Protokoll der Landratssitzung vom 11. Januar 2001

Nr. 819

5 2000/210
Berichte des Regierungsrates vom 24. Oktober 2000 und der Justiz- und Polizeikommission vom 6. Dezember 2000: Gesetz über die Reduktion der Gebühren für die Einbürgerung ausländischer Staatsangehörigen aus Anlass der 500-jährigen Zugehörigkeit des Kantons zur Eidgenossenschaft. 1. Lesung


Justiz- und Polizeikommissionspräsident Dieter Völlmin fasst den Kommissionsbericht kurz zusammen und stellt fest, dass es sich für einmal nicht um ein kompliziertes Geschäft handle und letztlich nur die Frage zu entscheiden sei, ob man eine solche Einbürgerungsaktion lancieren wolle oder nicht. Hervorzuheben gelte es noch die von der Kommission vorgenommene Abänderung der regierungsrätlichen Vorlage unter § 2 Abs. 1, wo sie die Maximalgebühr der Bürgergemeinde auf 1/24 des gesamten steuerbaren Jahreseinkommens festgelegt habe. Sie beantrage dem Rat bei einer Enthaltung mit 8:2 Stimmen, das Gesetz gemäss Beilage zum Kommissionsbericht zu beschliessen, und einstimmig, das Postulat 1999/139 der SP-Fraktion als erfüllt abzuschreiben.


Christoph Rudin meldet, dass die SP-Fraktion die Anträge der Kommission unterstütze, und zwar nicht zuletzt als Geste der Wertschätzung und Entschuldigung gegenüber der ausländischen Bevölkerung für erlittene unfreundliche politische Aktionen und Verunglimpfungen auch in diesem Parlament. Die Jubiläumsaktion sei moderat, weil sie lediglich eine Halbierung der Gemeindegebühr und einen Verzicht auf die kantonale Gebühr vorsehe. Wie die FDP in ihrer Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf richtigerweise darauf hingewiesen habe, seien die Einbürgerungsgebühren generell zu hoch angesetzt und dienten nicht nur der Kostendeckung im Einbürgerungsverfahren, sondern in noch höherem Masse der generellen Finanzbeschaffung. Dieses Problem wäre es wert, in anderem Zusammenhang einmal einer Prüfung unterzogen zu werden.


Um die Vorlage nicht zu gefährden, habe seine Fraktion darauf verzichtet, aktive Werbemassnahmen für die Aktion zu beantragen. Sie bitte den Rat, den Anträgen der Kommission im Sinne eines guten Kompromisses zu folgen.


Peter Tobler bittet den Rat namens einer Mehrheit der FDP-Fraktion, auf die Vorlage einzutreten und sie zu verabschieden. Die FDP habe schon in ihrer Vernehmlassung auf den Umstand hingewiesen, dass der Kanton auf Veranlassung der Bürgergemeinden bereits eine Einbürgerungsaktion für Schweizerinnen und Schweizer durchgeführt habe, der ein grosser Erfolg beschieden gewesen sei. Er persönlich unterstütze auch in der Eigenschaft als Mitglied einer Bürgergemeinde die Idee einer gleichlautenden Aktion für Ausländerinnen und Ausländer, weil es im Rahmen der normalen Aufgaben einer Bürgergemeinde liege, nicht nur Personen schweizerischer, sondern auch solche ausländischer Herkunft ins Bürgerrecht aufzunehmen.


Emotionen lösten solche Aktionen allemal aus, doch könne der Landrat der vernünftigen Kompromisslösung, zu der sich die Kommission in der Gebührenfrage durchgerungen habe, getrost zustimmen, ohne sich den Vorwurf machen zu müssen, allzu stark in die Gemeindeautonomie einzugreifen. Persönlich könne er sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass der Stand Basel im Jahre 1501 niemals eine Chance gehabt hätte, in die Eidgenossenschaft aufgenommen zu werden, wenn damals dort die gleich zurückhaltende Einbürgerungspraxis geherrscht hätte, wie sie heutzutage gang und gäbe sei.


