Protokoll der Landratssitzung vom 16. November 2000
Protokoll der Landratssitzung vom 16. November 2000 |
Nr. 708
Motion von Esther Maag vom 24. Februar 2000: Entlastung der Bürgergemeinden von ihrer Aufgabe der Einbürgerung
RR Andreas Koellreuter: Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 29.03.2000, das die Beschwerde gegen abgewiesene Einbürgerungsgesuche zu beurteilen hatte, ist nun eine Klarstellung insofern erfolgt, als das Verwaltungsgericht den Einbürgerungsentscheid als Verwaltungsakt bezeichnet hat, der auf Verfassungsmässigkeit und bezüglich des Willkürverbotes überprüfbar ist. Mit der Uebertragung der Einbürgerungskompetenz von der Bürgergemeinde auf die Einwohnergemeinde ist das Problem der willkürlichen Ablehnung von Einbürgerungsgesuchen nicht gelöst. Dies zeigt sich auch im Falle von Emmen, wo die Abweisung von Einbürgerungen durch die Einwohnergemeinde erfolgte. Ob nun die Bürgergemeinde oder die Einwohnergemeinde über Einbürgerungen entscheidet - willkürliche Entscheide bleiben weiterhin möglich. Um die Einbürgerungsentscheide der staatlichen Willkür zu entziehen, müsste ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung vorliegen, oder zumindest eine Begründungspflicht bei Abweisung von Einbürgerungsgesuchen statuiert werden. Dies würde bedeuten, dass nicht mehr politische Instanzen, eine Bürgergemeindeversammlung, eine Einwohnergemeindeversammlung oder der Landrat, sondern die Verwaltungsbehörde entscheiden würde. Die beschriebene Ausgestaltung von Einbürgerungen existiert bereits. So besteht für erleichterte Einbürgerungen und Wiedereinbürgerungen ein Rechtsanspruch. Dafür ist einzig das eidg. Justiz- und Polizeidepartement zuständig. Denkbar und eigentlich naheliegend wäre es, dass der Bund alleine zuständig ist für die Einbürgerung ausländischer Staatsangehöriger, geht es doch letztlich um den Erwerb des schweizerischen Bürgerrechtes. Möglich wäre dies, wenn das Schweizer Bürgerrecht vom Kanton zum Gemeindebürgerrecht abgekoppelt würde. Allerdings hat der Bundesverfassungsgeber am untrennbaren dreifachen Bürgerrecht - Bund, Kanton, Gemeinde - festgehalten. Bezogen auf die kantonale Ebene wäre es auch ohne weiteres denkbar, dass der Regierungsrat oder die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion das Kantons- und Gemeindebürgerrecht an ausländische Staatsangehörige erteilen würde. Eine solche Zuständigkeitsregelung mit nur einer kantonalen Behörde würde die Gemeindeautonomie aber sehr tangieren, was der Regierungsrat weder als wünschbar noch als realisierbar erachtet. Dasselbe kann zum Anliegen der Motionärin gesagt werden, die Einbürgerungskompetenz den Bürgergemeinden zu entziehen. Das würde nämlich schlichtweg den Tod der Bürgergemeinden bedeuten. Wenn also die Einbürgerungen von ausländischen Staatsangehörigen der staatlichen Willkür entzogen werden sollen, dann ist der gesamte Bereich der Einbürgerungen zu überdenken. Mit bloss punktuellen Veränderungen werden die bestehenden Probleme nicht gelöst. Zum Ersuchen der Motionärin, den Bürgergemeinden die Möglichkeiten einzuräumen, ganz in den Einwohnergemeinden aufzugehen, ist festzuhalten, dass diese Möglichkeit bereits besteht. Gemäss § 46 Abs. 3 der Kantonsverfassung kann eine Bürgergemeinde sich mit der Einwohnergemeinde vereinigen, wenn dies beide an der Urne beschliessen. Der Beschluss der Bürgergemeinde bedingt eine Zweidrittelsmehrheit. So haben beispielsweise die Laufentaler Gemeinden Dittingen, Grellingen, Laufen und Zwingen diese Vereinigung beschlossen.
Der Antrag der Regierung lautet, die Motion nicht zu überweisen.
