Protokoll der Landratssitzung vom 27. Mai 2004
Protokoll der Landratssitzung vom 27. Mai 2004 |
Nr. 587
6 2004/001
Berichte des Regierungsrates vom 13. Januar 2004 und der Justiz- und Polizeikommission vom 12. Mai 2004: Teilrevision des Verwaltungsverfahrensgesetz. 1. Lesung
Regula Meschberger
, Präsidentin der Justiz- und Polizeikommission erläutert: Die vorliegende Teilrevision des Verwaltungsverfahrensgesetzes beinhaltet einerseits Anpassungen der gesetzlichen Bestimmungen an die bereits vorhandene Gerichtspraxis, beispielsweise Parteientschädigung im erstinstanzlichen Verfahren, andererseits aber auch ein paar wesentliche Neuerungen. Dazu gehört vor allem die Einführung der Kostenpflicht im Beschwerdeverfahren. Von dieser Kostenpflicht gibt es ein paar Ausnahmen, welche in § 20a, Absatz 5, enthalten sind. Dazu ist zu sagen, dass die Ausnahmen, so wie sie in der ursprünglichen Vorlage der Regierung waren, während der Kommissionsberatung erweitert wurden auf Bereiche der Feldregulierung und Landumlegung. Dies daher, weil das Vermessungs- und Meliorationsamt erst nachträglich merkte, dass die Kostenpflicht in diesen Verfahren nicht zu verantworten ist. Die Ergebnisse in diesen Verfahren bedeuten nämlich häufig eine Verbesserung der ersten Ergebnisse und führen vor allem zur Beseitigung von Fehlern. Eine Kostenpflicht wäre daher unbillig.
Grundsätzlich aber ist mit der Einführung der Kostenpflicht davon auszugehen, dass die Zahl der Beschwerden abnehmen wird. Zumindest lässt die tiefere Anzahl von Beschwerden in den umliegenden Kantonen, welche die Kostenpflicht bereits kennen, darauf schliessen. Der Einführung der Kostenpflicht steht eine Ausweitung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenüber. Damit soll die Einführung einer Zweiklassengesellschaft verhindert werden. Wenn die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos erscheint, kann bei Bedürftigkeit die unentgeltliche Rechtspflege beantragt werden. Wer also eine Beschwerde erheben will, kann dies in jedem Fall tun, ausser es ist von vornherein klar, dass sie aussichtslos ist.
Der Antrag in der Kommission auf Verzicht der Einführung einer Kostenpflicht wurde abgelehnt, ebenso wie der Antrag auf Einführung einer progressiven Erhebung der Kosten. Eine weitere Änderung im Verwaltungsverfahrensgesetz beantragte der Regierungsrat, nämlich die Einführung der Kompetenz der Vorinstanz zum Entzug der aufschiebenden Wirkung. Dies gab in der Kommission einiges zu diskutieren, wurde doch die Befürchtung laut, dass mit dem Entzug der aufschiebenden Wirkung eines Entscheids durch die Vorinstanz Tatsachen geschaffen werden können, welche nicht mehr rückgängig zu machen sind. Der Hinweis der Regierung und der Verwaltung, dass diese Gefahr kaum bestehe, da wohl keine Vorinstanz Gefahr laufen möchte, plötzlich mit hohen Schadenersatzforderungen konfrontiert zu sein, dieser Hinweis vermochte eine knappe Mehrheit der Kommission nicht zu überzeugen, d.h. mit 5:4 Stimmen bei 2 Enthaltungen wurde die Kompetenz zur aufschiebenden Wirkung durch die Vorinstanz aus dem Gesetz gekippt. Das Gesetz wurde anschliessend nach der 2. Lesung in der jetzigen Form von der Kommission mit 5:3 Stimmen bei 3 Enthaltungen beschlossen.
Ursula Jäggi
gibt im Namen der SP-Fraktion Eintreten auf die Vorlage bekannt. Positive Punkte: Die SP-Fraktion ist froh, dass die Gewährung des rechtlichen Gehörs in dieser Revision eingehalten wurde. Das ist in der Tat bürgerfreundlich. Die Beachtung der geschlechtsneutralen Formulierung bei der Revision wird als Selbstverständlichkeit gewertet. Folgende Punkte verursachten in der Fraktion Zähneknirschen: Die Revision bringt durch die Einführung der Kostenpflicht vor allem eine Verschlechterung für die Bürgerinnen und Bürger; dies ist nicht gerade als bürgerfreundlich zu werten. Die Kostenpflicht hat eine Ungleichbehandlung der Beschwerdewilligen zur Folge. Wer es sich leisten kann, erhebt Beschwerde, auch wenn diese kaum Chancen auf Erfolg hat oder sie gar als unsinnig betrachtet werden muss. Wer es sich nicht leisten kann, wird es nicht tun, da die unentgeltliche Rechtssicherheit bei Aussichtslosigkeit abgelehnt wird.