Matthias Zoller erklärt auftrags der CVP/EVP-Fraktion Eintreten auf die Vorlage und Zustimmung zu den Kommissionsanträgen. Ihres Erachtens werde mit dieser Aktion nicht nur ein längst fälliges, sondern auch ein nach der Zustimmung zur erleichterten Einbürgerung konsequentes Zeichen gesetzt. Eine Mehrheit habe sich auch für die moderate Reduktion der Gemeindegebühr ausgesprochen, nachdem die Bürgergemeinden mehrheitlich bereits nicht mehr die Maximalgebühr einzufordern pflegten.


Fredy Gerber . sieht in der fünfhundertjährigen Zugehörigkeit des Kantons zur Eidgenossenschaft keinen logischen Zusammenhang mit der hier zur Diskussion stehenden Aktion für Ausländer und schon gar keinen Anlass zum Verzicht auf bzw. die Reduktion der Gebühr, mit dem nur Rechtsungleichheit vor allem gegenüber jenen geschaffen werde, welche die Zeitlimite um weniges verfehlt hätten. Mit dieser Aktion beeinträchtige man nur die Feierstimmung, und zudem stelle sie einen erneuten, absolut verwerflichen Eingriff in die Gemeindeautonomie dar. Aus den dargelegten Gründen lehne es die SVP-Fraktion einstimmig ab, auf die Vorlage einzutreten.


Bruno Steiger gibt das Befremden darüber zu Protokoll, wie die fünfhundertjährige Zugehörigkeit des Kantons zur Eidgenossenschaft dazu missbraucht werden solle, einer seit Jahren verfehlten Ausländerpolitik, wie sie vorab von linken und linksbürgerlichen Kreisen initiiert werde, Vorschub zu leisten. Der von Regierungsrat Andreas Koellreuter und Landratskollege Peter Tobler hergestellte Bezug dieser Aktion für Ausländer zu derjenigen für schweizerische Staatsbürger sei völlig irrelevant, weil es den letzteren nicht um die Erlangung eines zweiten Passes gegangen sei. Zudem könne die Erlangung des Gemeindebürgerrechts kaum noch als Geschenk bezeichnet werden, nachdem es den betreffenden Personen keine Vorteile mehr bringe, weil sie selbst dann nicht in ihre Heimatgemeinden abgeschoben werden könnten, wenn sie armengenössig werden sollten. Der einzig ersichtliche Vorteil sei vielleicht höchstens noch ein Weihnachtsbaum, der ihnen geschenkt werde.


Es sei kein Zufall, dass sich immer mehr kulturfremde Personen aus dem islamischen Bereich um den Schweizer Pass bemühten, denn mit dessen Erlangung könnten sie nicht mehr ausgeschafft werden, selbst wenn sie die Fürsorge in erheblichem Masse strapazierten oder es darauf abgesehen hätten, den Sozialstaat auf andere Weise auszuhöhlen. Die kantonale Fürsorgestatistik beweise, dass diese Schlussfolgerung nicht aus der Luft gegriffen sei.


Die Fraktion der Schweizer Demokraten setzten sich gegen jede Verschacherung des Schweizer Passes zur Wehr, beantragten Nichteintreten auf die Vorlage und empfehle der Regierung das Jubiläum in einem würdigen Rahmen zu feiern, damit auch die einheimische Bevölkerung etwas davon habe.


Esther Maag gibt bekannt, dass die Fraktion der Grünen diese Aktion als eine Geste und positives Signal an die Adresse des ausländischen Bevölkerungsanteils, bei der es sich eigentlich nur noch um einen politischen Nachvollzug einer alltäglichen Realität handle. Bedauerlich sei, dass die SVP-Fraktion ihren Standpunkt geändert habe und die Aktion für Ausländer nicht mehr unterstützen wolle, obwohl sie dies für den Fall versprochen habe, dass die Aktion für Schweizer ermöglicht werde.


Röbi Ziegler gibt vor allem der SVP-Fraktion zu bedenken, dass es sich bei den Nutzniessern dieser Aktion in erster Linie um Personen handle, die vor dem zweiten Weltkrieg in die Schweiz gekommen seien, um beispielsweise nicht in einen fremden Militärdienst eingezogen zu werden, den Aufenthalt in einem Arbeitslager in Kauf genommen und sich dann in den fünfziger Jahren hier eine Existenz aufgebaut hätten, und zwar mehrmals in der Furcht, einer der Ünberfremdungsinitiativen zum Opfer zu fallen. Ferner sehe er vor seinem geistigen Auge Leute, die nach 30-, 40-jährigem Aufenthalt in der Schweiz die Rückkehr in ihr Heimatland nicht mehr geschafft hätten, weil sie inzwischen mentalitätsmässig zu Schweizern geworden seien, und junge, hier aufgewachsene Ausländer, die sich von der Identität her zwischen Stuhl und Tisch positioniert fühlten.


