Protokoll der Landratssitzung vom 9. Dezember 2004

Nr. 947

23 2004/308
Dringliche Interpellation von Ruedi Brassel vom 8. Dezember 2004: Im Extrazug in die Sippenhaft? Antwort des Regierungsrates

Regierungsrätin Sabine Pegoraro nimmt zu den Fragen wie folgt Stellung: Die Polizei Basel-Landschaft war nicht in die Aktion der Zürcher Polizei involviert, weder vor, während noch nach dem Einsatz. Zudem liegen ihr keine Informationen und Kenntnisse über die effektiven Geschehnisse in Zürich vor. Sabine Pegoraro kann die meisten Fragen von Ruedi Brassel nicht beantworten, da ihr dazu schlicht die Informationen fehlen. Für eine genauere Beantwortung der Fragen müssten diese in Zürich oder Basel eingereicht werden.
Sabine Pegoraro selbst erhielt in dieser Sache einige Telefonanrufe und E-Mails, insbesondere von Eltern, deren Kinder betroffen waren. Diese Schilderungen und auch diejenige von Ruedi Brassel speziell zum Umgang mit jungen Jugendlichen lösten bei ihr Betroffenheit aus. Sollten die Schilderungen zutreffen, müsse die Verhältnismässigkeit des Vorgehens der Zürcher Polizei sicher hinterfragt werden. In Basel-Landschaft wäre ein ähnliches Vorgehen der Polizei nicht toleriert worden.
Sabine Pegoraro empfahl denjenigen Personen, welche sich bei ihr meldeten, Anzeige zu erstatten. Diejenigen Anzeigen, welche bisher bei der Polizei Basel-Landschaft eingingen, werden nach Zürich weitergeleitet, wo sich die Justizbehörden damit befassen werden.

Fragen 1 bis 5 der Interpellation von Ruedi Brassel kann Sabine Pegoraro nicht beantworten, da ihr diesbezüglich keine detaillierten Informationen vorliegen.

Zu Frage 6: Hier ist die Verhältnismässigkeit, wie bereits erwähnt, tatsächlich zu hinterfragen.

Zu Fragen 7 bis 10: Selbstverständlich gilt die schweizerische Datenschutzgesetzgebung, also müssen die in Zürich erhobenen Daten entsprechend behandelt werden. Sie dürfen nur in Fällen weitergegeben werden, in welchen dazu eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Allgemeine Fragen betreffend Datenschutz können jederzeit an den kantonalen Datenschutzbeauftragten gerichtet werden, konkrete Fragen betreffend den Umgang mit den Daten in Zürich müssten an die Zürcher Behörden gerichtet werden.

Generell gilt: Soll gegen eine Person ein Stadionverbot verhängt werden, so kann eine Kantonspolizei beim zuständigen Fussballclub den entsprechenden Antrag stellen. Damit ein solches Verbot gesamtschweizerische Wirkung erlangt, kann der Fussballclub den Antrag an den Schweizerischen Fussballverband weiterleiten, welcher ein gesamtschweizerisches Stadionverbot ausspricht. Theoretisch bestehe die Möglichkeit, dass gegen einzelne Personen aufgrund der Vorkommnisse in Zürich ein gesamtschweizerisches Stadionverbot verhängt würde. In einem solchen Fall würden die entsprechenden Daten den zuständigen Polizeistellen bekanntgemacht.
Beim Aufbau einer Hooligan-Datenbank im Hinblick auf die EM 2008 handelt es sich um ein beim Bund hängiges Geschäft. Dieser müsste die rechtlichen Grundlagen für eine derartige Datenbank schaffen. Ob und in welcher Form eine solche Datenbank eingeführt wird, steht noch nicht fest.
Bei Fussballmatches im Joggeli ist die Polizei Basel-Landschaft für die Verkehrsregelung auf Baselbieter Boden zuständig. Für Sicherheitsmassnahmen rund um das Stadion sind die Baselstädter Kollegen zuständig. Bei Matches mit erhöhtem Gefahrenpotential wird die Polizei Basel-Landschaft jeweils um Unterstützung angegangen, was letztmals bei Match FCB-Mailand der Fall war.

://: Der von Ruedi Brassel verlangten Diskussion wird stattgegeben.

