hinterherlaufen sein.
Mit dem Raumplanungs- und Baugesetz wurde in § 7 Mitwirkungsrecht der Bevölkerung eine Mitwirkung zu Nutzungsplanungen stipuliert respektive fest gehalten - auch wenn es sich dabei um eine unverbindliche Bestimmung für die Verwaltungen und für die Planung handelt. Bereits dort wurde darauf hingewiesen, dass bei einem anstehenden Entscheid schliesslich nur noch Umwelt- und Heimatschutzorganisationen Beschwerde machen können; einer solchen Einseitigkeit gelte es aber zu begegnen. - Kantonale und kommunale Nutzungspläne kommen im demokratischen Prozess zustande, werden sie doch mittels Landratsbeschlüssen, im Einwohnerrat oder in einer Gemeindeversammlung verabschiedet.
Gegen alle Beschlüsse kann das Referendum ergriffen werden, es können Beschwerden von Stimmberechtigten eingegeben werden und auch Betroffene haben das Recht auf Einreichung von Beschwerde gegen die Planungen. Dazu kommt, dass während den Planauflagen von Nutzungsplanungen Grundeigentümer in der Gemeinde oder Gemeinden im Kanton ebenfalls einspracheberechtigt sind. Auch wird bei grösseren Nutzungsplanungen oder ebensolchen Strassenbauprojekten, wie auch bei grossen ÖV-Projekten stets von Gesetzes wegen eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt; und dies aufgrund von Bundesrecht. Über die Umweltschutzgesetze sind die Umweltverbände einspracheberechtigt. Also kann auch dort etwas unternommen werden. Das Verbandsbeschwerderecht ist zudem in einer langen Liste von Gesetzen stipuliert, u.a. im Umweltschutzgesetz, im Natur- und Heimatschutzgesetz und notabene im Fuss- und Wanderweggesetz.
Ganz wesentlich scheint der FDP aber folgendes Argument: Die Nutzungsplanungen durchlaufen vor ihrem Entscheid im Parlament oder in einer Gemeindeversammlung eine umfassende Prüfung durch die Behörden. Dort werden bereits frühzeitig Fachgremien wie die Naturschutz-, Umwelt oder Heimatschutzstellen mit einbezogen, welche allfällige Verbesserungen einbringen können. Es sei davon auszugehen, dass die Prüfung durch diese Amtsstellen von guter Qualität ist. Vielleicht müsste man aber auch dort ein wenig vermehrt den Finger drauflegen. Die FDP vertritt die Ansicht, dass das Rechtsmittel des Referendums, der Beschwerde von Betroffenen, genügt und die Einsprachelegitimation bei demokratisch entstandenen Nutzungsplanungen durch Verbände nicht gegeben und daher auch unnötig ist.
Zum zusätzlichen Antrag bemerkt Hanspeter Frey, dass dieser grundsätzlich dem Gesetz entspricht, welches besagt, dass nur beschwerdeberechtigt ist und auch nur Beschwerde erheben kann, wer direkt betroffen ist. Aufgrund der relativ lockeren Handhabung durch den Bund habe es sich aber inzwischen eingebürgert, dass dieses Einspracherecht auch auf Verbände ausgedehnt wurde. Die FDP stimmt den Anträgen der Bau- und Planungskommission zu und befürwortet die Gesetzesänderung. Man ist für Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts.
Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei
In der Kommissionsberatung, so Christian Steiner (CVP), sei von der CVP/EVP-Fraktion der Antrag gestellt worden, die Vorlage zurückzuweisen und die derzeit in Vorbereitung befindliche Bundeslösung abzuwarten, um deren Ergebnisse in die kantonalen Verfahren aufzunehmen. Am 1. Juli 2007 waren die neuen Bestimmungen des Bundes in Kraft getreten; derzeit wird die dazugehörige Verordnung bereinigt. Der Antrag wurde von der Kommission abgelehnt. Dies, obwohl Befürworter wie Gegner des Verbandsbeschwerderechts von den neuen Bestimmungen des Bundes betroffen sein werden - und zwar in stärkerem Masse als von der Annahme oder der Ablehnung der hier zur Diskussion stehenden Vorlage. Mit der Streichung des kantonalen Verbandseinspracherechtes werden kantonale oder kommunale Nutzungsplanungen nämlich nicht verhindert. Es kommt lediglich zu einer Verschiebung der Zuständigkeiten von den kantonalen Verbänden zu den Zentralverbänden. Gesamtschweizerische Organisationen sind gemäss Bundesrecht befugt, die Rechtsmittel des kantonalen Rechtes zu ergreifen.
