Protokoll der Landratssitzung vom 8. Dezember 2004
Protokoll der Landratssitzung vom 8. Dezember 2004 |
Nr. 915
4 2004/266
Berichte des Kantonsgerichts vom 25. Oktober 2004 und der Justiz- und Polizeikommission vom 29. November 2004: Änderung des Dekrets zum Gesetz über die Organisation der Gerichte und der Strafverfolgungsbehörden (Gerichtsorganisationsdekret) vom 22. Februar 2001
Kommissionspräsidentin
Regula Meschberger
erklärt, dass die Geschäftsleitung des Kantonsgerichtes die Kündigung des Bezirkgerichtspräsidenten Waldenburgs per Ende Jahr zum Anlass nahm, das Pensum dieser Stelle zu überprüfen, ein Vorgang, der bei jeder Stellenbesetzung an sich üblich sein sollte. Dass nun das Parlament damit beschäftigt wird, gründet im Umstand, dass die Pensen der Bezirksgerichtspräsidien im Gerichtsorganisationsdekret geregelt sind. Bei der Überprüfung stützte sich die Geschäftsleitung auf den Vergleich der Fallzahlen mit dem gut ausgelasteten Bezirksgericht Arlesheim und jenen Waldenburgs während der vergangenen 10 Jahre. Auch die Gesamtsituation mit Präsidium, Gerichtsschreiberin und Vizepräsidium wurde in die Betrachtungen einbezogen. Die Analyse der Zahlen und der Gesamtsituation führten zum Antrag der Kommission, das 50 Prozentpensum in Waldenburg auf ein 30 Prozentpensum zu reduzieren. Die Mitglieder der Justiz- und Polizeikommmission diskutierten die Vorlage ausführlich. Eine der Fragen lautete: Kann ein Gerichtspräsidium mit einem 30 Prozentpensum überhaupt geführt werden? Dazu musste festgestellt werden, dass die Erreichbarkeit auch bei einem 50 Prozentpensum nicht rundum gewährleistet werden kann. Die Kommission schloss sich mehrheitlich dem Antrag des Kantonsgerichtes an.
Nachdem der Beschluss der Kommission gefällt war, entfaltete sich eine Protestwelle, unter anderem äusserte sich die Gerichtsschreiberin in der BAZ negativ zum Entscheid. In der Folge hat die Kommission sowohl die Gerichtsschreiberin wie den Vizepräsidenten aus Waldenburg zur Stellungnahme eingeladen. Fazit: Neue Informationen brachte der Austausch nicht zutage, so dass die Kommission heute dem Landrat die Umwandlung zu einem 30 Prozentpensum mit entsprechender Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes beantragt.
Daniela Schneeberger
begrüsst herzlich den auf der Tribüne eingetroffenen alt Regierungsrat Clemens Stöckli.
Annemarie Marbet
und die SP taxierten das Geschäft ursprünglich als einfach, stellten indes bald fest, dass die Materie emotional belastet ist.
Fakt ist heute, dass die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts das Bezirkgerichtspräsidium Waldenburg nach einer Überprüfung von 50 auf 30 Prozent reduzieren will. Die Überprüfung ergab, dass Waldenburg im Vergleich zu Arlesheim eine Auslastung von 26 Prozent erreicht. Allerdings wurde kein Vergleich mit dem Bezirksgericht Sissach angestellt. Zudem wurden die Fälle nicht in allen Bezirksgerichten gemäss einer vergleichbaren Basis erfasst, und die letzte Gerichtsreform -
Aus sechs mach' zwei
- befindet sich momentan erst im Stadium der internen Vernehmlassung. Leider ist es gesetzlich nicht möglich, von diesen Erkenntnissen schon heute Gebrauch zu machen. Annemarie Marbet hätte sich gerne ein mit Sissach und Gelterkinden verbundenes ausserordentliches oder ein Interimspräsidium gewünscht.
Die SP beantragt, das 30 Prozentpensum, für das bereits Interessentinnen vorhanden sind, umgehend auszuschreiben und zu besetzen.
