Protokoll der Landratssitzung vom 16. November 2000
Protokoll der Landratssitzung vom 16. November 2000 |
Nr. 702
Postulat von Bruno Krähenbühl vom 18. Mai 2000: Modernisierung der kantonalen Gesetzgebung
Peter Brunner gibt bekannt, dass die Regierung das Postulat ablehnt und bittet Andreas Koellreuter den Entscheid zu begründen.
Zu Punkt 1
Andreas Koellreuter
erachtet die zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer eines Gesetzes für unnötig, da Gesetze jederzeit abgeändert werden können. Befristete Gesetze sind nur in einigen wenigen Bereichen zwingend und sinnvoll.
Unbefristete Gesetze garantieren Konstanz und Verlässlichkeit und tragen damit entscheidend zur Rechtssicherheit bei. Dieser Aspekt hat in der heutigen schnellebigen Gesellschaft durchaus seinen Stellenwert.
Wird ein Gesetz zeitlich befristet und hat somit ein Verfalldatum, wäre ein zusätzlicher Verfahrens- und Kostenaufwand für die Verlängerung des Gesetzes und das erneute Vernehmlassungsverfahren zwingend, selbst wenn sich das Gesetz ausnahmslos bewährt hat. Ausserdem ist zu befürchten, dass die Grundsatzfrage, ob und warum ein Gesetz einer Verlängerung bedarf, zu immer wiederkehrende Dikussionen Anlass geben würde. Völlig unklar ist zudem, was geschehen soll, wenn die Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Gesetzes aufgrund eines politischen Zufallsentscheides nicht mehr Zustande kommt, obwohl eine gesetzliche Regelung, in welchem Rahmen auch immer, dringend benötigt wird. Dies könnte, auf Zeit zu einem gesetzlosen Zustand führen, der im Interesse der Rechtssicherheit tunlichst zu vermeiden ist.
Ausserdem stellt sich die Frage nach der Referendumsfähigkeit parlamentarischer Verlängerungsbeschlüsse. Tritt nämlich ein Gesetz aufgrund seiner Befristung ausser Kraft, müsste der Parlamentsbeschluss über Verlängerung oder nicht analog zu einem neuen Gesetz oder einer Gesetzesänderung dem fakultativen Referendum unterstellt werden. Dies könnte zur paradoxen Situation führen, dass der Verlängerungsbeschluss eines Gesetzes, welches ursprünglich ohne Volksabstimmung in Kraft trat, aufgrund des Stimmenverhältnisses bei der Verabschiedung im Landrat dem Volksentscheid untersteht.
Zu Punkt 2
Gesetzgebungsvorlagen enthalten in der Regel eine Kostenschätzung wie sie sich für den Kanton und/oder allenfalls für die Gemeinden aus einer Gesetzgebungsvorlage ergeben. Hingegen dürfte eine Schätzung der indirekten Kosten für die Betroffenen nicht bloss schwierig sondern auch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein. Aufgrund dieser Tatsache enthalten die Gesetzgebungsvorlagen von Bund und Kanton diesbezüglich keine Angaben. Dieser Postulatpunkt wird allerdings im Rahmen der Ueberarbeitung der Weisungen zur Gesetzesvorlage von 1975 durch die Justizkommission erneut überprüft.
Zu Punkt 3
Bezüglich des Testverfahrens kann der Regierungsrat keinen Handlungsbedarf ausmachen. Selbstverständlich werden bei der Ausarbeitung einer Gesetzgebungsvorlage die Auswirkung neuer oder abgeänderter Erlasse durch die jeweiligen VorlageredaktorInnen soweit möglich überdacht.
Sowohl das verwaltungsinterne Mitberichtsverfahren als auch das externe Vernehmlassungsverfahren liefern dazu wichtige Erkenntnisse. Im Rahmen dieser Verfahren findet auch der Vergleich zwischen den bisherigen und den neu vorgeschlagenen Rechten statt.
Zu Punkt 4
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen hält der Regierungsrat fest, dass allfällige Mängel und Nebenwirkungen, in aller Regel der Direktion bzw. der Gesetzesredaktion mitgeteilt werden. Wichtige Rechtsmittelentscheide werden in dafür speziellen Publikationen öffentlich zugänglich gemacht.
Daher sieht der Regierungsrat für ein zusätzliches Rückmeldesystem oder das Einrichten einer speziellen Datenbank keine Notwendigkeit.