Eigentlich will man einerseits die Anzahl der Beschwerden - dabei zielt man auf die vermeintlich aussichtslosen und leichtfertigen Beschwerden - durch Erhebung von Kosten verringern, andererseits denkt man aber auch, dass die Reduktion der Verfahren zu einer Verkürzung der Verfahrensdauer für die andern Beschwerdeverfahren führen würde. man rechnet auch mit Mehreinnahmen von ca. Fr. 50'000.-. Dieser Betrag darf angezweifelt werden. Man fragt sich aber, ob weniger Kosten eine Einsparung beim Personal zur Folge haben. Wird die Verfahrensdauer der übrigen Beschwerdeverfahren tatsächlich kürzer? Die Dauer eines einzelnen Falls hängt doch vielmehr mit der Komplexität eines Verfahrens zusammen. Nachdem unser Kanton immer wieder seine Eigenständigkeit betont, ist man erstaunt über den Hinweis darauf, dass die übrigen Deutschschweizer Kantone die Kostenpflicht im Beschwerdeverfahren kennen. Als Begründung für die Einführung in unserem Kanton reicht dies aber nicht aus. Die SP wird daher zu § 20a einen Antrag stellen.
Wie bereits in der Vernehmlassung sowie in der zuständigen Kommission geäussert, stellt man sich die Frage, ob die Teilrevision im jetzigen Zeitpunkt nicht überflüssig ist. Auch die Kostenfrage steht im Raum, wenn man alle dafür aufgewendeten Stunden der Verwaltung, die Entschädigung der Kommissionsmitglieder, des Landrats usw. zusammenzählt. Wird der Antrag zu § 20a nicht angenommen, so wird die SP-Fraktion in der Schlussabstimmung der Teilrevision nicht zustimmen können. In diesem Fall möchte man, dass das Stimmvolk über die Kostenerhebung entscheidet.
Hanspeter Wullschleger
befürwortet namens der SVP die Teilrevision des Verwaltungsverfahrensgesetzes, welches aus dem Jahr 1988 stammt. Insbesondere die Einführung der Kostenpflicht für das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren wird begrüsst. Mit der heutigen kostenlosen Praxis ist man zu schnell bereit, eine Beschwerde einzureichen, auch wenn sie zum vornherein aussichtslos ist. Die Statistik der anderen Kantone belegt die Wirkungen der Kostenpflicht. Die Beschwerdefreundlichkeit hat in diesen Kantonen massiv abgenommen. Ein Beispiel: Im Jahr 2003 sind im Kanton Baselland 913 Beschwerden erledigt worden. Der einiges grössere Kanton Aargau hatte noch 197 Beschwerden zu erledigen. Also macht eine solche Kostenpflicht sicherlich auch Sinn.
Man ist auch der Auffassung, dass die in der Vorlage vorgeschlagenen drei- bis sechshundert Franken Kostenbeteiligung sicher an der unteren Grenze sind. Die Mehreinnahmen sind gering. Für Mittellose besteht weiterhin die unentgeltliche Rechtspflege. Die SVP-Fraktion stimmt der Vorlage so zu, wie sie die Kommission verabschiedet hat.
Daniele Ceccarelli
bemerkt eingangs, so trocken die Materie auch erscheinen mag, spätestens wenn man aus irgend welchen Gründen mit einer Behörde einmal "Zoff" hat, merke man deutlich, wie direkt das Verwaltungsverfahrensrecht in unsere Lebensumstände einwirken kann. In den Diskussionen in der Kommission wurden die Auswirkungen der Teilrevision auf die EinwohnerInnen und die Verwaltung eingehend und kontrovers diskutiert. Das Gesetz bzw. die Revision zeigen, dass gerade in diesem Rechtsbereich eine Balance zwischen den BürgerInnen und der Verwaltung immer gesucht werden muss. Der zentrale Aspekt des Gesetzes ist seines Erachtens die Leitplanke, welche dem behördlichen Handeln gesetzt werden muss. Auch und gerade bei einem solchen Gesetz muss man sich immer vor Augen halten, dass der Staat für seine Einwohner da sein muss und nicht umgekehrt.