Esther Maag
unterrichtet den Landrat in einem staatspolitischenExkurs über das altgermanische jus sanguinis - Blutrecht, wessen Blutes sind wir? - das heute noch mit dem Bürgerrecht repräsentiert wird. Einwohnern steht jedoch das jus solis zu: Auf welchem Boden wohne ich? In welcher Gemeinde lebe ich? Heute definieren sich die meisten Menschen nicht mehr über ihren Clan, ihre Vorfahren, sondern über die Gemeinde, wo sie wohnen.
Ein Widerspruch besteht folglich darin, dass eine Bürgergemeinde ein Einwohnerrecht verleiht, weil Ausländerinnen und Ausländern kein Blutrecht verliehen werden kann. Eine gewisse Logik wird erst wieder erreicht, wenn Bürgergemeinde und Einwohnergemeinde vereint werden. Eine revolutionäre Neuerung würde damit nicht vollzogen, wie gehört, fanden schon im Laufental, aber auch in Neuenburg und im Waadtland Vereinigungen statt. Es handelte sich aber um zeitgemässere, dem Leben entsprechende Strukturen, man gewänne Effizienz, die Arbeitsabläufe würden vereinfacht und die Regelungen einheitlicher.
Sinnvoll fände es die Landrätin auch, wenn der Vorstoss der Grünen, der zwar etwas weiter geht, aber in die dargelegte Richtung zielt, in die neue Vernehmlassungsvorlage einbezogen und mitbehandelt würde. Unter diesen Umständen könnte sich die Partei bereit erklären, die Motion in ein Postulat umzuwandeln.
RR Andreas Koellreuter bittet den Rat dringendst, auch die Umwandlung der Motion in ein Postulat abzulehnen, weil damit die Abschaffung der Bürgergemeinden besiegelt wäre. Die Änderungen hätten sehr bedeutende Auswirkungen, die nicht einfach mit einer Vernehmlassung zu bewerkstelligen wären.
Elisabeth Schneider weist darauf hin, dass die Regierung den Entscheid des Verfassungsgerichtes aufgenommen und sofort gehandelt hat, was die CVP/EVP-Fraktion sehr löblich findet. Die Fraktion lehnt die Motion und auch die Umwandlung der Motion in ein Postulat ab.
Hans Schäublin lehnt namens der SVP die Motion und oder Postulat aus den vorgenannten Gründen ab.
Bruno Krähenbühl
erklärt die zwei Stossrichtungen der Motion von Esther Maag: Zum Einen geht es um die Aufhebung der Bürgergemeinden und alternativ darum, die Erteilung des Bürgerrechtes in die Kompetenz der Einwohnergemeinden zu verlegen.
Für die Aufhebung der Bürgergemeinden besteht eine Verfassungsgrundlage, während für die Kompetenzverschiebung auf die Einwohnergemeinden eine Verfasssungsrevision notwendig würde. § 44 der Verfassung regelt klar:
Für die Verleihung des Bürgerrechts sind die Bürgergemeinden zuständig.
Die erste Entmachtung der Bürgergemeinden fand bereits im Rahmen der Revison der Bundesverfassung 1874 statt. Seither müssen sich die Bürgergemeinden auf die Verwaltung des Bürgergutes sowie auf das Recht zur Erteilung des Bürgerrechtes beschränken. Diese Kompetenzregelung war im neunzehnten Jahrhundert deshalb sinnvoll, weil damals Bürgerschaft und Einwohnerschaft praktisch identisch waren. Mit der Industrialisierung zogen viele Bürger vom Heimatort weg und liessen sich irgendwo in der Schweiz nieder. Heute ist es ein Faktum, dass die Zahl der Nichtortsbürger in der Regel viel höher ist als die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die in der Gemeinde wohnen. Eine relativ kleine Anzahl Stimmberechtigter bestimmt folglich heute über den Erwerb der Schweizerischen Staatsbürgerschaft. Eie Art Bürgeraristokratie bestimmt also darüber, wer Schweizerin beziehungsweise Schweizer werden darf. Mit zunehmender Mobilität wird die demokratische Legitimation für das heutige Verfahren immer fragwürdiger. Weil die Bürgergemeinden diesen Sachverhalt erkannten, organisierten sie 1998 die Einbürgerungsaktion für Schweizerinnen und Schweizer. Damit konnten sie ihre Basis verbreitern und ihre Legitimation zur Erteilung des Bürgerrechtes etwas stärken.
