Protokoll der Landratssitzung vom 24. Juni 2004

Nr. 665

11 2004/120
Berichte des Regierungsrates vom 11. Mai 2004 und der Finanzkommission vom 14. Juni 2004: Nachtragskredite zum Budget 2004

Marc Joset hat sich zusammen mit der Finanzkommission anlässlich der Prüfung der Nachtragskredite auf die im Finanzhaushaltsgesetz verankerten Kriterien berufen, beispielsweise auf die Ausnahmebestimmung für Nachtragskredite, auf die Bedingung der Dringlichkeit und auf die Nichtvoraussehbarkeit. Drei Kredite haben diese Prüfung bestanden, sie werden zur Annahme empfohlen, nämlich die Chemiedeponien Muttenz, die häusliche Gewalt und die Gerichtsschreiber. Der Antrag für mehr Personal bei den Statthalterämtern als Folge der zusätzlichen Blechpolizisten lehnt die Kommission ab. Bevor mehr Personal bewilligt werden kann, sollen die Beteiligten noch einmal zusammensitzen, um Abklärungen zu treffen, wie der Aufwand und dessen Folgen im normalen Budget des nächsten Jahres bestimmt werden können.

Annemarie Marbet beschleicht zur Frage der Voraussehbarkeit ein ungutes Gefühl. Trotzdem stellt sich die SP-Fraktion gegen das Mittel des Globalbudgets und tritt auf die Nachtragskredite ein, weil sie weiterhin lieber mitreden und Prioritäten setzen möchte, als über Globalbudgets entscheiden zu müssen. Alle Nachtragskredite erweisen sich als notwendige Problemaufgaben, welche die Unterstützung der SP-Fraktion geniessen. Beim AUE geht es um die Sicherheit der Bevölkerung und der Kampf gegen die häusliche Gewalt beziehungsweise deren Anerkennung als Offizialdelikt wurde von der SP initiiert. Obwohl in der Frage der Blechpolitzisten keine Einigkeit erreicht wurde, stellt sich doch eine Mehrheit der SP-Fraktion hinter den Nachtragskredit.
Beim Strafgericht zeigt sich die Situation als dramatisch. Könnte nicht schnell gehandelt werden, verjährten viele Fälle.
Die SP-Fraktion befürwortet die Nachtragskredite.

Helen Wegmüller hält sich namens der SVP-Fraktion an den Vorschlag der Finanzkommission.

Toni Fritschi , Sprecher der FDP-Fraktion, folgt den Vorgaben der Finanzkommission. Die Überlegung, Nachtragskredite nur dann in Anspruch nehmen zu dürfen, wenn unvorhersehbare, exogene Faktoren auftauchen und unverschiebbar neue Belastungen der Staatsrechnung verursachen, wurde als Kriterium entgegen genommen. Die Prüfung ergab, dass für drei der vier Anliegen die Voraussetzungen für ein Nachtragskreditbegehren gegeben sind. Keine Zustimmung kann den Blechpolizisten erteilt werden, weil klar ist, dass ein vermehrter Einsatz von Blechpolizisten vorhersehbar auch eine Mehrbelastung der Gerichte zur Folge hat. Offenbar hat die Polizei die Gerichte nicht rechtzeitig informiert. Für die FDP ist deshalb die Voraussetzung für die Gewährung eines Nachtragskredits nicht gegeben. Empfehlung der FDP: Den Antrag auf dem ordentlichen Weg im Budget 2005 aufzunehmen. Eine gut funktionierende Justiz ist aber trotzdem, dies die Schlussbemerkung Toni Fritschis, ein grundsätzliches, urfreisinniges Anliegen.

Thomi Jourdan stimmt im Namen der CVP/EVP-Fraktion den ersten beiden Nachtragskrediten zu und bringt zum dritten und vierten Kreditbegehren einige kritische Fragen ein: Dass an den wirklich exponierten Stellen Blechpolizisten zum Einsatz kommen, nimmt Thomi Jourdan in Kauf, doch bemängelt er, dass die Polizei die Blechpolizisten aufstellen und Erträge generieren kann, während die Kosten bei den Gerichten anfallen - und damit auch der Schwarzpeter bei den Gerichten bleibt. Auf Regierungsebene sollte deshalb eine Vollkostenrechnung für Blechpolizisten vorgelegt werden, so wie auch jeder Private nicht bloss fragt, was bringt mir eine Investition, sondern auch, was kostet sie mich. Die sechste Direktion wäre sehr direkt in die Lösung dieser Frage einzubeziehen.
Die CVP/EVP-Fraktion wird in Übereinstimmung mit der Finanzkommission dem Antrag zu den Blechpolizisten nicht stattgeben.
Auch beim Antrag des Strafgerichts stellt sich die Frage, ob die Diskussion nicht am falschen Ort geführt wird. Zwischen den Zeilen lässt sich lesen, dass bereits im vergangenen Jahr der personelle Minderbestand erkannt war und im Budget 04 hätte aufgenommen werden müssen. Gewisse Quellen bestätigen, dass eine Aufnahme ins Budget vorgesehen war, aufgrund von Diskussionen gekippt wurde und nun auf dem Weg des Nachtragskredits wieder eingeschleust werden soll. Dieses Vorgehen hinterlässt den Eindruck, dass sich die Regierung trotz der vier Fünftel gebundener Ausgaben eben doch Wege offen hält, um das eine oder andere Geschäft zusätzlich zu finanzieren. Dagegen wehren sich einzelne CVP/EVP-Fraktionsmitglieder. Für die Arbeit des Kantonsgerichts allerdings ist die Notwendigkeit des Nachtragskredits unbestritten.

