Protokoll der Landratssitzung vom 16. November 2000
Protokoll der Landratssitzung vom 16. November 2000 |
Nr. 711
Motion von Franz Ammann vom 6. April 2000: Volkswahl des Baselbieter Verfassungsgerichts
Andreas Koellreuter
begründet die Ablehnung der Motion durch den Regierungsrat. Der Motionär werfe dem Verfassungsgericht vor, es habe im angeführten Einbürgerungsfall "ein politisches Grundsatzurteil gefällt, das bei den Bürgergemeinden wie in breiten Kreisen der Bevölkerung als Einmischung in die demokratischen Grundrechte und als Bevormundung angesehen wird." Damit verkenne der Motionär jedoch die Aufgaben des Verfassungsgerichts, welche in § 86 Abs. 2 der Kantonsverfassung klar geregelt sind. So obliegt dem Verfassungsgericht insbesondere auch die Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung von verfassungsmässigen Rechten, namentlich der Grund- und Volksrechte.
Auf eine derartige Beschwerde hat das Verfassungsgericht im betreffenden Fall geprüft, ob der angefochtene Nicht-Einbürgerungsentscheid gegen die Verfassung verstosse. Damit hat das Verfassungsgericht keineswegs an den Grundrechten von Verfassung und Gesetzgebung gerüttelt, wie der Motionär dies darstelle. Im Gegenteil habe es ausschliesslich seine staatspolitisch unverzichtbare Aufgabe als Hüter der Verfassung wahrgenommen. Ob das Verfassungsgericht vom Volk oder vom Parlament gewählt wird, würde nichts an seinen verfassungsmässigen Aufgaben ändern. Auch ein vom Volk gewähltes Verfassungsgericht hätte die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten zu beurteilen.
Im Übrigen werde das Verfassungsgericht nicht nur bei uns, sondern auch in den meisten anderen Kantonen vom Parlament gewählt. Das Gleiche gilt für das Bundesgericht. Diese Wahlzuständigkeit ermöglicht eine sorgfältige, tiefgreifende Überprüfung der Kandidaturen durch die einzelnen Fraktionen. Dem Anliegen des Motionärs, dass alle drei Staatsgewalten demokratisch gefällte Volksentscheide vorurteilslos zu akzeptieren hätten, könnte nur Rechnung getragen werden, indem § 86 der Kantonsverfassung dahingehend geändert würde, dass Volksentscheide nicht mehr angefochten werden könnten. Damit würde allerdings die Verfassungsgerichtsbarkeit über weite Bereiche abgeschafft. Zudem sprechen auch verschiedene Regelungen in der Bundesverfassung gegen ein derartiges Vorgehen.
Hinter den Ausführungen und Forderungen des Motionärs steckt die versteckte Drohung, unpopuläre Gerichtsentscheide mit einer Nicht-Wiederwahl zu ahnden. Somit bestünde die Gefahr, dass richterliche Urteile sich nicht mehr nach Verfassung und Gesetz, sondern nicht zuletzt auch nach der Mehrheitsfähigkeit des Volkes richten würden. Letzteres liefe auf eine Politisierung der Gerichtsbarkeit hinaus und wäre mit der verfassungsmässig garantierten richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar. Aus den oben genannten Gründen beantragt der Regierungsrat dem Landrat, die Motion nicht zu überweisen.
Franz Ammann
erklärt, der Verfassungsgerichtsentscheid im Fall Pratteln habe ihn dazu bewogen, diese Motion einzureichen. Dabei musste er feststellen, dass es sich hier allein um ein parteipolitisches "Päckli" handle. In einem derartigen Fall ist das Vertrauen nicht mehr gewährleistet. Der Landrat sei vom Volk gewählt und vollziehe gewisse Aufgaben im Namen des Volkes, dazu gehöre die Wahl der RichterInnen am Verfassungsgericht. Das Vertrauen des Volkes, welches durch den Verfassungsgerichtsentscheid verunsichert sei, könne nur wiederhergestellt werden, wenn das Volk selbst das Verfassungsgericht wählen könne.
Er halte nicht um jeden Preis an seiner Motion fest und könnte sich auch mit einem Postulat einverstanden erklären. Er hofft, seine Forderung werde unterstützt.
Andreas Koellreuter betont, eine Volkswahl sei nach einer entsprechenden Verfassungsänderung möglich.
