LR Protokoll 28. Oktober 1999 (Teil 6)
Protokoll der Landratssitzung vom 28. Oktober 1999
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Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)
Andreas Koellreuter nimmt zum neuen Vorstoss von Bruno Krähenbühl Stellung, welcher ebenfalls abgelehnt wird. Punkt c) (..., welches die Schaffung eines die ganze Region umfassenden Kantons vorsieht;) sei nichts anderes als die bereits von Esther Maag gestellten Forderungen. Der Regierungsrat will einen solchen Kanton Nordwestschweiz nicht, der Einsatz einer Expertenkommission wäre zudem ein unfreundlicher Akt gegenüber den Kantonen Aargau und Solothurn.
Zu Punkten a) und b): Momentan sind verschiedene Arbeitsgruppen der Konferenz der Kantone zusammen mit dem Bund daran, den ganzen Föderalismus im Zusammenhang mit den bilateralen Verträgen und dem neuen Finanzausgleich zu betrachten. Der Kanton Basel-Landschaft kann sich die Kosten dafür sparen, diese ganze Problematik für sich allein und isoliert zu betrachten. Abgesehen davon liegen schon viele Schriften, Gutachten und Expertisen zum Thema Föderalismus in der Schweiz vor.
Punkt d) ist ein Dauerauftrag für Regierung und Landrat, wozu kein Vorstoss notwendig ist. Dies wird beispielsweise im Polizeikonkordat tagtäglich sehr intensiv mit unseren Nachbarn gelebt. Schlussendlich gehe es ja darum, Probleme pragmatisch und gemeinsam anzugehen.
Matthias Zoller verweist auf seine Regio-Faszination und seine Befürwortung eines Überdenkens des Föderalismus. Allerdings hat er das Gefühl, man beginne diesmal am falschen Ort. Nicht die Grenzen sind das Problem, sondern konkrete Dinge wie das Beschaffungsgesetz, die Schulen und vieles mehr. Dort kann gemeinsam etwas verbessert und erreicht werden. Sämtliche Diskussionen bringen nichts, wenn die anderen Partner dies nicht wollen und wenn wir es nicht schaffen, im Konkreten zusammenzuarbeiten. Ein nationales Angehen des Themas Föderalismus ist sicher richtig, aber kantonal bringt es nichts. Er kann Heidi Tschopp unterstützen, denn auch für ihn sind es zwei verschiedene Dinge, ob von der Schaffung eines Kantons Nordwestschweiz oder über die Modernisierung des Föderalismus gesprochen wird. Die CVP/EVP-Fraktion lehnt die Motion mit dem Wortlaut Bruno Krähenbühl einstimmig ab.
Hans Schäublin weist darauf hin, dass die Zahlen aus der von Esther Maag zitierten Umfrage nicht einfach übernommen werden können, da je nach Art der Fragestellung Antworten suggeriert werden. Lohnt es sich, Zeit und Geld zu investieren für etwas, was wahrscheinlich nie zustande kommen wird? Solothurn wäre mit einem Gebietsverlust sicher nicht einverstanden, auch nicht gelöst ist dabei die Frage, wo die Grenzen gezogen werden müssten. Die heute bestehenden Nachteile müssen auf andere Art gelöst werden. Die SVP lehnt beide Vorstösse einstimmig ab.
Peter Degen gibt die Ablehnung der Idee eines Kantons Nordwestschweiz durch die Schweizer Demokraten bekannt. Der Nutzen von Fusionen öffentlicher Institutionen ist mehr als ungewiss und nicht bewiesen. Fusionen in der Wirtschaft sind heute zwar Alltag, Verantwortliche der Politik dürfen sich jedoch diesem Trend nicht einfach anschliessen. Fusionen von staatlichen Gebilden eliminieren keine Grenzen, sondern schaffen neue Probleme und neuen Kooperationsbedarf. Zudem ist der zeitliche, sachliche und politische Aufwand für einen derartigen Schritt riesig. Zuerst muss jetzt auf jeden Fall die Entwicklung auf Bundesebene abgewartet werden (Vorstoss der Grünen, die Zahl der Kantone zu reduzieren). Die Lösung für die Zukunft lautet für die Schweizer Demokraten: Mehr Zusammenarbeit statt Fusionen. Seine persönliche Meinung lautet: Lieber eine Baselbieter Randregion als eine Minderheitsregion des Kantons Basel-Stadt.