Die Situation würde sich also kaum ändern; es wäre lediglich mit etwas mehr adminstrativem Aufwand verbunden, die gleichen Beschwerden und Einsprachen zu erhebeben. Verschiedene Kantone warten darauf, die neuen Bestimmungen des Bundes in kantonales Recht zu übertragen - dies im Sinne einer vereinheitlichten, gesamtschweizerischen Lösung. Wenn in jedem Kanton ein anderes Recht gilt, ist dies der Stärkung des Arbeits- und Wirtschaftsstandortes nur abträglich.
Es ist absehbar, dass der Baselbieter Stimmbevölkerung innert weniger Jahre unter Umständen dreimal Vorlagen zum Thema "Verbandsbeschwerderecht" unterbreitet werden. Einerseits mit der heutigen Vorlage - diese wird nämlich kein 4/5-Mehr erreichen -, dann mit der FDP-Volksinitative - falls diese nicht zurückgezogen wird - und ferner mit einem allfälligen Gegenvorschlag zu dieser Initiative.
Zu fragen ist, ob es angesichts dieser komplexen Materie nicht einfacher wäre, sich auf eine einmalige und gesamtschweizerische Aktion zum Thema "Verbandsbeschwerderecht" zu einigen.
Aus diesem Grund stellt die CVP/EVP-Fraktion erneut den Antrag, zwar auf die Vorlage einzutreten, diese aber zurückzuweisen mit dem Auftrag, das neue Bundesrecht abzuwarten. Anschliessend sollen die Ergebnisse in Bezug auf die einschränkenden Voraussetzungen, die das Bundesrecht für das Verbandsbeschwerderecht vorsieht, ebenfalls in die kantonalen Verfahren aufgenommen werden.
Die Stärkung des Arbeits- und Wirtschaftsstandortes Baselland ist ein wichtiges Ziel. Die aktuellen Revisionen des Bundes gehen in einem vertretbaren Rahmen in diese Richtung. Wer diese Veränderungen genehmigt, ist noch lange kein Anhänger ungebremster und ungelenkter wirtschaftlicher Entwicklung, wie dies die Naturschutzorganisationen den Gegnern des Verbandsbeschwerderechts vorgeworfen haben. Der gestellte Antrag ist ein einstimmiger Beschluss der CVP/EVP-Fraktion. Sollte dieser abgelehnt werden, besteht bei der weiteren Behandlung der Vorlage für die Fraktion Stimmfreigabe.
An die Adresse von Martin Rüegg ist zu bemerken, dass er in einem einfachen Satz zwei Falschaussagen über die CVP gemacht hat. [Heiterkeit]
Die CVP läuft nicht einfach hinterher, sondern hat eigenständig entschieden, wie sie mit diesem Verbandsbeschwerderecht umgehen will. Ferner handelt es sich nicht um eine Mehrheit, welche das Verbandsbeschwerderecht aufheben will.
Isaac Reber (Grüne) zeigt sich zunächst überrascht über die Staats- und Behördengläubigkeit, die Hanspeter Frey in seinen Votum an den Tag gelegt hat. "Ist das etwas Neues bei der FDP?", fragt er ihn mit einem Schmunzeln.
Gegenüber Urs Hess macht Isaac Reber deutlich, dass die Grünen ein anderes Demokratieverständnis haben als die SVP. Belehrungen in dieser Hinsicht wünscht er von der SVP nicht zu erhalten. Derzeit sei ja zu mitzuerleben, dass die 2. Instanz der SVP die öffentliche Hetzjagd sei. Im Übrigen hätte man von einer Partei, die jahrzehntelang mitgeholfen hatte, andere Bundesräte als die vorgeschlagenen zu wählen, eigentlich bessere Nehmerqualitäten erwartet.
Die Grünen sind der Meinung, dass der hier ablaufende Prozess kein demokratischer ist. Bei der SVP-Motion, welche der Vorlage zugrunde liegt, geht es um Missbrauch. Es ist heute sehr in Mode, andere des Missbrauchs zu bezichtigen. Die Erfahrungen haben Isaac Reber allerdings gelehrt, genauer hinzuschauen, wenn das Thema "Missbrauch" im Raume steht.
