Protokoll der Landratssitzung vom 22. März 2001

Nr. 939

5 2000/258
Berichte des Regierungsrates vom 12. Dezember 2000 und der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission vom 23. Februar 2001: Stellungnahme zum Postulat von Esther Maag betreffend Einführung eines "Armuts-Bulletins" (97/57); Abschreibung

Rita Bachmann erläutert, das vorliegende Geschäft gehe auf eine schriftliche Anfrage von Esther Maag Zimmer im Jahre 1996 zurück, in welchem sie wissen wollte, bis wann der Kanton Basel-Landschaft eine eigene Armutsstudie erstellen würde. Die Anfrage wurde abschlägig beantwortet, indem der Regierungsrat auf Datenmaterial in den Gemeinden und in der Verwaltung, insbesondere auf das monatlich erscheinende Info-Bulletin des KIGA hingewiesen hat. Die in der Zwischenzeit erschienene nationale Armutsstudie (NFP 29) lieferte zusätzliches Material zur Thematik.
Am 20. 3. 1997 forderte Esther Maag Zimmer mit einem Postulat (97/57) ein periodisch erscheinendes Sozial-Bulletin für den Kanton. Die Landrätin führte aus, dass ein solches Instrument den Handlungsbedarf frühzeitig zu erkennen ermögliche und beanstandete, dass das Fürsorgeamt weiterhin keine Angaben über ausgesteuerte Personen veröffentlichen könne, obwohl das Zahlenmaterial vorhanden wäre.
Weil nicht vor dem Jahre 2003 mit einer gesamtschweizerischen Sozialhilfestatistik gerechnet werden kann, hatte das Fürsorgeamt zu handeln beschlossen und präsentierte am 12. September 2000 eine erste aussagekräftige Sozialhilfe-Statistik, gewissermassen einen Prototypen, der die volle Zustimmung der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission erhielt. Eine jährliche Publikation ist beabsichtigt und der Regierungsrat ist bestrebt, die Bereiche der Arbeitslosigkeit, der Invalidenversicherung und der Fürsorge besser zu koordinieren.
Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission befürwortet die Sozialhilfe-Statistik als gutes Instrument für eine verbesserte Steuerung der Sozialhilfe in den Gemeinden und für die Behebung von Schwachstellen.
Der nun bei Frauen und Jugendlichen festgestellte Bedarfsüberhang muss aufrütteln und darf nicht einfach als Zahl zur Kenntnis genommen werden.
Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission bittet um Unterstützung des regierungsrätlichen Antrages, das Postulat von Esther Maag Zimmer als erfüllt abzuschreiben.

Esther Maag muss, einer Märchenerzählerin gleich, auf einen Vorstoss der Grünen im Jahre 1987 zurückblicken, in welchem die Erstellung einer Armutsstudie gefordert wurde. Auf ihre zehn Jahre später eingereichte Nachfrage erhielt die Landrätin zur Antwort, eine Armutsstudie sei nicht notwendig. In einem Hearing mit Daniel Anex - damaliger Leiter des Fürsorgeamtes - wurde klar, dass verlässliches Datenmaterial durchaus vorhanden wäre, es ginge bloss um ein Zusammentragen der Daten. Daraus ist dann, nach zwei drei weiteren Nachfragen, die Baselbieter Sozialhilfestatistik entstanden. Dank Hartnäckigkeit und langen Atems kann die Grüne Fraktion somit wieder einmal einen Erfolg verbuchen.
Einen besonderen Dank richtet die Landrätin an den Leiter des Statistischen Amtes, August Lienin, und den Leiter des Fürsorgeamtes, Rudolf Schaffner, welche die nicht einfache Arbeit des Datensammelns in den Gemeinden sehr gut gelöst haben.
Das vorliegende Resultat verwundert insofern, als die Gruppe der Rentnerinnen und Rentner nur zu einem Prozent betroffen ist, aber 55 Prozent der von Armut Betroffenen weiblich sind, vor allem geschiedene, allein erziehende Frauen und in der Folge die von diesen Frauen betreuten Kinder. Auch die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche mit 39 Prozent von Armut betroffen sind, lässt aufhorchen.
Nach Ansicht von Esther Maag muss die Politik bei der Familienpolitik, zum Beispiel bei der familienergänzenden Kinderbetreuung ansetzen. Auch die Jobsharing-Möglichkeiten in Kaderpositionen müssten genauer angesehen werden.
Insgesamt liefert eine solche Statistik die Grundlagen für zu treffende Massnahmen in der Fürsorge, etwa im Bereich der Integration oder der Gruppe der immer zahlreicher werdenden "working poor".