Zu Punkt 5
Das Regierungsprogramm 99/003 enthält für das JPMD unter anderem die Massnahme der Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur systematischen und umfassenden Ueberprüfung der Gesetzgebung auf ihre Notwendigkeit und Aktualität hin.
Die Einsetzung der Arbeitsgruppe ist auf anfang 2001 geplant.
Zu Punkt 6
Soweit vom Regierungsrat überschaubar, wird berechtigten Anliegen, nach Berücksichtigung des Datenschutzes im Vorverfahren, der Gesetzgebung heute weitgehendst nachgelebt.
Der Regierungsrat beantragt deshalb das Postulat nicht zu überweisen, oder aber es sofort wieder abzuschreiben.
Bruno Krähenbühl
lebte bis heute im Glauben, dass mit einem Postulat die Regierung aufgefordert werde zu prüfen und gelegentlich zu berichten. Entweder liege er mit seiner Auffassung daneben oder aber die Prüfung sei bereits „über die Bühne gegangen" und der Bericht liege schon vor.
Schwierig sei allerdings, den von der Regierung im Schnellzugstempo verlesenen Text im gleichen Tempo nachvollziehen zu können.
Die aktuellen kantonalen Weisungen zur Gesetzestechnik stammen vom 1. Juli 1975.
Im Regierungsprogramm hat sich die Regierung bereit erklärt, die Weisung in der laufenden Legislaturperiode zu revidieren.
Auch der Bund ist daran, seine gesetzestechnischen Richtlinien, die noch aus dem Jahre 1976 stammen einer Revision zu unterziehen.
Bei der Gesetzgebung handelt es sich nach wie vor um eines der Kerngeschäfte des Parlamentes, weshalb er es als wichtig erachte, dass sich der Rat Gedanken über die modernen Ansätze der Gesetzestechnik mache.
Wenn die wirkungsorientierte Verwaltungsführung ernst genommen werde, müsse in erster Linie dafür gesorgt werden, dass man sich künftig vermehrt mit der Wirkung der Gesetze auseinandersetze.
Eine wirkungsorientierte Verwaltung muss zwangsweise durch eine wirkungsorientierte Gesetzgebung ergänzt werden.
Gerade beim Punkt des Rückmeldesystems, hier spreche er vor allem die jüngeren Ratsmitglieder an, halte man ein Instrument in Händen durch welches dem Parlament ein grosser Leerlauf erspart werden könnte.
Man müsse langsam von der Arbeitsweise des 19. Jahrhunderts zu den Techniken des 21. Jahrhunderts übergehen.
Peter Tobler
sieht im Postulat einige bedenkenswerte Punkte. Wenn die FDP Fraktion dem Postulat trotzdem ablehnend gegenüberstehe, dann nicht deshalb, weil nicht nicht viele Dinge sehr wohl diskussionswürdig sind, sondern weil die Diskussion schrittewise, aber nicht als Sammelvorlage geführt werden sollte.
Grundsätzlich unterstütze er die Ausführungen des Votanten.
Ob allerdings die von Lukas Ott in seiner Lizentiatsarbeit aufgezeigten Mitteldie einzig richtigen sind, darüber könne man sehr wohl diskutieren.
Die Wahl der zur Diskussion stehenden Ansatzpunkte spiegeln die Optik des Verfassers wider; es könnten aber durchaus auch andere Schlüsse daraus gezogen werden.
Die
Befristung
neuer Gesetze sei ein Mittel zu einer Reform. Dass Gesetze grundsätzlich und in jedem Fal nur noch auf Zeit erlassen werden sollen, könne er keinesfalls unterstützen.
Bei der Idee als solches handle es sich um kein Novum, sie stamme aus den USA und der dafür verwendete Fachausdruck laute "sunset closes", was soviel bedeute, wie dass mit dem Sonnenuntergang die Gesetzesbestimmung ebenfalls untergehe.
Beim
Kostennachweis
handle es sich nur um einen Teilaspekt. Hier müsse die Diskussion breiter abgestützt werden.
Das
Testverfahren
bezeichnet er als "lustige Idee", welche erfolgreich sein könne. Es gebe jedoch Ausnahmen z.Bsp. das Wahlgesetz.
