Protokoll der Landratssitzung vom 24. Juni 2004
Protokoll der Landratssitzung vom 24. Juni 2004 |
Nr. 659
10 2004/085
Berichte des Regierungsrates vom 23. März 2004 und der Finanzkommission vom 14. Juni 2004: Staatsrechnung 2003
(Fortsetzung)
Fortsetzung der Eintretensdebatte
Die SVP-Fraktion ist mit der vorliegenden Rechnung, so
Helen Wegmüller
, nicht zufrieden. Sie schliesst mit einem Fehlbetrag von CHF 50 Mio. ab, der Personal- und Sachaufwand hat wieder zugenommen und liegt auch über dem budgetierten Wert.
Auf der Einnahmenseite bleibt der Gesamtsteuerertrag leicht über dem Budget, bleibt aber hinter den letztjährigen Erwartungen zurück.
Dass die Entgelte weiter ansteigen, sieht die SVP nicht besonders gerne, denn es handelt sich um indirekte Steuern, die dem Bürger aufs Auge gedrückt werden.
Die Neuverschuldung wird weiter steigen. CHF 220 Mio. oder 10 % des Baselbieter Haushalts fliessen jährlich nach Basel-Stadt.
Der Selbstfinanzierungsgrad liegt bei 58 %, und eine Trendumkehr dieses negativen Verlaufes ist nicht in Sicht. 42 % der Rechnung werden mit Fremdkapital finanziert. Die Generelle Aufgaben-Überprüfung schafft hoffentlich Abhilfe. Aber leider wird nicht nur gespart, sondern es werden neue Einnahmen generiert, also wird wiederum der Bürger belastet.
Drei Mitglieder der SVP-Fraktion werden der Rechnung zustimmen, der Rest wird sich der Stimme enthalten.
Auf die vorangegangene Tanzeinlage anspielend, bemerkt
Anton Fritschi
, am liebsten würde er sein Votum jetzt auch in der Form eines Flamingos vortragen,...
[grosse Heiterkeit]
...was aber nicht gelingt - dies ist wohl der trockenen Materie auch eher angemessen. Die FDP-Fraktion ist für Eintreten auf die Rechnung 2003.
Das finanzpolitische Ziel - die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Aufwand und Ertrag - wird mit dem vorliegenden Abschluss nicht erreicht. Werden aber die erwähnten Sonderfaktoren mit berücksichtigt, kann positiv festgestellt werden, dass der Kanton auf dem richtigen Weg ist.
Trotz dieses Silberstreifs am Horizont besteht weiterhin Handlungsbedarf, und der Kantonshaushalt hat immer noch Strukturprobleme. Der Finanzplan 2005-2007 zeigt auf, dass er nur mit strukturellen Massnahmen und Eingriffen wieder ins Gleichgewicht gebracht werden kann. Die Umsetzung der GAP-Massnahmen ist eine
conditio sine qua non.
In der Investitionsrechnung wird das budgetierte Ausgabenvolumen um CHF 1,2 Mio. überschritten, die Einnahmen hingegen überschreiten erfreulicherweise den Budgetwert um CHF 5,7 Mio. Der Vergleich zur Rechnung 2002 zeigt, dass die Nettoinvestitionen um über CHF 5 Mio. zugenommen haben - ein positiver Aspekt in Anbetracht der heutigen konjunkturellen Situation.
Weiter sticht ins Auge, dass neben dem Sachaufwand der Personalaufwand um CHF 56 Mio. bzw. 7,2 % gestiegen ist. Dass es sich dabei vorwiegend um strukturelle Faktoren handelt, ist ein kleiner Trost. Auch hier herrscht Handlungsbedarf.
Wird die Entwicklung des Leistungsaustausches mit Basel-Stadt betrachtet, fällt auf, dass der Kanton Basel-Landschaft rund 10 % des laufenden Haushalts für die Abgeltung von Leistungen vornehmlich in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Kultur aufwendet. Diese Entwicklung muss kritisch betrachtet werden. Wo es sinnvoll und zweckmässig ist, müssen gemeinsame Lösungen auch inskünftig geprüft und durchgeführt werden. Im andern Fall muss das Baselbiet aber auch den Mut haben, selbständige oder andere Lösungen zu suchen.