Der Sinn und Zweck dieser Aktion bestehe aus seiner Sicht darin, all diesen Menschen zu signalisieren, dass man sich über ihre Anwesenheit freue und sie gerne in den Kreis der Einheimischen aufnehmen würde. Was die Ungleichbehandlung anbelange, sei der SVP-Fraktion entgegen zu halten, dass jede Bestimmung, jedes Gesetz usw. an einem Stichtag beginne bzw. ende und es nur darauf ankommen könne, alle in der gleichen Sache zum gleichen Zeitpunkt gleich zu behandeln.


Der Zusammenhang zwischen Aktion und 500-Jahr-Jubiläum sei bei etwas gutem Willen durchaus erkennbar, wenn man bedenke, dass die Eidgenossenschaft bei der Aufnahme des Standes Basel nicht die engherzige Stellung an den Tag gelegt habe, wie sie hier von gewissen Leuten propagiert werde.


Peter Tobler wirft Bruno Steiger vor, die Bürgergemeinden nicht ernst zu nehmen, ja sie lächerlich zu machen, wenn er behaupte, der einzige Vorteil einer Aufnahme in ihr Bürgerrecht bestehe darin, dass man einen Weihnachtsbaum oder ein Ster Holz gratis beziehen könne. Vielmehr gehe es doch um den Einbezug ins politische und gesellschaftliche Geschehen und darum, gerade bei so schwierigen Entscheiden wie über Einbürgerungen und dergleichen mitwirken zu können.


Hanspeter Ryser bemängelt an der Aktion vor allem den Eingriff in die Gemeindeautonomie und den Umstand, dass hier Leuten ein Geschenk angeboten werden solle, um das sie sich während ihres langen Aufenthaltes in der Schweiz nie bemüht hätten. Eine Aktion für Angehörige der zweiten und dritten Ausländergeneration hätte ihm besser gefallen. Aus diesem Grund plädiere er für Nichteintreten.


Matthias Zoller hält den Einwand, mit der Halbierung der Maximalgebühr werde unzulässigerweise in die Gemeindeautonomie eingegriffen, schon deshalb für ein Scheinargument, weil der Eingriff bereits mit der Einführung der jetzigen Gesetzesregelung stattgefunden habe, und zwar nicht nur temporär, sondern für die ganze Gesetzesdauer. Bruno Steiger könne er angesichts seiner Geringschätzung des Bürgerechts nur empfehlen, künftig auf das uninteressante Stimm- und Wahlrecht zu verzichten.


Hans Schäublin macht geltend., dass die SVP-Fraktion einfach nicht bereit sei, mit einer solchen Aktion willkürlich eine Rechtsungleichheit zu schaffen. Gewisse Gemeinden hätten früher mit solchen Aktionen sich den zweifelhaften Ruf verschafft, "Discountbürger" zu kreieren. Falls man diesen Willkürakt zulasse, werde er sich mit gleichem Recht die Einreichung einer Motion vorbehalten, wonach alle Leute des Jahrganges 1946, einfach weil es nette Leute seien, für ein Jahr keine Steuern bezahlen müssten.


Max Ribi ist aufgefallen, dass die Schweizer über das grosse Talent verfügten, sich offizielle Festivitäten vorher zu vermiesen, und erinnert dabei an die Querelen im Vorfeld der EXPOs 1964 und 2002 und der Weltausstellung in Spanien sowie das Tauziehen um die 700-Jahrfeierlichkeiten in diesem Parlament. Wie ein Volk seine Feste zu feiern vermöge, habe immer noch symbolische Bedeutung, und eigentlich gehe es im vorliegenden Fall nur noch darum, entweder das Herz entscheiden zu lassen und zur Aktion ja zu sagen oder das Portemonnaie und davon abzusehen.