Die SP-Fraktion spricht sich grossmehrheitlich für die Überweisung der Motion als Postulat aus, während Bruno Krähenbühl persönlich den Vorstoss ablehnt, weil er ihn zum jetzigen Zeitpunkt als Hypothek erkennt.
Paul Schär erklärt die geschlossen ablehnende Haltung der FDP-Fraktion gegenüber dem Vorstoss von Esther Maag.
Peter Tobler erinnert, dass dieselbe Diskussion mit ähnlichen Protagonisten schon vor 15 Jahren geführt wurde. Das Volk entschied sich dann für die heute gültige Beibehaltung der Bürgergemeinden.
Peter Brunner stellt vor der Abstimmung aus dem in ein Postulat umgewandelten Vorstoss den neuen Punkt b. vor: Die Erteilung der Staatsbürgerschaft (nebst Bund und Kanton) in der Kompetenz der Exekutivorgane der Einwohnergemeinden, keinesfalls jedoch einer geheimen Urnenabstimmung untersteht.
://: Der Landrat lehnt die Überweisung des Postulates 2000/050 ab.
Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei
Nr. 709
Postulat von Bruno Krähenbühl vom 23. März 2000: Einführung von staatlichen (oder staatlich anerkannten, kontrollierten und geförderten) Vorbereitungskursen für einbürgerungswillige ausländische Staatsangehörige
RR Andreas Koellreuter vertritt die Meinung, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, ein Angebot von Vorbereitungskursen zur Vermittlung von Kenntnissen, die zur Einbürgerung notwendig sind, sicherzustellen. In Anbetracht der Einbürgerungsvoraussetzung, 12 Jahre lang im Lande Wohnsitz zu haben, darf erwartet werden, dass einbürgerungswillige ausländische Staatsangehörige in der Lage sind, sich selbständig die erforderlichen Kenntnisse über Sprache, Geschichte und Staatswesen anzueignen. Ein Bedürfnis nach Kursen, wie sie von Bruno Krähenbühl verlangt werden, ist nicht nachgewiesen. Bezüglich Sprache besteht ein grosses Kursangebot, zum Beispiel beim auch vom Kanton unterstützten Ausländerdienst. Bezüglich Staatsbürgerkunde und Schweizer Geschichte werden in der Regel nur rudimentäre Kenntnisse vorausgesetzt, die auch aus den staatlichen Lehrmitteln zu gewinnen sind. Das Vertrautwerden mit Gebräuchen, Sitten und Lebensgewohnheiten ist wohl kaum mit Kursen zu erreichen. Begrüssenswert wäre es sicher, wenn einheitliche Kriterien über Standards und Eignung zur Einbürgerung beständen. Die Ablehnung von einheitlichen Standards seitens der Bürgergemeinden zeigt aber, dass sie für sich einen weiten Spielraum für das Eignungsgespräch beanspruchen. Die Bürgergemeinden wären auch nicht bereit, auf dieses Gespräch zu verzichten.
Der Regierungsrat bittet, den Vorstoss nicht zu überweisen.
Bruno Krähenbühl
verbirgt seine Enttäuschung über den regierungsrätlichen Entscheid nicht und gibt zu Protokoll, dass die Meinungen praktisch über alles, was die Ausländerfrage betrifft, von der Einwanderung, über die Integration und die Einbürgerung, zwischen Links und Rechts diametral auseinander laufen. Die Positionen stehen sich zur Zeit unversöhnlich gegenüber. Tragisch ist dabei, dass die Parteien der Mitte, die CVP und die FDP, die Kraft, den Mut und die Fantasie nicht aufbringen, ihrer staatspolitischen Rolle als Brückenbauer zwischen den beiden Lagern gerecht zu werden. Die Polarisierung in dieser wichtigen Frage blockiert und lähmt zusehends die Politik im Kanton und im ganzen Land. Die Ausländerfrage wird zu einer wahren Schicksalsfrage des Landes. Es wäre nun an der Zeit, nach sachlichen, konstruktiven Lösungen zu suchen. Nicht das Trennende zu betonen, sondern die Suche nach Gemeinsamem sollte endlich aufgenommen werden.