Ruedi Brassel bedankt sich für die Beantwortung seiner Fragen. Er versteht, dass in der kurzen Zeit seit Einreichung seiner Interpellation nicht jede Frage ausführlich beantwortet werden konnte, trotzdem zeigt er sich von den Antworten des Regierungsrates nicht restlos befriedigt.
Dem Vorfall in Zürich komme eine ausserordentliche Qualität zu und es sei daher ein Stück weit verständlich, dass die Regierung selbst nicht glauben könne, was man nun höre. Ruedi Brassel betont noch einmal, dass Kinder mit auf dem Rücken gefesselten Händen während vier bis fünf Stunden vor der Zürcher Polizeikaserne stehen mussten und keine Toilette aufsuchen konnten. In voraussehender Barmherzigkeit erhielten die Festgehaltenen wenigsten nichts zu Trinken, da sie sonst erst recht eine Toilette hätten aufsuchen müssen. Diese Einsatzdoktrin entsprach laut Ruedi Brassel auch angesichts denjenigen Vorkommnissen, welche tatsächlich hätten eintreten können, nicht der Verhältnismässigkeit.
Gewaltexzesse seien nicht tolerierbar und dagegen müsse eingeschritten werden. Noch weniger tolerierbar jedoch seien Strategien, welche dazu führen, dass das Aggressionspotential wächst und die Eskalation zunimmt. Ruedi Brassel reichte seine Interpellation als dringlich ein, weil es ihm wichtig ist, dass seitens Behörden Signale an die Betroffenen gesandt werden, wonach man Strategien wie in Zürich nicht unterstütze und auf Deeskalation setze. Den konstruktiven Kräften in der FCB-Fangemeinde, welche über ein grosses kreatives Potential verfügen, soll der Rücken gestärkt werden und es soll versucht werden, die gewaltbereiten Kräfte zu isolieren bzw. zu integrieren.
Der FC Basel hat laut Ruedi Brassel in dieser Sache sehr gut reagiert und auch Regierungsrat Jörg Schild hat Signale, wie sie Ruedi Brassel oben schilderte, ausgesandt. Er möchte die Antwort von Sabine Pegoraro gerne so interpretieren, dass die konstruktiven Bemühungen in der Fanszene unterstützt werden und eine weitere Radikalisierung abgelehnt wird. Daher müssen diejenigen Personen unterstützt werden, zu ihrem Recht zu gelangen, welche in unverhältnismässiger Art und Weise vom Einsatz der Zürcher Polizei betroffen waren.

Isaac Reber geht davon aus, dass der Einsatz der Polizei, welcher in Zürich statt fand, in gewisser Hinsicht unverhältnismässig war und dass entsprechende Abklärungen stattfinden werden. Er empfindet es aber als stossend, dass die Verantwortlichen (inklusive FCB) ausschliesslich ein grosses Wehklagen anstimmen, ohne die eigene Verantwortung kritisch zu hinterfragen. Was angebliche Fans in Thun und Zürich sowie in Zügen anrichteten, bezeichnet er als riesige Schweinerei. Eine Gesellschaft dürfe sich ein solches Verhalten nicht bieten lassen, auch wenn die Zürcher Antwort nicht richtig war.

Hanspeter Frey stellt fest, wir alle würden die SBB mit Steuergeldern mitfinanzieren und die SBB habe einen klaren Transportauftrag zu erfüllen. Wie könne es sich die SBB da erlauben, 300 Passagiere auf einen Extrazug umzuladen, auch wenn diese teilweise mit den fahrplanmässigen Zügen nach Zürich reisen wollten. Besteht seitens der SBB nicht auch eine Verpflichtung, ihrem Transportauftrag nachzukommen und nicht alle Fans in Extrazüge zu stecken, ob sie dies nun wollen oder nicht? Ausserdem fände es Hanspeter Frey sinnvoll, wenn die Polizeiorgane am Ausgangsort bereits gewisse Personen aus den Zügen herausfiltern würden.

Sabine Pegoraro liegen keine Informationen betreffend Regelung mit der SBB vor. Soweit sie weiss, fahren Basler Polizisten nicht mit zu anderen Austragungsorten.

://: Die Interpellation ist damit beantwortet.

Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei



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