Jürg Wiedemann nimmt namens der grünen Fraktion den Nachtragskredit betreffend die Deponie in Muttenz an und lehnt die übrigen drei Kredite ab.
Einerseits wird die bürgerliche Motion, die einen Personalstopp verlangt, überwiesen, und die Regierung bewilligt zahlreiche Stellen kostende Sparmassnahmen - allein in der BKSD 200 bis 300 Stellen - und andererseits sollen beim Strafgericht und den Statthalterämtern zum x-ten Mal neue Stellen bewilligt werden. Diesen Widerspruch akzeptiert die grüne Fraktion nicht.
Die Grünen begrüssen sehr, dass häusliche Gewalt zum Offizialdelikt erklärt wurde und somit von Amtes wegen verfolgt und geahndet wird. Werden die zusätzlichen Stellen nun nicht bewilligt, so sollen einerseits die Prioritäten anders gesetzt werden und Bagatellfälle - die häusliche Gewalt ist ausdrücklich nicht dazu zu zählen - unter Umständen eben verjähren.
Die Regierung will sparen. So meinte Regierungsrat Adrian Ballmer zur SVP-Motion an der Landratssitzung vom 22. April: Die Überweisung des SVP-Vorstosses als Motion wäre für den Regierungsrat keine Katastrophe. Damit zeigt die Regierung sehr schön, wie wenig sie in vielen Bereichen von der Arbeitsplatzsicherung hält, im JPMD-Segment aber trotzdem massiv ausbauen will.

Karl Willimann bezieht zum Kreditbegehren "Blechpolizisten" Stellung: Vor Kurzem wurde eine thematisch ziemlich deckungsgleiche Interpellation des Sprechenden beantwortet. Der Vorstoss forderte Klarheit über die Eintreibung der Bussen bezüglich Ausländer, die im Amtsblatt publiziert werden, und den Schweizern sowie über den Ertrag der Übung. Die Antwort lautete, 97 Prozent aller Bussen der Schweizer würden bezahlt, die Ausländer bezahlten zu 67 Prozent. Der Aufwand für das Eintreiben wurde mit 13 Prozent angegeben. Ein paar Wochen später ist nun zu hören, die Zahlungsmoral habe sich massiv verschlechtert, nur noch ein Drittel der gestellten Rechnungen würden beglichen. Nun darf erwartet werden, dass definitiv jene Angaben bekannt gemacht werden, die stimmen.
Offensichtlich fehlt es auch an der Koordination zwischen Polizei und Gerichten. Dass die einen auf "Teufel komm' raus" messen und die anderen nicht wissen, was ihnen droht, darf nicht sein. Zudem trifft der Autofahrer im Baselbiet innerhalb von knapp 20 Kilometern auf drei Radaranlagen. Damit ist personell, finanziell und gegenüber den Automobilisten die Schmerzgrenze erreicht.