Zugleich macht Annemarie Marbet darauf aufmerksam, dass mit der Gerichtsreform neue Strukturen und Pensen zu erwarten sind.
Im vorliegenden Geschäft geht es auch um Emotionen, Erwartungen, Kommunikation und Information. In diesen Bereichen scheint einiges im Argen zu liegen. Die Betroffenen in Waldenburg, der Präsident, der Vizepräsident und die Gerichtsschreiberin fühlen sich nicht ernst genommen, übergangen, sind aufgebracht und frustriert.
Die SP erwartet angesichts dieser Ausgangslage von der Geschäftsleitung des Kantonsgerichts, dass nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf administrativer und sozialer Ebene professionell gearbeitet wird.
Die SP stimmt den Änderungen von § 3 Absatz 6 des Gerichtsorganisationsdekrets zu.
Hildy Haas
beantragt namens der SVP-Fraktion mit folgenden Begründungen, nicht auf das Geschäft einzutreten: Auch mit einem 50 Prozentpensum ist die Erreichbarkeit, wie eben von der Kommissionspräsidentin angeführt, nicht optimal. Eine Reduktion des Pensums auf 30 Prozent aber gleicht einer Schliessung auf Raten. Betroffen sind in Waldenburg nicht nur der Vizepräsident und die Gerichtsschreiberin, auch für die Bevölkerung wird es schwierig, sich an ein bloss noch während einzelnen Tagen besetztes Amt zu wenden. Zudem wird mit dem Entscheid ein schlechtes Signal für das Waldenburgertal gesendet. Es wird der falsche Eindruck erweckt, in diesem Tal lohne es sich nicht, die üblichen Dienstleistungen aufrecht zu erhalten. Tatsache aber ist, dass viele junge Familien in das Waldenburgertal ziehen, um ihre Kinder in ländlicher Umgebung aufwachsen zu lassen. Der Erholungsraum ist attraktiv, die Bautätigkeit im Tal ungebrochen und die Dörfer sind mit dem öffentlichen Verkehr gut erschlossen.
Der Bezirk Waldenburg befindet sich definitiv nicht auf dem absteigenden Ast und hat als Teil des Kantons Basel-Landschaft Anspruch auf die Existenz der öffentlichen Einrichtungen.
Der Landrat ist gebeten, nicht auf das Geschäft einzutreten und damit zu vermeiden, dass dem Bezirksgericht Waldenburg auf kaltem Weg der Atem genommen wird. Dieser Antrag ist nicht gleichzusetzen mit einer Weigerung, über die Gerichtsorganisation zu diskutieren.
Eva Gutzwiller
fügt den Argumenten ihrer Vorgängerinnen bei, an sich handle es sich hier doch - im Gegensatz zum vorangegangenen Geschäft, bei dem ein 50 Prozentpensum auf ein 100 Prozentpensum aufgestockt werden musste - um ein Halleluja-Geschäft.
Allen Mitgliedern des Landrates liegt das schöne Waldenburgertal am Herzen. Ob dieses gute Gefühl indes mit der Prozentmenge des Bezirksgerichtspräsidiums in Zusammenhang gesetzt werden kann, darf mit einem kleinen Fragezeichen versehen werden.
Die Leitung des Kantonsgerichts hat sich, wie die Vorlage belegt, ihre Gedanken über die Situation gemacht und hat nicht nur kleinlich aufgrund von Zahlen entschieden.
Die FDP-Fraktion stellt sich voll und ganz hinter den Antrag, unterstützt die Dekretsänderung, die eine Reduktion des Präsidiums von 50 auf 30 Prozent vorsieht. Abschliessend merkt Eva Gutzwiller an, dass auch das Steuergericht mit einem Präsidium, das gar kleiner ist als 30 Prozent, gut funktioniert.
Das Halleluja Eva Gutzwillers nimmt
Matthias Zoller
einleitend auf und erklärt, auch die CVP/EVP-Fraktion zeige sich erfreut, dass Herr Meier vom Kantonsgericht für einmal nicht nach neuen Stellen, sondern nach einer Reduktion und damit nach Einsparungen rufe.