Nach der Lektüre zahlloser Schriften stiess Bruno Krähenbühl auf solche Gemeinsamkeiten: Praktisch alle Parteien begrüssen eine bessere Integration von Ausländerinnen und Ausländern. Zustimmung findet auch die Idee, die Sprachkompetenz zu erhöhen und das Verstehen von Sitten und Gebräuchen zu fördern. Die Basler SVP verlangt mit einer Initiative, dass hier lebende Migranten obligatorisch Deutsch und Integrationskurse besuchen müssen. Die Stossrichtung dieser Initiative ist die Förderung des Unterrichtes in Deutsch, die Vermittlung von Wissen über lokale Gesetze, Sitten und Gebräuche. Die SVP fordert in diesem Zusammenhang staatlich oder staatlich anerkannte Grundkurse. Das Postulat von Bruno Krähenbühl verlangt in etwa dasselbe. Offensichtlich wurde die Idee fast zur selben Zeit, aber in unterschiedlichen politischen Lagern geboren. Den Glücksfall dieser politischen Gemeinsamkeit gälte es nun zu nutzen.
§ 108 der Kantonsverfassung sagt: Kanton und Gemeinden fördern in Zusammenarbeit mit privaten Organisationen Wohlfahrt und Eingliederung der Ausländer.
Integration besteht immer aus Geben und Nehmen. Zum Minimalkonsens aller Ausländerinnen und Ausländer, die hier sesshaft werden wollen, gehört das Erlernen der Landessprache, aber auch die Zustimmung zu den geltenden Gesetzen und Wertvorstellungen. Für die öffentliche Hand ergibt sich aufgrund der Verfassung die Verpflichtung, diese Bestrebungen zur Eingliederung der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu fördern und finanziell zu unterstützen. Ein berühmtes Wort lautet: Sprache ist das wichtigste Tor zur Demokratie und ihr wichtigstes Werkzeug. Zu glauben, die Ausländerinnen könnten sich alle die notwendigen Kenntnisse einfach selbständig aneignen, erscheint Bruno Krähenbühl doch recht lebensfremd. Er wünscht vom Landrat, dass er die Chance nutzt und das Postulat auch gegen den Willen der Regierung überweist.
Heinz Mattmüller ist froh, dass von linker Seite auch mal etwas Brauchbares zum Thema Einbürgerungen vorgestellt wird. Den Schweizer Demokraten geht es nicht darum, Einbürgerungen generell zu verhindern, sondern um das Verhindern des immer wieder feststellbaren Missbrauchs mit geeigneten Massnahmen. Unter Missbrauch verstehen die Schweizer Demokraten, wenn einbürgerungswillige Ausländerinnen und Ausländer nicht in ausreichendem Masse bereit sind, sich den sozialen Verhältnissen anzupassen, etwas dazuzulernen, sondern sich mit der Doppelstaatsbürgerschaft lediglich die Bürgerrechte ergattern wollen. Zudem bezweifeln die Schweizer Demokraten die Integrität gewisser Bürgergemeinden, die der Assimilation zu wenig Beachtung schenken. Mit den im Postulat vorgeschlagenen Massnahmen würde eine im ganzen Kanton gültige Norm geschaffen. Damit erhielte das Einbürgerungswesen wieder einen seriösen Anstrich und ein Image, das den Namen Einbürgerung verdient. Zudem würde mit den vorgeschlagenen Massnahmen ein sehr guter Beitrag zur Förderung der Integration geleistet. Einzig gegen die einkommensabhängige Ausgestaltung der Kurskosten führt Heinz Mattmüller einen leisen Vorbehalt an.
Peter Tobler
bittet den Rat, das Postulat abzulehnen, so sehr der Entscheid Bruno Krähenbühl auch kränken möge und schickt voraus, es sei nicht Aufgabe der FDP, der SP zu gefallen, sondern den Wählerwillen zum Ausdruck zu bringen.
Aktuell ist es nach Ansicht von Peter Tobler nicht so, dass einbürgerungswillige Personen nicht die Möglichkeit hätten, sich zu bilden, zu integrieren und zu assimilieren. Jetzt sollten erst mal die im Bürgerrechtswesen dringlichen Angelegenheiten behandelt werden, ehe dann vielleicht noch ein kantonaler Einbürgerungsfähigkeitsausweis zu erfinden sei.