Bruno Krähenbühl teilt die Bedenken der FDP-Fraktion hinsichtlich der Verfassungsmässigkeit der Einbürgerungsgebühren und bezeichnet es als notwendig, diesen Bereich gelegentlich einer Prüfung zu unterziehen, um nicht früher oder später einmal Gebühren für einen reinen Verwaltungsakt in der Höhe eines Monatslohnes vor Gericht rechtfertigen zu müssen, was sich als äusserst heikel erweisen dürfte, bewege man sich doch damit eher im Bereich einer Steuer. Auf das Gleichbehandlungsprinzip zu pochen, sei an sich valabel, doch wenn es von Fredy Gerber in einer Sache strapaziert werde, die Ausländer betreffe, so sei dies stossend, weil es von dieser Seite bei der Aktion für Schweizer nicht angemahnt worden sei. Er selbst habe damals zu den Ungleichbehandelten gehört, weil er den Vergünstigungstermin um ein Jahr verpasst habe.


Hildy Haas wendet ein, dass die Ungleichheit ein störendes Mass annehmen könne, wenn man die Einbürgerungsgebühren vergleiche, die ganze Familien mit einigen Kindern vor oder nach der Aktion zu entrichten hätten.


Landratspräsident Peter Brunner begrüsst auf der Tribüne den Präsidenten der Schweizer Bürgergemeinden, Herrn Fässler, herzlich.


Regierungsrat Andreas Koellreuter nimmt nach vorgängiger Skepsis von der weitgehend guten Aufnahme der Vorlage mit Genugtuung Kenntnis, obwohl er nicht im geringsten daran zweifle, dass das Gesetz dem Volk unterbreitet werden müsse, weil es kaum eine 4/5-Mehrheit finden werde. Er selbst finde es gut, dass in einer so emotionsgeladenen Angelegenheit die Stimmbürger das letzte Wort haben werde.


Die Akrobatik, wie sie vor allem seitens der SVP-Fraktion in dem Sinne veranstaltet werde, dass sie im Gegensatz zur Einbürgerungsaktion für schweizerische Staatsbürger im Jahre 1998 hier das Gleichbehandlungsprinzip geltend mache, könnte dazu verführen, ihr vorzuhalten, damit das gleiche Prinzip zu verletzen. Die gleiche Inkonsequenz könnte man auch monieren, wenn man den Zusammenhang dieser Aktion mit der 500-Jahrfeier und der damaligen mit der 150-jährigen Zugehörigkeit des Baselbiets zur modernen Eidgenossenschaft vergleiche. Wenn eine Feier im Hinblick auf den Beitritt von einigen Tausend Ausländern zur Eidgenossenschaft vor 500 Jahren - ein absolut sensationelles Integrationsprojekt - kein Argument für die Durchführung einer Einbürgerungsaktion sei, so werde diese vermutlich überhaupt nie möglich sein.


Dem Regierungsrat sei es nicht eingefallen, sich anlässlich der Aktion für Schweizer darüber zu beklagen, dass die Bürgergemeinden mit ihrer Initiative in die Kantonsautonomie eingegriffen hätten. Argumente dieser Art würden immer dann strapaziert, wenn es einem gerade in den Kram passe.


Was die Verfassungsmässigkeit der Gebühren angehe, wäre eine Prüfung sicher angezeigt, weil sie seiner Meinung nach sicher nicht gegeben sei. Dies gelte nur für die kommunalen Gebühren, denn mit 700 Franken kantonaler Gebühr dürfte man gerade noch im Rahmen einer Gebühr liegen, die für einen Verwaltungsakt verlangt werden könne.


Er hoffe, dass die gute Idee erfolgreich sein werde, und zwar letztlich auch in der Volksabstimmung. Bruno Steiger rate er, die einschlägige Broschüre zu lesen, wo aufgezeigt werde, welche Veranstaltungen und Aktionen im Rahmen der Fünfhundertjahrfeier vorgesehen seien; im übrigen hoffe er sehr, ihn heute Abend auf einem der 6'000 Sitze anzutreffen, von denen aus Mahlers "Symphonie der Tausend" genossen werden könne.


://: Der Rat beschliesst grossmehrheitlich, auf die Vorlage einzutreten, und lehnt damit die Nichteintretensanträge der SVP- und der SD-Fraktion ab.


Detailberatung

Landratspräsident Peter Brunner erklärt die erste Lesung als abgeschlossen.