Als es im Parlament um die Überweisung der Motion ging, verlangte Isaac Reber von Karl Willimann, ihm Missbrauchsfälle zu nennen - der Motionär war dazu nicht in der Lage. Schon damals hegte er den Verdacht, dass der Missbrauch anderswo liege als behauptet - beim Motionär und seiner Partei nämlich. Die Unfähigkeit, Beispiele anzuführen, lässt vermuten, dass die seinerzeitige VCS-Einsprache in Sachen Hardturm-Stadion dazu missbraucht werden soll, um den Baselbieter Natur-, Heimat- und Umweltschutzverbänden einen Maulkorb zu verpassen.
In der Kommission ist denn vor allem auch der Gebrauch
des Verbandsbeschwerderechtes durch die Baselbieter Natur-, Heimat- und Umweltschutzverbände thematisiert worden. Dabei hat sich gezeigt, dass in all den Jahren praktisch keine Beschwerden zu kantonalen und kommunalen Nutzungsplanungen durch diese Verbände eingegangen sind. Auch in den drei Kommissionssitzungen vermochte niemand einen Missbrauchsfall zu nennen.
Besonders enttäuschend war, dass die Kommissionsmehrheit nicht bereit war, die betroffenen Verbände anzuhören. Isaac Reber wertet dies als einen Beleg dafür, dass es hier nicht um die Sache an sich geht.
Karl Willimann weiss, dass es zu keinem missbräuchlichen Gebrauch des Verbandsbeschwerderechts durch die kantonalen Verbände gekommen ist. Es ist zu vermuten, dass er die Gunst der Stunde nutzen wollte, um die von ihm ungeliebten Natur-, Heimat- und Umweltschutzverbände auf billige Art in die Schranken zu weisen. Das ist ein tatsächlicher Missbrauch. Es ist sehr zu hoffen, dass nicht alle bürgerlichen Parteien bei diesem Spiel mitmachen. Die Grünen jedenfalls werden sich daran nicht beteiligen und sind für Nichteintreten auf die Vorlage.
Für Urs Hintermann (SP) ist heute ein Tag, da die Worte
bis an die Grenzen strapaziert werden. Wenn Urs Hess sagt, demokratische Entscheide würden nicht geachtet, sondern missachtet, so ist ihm zu entgegnen, dass das Verbandsbeschwerderecht auf kantonaler und nationaler Ebene auf sehr demokratische Weise - nämlich durch Mehrheitsbeschlüsse des Volkes - eingeführt worden ist.
Wenn die SVP alle paar Jahre erneut Vorstösse unternimmt, um das Verbandsbeschwerderecht abzuschiessen, dann entspricht dies nicht der Vorstellung Urs Hintermanns, wie mit demokratischen Entscheiden umgegangen wird.
Zudem ist in Sachen demokratische Entscheide die Frage aufzuwerfen, wie es denn mit dem Beschwerderecht des Privaten steht. Wenn eine Gemeindeversammlung, ein Einwohnerrat oder ein Kantonsparlament ein Projekt beschliesst und es zur Umsetzung desselben kommt, hat der Private immer noch die Möglichkeit zur Einsprache. Ist das denn auf eine andere Art demokratisch?
Die Tatsache, dass Fakten überhaupt keine Rolle mehr spielen, beelendet Urs Hintermann bei dieser Vorlage über die Massen. Wenn es dem Motionär darum ginge, Projekte zu deblockieren und Verfahren zu beschleunigen, hätte er schon längst auf diesen Vorstoss verzichten müssen.
Im Vorfeld ist zu belegen versucht worden - z.B. durch eine Interpellation Urs Hintermanns vor zwei Jahren -, dass ein langsamer Verfahrensverlauf nicht an den Verbänden, sondern an Privaten und an juristischen Personen liegt, die durch alle Instanzen hindurch den Rechtsweg ausschöpfen. Rund 98% oder 99% aller Einsprachen rühren nicht von Verbänden her. Wenn es also ernsthaft darum ginge, die Verfahren zu beschleunigen, dann müsste hier angesetzt und die Rechtsmittel für die Betroffenen abgeschafft oder doch sehr eingeschränkt werden.
Gegenwärtig wird ein Vorstoss in der BPK beraten, bei der es ebenfalls um Verfahrensbeschleunigung geht. Auch dort zeigt sich glasklar, dass es nicht die Verbände sind, welche blockieren oder verlangsamen, sondern natürliche und juristische Personen, meistens Nachbarn.