Eine systematische Auswirkung der Gesetzeserfassung sei notwendig. Der GPK falle in diesem Zusammenhang eine wichtige Aufgabe zu. Ob jedoch jede Fehlfunktion eines Gesetzes in einem parlamentarischen Vorstoss enden müsse, da hege er gewisse Zweifel.
Erfreulicherweise erkläre sich die Regierung bereits die
systematischen Wirkungskontrolle
einzuführen.
Zur
Berücksichtigung des Datenschutzes
merkt er an, dass diese in den Bereich der Grund-und Persönlichkeitsrechte fallen. Er plädiere dafür, das dass Gesetz auch die restlichen Persönlichkeitsrechte berücksichtige und nicht ausschliesslich den Datenschutz.
Abschliessend unterstreicht er, dass er zu einer Diskussion in Einzelschritten tendiere und das Postulat als Sammelvorlage zur Ablehnung empfehle.
Matthias Zoller
spricht sich namens der" junggebliebenen" CVP Fraktion für die Ueberweisung des Postulates und die umfassende Prüfung der verschiedenen Punkte aus.
Regelmässig ertönen Klagen bezüglich der Gesetzesflut im Parlament . Sehr selten hingegen werde ein Gesetz ersatzlos gestrichen.
Zu prüfen, wie das Gesetzgebungsverfahren effizienter und mit weniger Leerläufen gestaltet werden kann, müsse das Ziel von Regierung und Landrat sein.
Auch ihm sei klar, dass ein Postulat immer finanzielle Auswirkungen habe.
Im übrigen teile er das leise Befremden Bruno Krähenbühls zur raschen Beantwortung des Postulats durch die Regierung.
Dieter Völlmin
bezieht sich auf die inhaltliche Beurteilung von Regierungsrat Andreas Koellreuter, wonach dieser die Pkte. 1 und 3 für untauglich, die Pkte 2,4,5 und 6 als prüfenswert befunden hat.
Er interpretiere die Aussage so, dass damit offene Türen eingerannt werden.
Aufgrund der Aeusserungen Andreas Koellreuters müsse das Postulat überwiesen werden um eine vernünftige Weiterbehandlung ohne zusätzlichen Aufwand zu garantiren.
Die SVP Fraktion stellt sich mehrheitlich auf den Standpunkt, dass das Postulat überwiesen werden sollte.
Esther Maag
und die Fraktion der Grünen haben sich ihren Entscheid nicht leicht gemacht. Auf Anhieb war man sich einig das Postulat zu überweisen. Als man jedoch die einzelnen Punkte genauer unter die Lupe nahm, machten sich, vor allem unter Pkt 1 leise Zweifel bemerkba , wobei vor allem die Pkte. 5 und 6 die volle Unterstützung der Fraktion fanden.
Auch nach längerer Diskussion habe man in der Fraktion keine Einigkeit erzielt, weshalb man Stimmfreigabe beschlossen habe.
Bruno Steiger
unterstützt das Votum Andreas Koellreuters und meint an die Adresse Bruno Krähenbühls, dass unter dem Stichwort Modernisierung nicht zwingend alles besser, sondern oftmals schwieriger und komplizierter werde.
Er sehe aus diesem Grund keinen Handlungsbedarf und die Mehrheit der Fraktion stehe der Ueberweisung ebenfalls ablehnend gegenüber.
Ruedi Brassel
kommt aufgrund der Diskussion zum Schluss, dass darüber Einigkeit herrscht, dass sich das Gesetzgebungsverfahren im Wandel befindet und dass geprüft werden muss, wie innerhalb des Gesetzgebungsprozesses Akzente gesetzt werden können. Dies bedeutet die ausgefahrenen Schienen zu verlassen. Man dürfe dabei nicht von pfannenfertigen Lösungen ausgehen und eine Gesamtsicht, wie sie der Postulant aufzeige, erweise sich in der heutigen Situation als nötig und sinnvoll.
Mit einer Rückweisung würde man sich seines Erachtens die Chance für eine Gesamtlösung verbauen, weshalb er beantrag das Postulat zu überweisen.
Bruno Krähenbühl
bedankt sich für die teilweise gute Aufnahme.
Zu den Ausführungen Peter Toblers bemerkt er, dass dieser am 15.10.1998 ein Postulat unter dem Titel "Vereinfacht die Gesetzgebung" eingereicht habe. Darin fordert er ein systematisches Prüfprogramm über alle Gesetzesebenen zur Klärung welche Gesetze abgeändert, gestrichen oder beibehalten werden sollen.
