Protokoll der Landratssitzung vom 10. April 2008

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2007-180 vom 14. August 2007
Vorlage: Verteilschlüssel für die Gemeindebeiträge an den öffentlichen Verkehr
- Bericht der Bau- und Planungskommission vom 26. März 2008
- Beschluss des Landrats am 10. April 2008: < beschlossen >

Nr. 420

Kommissionspräsident Rolf Richterich (FDP) hält eingangs fest: Verlangte das Thema Verteilschlüssel zwischen BS und BL eine gewisse Hirnakrobatik, so werden die Hirnzellen erst recht angeregt, will man den Verteilschlüssel im vorliegenden Geschäft verstehen. - Die Überprüfung, die auf zwei parlamentarische Vorstösse zurückgeht, welche eine allfällige Verbesserung des bisherigen Verteilschlüssels verlangten, wurde von einer Arbeitsgruppe unter Mithilfe externer Experten durchgeführt. Der neu zu bildende Verteilschlüssel sollte folgende 5 Kriterien erfüllen: Gerechtigkeit, Einfachheit, Messbarkeit, geringer Aufwand bei der Anteilsberechnung und gewisse Präferenzen der Arbeitsgruppe. Verschiedenste Varianten wurden evaluiert und dem Regierungsrat schliesslich folgende Empfehlungen abgegeben: Von den gefundenen drei Bestvarianten, welche die gesetzten Kriterien am weitestgehenden füllen, wird keine von der Arbeitsgruppe eindeutig bevorzugt. Zudem hat sich der heutige Verteilschlüssel nach Aussage der Arbeitsgruppe bewährt. Die Schwäche des linearen Belastungsausgleichs kann mit der Umsetzung eines flexiblen Belastungsausgleichs behoben werden, d.h. es wurde ein Ansatz zur Aufhebung der Linearität aufgezeigt.


Weiter wurde fest gestellt, dass der Aufwand für eine Änderung in keinerlei Verhältnis zum damit erreichten Ertrag stünde. Man vertritt daher die Meinung, dass die noch möglichen kleinen Verbesserungen im Rahmen der nächsten, anstehenden Revision des ÖV-Gesetzes vorgenommen werden sollen. Kurz, man spricht sich für den Status quo aus, sieht aber im Rahmen der ÖV-Gesetzesrevision eine Feinanpassung vor.


Eintreten war unbestritten. In der Detailberatung erhielt man die Vorlage mustergültig präsentiert. Rein aufgrund des Berichts - ohne die Hintergrundinformation, welche die BPK erhielt - dürfte es daher nicht ganz einfach sein, die ganze Komplexität des Geschäfts zu erfassen. Insgesamt wurde fest gestellt, dass es wohl - hätte man nicht bereits ein Verteilschlüsselsystem - bessere Systeme gäbe. Sie sind aber nicht wesentlich besser, so dass sich eine Anpassung erübrigt. Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass sich der Topf, der zu verteilen ist, mit dem Verteilschlüssel nicht verändert. Bei einer Anpassung gibt es lediglich andere Gewinner und Verlierer.


Mehrere Gemeinden monierten die ihnen entstehende Belastung aus Mehrfachfahrten oder Umsteigebeziehungen. Auch diese Thematik wurde anhand von 8 Parametern überprüft. Nun könnte jeder dieser 8 Parameter angepasst werden. Damit ergäben sich allerdings lediglich Verschiebungen zugunsten oder zuungunsten anderer, während sich letztlich alles mehr oder weniger gleich bliebe. Aus diesem Grund beantragt die BPK dem Landrat mit 9 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen, die Vorlage zur Kenntnis zu nehmen und die beiden Postulate abzuschreiben.