Wenn es also nicht um Fakten geht, worum geht es dann? Es geht um Ideologie und wahrscheinlich auch um Rache. Bekommt ein Verband im einen oder anderen Fall Recht, dann bedeutet dies nicht anderes, als dass eine Vorin-stanz oder allenfalls ein Parlament nicht rechtmässig entschieden hat. Die Korrektur eines solchen Entscheides wird offenbar von gewissen Leuten nicht gut ertragen. Wenn wir Gesetze haben, so sollten diese auch durchgesetzt werden - unter Umständen auch mit Hilfe des Verbandsbeschwerderechts.
Stehen nur noch ideologische Überlegungen, Rachegefühlen und Emotionen im Vordergrund, dann handelt es sich um Populismus, der draussen auf der Strasse Platz haben mag. Im Landratssaal aber sollte nicht nur der Bauch, sondern auch der Kopf bei der Behandlung der Geschäfte beteiligt sein.
Urs Hintermann bittet daher, den Antrag der SP zu unterstützen und auf die Vorlage nicht einzutreten.
Karl Willimann (SVP) bemerkt an die Adresse von Isaac Reber, in der Motion gebe es nicht die geringste Andeutung von Missbrauch, und bittet ihn, sich an die Fakten zu halten. Urs Hintermann weist er darauf hin, dass sich gerade jetzt ein demokratisches Verfahren abspiele, das dieser akzeptieren möchte.
Die Umweltschutzorganisationen sind nicht die alleinigen Hüter oder Bewahrer der Natur - schon gar nicht, wie behauptet, die einzige Stimme der Natur. Volk, Parlament und Behörden haben in diversen Gesetzesartikeln für die Schonung, den Erhalt und die Renaturierung der natürlichen Umwelt rechtliche Grundlagen geschaffen und beschlossen.
Die Nutzungspläne der Gemeinden basieren auf dem kantonalen Richtplan. Ein erarbeiteter Nutzungsplan wird vom Regierungsrat geprüft - alle Fachstellen werden beigezogen. Nachdem die Gemeindeversammlung den Nutzungsplan beschlossen hat, wird dieser nochmals vom Regierungsrat geprüft und schliesslich genehmigt.
Im Baubewilligungsverfahren prüfen die Gemeinde und das Bauinspektorat, das ARP, das AUE etc. erneut, ob das Umweltschutzgesetz, das Baugesetz, das Heimatschutzgesetz, das Lärmschutzgesetz und andere umweltrelevante Rechtsgrundlagen eingehalten werden.
Bei der Nutzungsplanung handelt es sich um kleinräumige Projekte, zum Beispiel um den Quartierplan, um Baulandumlegungen sowie Bauprojekte wie Mehr- und Einfamilienhäuser. Die Betroffenen dieser Projekte haben ein Beschwerderecht. - Es ist doch nicht nötig, dass die Verbände hier ein Beschwerderecht haben! Auch das ist mit Kanonen auf Spatzen geschossen, wie vorhin gesagt worden ist!
Bei den kantonalen Nutzungsplänen verhält es sich ähnlich. Diese stützen sich auf einen vom Landrat beschlossenen Richtplan oder auf eine landrätliche Genehmigung. Die Nutzungspläne werden dem Landrat erst unterbreitet, nachdem alle kantonalen Stellen diese auf die umweltrelevanten gesetzlichen Bestimmungen hin geprüft haben. Bei bedeutungsvollen Nutzungsplänen wird sogar eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt. Bei Planungsreferenden werden diese sogar vor das Volk gebracht. Die Betroffenen und die Gemeinden sind einspracheberechtigt.
Die SVP ist hier nun einfach zu einer neuen Erkenntnis gekommen. Es handelt sich nicht um Rache. Vielmehr ist es unverhältnismässig, solche Pläne noch der Verbandsbeschwerde zu unterstellen. Die Anliegen der Verbände sind nämlich bereits im vorgeschalteten Verfahren geprüft worden.
Aus den Protokollen über die Beratungen zum seinerzeitigen neuen Raumplanungs- und Baugesetz in den 90er-Jahren geht hervor, dass das exklusive Einspracherecht der Umweltschutzverbände schon damals umstritten war. Es gibt noch andere Verbände, die ebenfalls ein legitimes Recht haben, Einsprachen zu machen - z.B. der Hauseigentümerverein, der Mieterverband, der Verkehrsverband und andere.