Der Selbstfinanzierungsgrad als wichtige Beurteilungsgrösse ist mit 58,3 % respektive CHF 85 Mio. um vier Prozent besser als budgetiert, aber dennoch schlechter als im Vorjahr. Er ist immer noch ungenügend und liegt deutlich unter dem Soll von 75 % gemäss Buschor-Modell bzw. von 100 % gemäss den Vorgaben des Landrates. Auch hier besteht also Handlungsbedarf.
Die Staatsquote hat sich 2003 erstmals seit drei Jahren - positiverweise - um einen halben Prozentpunkt zurückentwickelt. Leider zeichnet sich bereits jetzt für das laufende Jahr eine Trendumkehr ab. Die Staatsaufgaben dürften wiederum stärker ansteigen als das kantonale Volkseinkommen - eine Entwicklung, welche sehr kritisch verfolgt werden muss.
Seit 1991 ist der Finanzierungssaldo, mit Ausnahme von 1996, stets negativ. Das heisst, die Verschuldung nimmt laufend zu. Im Gegenzug hat sich das Eigenkapital in den letzten Jahren von über CHF 300 Mio. auf 178 Mio. verringert.
Es ist bedauerlich, dass noch keine Mittelflussrechnung exisitiert, die für mehr Transparenz sorgen und die Liquidität besser darstellen würde.
Trotz der drei Vorbehalte der Finanzkontrolle beantragt die FDP-Fraktion, die Staatsrechnung 2003 zu genehmigen. Sie erwartet aber, dass die im Bericht der Finanzkontrolle enthaltenen Feststellungen und Forderungen ernst genommen und befolgt werden. Insbesondere muss die Regierung via den Rechtsdienst den Sachverhalt und die Rechtsgrundlage im Zusammenhang mit der Auszahlung von CHF 250'000 an die
basel sinfonietta
unverzüglich klären und darüber berichten, so dass der Landrat gegebenenfalls unverzüglich handeln könnte.
Abschliessend ergeht von der FDP ein herzlicher Dank an den Finanzkommissionspräsidenten für seine grosse Arbeit und die konstruktive Zusammenarbeit in der Kommission.
Als Sprecher der CVP/EVP-Fraktion hält
Thomi Jourdan
fest, dass die Rechnung nicht ganz so schlecht ausgefallen sei, wie es auf den ersten Blick scheint. Nach Ausklammerung der Sonderfaktoren bleibt ein Defizit von gerade noch knapp CHF 12 Mio. übrig.
Natürlich könnte man nun noch verschiedene Einzelpunkte ansprechen, lamentieren, über die angespannte Situation der BLPK nachdenken, über die Buchungspraxis von bereits bekannten, aber nicht in der Rechnung enthaltenen Kostenfaktoren wie Chienbergtunnel oder Bildungsgesetz diskutieren, sich Gedanken zur Ferienzeit- und Überstundenabgeltung machen, ein mediales Schaulaufen zum Besten geben - dabei ist etwas in dieser Debatte viel wichtiger, nämlich die Frage: Wo nimmt der Landrat seinen globalen finanziellen Handlungsspielraum wirklich wahr?
Das Parlament genehmigt nun eine Rechnung, diskutiert über Feststellungen, gibt diese über die Finanzkontrolle an die Verwaltung und die Regierung weiter, sagt «Ja, aber», «aber dennoch» und «trotzdem» und zum Schluss immer wieder «Ja, Amen!»
Bald wird schon wieder über das Budget diskutiert und darüber, ob es jetzt fünf Budgetpostulate braucht oder vierzig, am Schluss wird festgestellt, dass trotzdem nichts Substanzielles verändert worden ist, und von der Regierungsbank wird wieder gesagt, das Parlament sei viel zu spät dran, es hätte früher Einfluss nehmen müssen; auch darauf folgt wieder zwanzig Minuten lang eine heisse Diskussion, ein kleines mediales Schaulaufen nach dem Motto «Fünf Franken hier, zweihunderttausend Franken dort», und dann wird wieder festgestellt, dass die Regierung - zu Recht - sagt, der Rat hätte schon bei der Erstellung der Budgetrichtlinien aktiv werden sollen.