Für Roger Moll ist es noch immer nicht ganz klar, ob er zur Motion oder zum Zusatzantrag von Bruno Krähenbühl reden soll. Er hat das Gefühl, es gehe um ein Unterlaufen der Motion Maag, damit diese nicht abgelehnt wird. Zu Beginn seines Votums verdammte Bruno Krähenbühl den Föderalismus, den er schlussendlich doch wieder lobte. Er selbst ist der Meinung, eine Neuorganisation sei notwendig, jedoch darf man nicht denken, das Thema könne schnell abgehandelt werden. Er steht dem Regionalgedanken grundsätzlich positiv gegenüber. Die vorhandenen Strukturen müssen verbessert, nicht aber völlig erneuert werden. Der Kanton Basel-Landschaft besitzt einen Partnerschaftsartikel in der Verfassung, welcher schon heute gelebt wird. In jeder Partnerschaft wird immer auch etwas aufgegeben.
Grundsätzlich schaut unsere Region positiv in die Zukunft. In diesem Zusammenhang kann das Finanzengagement für die gemeinsamen Interessen innerhalb der Region als sehr erfreulich gewertet werden. Schon heute gibt Basel-Landschaft sehr grosse Beträge an regionale Zentrumsfunktionen ab und entscheidet mit. Die FDP zieht eine funktionierende Partnerschaft, wie sie bis jetzt existiert, vor. Neue Gebietsveränderungen führen zu Problemen, wie man sie im Laufental und im Ausland beobachten kann und konnte. Felix Auer hatte recht, wenn er Roger Moll erklärte, fallende Kantonsgrenzen würden kein einziges Problem lösen. Zwanzig Jahre dauerte es bis zur Regelung mit dem Laufental, wie lange soll es dann erst mit der heute vorgeschlagenen Idee dauern?
Politik ist noch immer die Kunst des Machbaren und die Kunst der kleinen Schritte, um eine Partnerschaft über Kantons- und sogar Landesgrenzen hinweg zu erreichen. Die vorliegenden Vorstösse MÜSSEN mit ruhigem Gewissen abgelehnt werden.
Bruno Krähenbühl entgegnet er, in der regionalen Wirtschaftsstudie seien Visionen aufgezeigt, was in dieser Region wirtschaftlich, kulturell und gewerbetechnisch/industriell erreicht werden soll. Die Linie ist vorgegeben und wir müssen versuchen, die Ziele in kleinen Schritten zu erreichen.
Für andere, zum Teil gute Ansätze, besteht die Institution der interparlamentarischen Konferenz. Dort soll dieses Thema fundiert diskutiert und nach konstruktiven Lösungsansätzen gesucht werden. Gemeinsame Ämter über die Kantonsgrenzen hinweg sind heute das Lufthygieneamt, die Motorfahrzeugkontrolle und andere mehr. Auf diesem Weg muss weitergegangen werden, der Inhalt der Motion hingegen ist abzulehnen.
Heinz Mattmüller ergänzt Peter Degens Votum und bemerkt, die Schweizer Demokraten liessen sich den föderalistischen Geist auch von anti-föderalistischen Exorzisten nicht austreiben. Bevor ein langjähriger politischer Prozess für eine Umgestaltung des Kantons Basel-Landschaft in Auftrag gegeben werden kann, warten die Schweizer Demokraten lieber ab, welche Überraschungen die bilateralen Verträge der Schweiz bringen werden, sofern diese überhaupt in Kraft treten. Dann werden wir genug Probleme am Hals haben.
Urs Steiner spricht als Betroffener von Grenzverschiebungen. Zwanzig Jahre lang dauerte der Prozess und verpuffte Kräfte, welche in anderen Bereichen fehlten. Dabei handelte es sich nur um eine Verschiebung, welche 18'000 Personen betraf. Der Prozess war sehr hart, und dies obwohl Basel-Landschaft und eine kleine Mehrheit im Laufental diese Grenzverschiebung befürworteten. Ein Prozess, wie er jetzt vorgeschlagen ist, wird nur von einer Seite unterstützt. Ihn durchzuziehen wäre sehr schwer, wenn nicht sogar sinnlos.
Erst heute arbeiten Leute von beiden Seiten im Laufental wieder zusammen, aber der Nachholbedarf ist riesengross. Man denke dabei nur an die prekäre Wirtschaftslage. Partnerschaften können auch ohne Grenzverschiebungen gelebt werden, wobei gerade das Laufental mit seinem interkantonalen Gymnasium, der ARA Laufental-Thierstein, verschiedenen Wasserbünden und anderem dies vorbildlich zeigt.
Die Energie soll in die Wirtschaftsförderung oder Bildungspolitik gesteckt werden, wo sie auch wirklich Nutzen bringen kann. Von irgendwelchen Zwangsehen mit jahrzehntelangen Folgen sollte man besser die Finger lassen.