Persönlich ist Karl Willimann, wie er betont, kein Naturschutzgegner. Im Gegenteil: Seit 35 Jahren ist er Mitglied der Naturschutzverbände - zunächst des Schweizerischen Naturschutzbundes und nun der Nachfolgeorganisation Pro Natura. Auf Praxisebene hat er immer sinnvolle Renaturierungsprojekte unterstützt und gefördert, auch in seiner letzten beruflichen Tätigkeit. So konnte das Naturschutzgebiet "Talweiher" in Rothenfluh nur wegen des Gesamtmeliorationsprojektes Anwil entstehen.
Zur Natur muss Sorge getragen werden, und begangene Fehler müssen im Rahmen des Möglichen korrigiert werden. Störend ist aber, dass die Exponenten der heutigen Umweltorganisationen die Natur "verpolitisieren". Handfeste ideologische Ziele - dies an die Adresse der Ratslinken - werden unter dem Titel "Natur- und Umweltschutz" parteitaktisch verfolgt.
Martin Rüegg hat mit seiner Bemerkung über "Schauprozesse" in die Mottenkiste gegriffen. Das nämlich ist Nomenklatur aus Zeiten des Stalinismus und der DDR. Er hat sich heute im Rat leider stark ins Abseits gestellt, als er solcherlei mit Demokratieverständnis in Zusammenhang brachte.
Es gibt allerdings eine Naturschutzorganisation, nämlich die Vogelwarte Sempach, welche ohne politische Hintergründe argumentiert und dabei äusserst erfolgreich ist.
Von den Befürwortern wird das Argument angeführt, dass vom Verbandsbeschwerderecht selten oder nie Gebrauch gemacht werde und dieses deshalb beibehalten werden könne. Man kann jedoch den Spiess auch umdrehen: Gerade weil nie davon Gebrauch gemacht worden ist, braucht es das Verbandsbeschwerderecht nicht - deshalb soll es abgeschafft werden.
Patrick Schäfli (FDP) schliesst sich dem Votum Karl Willimanns an.
Von Martin Rüegg interessiert ihn zu erfahren, mit welcher demokratischen Legitimation - ausser dass das Verbandsbeschwerderecht in verschiedenen Gesetzen stipuliert ist - sich die Umweltschutzverbände das Recht herausnehmen, "Gott zu spielen", was gewisse Bauprojekte im Kanton angeht . [Murren in den Reihen der Ratslinken]
Das darf nicht sein. Es gibt andere Verbände mit durchaus legitimen Interessen - so Verkehrs- und Hauseigentümerverbände -, welche ein solches Einspracherecht ebenfalls fordern können, sind sie doch von verschiedensten Bauprojekten im Hoch- und Tiefbau genauso betroffen wie die Umweltverbände.
Es ist auch kein grosser Unterschied zu machen zwischen Kanton und Bund, denn das Verbandsbeschwerderecht ist als solches eigentlich ein Unding, weil in der Regel demokratische Volksentscheide oder zumindest Parlamentsentscheide vorgeschaltet sind.
Daher hegt Patrick Schäfli ein wenig den Verdacht, dass es darum geht, die grossen Apparate der Umweltschutzorganisationen zu beschäftigen.
Philipp Schoch (Grüne) glaubt Patrick Schäfli noch einige Dinge erklären zu können und fordert ihn auf, jetzt gut zuzuhören:
In dieser Diskussion geht es nur darum, ob das Verbandsbeschwerderecht möglicherweise einmal missbräuchlich
verwendet worden und deshalb abzuschaffen sei oder ob die Verbände brav genug gewesen seien und das Recht behalten dürften. - Das zielt nicht nur daneben, sondern greift viel zu kurz.
Das Verbandseinspracherecht ist seit 40 Jahren im Naturschutzgesetz festgeschrieben. Dieses ist nicht etwa deshalb eingeführt worden, weil die Naturschutzverbände eine Extrawurst gebraucht hätten, sondern weil das Rechtsmittel in einem liberalen Staat eine wichtige Lücke schliesst.
Gemäss dem schweizerischen Rechtsverständnis ist es von grundlegender Bedeutung, dass jede von einem Projekt betroffene Person eine Einsprache machen kann, wenn sie der Meinung ist, dass das Projekt geltendem Gesetz widerspricht. Bei der Erarbeitung des Natur- und Heimatschutzgesetzes wurde festgestellt, dass bei Planungen, welche der Naturschutzgesetzgebung widersprechen, niemand einspracheberechtigt wäre, weil die Betroffenen eben nicht Menschen sind, sondern Tiere, Pflanzen oder die gesamte Umwelt. Damit die Einhaltung der Naturschutzgesetzgebung überhaupt einforderbar wird, hat man damals den Natur- und Umweltschutzverbänden dieses Einspracherecht übertragen. Die Verbände können aufgrund dieses Rechtes aber nie selbst über ein Projekt entscheiden, sondern nur einen Marschhalt verlangen, auf dass ein Gericht die Rechtmässigkeit nochmals überprüfe. Dieses Recht besteht seit 40 Jahren auf Bundesebene und seit 10 Jahren auf kantonaler Ebene.