Für das Protokoll:
Erich Buser



Nr. 820

6 2000/171
Interpellation von Roland Plattner vom 7. September 2000: Rechtsradikalismus. Schriftliche Antwort vom 19. Dezember 2000



Nr. 821

7 2000/176
Interpellation von Esther Maag vom 7. September 2000: Massnahmen gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Schriftliche Antwort vom 19. Dezember 2000


://: Auf Antrag von Roland Plattner wird Diskussion bewilligt.


Roland Plattner verdankt die mehrheitlich ausführliche Beantwortung seiner Interpellation und bittet Regierungspräsident Andreas um zusätzliche Auskünfte zu den Antworten 1, 4 und 6.


Zu Antwort 1: Zur materiellen Lagebeurteilung vermisse er Angaben zum zahlenmässigen Potential, der Organisationsstruktur und des Organisationsgrades der rechtsextremen Szene. Zur Abschätzung des gegenseitigen Aufwiegelungspotenzials sei auch die linksextreme Szene in gleicher Weise zu analysieren.


Zu Antwort 4: Es stelle sich zusätzlich die Frage, ob nicht nebst der Botschaft, dass nicht Gewalt geübt werden solle, die Vorteile und Chancen der multikulturellen Gesellschaft in den Vordergrund gestellt werden müssten. An den abwesenden Erziehungs- und Kulturdirektor richte er die Frage, ob auch entsprechende Unterrichtsmittel und -einheiten beständen und, wenn ja, ob diese auch gebraucht werden.


Zu Antwort 6: Seine Frage laute, ob er die Antwort richtig interpretiere, wenn er davon ausgehe, dass die Regierung die Einrichtung einer Fachstelle nicht nur zu überprüfen, sondern sie auch einzurichten gedenke.


Heinz Mattmüller bezeichnet es als Pech der Initianten, dass die Beantwortung ihrer Fragen in eine Zeit gefallen sei, wo sich in den Medien Meldungen über Greueltaten, Mord, Totschlag und Raumüberfälle, Massenschlägereien, Diebstahlserien, gewalttätige Demonstrationen ausländischer Personen und Gruppierungen in dieser Region und in der ganzen Schweiz förmlich überschlagen hätten. Diese Vorfälle könnten den Interpellanten als Antwort auf ihre Frage nach den Ursachen der Xenophobie entgegen gehalten werden. Jedenfalls bestehe unter solchen Umständen keinerlei Anlass, diejenigen, die sich dagegen zur Wehr setzten, in die Ecke der Halbkriminellen und Xenophoben zu drängen und Demonstrationen patriotisch gesinnter Landsleute polizeilich zu verbieten. Gegen die Horrormeldungen über Untaten ausländischer Personen und Gruppierungen nähmen sich die vier Müsterchen über angeblich rechtsextreme Machenschaften, welche die Interpellantin im ganzen Land krampfhaft habe zusammen kratzen müssen, geradezu harmlos aus.


Esther Maag verweist auf den geschlechterspezifischen Aspekt im Rechtsextremismus, den u.a. Walter Holenstein, Professor für politische Soziologie, kompetent analysiert habe. Nach ihm sei die Dominanz der Männer in der Gewaltszene letztlich auf das Festhalten am hergebrachten gesellschaftlichen Machtgefüge zurückzuführen. Nun, da es nichts mehr tauge und sich leider noch kein neues Selbstverständnis entwickelt habe, werde versucht, die Brüchigkeit der Männlichkeit mit Gewalt zu kompensieren. Demnach sei der männliche Rechtsextremismus eigentlich eine Form der Überkompensation eigener Schwäche, die sich vor allem an Schwächeren auslasse. Diese Männer könnten ihre inneren Regungen von Schwäche, Hilflosigkeit und Trauer nicht zulassen, sondern müssten sie abspalten und verdrängen. Wer sich schach fühle und stark sein möchte, der werde brutal vor allem gegen noch Schwächere wie Frauen und Ausländer. Sie neigten zur Entwicklung von Feindbildern, für die es eigentlich keine reale Basis gebe.


Grundsätzlich begrüsse sie die Antwort und die Bereitschaft der Regierung, sich der Problematik ernsthaft anzunehmen, die Prävention voran zu treiben und insbesondere Szenenausstiegsmodelle zu entwickeln. Offen sei für sie noch die Frage der Aufgaben und der personellen Besetzung der vorgesehenen Arbeitsgruppe.