Matthias Zoller gibt bekannt, die CVP/EVP-Fraktion könne den Vorstoss nicht unterstützen. Gewisse Gesetze und Regeln seien gesamtschweizerisch festgelegt und vom Volk abgesegnet, so dass diese nicht einfach auf kantonaler Ebene geändert werden können. Auch seien die in der Justiz tätigen Personen vom Landrat gewählt sowie sämtliche Gesetze und Prozessordnungen vom Volk demokratisch angenommen worden. Er könne daher nicht begreifen, wie die Äusserung zustande gekommen sei, der Entscheid betreffend Pratteln verstosse gegen die Grundrechte der Demokratie. Die angeprangerte "Politjustiz" würde mit einer Volkswahl sicher nicht weniger politisch.
Ursula Jäggi informiert, die Justiz- und Polizeikommission befasse sich momentan gerade mit der Justizreform. In der bei allen Parteien durchgeführten Vernehmlassung habe die SD nicht den Wunsch geäussert, alle Mitglieder des Kantonsgerichts durch das Volk wählen zu lassen, denn dies wäre die konsequente Folgerung aus dem hier diskutierten Vorstoss. Sie betrachtet Franz Ammanns Vorstoss als unzulässige Einmischung in die richterliche Unabhängigkeit, denn das Gericht habe seinen Entscheid auf die Gesetze abgestützt. Die Justizreform sollte zu einer Versachlichung der Richterwahlen führen, weshalb Ursula Jäggi im Namen der SP-Fraktion darum bittet, die Motion nicht zu überweisen.
Peter Tobler stellt fest, die Wahl der RichterInnen sei in den letzten zwanzig Jahren im Landrat immer wieder diskutiert worden, jedoch landete man dabei auch immer wieder beim heutigen System, welches gar nicht so schlecht sei. Als ParlamentarierIn im Landrat könne man eine Änderung des Gesetzes oder der Verfassung vorschlagen, wenn man mit einem Gerichtsentscheid nicht einverstanden sei. Er empfiehlt daher, die heutige Regelung beizubehalten, denn die Baselbieter Gerichte gehören zu den Besten in der Schweiz.
Esther Maag sieht im aktuellen Vorstoss ganz klar eine Spontanreaktion auf einen unliebsamen Entscheid. Konsequenterweise müsste ausserdem das ganze Kantonsgericht, und nicht nur das Verfassungsgericht, vom Volk gewählt werden. Hinter einen derartigen Grundsatzentscheid könnten sich die Grünen jedoch nicht stellen. Als bedenklich erachtet sie den Vorstoss insbesondere daher, da er mit der Hoffnung verbunden sei, die Justiz besser beeinflussen zu können.
://: Der Landrat lehnt die Überweisung des Postulats 2000/081 ab.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
Nr. 712
Postulat von Dieter Völlmin vom 18. Mai 2000: Angemessene Beteiligung der Standortgemeinden am Ertrag der Basellandschaftlichen Kantonalbank
Regierungsrat
Adrian Ballmer
erklärt, die Regierung lehne das Postulat ab. Bei der Kantonalbank handle es sich um eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Kantons, eine Rechtsform, wonach sie laut Bundesrecht von der direkten Bundessteuer befreit sei. Wie die übrigen öffentlich-rechtlichen Anstalten ist sie auch nach dem kantonalen Recht von sämtlichen kantonalen und kommunalen Steuern befreit. Bei Handänderungen ist nicht nur die Kantonalbank selbst, sondern auch die Gegenpartei steuerbefreit.
Dieses Steuerprivileg wird immer wieder aufgegriffen. Die Steuerbefreiung wurde bei der Totalrevision des Steuergesetzes 1974 eingehend diskutiert. Damals wurde festgelegt, dass die Steuerbefreiung durch die Gewinnausschüttung ausschliesslich an den Kanton im Finanzausgleich zwischen dem Kanton und den Gemeinden entsprechend zu berücksichtigen sei, was in der Folge auch geschah. Der Kanton allein stellt der Kantonalbank das Dotationskapital von 180 Mio. Franken zur Verfügung und er allein leistet die Staatsgarantie. Die Kantonalbank verzinst einerseits das Dotationskapital mit jährlich 10,6 Mio. Franken und entschädigt den Kanton darüber hinaus mit 22 Mio. Franken angemessen für die Staatsgarantie.
Rechtlich wäre eine Besteuerung der Kantonalbank als öffentlich-rechtliche Anstalt auf kantonaler Ebene gemäss Steuerharmonisierungsgesetz zwar möglich, das Steuergesetz müsste dann aber auch festlegen, nach welchen Grundsätzen die Besteuerung zu erfolgen hätte (Einkommens-/Vermögensbesteuerung oder Ertrags- und Kapitalbesteuerung). Politisch wäre die Besteuerung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt jedoch ein Unikum.