Die erwähnten Verbände haben wesentlich dazu beigetragen, dass die geltenden Umwelt- und Naturschutzgesetzgebungen auch vollzogen werden. Bei 1% aller Fälle haben die Verbände Einsprache gemacht, und bei 75% der Einsprachen haben sie vor Gericht Recht bekommen.
Das Einspracherecht wirkt präventiv. Von Anfang an werden dank Einspracherechten die Umweltanliegen stärker bewertet. Im Übrigen müssen die Investoren Einsprachen nur fürchten, wenn die Projekte bezüglich Natur- und Umweltschutz fragwürdig sind.
Dass in einer von der Regierung unterbreiteten Vorlage - Martin Rüegg hat es bereits angesprochen - die Einzelmeinung eines Mitarbeiters derart starkes Gewicht erhält, ist auch schon bei anderen Fragen der Fall gewesen.
Persönlich geht dies Philipp Schoch zu weit. Er verlangt, dass das Ganze sofort auf eine sachlichere Ebene gestellt wird.
Es kann doch nicht das Ziel sein, dass begründete Einzelfälle nicht nochmals auf ihre Rechtmässigkeit geprüft werden. Das Argument, die Prüfung sei bereits durch die Verwaltung erfolgt, widerspiegelt eine Staatsgläubigkeit, welche gerade jenen Kreisen, die das Verbandsbeschwerderecht abschaffen wollen, sonst völlig fremd ist. Wenn die Mehrheit des Parlamentes mit der Natur- und Umweltschutzgesetzgebung nicht einverstanden ist, dann kann diese jederzeit geändert werden. Ein Rechtsmittel ersatzlos zu streichen, das heute den Vollzug des geltenden Gesetzes erfolgreich sichert, ist ein Vorgehen, das eines liberalen Rechtsstaates völlig unwürdig ist.
Gemäss Martin Rüegg (SP) ist das Argument der SVP, wonach demokratisch gefällte Entscheide sakrosankt sind, bereits von der Einbürgerungsdiskussion her bekannt. Genau dort ist aber inzwischen erkannt worden, dass Verwaltungen, Regierungen und sogar das Volk falsch liegen können, zumindest rechtlich gesehen.
Was die SVP hier versucht, hat mit dem Verbandsbeschwerderecht und dem Natur- und Heimatschutz nichts zu tun. Vielmehr geht es ihr zunehmend darum, die Justiz auszuschalten, was unter anderem das Bedenkliche an dieser Vorlage ist.
Die direkt Betroffenen sollen das Recht zur Einsprache haben. Wer aber sind die direkt Betroffenen, wenn es um Naturschutz geht? Der Naturschutz hört ja schliesslich nicht an der eigenen Parzellengrenze auf, sondern geht vielmehr darüber hinaus.
Wenn Private zu Hunderten gegen eine Mobilfunkanlage eine Einsprache machen, so sind die Relationen zum hier zur Diskussion stehenden Verbandsbeschwerderecht doch nicht mehr gewahrt. Empörend ist auch, dass jetzt eine Vorlage in der Pipeline ist ( 2008/003 ), welche sogar eine Ausweitung des Einspracherechts für Private bringen soll. Der Umstand, dass die beiden Vorlagen nicht zeitgleich behandelt worden sind, lässt sich nur als Versuch werten, in bewährter Salamitaktik das Verbandsbeschwerderecht Schritt für Schritt einzuschränken.
Die gehörten Voten lassen sich unter dem Titel der Initiative der FDP des Kantons Zürich zusammenfassen - welche schweizweit zur Diskussion steht, inzwischen von den Räten aber zum Glück abgelehnt worden ist: "Mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze". Die Polarität zwischen Ökologie und Ökonomie schien ein Stück weit überwunden zu sein. Heute ist allerdings festzustellen, dass dem nicht so ist. Die Grabenkämpfe brechen wieder auf. In letzter Zeit sind Lösungen gefunden worden, den beiden berechtigten Anliegen von Wirtschaftlichkeit und Ökologie Rechnung zu tragen. Es handelt sich um einen schwierigen Prozess, den zu durchlaufen offenbar nicht alle bereit sind. Das ist schade.