Beatrice Geier betont, Esther Maags Motion habe sehr viel ausgelöst, denn diese sei mutig und gleichzeitig auch provokativ. Andreas Koellreuter hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass die Motion in drei anderen Kantonen abgelehnt wurde und insofern keine Basis für weitere Diskussionen bestehe. Bruno Krähenbühl versuchte, trotzdem ein Fenster zu öffnen. Die Art und Weise des Vorgehens wird auch von ihr nicht begrüsst, jedoch ist sie froh, dass die Diskussion nicht schon gleich zu Beginn abgebrochen wurde. Sehr viele Fragen und Probleme, wie beispielsweise die verschiedenen Schulsysteme in Basel-Landschaft und Basel-Stadt, müssen diskutiert werden, da sie die Bevölkerung in unserem Kanton täglich betreffen.
Eine weitere Frage lautet, wie viel Föderalismus wir uns überhaupt leisten können. Es geht nicht nur darum, ob wir einen Kanton Nordwestschweiz wollen, sondern auch um die finanziellen und anderweitigen Folgen. Die vorliegenden Motionen werden uns aber nicht zum Ziel führen.
Ein Gedanke von Bruno Krähenbühl erscheint Beatrice Geier wichtig: Irgendwo in unserer Region müssen die Fäden zusammengeführt werden, egal, ob es sich dabei um eine Expertenkommission oder ein anderes Gremium handelt. Seinerzeit habe man sich auch für eine Universitätsbeteiligung ausgesprochen, jedoch nur nach vorhergehender Studie, um abschätzen zu können, was auf den Kanton zukommen würde. Momentan fehlt eine solche Stelle.
Das Parlament ist aufgefordert, weiter zu diskutieren, denn es ist nicht gut, die anstehenden Fragen nur noch mit Staatsverträgen zu lösen. Dabei fühlt sie sich als Parlamentarierin schlicht umgangen, obwohl diese Verträge vom Landrat unterstützt werden müssen.
Beatrice Geier hofft, der heute begonnene Prozess gehe fruchtbar und konstruktiv weiter, und der Landrat sage nicht einfach immer nur Nein.
Esther Maag hätte gerade von Matthias Zoller mehr Schneid und weniger altväterliche Argumente erwartet. Natürlich werden ihre Ideen nicht heute und morgen realisiert werden können, aber die Reaktionen aus der Bevölkerung zeigen, dass die Leute sich dafür interessieren und der Trend in diese Richtung geht.
Zum Thema Identität und Zugehörigkeitsgefühl existiert eine interessante Studie von Professor Hanspeter Kriesi aus Genf. Das Zugehörigkeitsgefühl gehe primär über die Gemeinde, dann über die Region und erst an dritter Stelle über den Kanton. Auch ging im Landrat niemand darauf ein, dass sich in unserer Region mehr Leute für eine Neustrukturierung der Kantone aussprechen, als dass es GegnerInnen gibt. Es werde ihr vorgeworfen, sie vertrete eine Reissbrett-Idee, umgekehrt aber denkt sie, ein Grossteil des Landrates argumentiere an den Leuten vorbei. Die Stichprobe für die Umfrage habe nicht sie, sondern eine unabhängige Stelle gemacht.
Gerade weil das Thema fundiert behandelt werden soll, wird der Einsatz einer Expertenkommission gefordert.
Röbi Ziegler drückt sich bildlich aus. Die politischen Strukturen in der Nordwestschweiz sehen heute wie das Konglomerat mehrerer Altstadthäuser aus. Von einem Zimmer zum andern geht es drei Treppenstufen hinauf und hinunter. Durch Zusammenarbeit hat man versucht, vereinzelt Rampen einzubauen oder eine Wand zu durchbrechen. Jetzt stellt sich die Frage, ob dieses Konglomerat für das Zusammenleben, die politische Struktur und die Gestaltung des öffentlichen Lebens in zehn bis fünfzehn Jahren noch tauge. Sinnvoll wäre es daher, wenn eine Gruppe von Leuten sich daran setzen und Gedanken machen würde, welche Alternativen zu den heutigen Strukturen möglich wären. Es geht nicht um einen Abbruch oder radikalen Umbau des Altstadthauses, sondern darum, mit einem Architekten neue Entscheidungsgrundlagen zu schaffen.
Die Nachbarkantone haben sich gegen eine Hals- über Kopf-Taktik punkto Kanton Nordwestschweiz ausgesprochen, jedoch nicht zu einem behutsamen und allenfalls gemeinsamen Vorgehen Stellung genommen. Er sieht das Vorgehen nicht als unfreundlichen Akt gegenüber den Nachbarn, sondern als Brautwerbung.