Im Rahmen der nächsten Revision des Kantonalbankgesetzes werde geprüft, ob die Rechtsform der Kantonalbank in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden und die Trägerschaft erweitert werden sollte. Falls die Kantonalbank in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird, muss sie an Bund, Kanton und Gemeinden Steuern bezahlen. Zudem gebe es dann auch klare Grundlagen für die interkommunale Steuerausscheidung.
Solange die Kantonalbank eine öffentlich-rechtliche Anstalt bleibt, soll sinnvollerweise auf eine Besteuerung verzichtet werden. Die Gemeinden partizipieren via Finanzausgleich bereits am Ertrag der Kantonalbank, dies nota bene als Chance ohne Risiko. Einen zusätzlichen Finanzausgleich lehnt der Regierungsrat ab.
Dieter Völlmin
schildert die Situation, dass ein Landrat oder eine Landrätin im Kopf einen Vorstoss eintwickelt und von der Idee begeistert ist, beim Schreiben des Vorstosses jedoch Zweifel zu nagen beginnen. Beim vorliegenden Vorstoss sei es ihm genau umgekehrt ergangen. Zu Beginn sei er sich noch nicht sicher gewesen, je länger er sich jedoch mit der Thematik beschäftigte, desto überzeugter war er von seinem Anliegen. Nach den heutigen Ausführungen des Regierungsrates sei er der Meinung, dass keine sachlichen Gründe gegen sein Anliegen sprechen.
Wie Adrian Ballmer ausführte, stellt der Kanton ein Dotationskapital von 180 Mio. Franken zur Verfügung. Ein Gewinn von 22 Mio. Franken sowie eine Verzinsung des Dotationskapitals von 10,6 Mio. Franken fliessen an den Kanton zurück. Dieser Rückfluss kommt einer stolzen Eigenkapitalrendite von 18 % gleich. Im Unterschied zu privatrechtlichen Gesellschaften wird bei öffentlich-rechtlichen Anstalten sogar das Eigenkapital verzinst.
Adrian Ballmer führte an, der Kanton leiste das Risikokapital und gebe auch eine Staatsgarantie. Dass der Kanton eine Verzinsung seines Risikokapitals erhält und die Staatsgarantie abgegolten wird, damit zeigt sich Dieter Völlmin einverstanden. Adrian Ballmer aber habe einen Taschenspieler-Trick angewendet, indem er erklärte, 10,6 Mio. Franken entsprächen der Verzinsung des Staatskapitals und 22 Mio. Franken stellten das Entgelt für die Staatsgarantie dar. Wer jedoch legt die Höhe der Entschädigung für die Staatsgarantie fest? Genau dieser Punkt müsse diskutiert werden. Er stelle weder die Verzinsung des investierten Kapitals noch die Abgeltung der Staatsgarantie oder den Gewinnanteil des Kantons, da die Kantonalbank steuerbefreit sei, in Frage, jedoch sehe er keinen vernünftigen Grund, weshalb die Gemeinden, welche ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen, keinen Anteil am Gesamtbetrag von 32,5 Mio. Franken haben sollen.
Als Kriterium für den Anteil, welcher den einzelnen Gemeinden zukommen soll, sieht Dieter Völlmin die Frage, wie viel Infrastruktur eine Gemeinde der Kantonalbank zur Verfügung stellt. Liestal gehöre sicher zu den Gemeinden, welche mehr zur Verfügung stellen, aber auch andere Gemeinden wie Birsfelden, Binningen, Muttenz, Laufen, etc. müssten entsprechend entschädigt werden.
Der Regierungsrat erklärt, er wolle diese Thematik im Rahmen der Revision des Kantonalbankgesetzes angehen. Dieter Völlmin kann daher nicht verstehen, warum er seinen Vorstoss nicht entgegen nehmen wolle. Er betont, es handle sich dabei nicht um eine Motion, sondern um ein Postulat.
Dieter Völlmin bittet seine Kolleginnen und Kollegen, dem Postulat zuzustimmen, denn es handle sich hier nicht um eine Sonderproblematik, welche nur Liestal betreffe.
Anton Fritschi
stellt fest, die FDP bringe der Idee des Motionärs viel Verständnis entgegen, lehne das Postulat aber trotzdem ab. Zwar gehe es in die richtige Richtung, der Weg jedoch sei nicht klar. Eine öffentlich-rechtliche Anstalt bezahle keine Steuern und damit auch keine Gewinnabgabe. Eine Änderung könnte im neuen Kantonalbankgesetz durchaus einfliessen. Als Steuern würde dann ebenfalls ein Betrag von rund 20 Mio. Franken anfallen, dieser wird aber aufgeteilt zwischen Bund, Kanton und Gemeinde. Der an den Bund bezahlte Teil wird dem Kanton also fehlen und somit weniger Geld als heute zurückfliessen.