Genau deshalb macht sich aber Ernüchterung breit. Vor kurzem hat es die Finanzkommission wieder einmal bei einer reinen Zurkenntnisnahme ebendieser Budgetrichtlinien belassen und festgestellt, dass sie nicht mehr viel zu schräubeln hatte, weil sie gar keinen Einblick in Details nehmen konnte. Die Regierung wirft dem Parlament vor, dauernd kostenwirksame Vorstösse abzusegnen.
Der Landrat muss nun endlich einmal klare finanzpolitische Ziele setzen und so ein umbequemer Partner für Regierung und Verwaltung werden. In der Finanzkommission geht es nett zu und her, manchmal vielleicht zu nett. Denn Entscheide des Regierungsrates sind nicht sakrosankt.
Es ist etwas frustrierend, dass diesem Parlament der Biss fehlt.
Unter dem Strich sagt auch die CVP/EVP-Fraktion Ja zur vorliegenden Rechnung, dankt der Regierung und der Verwaltung aufrichtig für ihre Anstrengungen, dieses Resultat zu erreichen, und ist froh, dass mit GAP eine gewisse Zielsetzung vorgegeben ist.
Nun müssen die Landrätinnen und Landräte wieder in die Hosen steigen und mehr Verantwortung übernehmen, unbequemer werden und fair, aber hart
fighten
mit der Regierung, statt immer nur zur Kenntnis zu nehmen.
Mit einem Minus von CHF 50 Mio. kann die grüne Fraktion nicht zufrieden sein, leitet
Jürg Wiedemann
sein Eintretensvotum ein. Der Kanton muss vor allem das strukturelle Defizit in den Griff bekommen.
Mit dem Staatshaushalt ist sorgfältig umzugehen. Deshalb haben sich die Grünen immer wieder gewehrt gegen Projekte, die grosse Löcher in die Kasse gerissen haben wie etwa der Chienbergtunnel. Nun bleibt wohl nichts anderes übrig, als GAP durchzuführen - obwohl die Rechnung nur wegen der erwähnten Verbuchungslücke so schlecht aussieht und 2003 auch insgesamt ein wirtschaftlich schwaches Jahr war.
In den kommenden Jahren ist, schenkt man den Prognosen Glauben, ein wirtschaftlicher Aufschwung zu erwarten. Trotzdem herrscht Handlungsbedarf.
Von voreiligen Sparmassnahmen ist allerdings abzusehen. Es ist darauf zu achten, dass nicht in Bereichen gespart wird, die die Staatsrechnung nur kurzfristig verbessern, mittel- und langfristig aber zu negativen finanziellen Konsequenzen führen.
Weil jede Regierung den Wunsch hegt, in ihrer Amtszeit eine ausgeglichene Rechnung präsentieren zu können, besteht die Gefahr, dass vor allem zu kurzfristig finanzwirksamen Sparmassnahmen gegriffen wird, deren Auswirkungen erst sehr viel später spürbar werden und dann von nachfolgenden Regierungen ausgebadet werden müssen. Diese Aspekte müssen bei der Generellen Ausgaben-Überprüfung berücksichtigt werden. Gerade in der Umwelt- und im Bildungsbereich müssen Sparübungen sorgfältig abgewogen und können nur dann akzeptiert werden, wenn langfristig mit keinen negativen Konsequenzen gerechnet werden muss. Vor allem dürfen keine Sparübungen durchgeführt werden, welche die Zukunftschancen unserer Kinder vermindern.
Die Verbesserung der Staatsfinanzen hat nachhaltig zu erfolgen. Ein wichtiger Schritt wäre, die im letzten Jahr beschlossenen massiven und unter dem Aspekt der schwierigen Finanzlage völlig grotesken Steuersenkungen wieder rückgängig zu machen bzw. gar nicht erst umzusetzen, also etwa die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer bei der Unternehmensnachfolge, die Abschaffung bzw. Minderung der Kapitalsteuer bei juristischen Personen, die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung und die Verrechnungsmöglichkeiten betrieblicher Verluste bei der Grundstückssteuer.
Die grüne Fraktion nimmt die Staatsrechnung an, verbunden mit der Hoffnung und Erwartung, dass die Regierung ausschliesslich auf nachhaltige Sparmassnahmen setzt und nicht auf kurzfristige Seifenblasen.
Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei
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