Die FDP-Fraktion begrüsst die Einführung einer Kostenpflicht für das Beschwerdeverfahren und gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, dass dies zu einer Entlastung der jeweiligen Instanzen führen wird. Den vorgeschlagenen Kostenrahmen von drei- bis sechshundert Franken hält man für vernünftig und man fordert den Regierungsrat auf, diese Vernunft auch bei der Verfassung der entsprechenden Gebührenverordnung weiterhin walten zu lassen. Ebenso befürwortet man die schon bestehende und nun beibehaltene Regelung, wonach die verfügende Behörde einer Einsprache gegen die eigenen Entscheide die aufschiebende Wirkung nicht entziehen kann. Man möchte, dass das Gesetz in diesem Punkt unverändert bleibt. Die FDP-Fraktion folgt damit vollumfänglich den Anträgen der Kommission.
Elisabeth Schneider
und die CVP/EVP-Fraktion begrüssen es, wenn die gängige Praxis mit dem geltenden Recht übereinstimmt, wenn Wiederholungen beseitigt oder rein redaktionelle Mängel behoben werden. Im Rahmen von Effilex ist dies nun möglich und gut. Natürlich kann immer wieder darüber diskutiert werden, welcher Erlass nun als erster dieser Effilex-Überprüfung unterzogen werden soll. Man kann auch der Einführung der Kostenpflicht im Beschwerdeverfahren zustimmen und ist überzeugt, dass durch diese Änderung wiederum Kosten vermieden werden können, welche dem Kanton durch aussichtslose und leichtfertige Verfahren entstehen könnten.
Man ist sich aber selbstverständlich bewusst, dass diese Änderungen den Rechtsweg für einen Betroffenen erschweren können, da die Eingabe eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege wiederum eine Hemmschwelle darstellt; bei einem derartigen Gesuch müssen die finanziellen Verhältnisse offen gelegt werden. Dass im erstinstanzlichen Verfahren im Einzelfall Parteientschädigungen gesprochen werden können, ist bereits gängige Praxis des Kantonsgerichts. Auch die Verjährungsfrist von öffentlich-rechtlichen Geldforderungen ist nun in die Revision eingeflossen, was ebenfalls der Rechtssicherheit dient und eine Lücke im Gesetz schliesst. Nicht glücklich ist man schliesslich darüber, dass die Verwaltungsbehörde nicht - wie in der regierungsrätlichen Vorlage vorgesehen - einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen kann. Diese Möglichkeit hätte im Einzelfall dazu geführt, dass schnell und pragmatisch hätte gehandelt werden können, wie es etwa im Vormundschaftswesen der Fall ist. Der heute geltenden Lösung kann man aber zustimmen und ist mit der Kommissionsvariante einverstanden. Die CVP/EVP-Fraktion ist für Eintreten auf die Revision und stimmt der Teilrevision in der von der Kommission verabschiedeten Form vollumfänglich zu.
Kaspar Birkhäuser:
Die Teilrevision wird im Rahmen von Effilex durchgeführt. Für die Grüne Fraktion sind die entsprechenden Anpassungen unbestritten sinnvoll und richtig. Einverstanden ist sie auch mit der Parteienentschädigung im erstinstanzlichen Verfahren und mit der Verjährung von öffentlich-rechtlichen Geldforderungen des Kantons. Ebenso befürwortet man im Prinzip, dass die Kostenpflicht im verwaltungsinternen Beschwerdeverfahren eingeführt wird, um damit die Tendenz zu stoppen, gegen alles und jedes Beschwerde zu führen. Allerdings gibt es ein grosses Aber: Der in der Vorlage auf Seite 8 erklärte Kostenrahmen kann nach Meinung der Grünen nur einseitig wirksam sein. Eine Hürde von 300 bis 600 Franken wird höchstens Personen mit tiefen und allenfalls mittleren Einkommen davon abhalten, leichtfertig Beschwerde zu führen. Für Wohlhabende ist ein solcher Betrag ein Nichts. Daher hat seine Fraktion vorgeschlagen, den Kostenrahmen weiter zu gestalten, z. B. von Fr. 200 bis zur Höhe der effektiven Kosten eines Verfahrens. Man könnte im Gesetz eine progressive Gebührenhöhe verankern, welche am Jahreseinkommen gemessen wird. Mit dieser Idee stiess man aber auf kein Gehör. Damit blieb in der Vorlage der Kostenrahmen stehen, welcher nur Wenigverdienende abschreckt. Da man aber kein neues Gesetz will, welches für diese eine Barriere einführt und die Reichen schont, ist die Grüne Fraktion zwar für Eintreten, wird aber den SP-Antrag zu § 20a unterstützen.
Bruno Steiger
begrüsst mit den Schweizer Demokraten den von seinen Vorrednern bereits erwähnten Punkt der Einführung einer Kostenpflicht. Der Kostenrahmen ist seines Erachtens durchaus zumutbar. Auch wenn man Fr. 600 bezahlen könne, sei man noch nicht reich, entgegnet er seinem direkten Vorredner. Bis auf einen Punkt hält er alles grundsätzlich für positiv. Die Ausdehnung der Parteientschädigung und der unentgeltlichen Rechtshilfe stösst ihm ein wenig auf angesichts des ständigen Redens vom Sparen im Kanton. Die Schweizer Demokraten treten grundsätzlich auf die Vorlage ein, werden aber mit Sicherheit das Ansinnen von SP und der Grünen nicht unterstützen.