Rita Kohlermann möchte zwei oder drei Punkte ergänzen. Esther Maag hielt ein flammendes Eintretensvotum, gleichzeitig nannte sie eigentlich Argumente, weshalb die Kantone nicht so gewaltsam zusammengefügt werden müssten. Doppelspurigkeiten könnten vermieden und Schulsysteme angeglichen werden, ohne dass sich die Kantone zusammenschliessen müssen.
Das Vorgehen in dieser Frage hätte behutsamer sein müssen. Die zitierte Umfrage hätte innerhalb der fünf Nordwestschweizer Parlamenten je nachdem zu ganz anderen Resultaten geführt. Warum wurde das einzige parlamentarische Instrumentarium, die interparlamentarische Konferenz, nicht genutzt und eine Tagung zu den hier angesprochenen Themen organisiert?
Aus ihrer eigenen Sicht als Mitglieder der IPK, der Regio TriRhena und des Oberrheinrats sieht der Weg ganz anders aus. Die Zusammenarbeit läuft und bewegt etwas, so dass ein politischer Gewaltakt, wie er jetzt vorgeschlagen wird, eines Tages nicht mehr nötig ist. Im Ausland beneidet man uns um unsere föderalistischen Strukturen.
Walter Jermann lässt über die Motion 1999/029 von Esther Maag mit der Änderung von Bruno Krähenbühl abstimmen.
://: Die Motion 1999/029 wird nicht überwiesen.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
Begründung der persönlichen Vorstösse
Nr. 137
1999/215
Motion von FDP-Fraktion: Alters- und Pflegeheimdekret - § 12 Finanzielle Leistungskraft, (Änderung der bisherigen Regelung bei der Berechnung der finanziellen Leistungskraft)
Nr. 138
1999/216
Motion von Rita Kohlermann: Schaffung von Strukturen für die Koordination nach innen und den gemeinsamen Auftritt nach aussen, die dem Kanton Basel-Landschaft eine optimale touristische Weiterentwicklung ermöglichen
Nr. 139
1999/217
Motion von Rita Kohlermann: Erarbeitung einer Wertschöpfungsstudie als Grundlage für die Optimierung der touristischen Entwicklung des Kantons Basel-Landschaft
Nr. 140
1999/218
Motion von Dieter Völlmin: Vernünftigere und durchsetzbare Nutzungsbestimmungen für Wintergärten
Nr. 141
1999/219
Motion von Bruno Steiger: Einreichung einer Standesinitiative für die Beibehaltung der einmaligen Anhörung von scheidungswilligen Ehegatten im neuen Scheidungsrecht
Nr. 142
1999/220
Postulat von Peter Meschberger: Flankierende Massnahmen Umbau Galerie Schweizerhalle
Nr. 143
1999/221
Postulat von Esther Aeschlimann: Solidarisierung / Gemeindebeiträge an die Alters- und Pflegeheimbewohnerinnen und - bewohner
Nr. 144
1999/222
Interpellation von Eric Nussbaumer: Stromverkauf des Kantons aus dem Kraftwerk Augst
Nr. 145
1999/223
Interpellation von Paul Schär: "Gefährden die SBB die Dienstleistung im Regionalverkehr? / Informationsmanko!?"
Nr. 146
1999/224
Interpellation von Peter Holinger: Palazzo - Gebäude Liestal
Nr. 147
1999/225
Interpellation von Maya Graf: Abbruch des Pilotforschungsprojektes "Mediales Heilen in der Psychiatry"
Nr. 148
1999/226 Schriftliche Anfrage von Margrit Blatter: Qualitätskontrollen bei ökologischen Ausgleichszahlungen in der Landwirtschaft
Zu allen Vorstössen keine Wortbegehren.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
Begründung der Budgetanträge
Nr. 149
1999/180-1
Budgetantrag von Beatrice Geier: Beitrag in der Höhe von Fr. 50'000.- an die Frauenhaus Beratungsstelle (FHB)
Nr. 150
1999/180-2
Budgetantrag von Urs Steiner: Projektierungskredit J18 Umfahrung Laufen Zwingen
Nr. 151
1999/180-3
Budgetantrag von Eric Nussbaumer: CHF 3'400'000.- zu Lasten Konto Rückstellungen Gruppe 2334 AUE Energie
Nr. 152
1999/180-4
Budgetantrag von Peter Holinger: Kantonale Denkmalpflege
Nr. 153
1999/180-5
Budgetantrag von Grüne-Fraktion: Aufwendungen für die Polizei Basel-Landschaft sind nicht aufzustocken, sondern zu kürzen
Nr. 154
1999/180-6
Budgetantrag von Hildy Haas: Sprachheilwesen
Zu allen Budgetanträgen keine Wortbegehren.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
Die nächste Landratssitzung findet statt am Donnerstag, 11. November 1999, 10.00 Uhr