Angesichts der tatsächlich sehr komplizierten und anspruchsvollen Materie sei für Urs Hintermann (SP) die Mitarbeit in der Arbeitsgruppe kein Leichtes gewesen; geprüft wurden über 12 Varianten. Keine der aufgezeigten Alternativen sei aber wesentlich besser im Vergleich zum alten System. Neben kleineren Änderungen wären auch zwei radikale Lösungen möglich. Einerseits könnten die ganzen Kosten dem Kanton überbunden werden, die andere Lösung würde eine stärkere Anwendung des Verursacherprinzips bedeuten. Ersteres wäre natürlich eine bequeme Lösung, und zwar mit dem Argument, dass man als Steuerzahler sowohl auf Gemeinde wie auch Kantonsstufe Steuern bezahlt. Die Lösung hätte aber gewichtige Nachteile. Denn tragen die Besteller nicht auch die Kosten mit, so besteht die Gefahr, dass die Kosten aus dem Ruder laufen - es gibt keinen Grund mehr für Zurückhaltung. Für eine bessere ÖV-Anbindung muss sich eine Gemeinde also auch an den Kosten beteiligen.


Würde man hingegen das Verursacherprinzip anwenden, so wäre dies beispielsweise für ihn als Bewohner von Reinach eine 'flotte' Lösung, da die dortige Tramlinie den höchsten Kostendeckungsgrad aufweist. Damit könnten pro Jahr einige hunderttausend Franken gespart werden. Bei dieser Lösung bliebe aber die Solidarität auf der Strecke. Manche kleine Randgemeinde wäre so wohl kaum mehr imstande, eine ÖV-Erschliessung zu bezahlen. Im Sinne der Solidarität ist es daher auch richtig, dass sich die Gesamtheit der Gemeinden an den ungedeckten Kosten beteiligt, womit nur noch der 3. Weg offenbleibe, nämlich das Festhalten am heutigen System. Allerdings soll dort, wo kleine Veränderungen möglich sind, eine Feinanpassung in Angriff genommen werden. Auslöser war das Anliegen der Zentrumsgemeinden, entlastet zu werden, was allerdings wiederum zu einer stärkeren und wohl nicht tragbaren Belastung der kleinen Gemeinden führen würde. Zudem fragt sich, ob eine solche Aufteilung gerecht wäre, da die Zentrumsgemeinden nicht nur Lasten, sondern auch - durch ihre bessere Erschliessung - einen Gewinn tragen. Und auch die schlechter erschlossenen Gemeinden müssen für den Anschluss investieren.


Eine andere Stossrichtung sah einen höheren Kostendeckungsgrad bei den Buslinien vor, was vor allem die kleineren Gemeinden betreffen würde. Das würde aber dazu führen, dass manche Gemeinde sich den Bus wohl nicht mehr leisten könnte. Eine letzte Variante hätte durch eine Höherbelastung des Tramanteils zu Mehrkosten in den Agglo-Gemeinden geführt. Auch das wäre letztlich aber kontraproduktiv und unfair, da genau die Agglomerationen heute schon den grössten Kostendeckungsgrad aufweisen und so gesehen doppelt zur Kasse gebeten würden. Fazit: Das heutige System hat sich im grossen Ganzen bewährt, vor allem aber gibt es keine bessere Alternative. Einzig verbessert werden soll und kann der Belastungsausgleich, der aber eine Gesetzesänderung bedingt. Dies eilt aber angesichts des heutigen, sehr stabilen Systems nicht. Momentan lohnt eine ÖV-Gesetzesänderung nicht, zumal da es eine ganze Reihe anderer Anliegen gibt, die ebenfalls in nächster Zeit in einer Revision des ÖV-Gesetzes berücksichtigt werden sollten; in diesem Zusammenhang könnte gleich alles auf einmal gemacht werden. Die Regierung bittet er, trotz allem sehr bald einen Vorschlag betreffend die in der Vorlage aufgeführten Punkte für eine ÖV-Gesetzesrevision zu unterbreiten. Die SP unterstützt die Anträge der BPK und damit die Beibehaltung des heutigen Systems.


Urs Hess (SVP) stimmt im grossen Ganzen mit seinen beiden Vorrednern überein und merkt zusätzlich an, dass bei allfälligen grösseren Änderungen am ÖV-Gesetz in einem späteren Zeitpunkt auch mit gewissen Auswirkungen auf den Finanzausgleich zu rechnen ist. Mit der heute gültigen Regelung profitieren zwar die Randregionen, während die Zentren zum Teil ein wenig mehr belastet werden als ihnen lieb wäre. Der Verteilschlüssel überzeugt aber grundsätzlich. Die SVP ist für Abschreibung der Postulate.