Kantonsgerichtspräsident Peter Meier meldet sich als Vertreter jener, die den Schwarzen Peter gezogen haben, und stellt voran, dass es nicht Aufgabe der Justiz ist zu entscheiden, ob, wo, wann, wie oft Kontrollen der Geschwindigkeit durchzuführen sind. Diese Aufgabe obliegt der Regierung, der Polizei und, wenn es darum geht, zusätzliche Mittel zu bewilligen, dem Parlament. Auch den Gerichten kommt in diesem Geschäft eine Rolle zu, zu ihrem Pech allerdings - deshalb der Schwarze Peter - folgen sie in der Reihe erst am Schluss. Je mehr das System vorne gefüttert wird, desto mehr gilt es hinten zu verarbeiten. Die Situation zeigt sich heute in eben dieser Weise, und sie erweist sich als echtes, grosses Problem. Mit Stichtag 30. April 2004 liegen über 10'000 unbearbeitete Strafbefehlsanträge allein beim Statthalteramt Liestal auf. Richtig die Feststellung Karl Willimanns, dass der grösste Anteil davon Ausländer betrifft, denn die problematischen, die arbeitsaufwändigeren Fälle landen bei den Gerichten, während die Polizei die einfacheren Fälle im Ordnungsbussenverfahren selber bearbeiten kann.
Mit dem vorhandenen Personal können die genannten Fälle schlicht nicht bearbeitet werden. Inzwischen wurde die Sachlage dergestalt optimiert, dass eine Mitarbeitende oder ein Mitarbeitender rund 2'500 Fälle pro Jahr oder über 100 Fälle pro Tag bearbeiten muss. Eine weitere Intensivierung ist nicht denkbar. Geschieht nichts, werden die Fälle nicht mehr bearbeitet, was die Verjährung zur Folge hätte. Ob diese Haltung vertretbar ist, sollte sich das Parlament gut überlegen. Für die Glaubwürdigkeit der Justiz ist nichts schlimmer, als Vergehen und Übertretungen zwar festzustellen, sie in der Folge aber ungeahndet zu lassen.
Bewilligt das Parlament den Gerichten den Nachtragskredit aus grundsätzlichen Überlegungen nicht, werden die Gerichte den Berg also nicht bearbeiten können und im Budget 2005 entsprechend Antrag stellen müssen. Die Gerichte aber bräuchten das zusätzliche Personal jetzt, um die Verjährung von 10'000 Fällen zu verhindern.
Richtig ist auch, dass die Zahlungsmoral in den Statthalterämtern massiv gesunken ist. Heute bezahlt noch ein Drittel der Ausländer.
Der Landrat wird gebeten, den Nachtragskredit zugunsten der Gerichte zu bewilligen.

RR Sabine Pegoraro unterstützt die Bitte des Kantonsgerichtspräsidenten, den Nachtragskredit zu bewilligen, damit das unbestrittene Interesse einer korrekt funktionierenden Strafverfolgungsbehörde erhalten bleibt. Wenn der Pendenzenberg nun - aus welchen Gründen auch immer - angewachsen ist, dann ist das Parlament aufgerufen, dafür zu sorgen, dass die Statthalterämter diesen Berg abbauen können.
Die Polizei leistet für die Statthalterämter übrigens wesentliche Vorarbeiten. Zudem ist es nicht so, dass neue Anlagen eingerichtet werden, vielmehr werden die bestehenden durch digitale Anlagen, die von der Verkehrsleitzentrale aus gesteuert werden können, ersetzt.
Die auf die Interpellation Karl Willimann an der Landratssitzung eingebrachten Zahlen stammten von den Statthalterämtern.
Bezüglich der Bussen fällt bei den Gerichten im Weiteren nicht nur Aufwand, sondern auch Ertrag an - dies an die Adresse von Kantonsgerichtspräsident Peter Meier.
Und schliesslich ist festzuhalten, dass die Polizei mit den Statthalterämtern im Rahmen der Schnittstellenkonferenz im Kontakt ist. Auch die Polizei kann die Anlagen nur in jenem Mass betreiben, das sie bewältigen kann und mit Rücksicht auf die Gerichte. Mit den Geschwindigkeitskontrollen einen Stau bei den Gerichten zu produzieren, liegt der Justizdirektion fern; Ziel der Geschwindigkeitskontrollen ist einzig, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und zu verbessern. Leider wurde das Tempobolzen in letzter Zeit wieder häufiger, erinnert sei an die schockierenden Raserunfälle. Sagt der Landrat ja zum weiteren, im Kanton Basel-Landschaft seit 1998 beobachteten, geschwindigkeitsbedingten Rückgang der Unfälle, so wird er die benötigten Mittel bewilligen.

Hanspeter Ryser lässt über die vier Nachtragskredite einzeln, gemäss Landratsbeschluss abstimmen.

- 2330 Amt für Umweltschutz und Energie, Chemiedeponien in Muttenz

://: Der Landrat stimmt dem Nachtragskredit 2330 "Chemiedeponien Muttenz" zu.

- 404x Statthalterämter; häusliche Gewalt

://: Der Landrat stimmt dem Nachtragskredit 404x "häusliche Gewalt" zu.

- 4005 Strafgericht; Gerichtsschreiber

://: Der Landrat stimmt dem Nachtragskredit 4005, "Gerichtsschreiber" zu.

- 404x Statthalterämter; "Blechpolizisten"

://: Der Landrat lehnt den Nachtragskredit 404x "Blechpolizisten" ab.

Schlussabstimmung


://: Der Landrat stimmt dem im obigen Sinne bereinigten Landratsbeschluss 2004/120 zu.

Beilage 3 (Landratsbeschluss)

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



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