Protokoll der Landratssitzung vom 8. Dezember 2004

Nr. 914

3 2004/255
Berichte des Kantonsgerichts vom 12. Oktober 2004 und der Justiz- und Polizeikommission vom 29. November 2004: Befristete Weiterführung eines a.o. Strafgerichtspräsidiums mit gleichzeitiger Erhöhung des Pensums auf 100% ab 1. Januar 2005 bis 31. März 2006

Kommissionspräsidentin Regula Meschberger erinnert einleitend an die vom Landrat im Januar 2004 beschlossene Einführung eines ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums für ein Jahr mit einem 50 Prozentpensum. Leider konnten die Pendenzen nicht abgetragen werden und viele neue Fälle kamen dazu. Die vielen neuen Fälle gründen nicht zuletzt in der guten Aufklärungsquote der polizeilichen Arbeit und in jener der Untersuchungsbehörden. Zudem werden im kommenden Jahr voraussichtliche einige gewichtige Fälle vom BUR an das Strafgericht gelangen. Kurz: Das ausserordentliche Gerichtspräsidium ist nicht nur weiterhin nötig, sondern muss sogar aufgestockt werden, um die anfallende Arbeit bewältigen zu können.
Die Justiz- und Polizeikommission ist von der Notwendigkeit des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums überzeugt, fordert aber die Grundlagen der zukünftigen Stellenplanung ein. Die Kommission beantragt deshalb, die Geschäftsleitung des Kantonsgerichtes zu verpflichten, die Pensen der gesamten Strafgerichtsbarkeit bis Mitte 2005 zu überprüfen und dem Landrat mit den dannzumal allenfalls erforderlichen Anträgen Bericht zu erstatten.

Zu Ziffer 2 des Antrags

Die Kommission hat Ziffer 2 gestrichen, da personelle Entscheide nicht von der vorberatenden Kommission bestimmt werden sollen.
Die Justiz- und Polizeikommission beantragt dem Landrat die Weiterführung des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums bis zum 31. März 2006 und dessen gleichzeitige Erhöhung auf 100 Prozent. Zudem wird die Geschäftsleitung mit der Überprüfung der Stellensituation beauftragt.

Ursula Jäggi gibt namens der SP-Fraktion die Zustimmung zu den beiden Anträgen der Justiz- und Polizeikommission bekannt, will aber nicht verhehlen, dass die Fraktion die stetige Erhöhung der Pensen als Salamitaktik versteht. Immerhin ist die Zunahme der Fälle nicht zu bestreiten und Verjährungen sollten unbedingt vermieden werden.

Dieter Völlmin wehrte sich gegen die Einführung eines weiteren 50-prozentigen ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums schon vor einem Jahr mit dem Argument, es handle sich nicht um ein ausserordentliches, sprich vorübergehendes Präsidium, sondern schon bald um ein definitives. Weil der Landrat der ständigen Bewilligung von ausserordentlichen, sich in der Folge regelmässig perpetuierenden Präsidien überdrüssig war, führte er bei den Gerichten eine Strukturreform durch. Bereits eineinhalb Jahre nach der Inkraftsetzung dieser Strukturreform fällt der Landrat nun ins alte Fahrwasser zurück. Die SVP-Fraktion ist befremdet über die Tatsache, dass die Gerichte im Rahmen der Strukturreform offenbar nicht für ausreichende Kapazitäten gesorgt haben. Überdies wird mit der Pensenaufstockung das dringendste Problem des Strafgerichts, das Raumproblem, nicht gelöst. Mag der Kampf auch aussichtslos sein, die Mitglieder der SVP bleiben bei ihrer Meinung, lehnen den Antrag ab oder enthalten sich der Stimme.

Daniele Ceccarelli macht auf den Widerspruch zwischen dem Jammern über die steigende Kriminalität und der Verweigerung der nötigen Mittel zugunsten der Strafjustiz aufmerksam.
Zu dem von Ursula Jäggi verwendeten Begriff Salamitaktik gesteht Daniele Ceccarelli zwar ein, dass niemand weiss, was Ende 2006 sein wird und dass die Wahrscheinlichkeit eines Antrags für ein ordentliches Strafgerichtspräsidium besteht, doch ist die FDP-Fraktion der Meinung, das Strafgericht habe bisher stets mit offenen Karten gespielt.
Die Fraktion der FDP gestattet sich die Empfehlung der bestens eingearbeiteten Inhaberin des aktuellen 50 Prozentpensums, Dr. Irene Läuchli, für das ausserordentliche 100 Prozentpensum. Sehr wohl könnte sich die FDP-Fraktion vorstellen, über diesen Antrag erst morgen, nach Rücksprache in den Fraktionen, zu befinden.