Elisabeth Schneider
weist auf die im Bürgerrechtsgesetz klar stipulierten Voraussetzungen zur Einbürgerung hin. Wie eine einbürgerungswillige Staatsangehörige oder ein einbürgerungswilliger Staatsangehöriger diese Voraussetzungen erreicht, ist bisher der Bewerberin oder dem Bewerber überlassen worden. Eine gewisse Eigeninitiative darf in diesem Bereich vorausgesetzt werden, auch zur Erlangung der notwendigen Sprachkenntnisse.
Das Postulat von Bruno Krähenbühl verdient aber eine gewisse Anerkennung, weil dessen Ziel, die Bewerberinnen und Bewerber in geeignetem Masse auf die Einbürgerungen vorzubereiten auch die CVP/EVP unterstützt. Der Weg dahin lässt allerdings nicht zuletzt mit Bezug auf die entstehenden Kosten Fragen offen. Mit dem Auftrag an die Regierung, die Anliegen zu prüfen, ist eine Mehrheit der Fraktion einverstanden und empfiehlt in der Folge, das Postulat zu überweisen.
Maya Graf findet es schade, dass so angestrengt ein Konsens gefunden werden soll. Schon lange fordert die Grüne Fraktion zum Thema Integration ein Integrationsleitbild, ein Gesamtkonzept und Massnahmen. Schwierig ist es aber und abzulehnen, eine einzelne Massnahme zu fordern. Integration beginnt für eine Migrantin oder einen Migranten nämlich mit ihrem ersten Tag in unserem Land. Wenn ein Kurs an das Ende des zehn, zwölf oder fünfzehn Jahre dauernden Prozesses gesetzt wird, dann ist es sicherlich zu spät. Kurse beziehungsweise Integrationsbemühungen müssen zu Beginn des Aufenthaltes angeboten werden. Die Landrätin fragt, warum er die Bemühungen um die Integration nicht an den Anfang der Integration stellen möchte, so wie es die Grüne Fraktion seit zehn Jahren und länger gefordert hat.
Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei
Nr. 710
Postulat von Bruno Krähenbühl vom 23. März 2000: Einführung von staatlichen (oder staatlich anerkannten, kontrollierten und geförderten) Vorbereitungskursen für einbürgerungswillige ausländische Staatsangehörige (Fortsetzung)
Peter Holinger berichtet, die SVP habe sich mehrheitlich gegen die Überweisung dieses Postulats ausgesprochen. Er vertritt klar die Meinung, diese Thematik könne kommunal angegangen werden. Als Stadtrat in Liestal sei er während mehrerer Jahre für die Bürgergemeinde zuständig gewesen und habe in dieser Funktion über hundert Einbürgerungsgespräche geführt. Nur in zwei oder drei Fällen konnte dabei ein Gesuch nicht weitergeleitet werden, weil die Sprachkenntnisse ungenügend waren. Deutschkurse können am KV, den Gewerbeschulen oder privat belegt werden, so dass hier kein dringender Handlungsbedarf besteht. Eine generelle kantonale Regelung sei nicht notwendig.
Gerold Lusser
stellt fest, dass das Thema der Integration alle Parteien beschäftige. Bis heute seien jedoch nicht einmal rudimentäre Lösungsansätze vorhanden. Obwohl sich die Parteien darüber einig seien, dass es sich hier um ein brisantes Thema mit dringendem Handlungsbedarf handle, seien sie sich über die Art und Weise, wie die Integration geschehen soll, überhaupt nicht einig.
Bruno Krähenbühl zeige in seinem Postulat einen gangbaren Weg auf, um zumindest eine gewisse Bewegung in die Situation zu bringen. Die Forderung ermögliche einen gemeinsamen Weg, ohne sich auf der ideologischen Ebene gross einigen oder aussprechen zu müssen. Dabei betont Gerold Lusser, in diesem Postulat werde die Einbürgerungsfrage angegangen, während das grössere Problem der Integration davon unterschieden werden müsse. In unserem Kanton leben ausserdem viele Nicht-SchweizerInnen, welche sich nicht einbürgern lassen, jedoch trotzdem integriert seien.