Dieter Völlmin weist darauf hin, dass diese Analyse auch auf den Linksextremismus zutreffe, so dass die Aufmerksamkeit beiden Seiten gleichermassen gelten müsse und es beispielsweise angezeigt wäre, Unterrichtsmittel gegen rechtsextreme Gewalt auf Gewalt schlechthin auszuweiten und der Arbeitsgruppe das Attribut "gegen Extremismus und Gewalt" beizufügen.


Ruedi Brassel hat die Wendung in der Antwort 3 zur Interpellation Maag verwundert. Wie schon Dieter Völlmin nachgewiesen habe, bestehe bezüglich des Ausbildungsprogrammes und seiner Zielsetzungen zusätzlicher Aufklärungsbedarf. Ferner gelte es auch noch, die immer wieder zu hörende Behauptung, dass die rechtsextreme Gefahr aufgebauscht werden, auf ihren Wahrheitsgehalt hin eingehend zu prüfen. Ein grosses Problem stelle die zunehmende Vernetzung und Organisation der neonazistischen Szenen dar, so dass der Prävention hervorragende Bedeutung zukomme, um der Ausgrenzung ganzer Bevölkerungs- und Religionsgruppen und der Entwicklung von kollektiven Feindbildern wirksam entgegen treten zu können.


Regierungspräsident Andreas Koellreuter hat Verständnis dafür, dass mit diesen Zusatzfragen und Anmerkungen eine gewisse Ungeduld zum Ausdruck gebracht werde, doch liege es weitgehend in der Natur der Sache, dass im jetzigen Zeitpunkt manche Fragen noch nicht beantwortet werden könnten. Teilweise liege es wohl auch daran, dass die Polizei manchmal sozusagen auf dem falschen Fuss erwischt worden sei. Nicht zuletzt aus diesen Gründen habe man sich für die Bildung einer Arbeitsgruppe entschlossen, der es in einer ersten Phase obliege, eine saubere Lagebeurteilung vorzunehmen. Erst danach könne im Detail beurteilt werden, welche Zusatzmassnahmen getroffen werden müssten. Dabei werde ihr auch ein Bericht als Arbeitsgrundlage dienen, den der Regierungsrat bei einem einschlägigen Experten namens Kohler in Auftrag gegeben habe. Selbstverständlich werde der Landrat laufend über den schon heute im Gang befindlichen Prozess informiert.


Der Arbeitsgruppe gehörten Erziehungsdirektor Peter Schmid und er in seiner Eigenschaft als Polizeidirektor an. Sie werde von Direktionssekretär Stephan Mathis geleitet, und ferner gehörten ihr die Informationsbeauftrage Barbara Umiker, der Jugendanwalt, der Leiter der Jugendpsychiatrischen Dienstes, Dr. Isler, Direktionssekkretär Leuenberger von der EKD und Schulinspektorin Widmer an. Selbstverständlich habe die Arbeitsgruppe die Kompetenz, nötigenfalls zusätzliche Expertinnen und Experten beizuziehen. Ihre nächste Sitzung werde anfangs Februar stattfinden; dann dürfte auch der Bericht Kohler vorliegen.


Selbstverständlich müsse auch die linksextreme Szene beobachtet werden, wenn diese auch - glücklicherweise - zur Zeit keine besonderen Aktivitäten entfalte. Was die Unterrichtsmittel angehe, gebe es nicht nur solche über den Extremismus, sondern ganz generell zum Thema Gewalt. Dazu habe die Zentralstelle Verbrechensbekämpfung 1999/2000 eine grosse Aktion veranstaltet. Material sei also vorhanden und werde auch gebraucht, doch könne er keine quantitativen Angaben machen.


Selbstverständlich umfasse die Aus- und Weiterbildung der Polizeikräfte die hier angeschnittenen Bereiche auf der ganzen Breite, und zwar auch draussen.


://: Damit sind die beiden Interpellationen beantwortet.


Für das Protokoll:
Erich Buser



Landratspräsident Peter Brunner begrüsst nachträglich auch noch die Alt-Landratsmitglieder Rosy Frutiger und Claude Janiak, die schon sein einiger Zeit den Beratungen von der Tribüne aus folgten.
Resolution betreffend

://: Der Rat beschliesst einstimmig, die Resolution am Nachmittag zu behandeln.


Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei



Fortsetzung >>>
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