Die Überlegungen müssten dahin gehen, wie das heute vorhandene Geld verteilt werden könne. Wie bereits von Adrian Ballmer ausgeführt, geschieht dies über den Finanzausgleich, welcher allen Gemeinden (nicht nur den Standortgemeinden) zugute kommt, denn der Standort einer Kantonalbankfiliale sei doch recht zufällig. Eine Lösung über den Finanzausgleich empfindet Anton Fritschi somit als gerechter. Seiner Meinung nach profitieren Liestal und die übrigen Standortgemeinden schon heute von der Kantonalbank, indem sich andere Unternehmungen an den Standorten ansiedeln oder natürliche Personen bei der Kantonalbank arbeiten und an den Standortgemeinden Steuern bezahlen.
Ein Blick über die Kantonsgrenzen hinaus, beispielsweise in die Kantone Solothurn oder Bern, zeigt, dass die goldene Milchkuh gemolken wurde, bis sie in die Knie ging. Schlussendlich leiden die Volkswirtschaft und alle SteuerzahlerInnen darunter, wenn ein Unternehmen wie die Kantonalbank zu stark geschröpft wird. Er bittet daher, das Postulat abzulehnen.
Elsbeth Schmied
meint zu Anton Fritschi, es gehe nicht darum, die Kuh noch mehr zu melken, sondern die Milch, welche diese heute schon gibt, anders zu verteilen. Dabei betont sie auch, dass es in diesem Vorstoss nicht nur um Liestal, sondern um alle Gemeinden mit einem Kantonalbankstandort gehe. Unbestrittenermassen fährt der Kanton mit der jetzigen Rechtsform der Kantonalbank gut, sogar besser, als wenn die Kantonalbank Steuern bezahlen müsste, welche auch an den Bund und die Gemeinden gingen. Es sei daher nachvollziehbar, dass sich der Kanton momentan keine Änderungen wünsche.
Die Standortgemeinden empfinden es jedoch als nicht fair, dass kein Geld an sie direkt ausgeschüttet werden soll. Als Folge davon könnte es gewissen Gemeinden nicht mehr als erstrebenswert erscheinen, Kantonalbankfilialen zu beherbergen. Den Gemeindeanliegen muss also in irgendeiner Form Rechnung getragen werden. Adrian Ballmer jedoch erklärt in einem Interview in der Basler Zeitung vom 4. Oktober 2000, momentan sollten keine Änderungen vorgenommen werden, da in verschiedenen Kantonen Überlegungen dahin gehen, den Kantonalbanken eine neue Rechtsgrundlage zu geben.
Wenn diese Überprüfung der Rechtsform schon stattfindet, dann spreche sie sich dafür aus, die Überlegungen im Postulat miteinzubeziehen. Sie bittet den Landrat im Namen eines Grossteils der SP-Fraktion, das Postulat zu überweisen.
Bruno Steiger erklärt, die Standortgemeinden der Kantonalbank profitierten bereits genug, weshalb die Schweizer Demokraten Dieter Völlmins Postulat ablehnen.
Adrian Ballmer
betont, der Standort einer Kantonalbankfiliale könne wohl kaum als Sonderlast bezeichnet werden und zeigt sich überzeugt, dass viele Gemeinden gerne bereit wären, eine Filiale oder den Hauptsitz der Kantonalbank zu übernehmen, auch ohne entsprechende Steuereinkünfte. Im Rahmen des Finanzausgleichs werden besondere Sonderlasten der Gemeinden berücksichtigt.
Er habe mit seiner Aussage, der Kanton erhalte den Zins für das Dotationskapital, keinen Taschenspieler-Trick angewandt. Die Kantonalbank habe eine Anleihe aufgenommen und verzinse damit das Dotationskapital. 22 Mio. Franken werden zur Abgeltung der Staatsgarantie abgeliefert, ein Betrag, welcher im Vergleich mit anderen Kantonen nicht an der oberen Grenze liegt. Im Übrigen werde diese Staatsgarantie nur vom Kanton, jedoch nicht von den Gemeinden geleistet. Bei der Steuergesetzrevision 1974 habe man diese Aspekte in die Überlegungen zum Finanzausgleich einbezogen.
://: Der Landrat spricht sich gegen die Überweisung des Postulats 2000/116 aus.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
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