In "seinem jugendlichen Uebermut" sei er etwas radikaler und setze eine Frist, damit löse er einen Zwang zum Handeln aus.
Er wette eine gute Flasche Wein, dass Peter Tobler in den nächsten fünf Jahren nicht viele Gesetze erhalten werde, welche die Regierung zur Abschaffung empfehle, obwohl sich alle einig seien, dass es zuviele Gesetze gebe.
Dies komme auch seitens der Wirtschaft zum Ausdruck, welche bei jedem neuen Gesetz reklamiere, weil der Staat keinen Gedanken daran verschwende, mit welchen Kosten die Umsetzung für die Wirtschaft verbunden sei.
Zum Testverfahren erinnert er daran, dass das Parlament kürzlich das Landwirtschaftsgesetz beschlossen habe. 1998 in Kraft gesetzt, liegt bereits die erste Revision auf dem Tisch.
Zudem werden die kantonalen Weisungen über die Gesetzestechnik von der Regierung im stillen Kämmerlein erlassen. Das Parlament, dessen Kerngeschäft die Gesetzgebung ist, hat darauf keinerlei Einfluss.
Die Überweisung dieses Postulats ermöglicht der Regierung Bericht zum Postulat resp. zur Zusammenstellung der Gesetzesanleitung zu erstatten und ihre Ideen dazu einzubringen.
Er bitte daher den Rat die Überweisung des Postulates zu unterstützen.
Roland Meury
versteht seinen Auftrag dahingehend, dass er es ernst nehme wenn er Gesetze mache, aber er verstehe es auch so, dass Wünschbares darin Platz finden müsse. Wenn man jedoch unzählige Punkte bezüglich der Machbarkeit hinterfragen müsse, sei für Wünschbares kein Platz mehr.
Für ihn verlagere man das Gewicht der Gesetzgebung weg von der Verantwortung gegenüber der Bevölkerung hin zur Sicht der Akzeptanz. Aus diesem Grunde stehe er dem Postulat ablehnend gegenüber.
Regierungsrat
Andreas Koellreuter
bittet den Rat, sich über die Tragweite der ersten drei Punkte Gedanken zu machen.
Die Folgen einer öffentlichen Datenbank, hier spricht er Punkt 4 an, wäre, dass bei jeder Neuerung oder Aenderung am folgenden Donnerstag ein Postulat oder eine Motion ins Haus steht.
Er plädiert nach wie vor dafür das Postulat abzulehnen.
://: Die Überweisung des Postulats wird mit 33:32 Stimmen abgelehnt.
Peter Brunner schliesst die Vormittagssitzung um 12.00 Uhr.
Für das Protokoll:
Ursula Amsler, Landeskanzlei
Nr. 703
Überweisungen des Büros
Landratspräsident Peter Brunner gibt Kenntnis von folgenden Überweisungen:
2000/218
Bericht des Regierungsrates vom 7. November 2000: Verpflichtungskredit für die Jahre 2001 und 2002 aus dem Bethesda Spital-Vertrag;
an die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission
2000/219
Bericht des Regierungsrates vom 7. November 2000: Verpflichtungskredit für die Jahre 2001 und 2002 aus dem Sonnenhalde-Vertrag;
an die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission
2000/220
Bericht des Regierungsrates vom 7. November 2000: Verpflichtungskredit für die Jahre 2001 und 2002 aus dem Merian Iselin Spital-Vertrag;
an die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission
2000/221
Bericht des Regierungsrates vom 7. November 2000: Verpflichtungskredit für die Jahre 2001 und 2002 aus dem St. Claraspital-Vertrag;
an die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission
2000/222
Bericht des Regierungsrates vom 7. November 2000: Regionales Schulabkommen über die Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für Gesundheitsberufe;
an die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission
2000/224
Berichte des Regierungsrates vom 14. November 2000: Beitritt zur interkantonalen Vereinbarung zum Abbau Technischer Handelshemmnisse;
an die Bau- und Planungskommission
2000/225
Bericht des Regierungsrates vom 14. November 2000: Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) Genehmigung von Globalbeiträgen für die Jahre 2001 und 2002;
an die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission
2000/226
Bericht des Regierungsrates vom 14. November 2000: Lohnanpassung für das Jahr 2001;
an die Personalkommission
Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei
Fortsetzung >>>
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