Bruno Krähenbühls Forderung stelle eigentlich nichts Neues dar, denn viele US-amerikanische Staaten praktizierten (offensichtlich mit Erfolg) schon seit langem ähnliche Lösungen. In jedem US-Bundesstaat wäre es völlig undenkbar, die Staatsbürgerschaft zu erlangen, ohne eine Englischprüfung abgelegt zu haben. Der mit dem Postulat vorgeschlagene Weg des Prüfens und Berichtens sollte weiterverfolgt werden, denn schliesslich koste dies noch nichts. Er könne nicht begreifen, dass die FDP dieses sehr freisinnige und liberale Postulat nicht unterstütze. Erst wenn die Regierung einen Vorschlag gemacht habe, sollten die eigentlichen Diskussionen zum Thema einsetzen.
Die gleichen Mechanismen, wie sie Bruno Krähenbühl vorschlägt, werden heute vom Staat schon mit Erfolg eingesetzt, und zwar im Bereich der Fahrbewilligung. Jede Person, welche eine derartige Bewilligung erlangen will, muss einen Nothilfekurs absolvieren. Dieser wird von privaten Institutionen angeboten und muss auf Kosten der BewerberInnen besucht werden.
Gerold Lusser bittet seine Kolleginnen und Kollegen, das Postulat zu unterstützen, welches seiner Meinung nach eine Möglichkeit auf einem relativ schwierig gangbaren Weg darstellt. Ausserdem ziehe die Prüfung dieses Anliegens momentan noch keine Kosten nach sich.
Bruno Krähenbühl versteht Maya Grafs Anliegen und glaubt ebenfalls, ein möglichst früher Zeitpunkt der Kurse sei richtig. Falls sein Postulat überwiesen werde, gehöre zur Prüfung seiner Idee sicher auch die Klärung der Frage, wann ein derartiger Kurs am meisten Sinn mache. Er bittet, nun nicht mehr an Ort zu treten und einen Schritt zu wagen.
Roland Meury erklärt, er werde dem Postulat zustimmen, auch wenn er sich nicht unbedingt damit identifizieren könne. Falls über die Parteigrenzen hinaus ein Konsens gefunden werden könnte, wäre dies zwar positiv, jedoch bleibe ein wesentlicher Unterschied bestehen: Die einen wollten nämlich mit einer Prüfung eindeutig eine restriktivere Einbürgerungspolitik erreichen, während die anderen die vorgeschlagenen Kurse als Hilfe zur besseren Integration sehen. Gerade wenn die Kurse aber zur Integration beitragen sollen, müssen diese von der öffentlichen Hand unterstützt werden.
Röbi Ziegler
stellt fest, die Argumentation der Grünen enthalte einige überzeugende Argumente. Auch er sieht, dass ein Integrationskurs und ein Kurs, wie er von Bruno Krähenbühl vorgeschlagen wird, nicht das Gleiche sind. Die Erteilung des Schweizer Bürgerrechts ist für ihn mit dem Wunsch verbunden, dass Leute, welche dieses Bürgerrecht erwerben, gleichzeitig auch die Fähigkeit und den Willen mitbringen, von den damit verbundenen politischen Rechten Gebrauch zu machen. Wichtig wäre daher nicht, dass die KursbesucherInnen eine Prüfung ablegen müssen, sondern dass sie die Befähigung erhalten, integriert zu sein.
Wahrscheinlich brauche es noch einige Jahre, bis bemerkt wird, dass Immigranten sich wohler fühlen und weniger Probleme im Zusammenleben mit der einheimischen Bevölkerung evozieren, wenn sie in ihrer Integration aktiv unterstützt werden. Wenn diese Einsicht sich durchgesetzt habe, könne man eines Tages auch Integrationskurse durchführen. Er bittet daher, dem mit dem Postulat vorgeschlagenen ersten Schritt zuzustimmen.
Regierungsrat Andreas Koellreuter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Rat zu einem abenteuerlichen Konsens schreiten werde. Er betont, es würden schon genügend Deutschkurse angeboten, so dass der Staat nun nicht noch zusätzliche Kurse organisieren müsse. Auch sieht er die Gefahr, dass nur Leute mit tiefen Einkommen die Kurse besuchen würden, da die Kurskosten einkommensabhängig gestaltet werden sollten. Die Idee, die Ausarbeitung eines Postulats koste nichts, sei zudem falsch, denn seine MitarbeiterInnen erhalten für ihre Arbeit auch einen entsprechenden Lohn.
://: Der Landrat überweist das Postulat 2000/064 mit 38:36 Stimmen.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
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