Dass nun ausgerechnet ein Pro Natura-Mitglied die ganze Diskussion um die Abschaffung des Verbandsbeschwerderechtes ausgelöst hat, beunruhigt und beelendet Martin Rüegg. Er fragt sich, ob nicht ein Ausschlussverfahren anzustrengen wäre. [Heiterkeit]
Kaspar Birkhäuser (Grüne) nimmt das Votum von Urs Hess auf. Dieser hat demokratische Entscheide dem Verbandsbeschwerderecht gegenübergestellt und erklärt, dass demokratische Entscheide mehr wert seien als das Verbandsbeschwerderecht.
Diese Gegenüberstellung aber ist falsch. Demokratischen Entscheiden steht nämlich die Verbindlichkeit von Verfassung und Gesetz gegenüber. Auch demokratische Entscheide können Gesetz und Verfassung widersprechen. Wenn man sich darüber streitet, kommt die 3. Gewalt im Staat - die Gerichtsbarkeit - zum Zuge. Die Verbände sollen die Möglichkeit haben, eine allfällige Gesetzesverletzung vor Gericht zu bringen.
Im Übrigen zeigt sich Kaspar Birkhäuser beeindruckt, wie ruhig und sachlich Karl Willimann auf die Anwürfe geantwortet hat. Allerdings stimmt es nicht, dass die Umweltverbände automatisch bei jedem Projekt mitentscheiden können. Sie machen dies nur in seltenen Ausnahmefällen. Es ist ein Recht, das die Verbände haben, aber diesem wohnt kein Automatismus inne.
Peinlich ist es, wenn darüber diskutiert wird, ob schon eine ungerechtfertigte Verbandseinsprache zu viel sei - dies angesichts Dutzender ungerechtfertigter Einsprachen durch Private. Es ist wesentlich, den Blick fürs Ganze wieder zu finden. Unsere Gesellschaft übernutzt durch ihre wirtschaftliche Tätigkeit die Natur ständig. Ein Jeder tut dies durch sein persönliches Verhalten. Diese Übernutzung wirkt sich verheerend auf die Biosphäre aus. Deshalb ist vor etwa 15 Jahren zwischen den Parteien das Verbandsbeschwerderecht ausgehandelt worden. Das Gesetz hat den alleinigen Zweck, dafür zu sorgen, dass Bauprojekte gesetzeskonform sind. Selbstverständlich werden dadurch Investoren indirekt dazu angehalten, lediglich Projekte zu planen, die das Umweltschutzgesetz nicht verletzen.
Das ist eine positive und sinnvolle Folge des Verbandsbeschwerdegesetzes, denn letztlich wollen doch alle umweltverträgliche Projekte. Das Argument des Motionärs im Kommissionsbericht, dass "Investoren, sobald sie Einsprachen befürchten, schon frühzeitig auf eine Weiterverfolgung der Projekte verzichten", ist deshalb absurd. Eine Verbandsbeschwerde hat doch nur zu befürchten, wer mit seinem Projekt das Recht verletzt.
Aus genannten Gründen bittet Kaspar Birkhäuser seine Kolleginnen und Kollegen, nicht auf diesen Vorschlag zur Gesetzesänderung einzugehen.
Christoph Frommherz (Grüne) erinnert an einen wichtigen Grundsatz, der in der Bundesverfassung festgeschrieben ist - die nachhaltige Entwicklung. Sie ist auch ein zentraler Bestandteil des Regierungsprogrammes.
Wie seit Rio 92 bekannt ist, bedeutet nachhaltige Entwicklung, miteinander einen Ausgleich zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem zu finden. Dieser Ausgleich verlangt gleich starke Partner mit gleich langen Spiessen. Der Spiess der Ökologie ist das Verbandsbeschwerderecht, und dieser soll geknickt werden. Das geht nicht, will man das Gleichgewicht, wie es die nachhaltige Entwicklung vorsieht, erreichen.
Daher bittet Christoph Frommherz, auf die Vorlage nicht einzutreten.
Isaac Reber (Grüne) will nicht darüber reden, was Karl Willimann in der Kommissionsberatung gesagt hat - schliesslich heisse er nicht Mörgeli. [Heiterkeit]
Am 6. April 2006 allerdings hat Karl Willimann im Landrat Folgendes gesagt: "Kantonale Verbandsköche als letzt-instanzliche Suppenversalzer ... braucht es nicht." Das Problem ist, dass die SVP keine Suppe vorweisen konnte, die versalzen worden ist. Es ist ganz einfach: Die SVP wirft Missbrauch vor, betreibt diesen aber selber.