Romy Anderegg (FDP) bestätigt, dass in der Kommission eingehend untersucht wurde, ob systematische Ungerechtigkeiten zwischen den Gemeinden vorhanden sind. Was immer man aber unternimmt, an der Gesamtsumme ändert sich nichts. Eine Entlastung der Zentrumsgemeinden bewirkt immer eine Mehrbelastung der Tram- und Busgemeinden. Ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage könnte natürlich durch eine Anhebung der U-Abo-Beiträge erreicht werden. Das wird aber von der Kommission als kontraproduktiv bewertet; es gibt eine Schmerzgrenze! Die Suche nach einem möglichst einfachen Verteilmechanismus hat letztlich zum heutigen System zurückgeführt, welches sich alles in allem - für die FDP einstimmig - bewährt hat. Beide Postulate werden zur Abschreibung empfohlen.


Elisabeth Schneider (CVP) korrigiert eingangs ihre Vorrednerin: der Verteilmechanismus sei keineswegs einfach, er habe sich aber offensichtlich bewährt. Dies wurde in Zusammenarbeit mit Vertreteren der Gemeinden geprüft. Wohl sei anzunehmen, dass in ein paar Jahren eine erneute Verteilschlüssel-Überprüfung zu erfolgen habe, da sich in regelmässigen Abständen eine Gemeinde benachteiligt fühle, was dann in der Regel zu einem Vorstoss und zur Ausarbeitung einer Vorlage führe. - Auch die jetzige Überprüfung ergab, dass das heutige System die beste Möglichkeit zur halbwegs gerechten Verteilung der Kosten ist. Die CVP/EVP-Fraktion stimmt der Abschreibung der beiden Postulate ebenfalls zu.


Isaac Reber (Grüne) und die Grünen glauben, den Verteilschlüssel einigermassen durchschaut zu haben [Heiterkeit], finden ihn auch hinlänglich adäquat und geben grünes Licht für die Abschreibung.


Hanni Huggel (SP) spricht als Münchensteinerin. Das Dorf ist relativ stark an den Kosten beteiligt, hat aber auch ein sehr gut ausgebautes Netz. Zu einem grossen Teil ist das Dorf aber auch Durchfahrtsort - von Aesch , Reinach und Arlesheim herkommend - sowie Umsteigeort von Muttenz (60-er Bus) und hat sehr viele Haltestellen, von denen das Dorf nicht nur profitiert. Eine gewisse Anpassung ist daher ihres Erachtens vonnöten, da man als Gemeinde etwas exponiert ist.


Interessiert hätte sie allerdings auch die Meinung des heutigen Regierungsrates Peter Zwick - leider nicht anwesend -, welcher damals als Vertreter der CVP den Vorstoss (als Motion) einreichte, weil vor allem die CVP Münchenstein der Ansicht war, das Dorf bezahle zu viel an den ÖV. Sie wüsste gern, ob er mit den Prüfungsresultaten einverstanden ist. Ihres Erachtens wurde der Auftrag zu prüfen und zu berichten gut erfüllt. Auch war die Münchensteiner Seite in der Kommission vertreten, und man musste in der Tat feststellen, dass das System grundsätzlich den Ansprüchen an eine gerechte Verteilung entspricht.


Randbemerkung: Hanni Huggel bedankt sich dafür, dass die S9 vorläufig erhalten bleibt, hofft aber auch, dass in Tecknau weiterhin Züge halten. Denn würde die S9 wegfallen oder in Tecknau oder andernorts weniger angehalten, so hätte dies auf der anderen Seite wieder eine Mehrbelastung von Münchenstein zur Folge. Sie bittet insbesondere Regierungsrat Jörg Krähebühl, bei der Revision des ÖV-Gesetzes darauf zu achten, dass nicht etwa im Zuge des Abbaus bei einer bestimmten Gemeinde dafür eine andere zusätzlich belastet wird. Grundsätzlich kann sie sich mit dem Kommissionsantrag einverstanden erklären.


://: Der Landrat stimmt der Abschreibung der beiden Postulate 2000/196 und 2002/003 mit 63 Ja- zu 0 Neinstimmen bei 2 Enthaltungen zu (Vorlage 2007/180). [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei



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