Problematisch ist es selbstverständlich, wenn Gerichtspräsidien mit nur kleinen Pensen besetzt werden müssen. Es stellt sich die Frage, ob sich geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten dafür finden lassen und auch, ob der Amtsauftrag in dieser Weise überhaupt wahrgenommen werden kann.
Die eruierten Zahlen weisen nach, dass das Gerichtspräsidium Waldenburg mit dem Präsidenten und der Gerichtsschreiberin zusammen schon heute nicht auf ein 100 Prozentpensum gelangt - trotzdem scheint die Sache zu funktionieren. Somit darf davon ausgegangen werden, dass die Gerichtsbarkeit in Waldenburg auch mit einem noch kleineren Pensum funktionstüchtig bleibt.
Zufrieden ist die CVP/EVP-Fraktion auch, dass mit der Vorlage
Aus sechs mach' zwei"
(Reduktion der Bezirksgerichte von heute sechs auf deren zwei) demnächst ein Grundsatzentscheid gefällt werden kann. Allerdings hofft die Fraktion, dass in diesem Bereich umsichtig kommuniziert wird und dass sich alle Beteiligten eingebunden fühlen können.
Die CVP/EVP-Fraktion tritt auf das Geschäft ein, wird dem Antrag zustimmen und wünscht, dass die jungen Familien im Waldenburgertal ihre Probleme auch mit einer bloss noch 30-prozentigen Gerichtsstelle lösen können.
Kaspar Birkhäuser
, Grüne, wertet die Vorlage als Ergebnis einer aufmerksamen Aufsicht über die Bezirksgerichte; mit der unterstützenswerten Vorlage lassen sich immerhin 40'000 Franken sparen.
Das Votum Hildy Haas' lenkt von der Sache ab. Die 20-prozentige Reduktion des Gerichtspräsidiums in Waldenburg steht in keinem Zusammenhang mit dem angeblichen Niedergang des Waldenburgertals. Allerdings meinen auch die Grünen, die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts müsste sich um eine Verbesserung der Kommunikation mit den Bezirksgerichten bemühen.
Hannes Schweizer
, der sich als Einzelsprecher und Vertreter des Bezirks Waldenburg zu Wort meldet, staunt, dass sich ausgerechnet die SVP gegen einen Stellenabbau wehrt und freut sich schon jetzt, die Volkspartei anlässlich der Budgetberatungen wieder daran erinnern zu können.
Trotzdem teilt Hannes Schweizer die Haltung von Haas Hildy aus folgenden zwei Gründen: Zum Einen hätte nicht nur das Bezirksgericht Arlesheim als Vergleichsgrösse herangezogen werden müssen, auch die Bezirksgerichte Sissach und Liestal hätten der Überprüfung unterzogen werden müssen. Da in Sissach und Liestal mehr Pensenprozente für die GerichtsschreiberInnen verteilt sind, hätte dem Gerichtspräsidenten in Waldenburg zugestanden werden können, dass er - häufiger als seine Kolleginnen der anderen Gerichte - mit Tätigkeiten eines Gerichtsschreibers beschäftigt ist.
Zum Zweiten handelt es sich beim Bezirksgerichtspräsidium nicht um eine Hobbyfunktion, qualifizierte Leute sollen diese Arbeit ausführen. Es darf wohl mit Fug und Recht bezweifelt werden, ob sich qualifizierte Persönlichkeiten für ein 30 Prozentpensum in Waldenburg zur Verfügung stellen werden.
Hannes Schweizer wird nicht auf die Vorlage eintreten.
Ursula Jäggi
, sich zur "minimsten Minderheit" der SP-Fraktion zählend, hat sich bereits in der Kommission und wird sich nun auch im Plenum der Stimme enthalten. Weiterhin ist Ursula Jäggi der Meinung, ad interim - bis zur Vorlage
Aus sechs mach' zwei
- wäre zusammen mit Sissach und Gelterkinden mit etwas gutem Willen eine Übergangslösung möglich gewesen.