Regierungsrat Jörg Krähenbühl (SVP) will nicht in die spannende Diskussion eingreifen, muss aber das Votum von Landrat Schoch klar dementieren.
Die Verwaltung und die Regierung erhalten einen Auftrag des Parlamentes; dieser wird in einer Direktion verarbeitet und schliesslich in einer internen Vernehmlassung allen Direktionen geschickt. Daraus entsteht eine Vorlage, die von der Regierung zu Handen des Landrates verabschiedet wird. Oft wird in der Regierung sehr hart diskutiert; manchmal muss die Vorlage zurückgezogen und der Regierung erneut vorgelegt werden. Es sei nie die Vorlage eines einzelnen Mitarbeiters, wehrt sich Regierungsrat Krähenbühl ganz entschieden gegen die Äusserung Philipp Schochs.
Für den Antrag der CVP/EVP-Fraktion zeigt Regierungsrat Krähenbühl Verständnis. Aber: Wie oft schon ist über kantonale Vorlagen abgestimmt worden, um wenig später über eine eidgenössische Vorlage abzustimmen, die in die gleiche Richtung zielte. Wer garantiert, dass nicht zwei, drei Jahre vergehen, bis schliesslich entschieden ist? Die CVP/EVP-Fraktion ist immer dafür, dass Baselland eine Vorreiterrolle einnimmt. Die Motion wurde überwiesen; die Regierung hat eine Vorlage unterbreitet. Der Landrat möchte nun entscheiden. Wenn nötig, wird das Volk darüber befinden.
Regierungsrat Krähenbühl bittet, den Rückweisungsantrag der CVP/EVP-Fraktion abzulehnen und der Vorlage zuzustimmen.
Rolf Richterich (FDP) sieht sich veranlasst, für die geleistete Kommissionsarbeit eine Lanze zu brechen.
Ein Wort zur nicht gewährten Anhörung: Eine Anhörung ist kein Recht, das jemandem auf Verlangen einfach gewährt wird. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission von den Verbänden Unterlagen im Umfang von etwa 40 Seiten erhalten hat. Es fragt sich, was die Verbände der Kommission in einer Anhörung an Neuem hätten sagen wollen. Das war der Grund, warum die Kommission darauf verzichtet hat, die Verbände einzuladen. Dass die Kommission Motionäre und Postulanten einlädt, entspricht den Gepflogenheiten - dazu gibt es nichts weiter zu sagen.
Ein Wort zum Einwand, die Vorlage sei einseitig, und zur Arbeit während der Beratung der Vorlage: Persönlich hat Rolf Richterich eine andere Sicht. Es kommt immer darauf an, mit welcher Brille etwas gelesen wird. Rolf Richterich fordert die Kolleginnen und Kollegen dazu auf, die Vorlage auf möglichst neutrale Art und Weise zu lesen. Es ist eine relativ technische Abhandlung der Vorgänge, die von der Verwaltung präsentiert worden ist. Die Kommission konnte Zusatzfragen stellen, die sehr "sec" beantwortet worden sind. Es war im Übrigen auch nicht die Erwartung, von der Verwaltung aufgezeigt zu bekommen, was die Verbände wert sind - das gehört nicht zu deren Aufgaben.
Keine weiteren Wortbegehren.
Abstimmung über den Nichteintretensantrag der SP-Fraktion und der Fraktion der Grünen
://: Der Nichteintretensantrag wird mit 48:32 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. [ Namenliste ]
Der Landrat tritt somit auf die Vorlage ein.
Abstimmung über den Rückweisungsantrag der CVP/EVP-Fraktion folgenden Wortlautes:
"Die CVP/EVP-Fraktion beantragt, die Vorlage zurückzuweisen mit dem Auftrag, das neue Bundesrecht abzuwarten und die Ergebnisse in Bezug auf die einschränkenden Voraussetzungen, die das Bundesrecht für das Verbandsbeschwerderecht vorsieht, ebenfalls in die kantonalen Verfahren aufzunehmen."
://: Dem Antrag auf Rückweisung der Vorlage wird mit 46:36 Stimmen und ohne Enthaltungen zugestimmt. [ Namenliste ]
Für das Protokoll:
Barbara Imwinkelried, Landeskanzlei
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