Elisabeth Schneider-Schneiter stimmt namens der CVP/EVP-Fraktion der Pensenaufstockung zu. Der CVP/EVP-Fraktion war die spätere Verlängerung des ausserordentlichen Präsidiums bereits vor einem Jahr klar. Sehr gut muss sich das Kantonsgericht nun überlegen, welche Ressourcen für die Strafgerichtsbarkeit nötig sind für einen nicht nur ein- oder zwei-, sondern drei- bis vierjährigen Zeitrahmen.
Die Abstimmung über den personellen Antrag der FDP-Fraktion möchte die CVP/EVP-Fraktion auf morgen verschieben.

Auch Kaspar Birkhäuser , Grüne, beugt sich dem unangenehmen Sachzwang, denn die Fallzahlen erhöhen sich und die BUR-Fälle werden komplexer. Würde das ausserordentliche Präsidium nicht verlängert, das Pensum nicht erhöht, müssten Verjährungen in Kauf genommen werden, was einem Verlust der Glaubwürdigkeit der Strafjustiz gleichzusetzen wäre.
Salamitaktik kann die grüne Fraktion nicht erkennen, vielmehr zeugt der Antrag von Offenheit und subtiler Vorgehensweise des Gerichts.

Sehr unerfreulich ist für Bruno Steiger und die Schweizer Demokraten die Tatsache, dass so kurze Zeit nach der Gerichtsreform schon wieder eine Pensenaufstockung und die Verlängerung eines ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums verlangt werden. Der Umstand, dass zwischen Legislative und Judikative Gewaltentrennung herrscht, macht die Beantwortung der Frage nicht einfacher, ob die Aufstockung wirklich gerechtfertigt ist, oder ob es sich um Salamitaktik zwecks weiterer Aufblähung des Gerichtsapparates handelt beziehungsweise zwecks Beschäftigung überzähliger Juristinnen und Juristen.
Da die Schweizer Demokraten in ihrem Urteil nicht befangen sind - dies ganz im Gegenteil zu den VorrednerInnen, die allesamt ihre "Richterpösteli" stellen -, lehnt Bruno Steiger den Antrag namens seiner Parteikolleginnen und -kollegen ab.

Dieter Völlmin macht im Zusammenhang mit dem Antrag von FDP-Sprecher Daniele Ceccarelli dem Rat beliebt, die Traktandenliste für morgen mit der Wahl der a. o. Präsidentin zu ergänzen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Kommission diese Ziffer gestrichen hat, Wahlvorschläge üblicherweise von den Fraktionen eingegeben werden und es nicht Sache des Kantonsgerichts ist, dem Landrat in der Vorlage eine bestimmte Person zur Wahl zu beantragen. Mit diesem Vorgehen könnte einer möglichen Anfechtung der Wahl, die materiell wohl nicht bestritten ist, vorgebeugt werden.

Ruedi Brassel spricht sich ebenfalls für die Verschiebung der Wahl auf Morgen und für die Änderung der Traktandenliste aus. Zur Person, die erst vor Kurzem gewählt wurde, ist keine Diskussion zu führen.

Kantonsgerichtspräsident Peter Meier ist, wie die Landrätinnen und Landräte auch, ein ausgezeichneter Prophet, wenn die Aufgabe gestellt ist, im Jahre 2004 festzustellen, was sich im Jahre 2004 ereignet hat. Leider verfügt der Baselbieter Kantonsgerichtspräsident aber nicht über die Gabe, bereits Ende 2003 zu prognostizieren, was Ende 2004 geschehen sein wird. Allerdings - dies zur Salamitaktik - hat das Kantonsgericht bereits in der vor gut einem Jahr zugestellten Vorlage darauf hingewiesen, dass die Lage zu Beginn des vierten Quartals 2004, insbesondere zur Frage a. o. und Pensengrösse, neu beurteilt werden muss. Eine bewusste Taktik steckt nicht dahinter, vielmehr zeigt die Realität, dass im Jahre 2004 beim Strafgericht 40 Prozent mehr Fälle eingegangen sind.
Richtig stellt Daniele Ceccarelli fest, dass eine Erhöhung der Mitteleinsätze bei Polizei, Untersuchungsbehörden und Staatsanwaltschaft ohne entsprechende Aufstockung der Strafgerichts nicht sinnvoll ist.
Wird das Pensum nicht erhöht, das a. o. Präsidium nicht verlängert, so kommt es zu einem Pendenzenberg, der, das lehrt die Erfahrung eindrücklich, nur unter gewaltigem Aufwand wieder abgebaut werden kann.
Der Kantonsgerichtspräsident, der sich über die herrschende Situation auch nicht freut, bittet den Landrat, dem Geschäft die Zustimmung zu erteilen.

Daniela Schneeberger stellt Akzeptanz der Wahlverschiebung auf morgen fest.

://: Der Landrat beschliesst grossmehrheitlich:

1. Das a.o. Strafgerichtspräsidium wird unter gleichzeitiger Pensumerhöhung auf 100% bis zum 31. März 2006 verlängert.

2. Die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts wird beauftragt, die Pensen der Strafgerichtsbarkeit zu überprüfen und dem Landrat bis Mitte 2005 Bericht zu erstatten und entsprechend Antrag zu stellen.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei


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