Peter Küng-Trüssel:
In der Vorlage steht als einziger Negativpunkt
weniger bürgerfreundlich
. Er ist grundsätzlich für mehr Bürgerfreundlichkeit in einer Gesetzesrevision und setzt sich daher für ein Nein ein.
Regierungsrätin
Sabine Pegoraro
bedankt sich für die mehrheitlich gute Aufnahme der Vorlage. Das Gesetz wurde im Rahmen des Effilex-Projekts überprüft und die Verwaltungspraxis mit der jüngsten Gerichtspraxis in Übereinstimmung gebracht. Bestehende Mängel wurden behoben und somit für die Kundschaft wie auch für die Verwaltung mehr Rechtssicherheit geschaffen. Man war sich bewusst, dass die eigentliche Knacknuss des Gesetzes die Einführung der Kostenpflicht im Beschwerdeverfahren sein wird. Allerdings ist Baselland noch der einzige Deutschschweizer Kanton, in welchem ein Beschwerdeverfahren kostenlos ist. Die Kostenpflicht wurde eingeführt, um der ausgewiesenen Beschwerdefreudigkeit, welche durch die Kostenlosigkeit im Kanton Baselland entstanden ist, zu begegnen; in unserem Kanton gibt es jährlich ca. 800 Beschwerden, während es in Basel-Stadt und Aargau nur etwa 200 sind. Man erhofft sich nun weniger leichtfertige und aussichtslose Beschwerden, was wiederum zur Folge haben wird, dass die Verfahrensdauer für die anderen Beschwerden und der Aufwand für das Beschwerdewesen insgesamt verringert werden.
Der Vorwurf der mangelnden Bürgerfreundlichkeit ist gefallen. Die Regierungsrätin ist der Ansicht, dass dies nicht zutrifft. Mit dem Kostenrahmen liegt man klar unter dem Durchschnitt, er ist moderat und angemessen. Gleichzeitig wurde die Kostenpflicht abgefedert mit der unentgeltlichen Prozessführung. Zudem bleibt zu bemerken, dass wichtige Beschwerdegründe von der Kostenpflicht ausgenommen sind. Es handelt sich insgesamt um eine moderate Lösung; die eher exotische, bisherige Lösung wurde aufgegeben. Die Justizdirektorin hält es für richtig, dass die Beschwerdeführerinnen und -führer bei der Abweisung eines Rekurses einen Teil des verursachten Aufwandes übernehmen müssen. Es ist eine Tatsache, dass in unserem Kanton viel häufiger Beschwerde geführt wird als in anderen Kantonen, und der Zusammenhang zwischen Beschwerdehäufigkeit und Kostenpflicht ist gegeben. Zur von Ursula Jäggi geäusserten Befürchtung eines allfälligen Stellenabbaus bemerkt Sabine Pegoraro, dass selbst bei einer Abnahme der Beschwerden die damit befassten Instanzen immer noch mehr als genug zu tun haben werden; ein Personalabbau ist also nicht vorgesehen.
Dass die im Entwurf vorgesehene erstinstanzliche Kompetenz zum Entzug der aufschiebenden Wirkung in der zweiten Lesung nach einer turbulenten Abstimmung knapp durchfiel, bedauert die Regierungsrätin. Sie ist überzeugt, dass es sich dabei um eine gute Regelung gehandelt hätte. Es wäre eine Besserstellung derjenigen Beschwerdepartei gewesen, zugunsten welcher eine Verfügung ausgesprochen wurde - speziell in Fällen, in welchen schnelles Handeln gefordert ist. Die Regelung hätte ohnehin nur in klaren Fällen durchgesetzt werden können. Andererseits möchte die Regierungsrätin daraus nicht einen Schicksalsparagrafen machen; man könne mit der von der Kommission beschlossenen Lösung durchaus leben. Sie bittet daher das Landratsplenum, der Revision in der von der Kommission vorgelegten Form zuzustimmen.
Hanspeter Ryser
stellt fest, dass Eintreten unbestritten ist. Da die Zeit jedoch ziemlich fortgeschritten ist, reicht es vor dem Mittag nicht mehr für die Detailberatung. Diese wird am Nachmittag nach der Fragestunde stattfinden. Der Landratspräsident unterbricht an dieser Stelle die Beratung dieses Geschäfts.
Fortsetzung dieses Geschäfts
Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei
Fortsetzung >>>
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