So schön Hildy Haas das wirklich wunderbare Waldenburgertal auch geschildert hat, im vorliegenden Geschäft geht es um eine Einsparmöglichkeit, wie sie von der SVP üblicherweise gefordert wird. Nicht nachvollziehbar ist, warum die SVP nun am konkreten Beispiel die Unterstützung verweigert.
Auch
Bruno Steiger
hat das Geläut der Heimatglocken aus dem Waldenburgertal tüchtig durcheinander gewirbelt. Mehr als polemisch wirkt die Argumentation der SVP, zumal ja bloss ein zweckmässiger Entscheid zu fällen ist. Zunehmend sympathischer wird Bruno Steiger der Kantonsgerichtspräsident, der seinen Sparwillen bekundet hat.
Obwohl die noch immer geltende Regelung eine Neubesetzung des Gerichtspräsidiums in Waldenburg verlangt, kann das aus Sicht des Kantonsgerichtes nicht ausgelastete Präsidium trotzdem auf 30 Prozent hinunter gefahren werden.
Mehrheitlich hoffen die Schweizer Demokraten überdies, dass mit der Umsetzung der dritten Etappe der Gerichtsreform die Anzahl der Bezirksgerichte auf eines im unteren und ein zweites im Oberbaselbiet beschränkt werden kann.
Die Schweizer Demokraten rufen zum aktiven Sparen und zur Unterstützung des Antrags von Kantonsgerichtspräsident Peter Meier auf.
Kantonsgerichtspräsident
Peter Meier
erinnert die Damen und Herren Landrätinnen und Landräte an das unmittelbar zuvor behandelte Geschäft, mit dem das Kantonsgericht beauftragt wurde, die Pensen bis Mitte nächsten Jahres zu überprüfen. Im vorliegenden Falle hat die Geschäftsleitung des Kantonsgerichtes diese vom Landrat zu Recht erwartete Aufgabe bereits erledigt. Die Geschäftsleitung erachtete den aktuellen Zeitpunkt für die Überprüfung deshalb für richtig, weil er mit dem Rücktritt des Bezirksgerichtspräsidenten von Waldenburg zusammenfällt.
Aus Sicht des Kantonsgerichtspräsidenten hat die Vorlage nichts, absolut nichts mit einer möglichen Zusammenlegung der Bezirksgerichte zu Kreisgerichten gemeinsam. Die Pensenüberprüfung wäre auch dann Bestandteil der Geschäftsleitungs-Führungsaufgabe, wenn die Zusammenlegung nicht realisiert würde.
Der Kantonsgerichtspräsident hofft, dass die jungen Familien im Waldenburgertal auch ohne Gerichtsfälle in hoher Zahl glücklich leben dürfen, und stellt klar, dass der Vergleich nicht nur mit Arlesheim, sondern auch mit anderen Bezirksgerichten angestellt wurde und - wie auch immer die Zahlen gedeutet wurden - stets dasselbe Ergebnis resultierte: Das Pensum in Waldenburg ist zu gross!
Die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts ist entschieden der Meinung, die Abklärungen seriös durchgeführt zu haben, einen vernünftigen Vorschlag zu präsentieren und hält an die Adresse von Usrula Jäggi fest, das Bezirksgericht Waldengurg begrüsst und dessen Stellungnahme weitestgehend in die Vorlage eingearbeitet zu haben.
://: Der Landrat entscheidet sich für Eintreten auf die Vorlage 2004/266.
- Detailberatung
://: Der Landrat verzichtet auf eine Detailberatung der Dekretsänderung.
- Schlussabstimmung
://: Der Landrat stimmt der Änderung des Dekrets zum Gesetz über die Organisation der Gerichte und der Strafverfolgungsbehörden (GOD) - Vorlage 2004/266 - zu.
Beilage 2: (Änderung Dekret)
[PDF]
Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei
Fortsetzung >>>
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