Eric Nussbaumer stimmt namens der SP-Fraktion der Abschreibung des Postulates zu.

Judith Van der Merwe , die im Namen der FDP die Sozialhilfestatistik unterstützt, erkennt in der Statistik auch ein geeignetes Führungsinstrument, indem die Gemeinden in die Lage versetzt werden, sich aufgrund der Daten in der Fürsorgelandschaft einzuordnen und indem das Fürsorgeamt selber frappante Abweichungen analysieren kann.
Die FDP-Fraktion, welche das Postulat von Esther Maag zur Abschreibung empfiehlt, begrüsst zudem, dass die Verwaltung die Eigeninitiative ergriffen hat und so der Statistik des Bundes zuvorgekommen ist.

Patrizia Bognar unterstützt als Sprecherin der CVP/EVP-Fraktion die Sozialhilfe-Statistik des Kantons und findet es besonders wichtig, dass dank des Vorstosses von Esther Maag die Armut endlich ein Gesicht erhält.

://: Der Landrat beschliesst einstimmig, das Postulat von Esther Maag "Einführung eines ArmutsBulletins", Vorlage 97/57, als erfüllt abzuschreiben.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei





Nr. 940

6 2000/211
Berichte des Regierungsrates vom 24. Oktober 2000 und der Justiz- und Polizeikommission vom 20. Februar 2001: Bestätigung des Landratsbeschlusses vom 6. Mai 1985 betreffend die Genehmigung und den Vollzug der Interkantonalen Vereinbarung vom 26. Mai 1937 über die gemeinsame Durchführung von Lotterien

Dieter Völlmin , mit der Lotterie- und Glücksspielthematik nicht vorzugsweise befasst, erklärt, dass der Verein Lotterie, Umwelt und Entwicklung in Vertretung verschiedener bekannter Institutionen, das heute bestehende Monopol für die Durchführung von Grosslotterien knacken möchte. Da im Kanton Basel-Landschaft für die Durchführung einer Lotterie die vorgeschriebene gesetzliche Grundlage fehlt, müsste heute ein Gesuch dieses Vereins bewilligt werden. Mit der aktuellen Vorlage sollte die gesetzliche Grundlage für das Monopol geschaffen werden. Wer dem Geschäft zustimmt, möchte also am bisherigen Zustand festhalten und wer nein sagt, würde auch anderen Veranstaltern die Durchführung solcher Lotterien gestatten.
Für die Kommission, die dem Landratsbeschluss mit 9 zu 4 zugestimmt hat, ging es nicht um einen ideologischen Entscheid Marktwirtschaft gegen Sozialismus, sondern ganz pragmatisch um die Feststellung, dass die heutige Situation, die dem Regierungsrat erlaubt, gemeinnützige Projekte mit 1,2 Millionen Franken jährlich nach Gutdünken zu unterstützen, gut abgestützt, gut verwaltet, deshalb weiterhin sinnvoll ist und nach einem Knacken des Monopols der Umfang des Fonds zumindest umfangmässig nicht mehr garantiert wäre.

Bruno Krähenbühl führt aus, der Regierungsrat wolle, gestützt auf ein Bundesgesetz aus dem Jahre 1923 und auf eine Interkantonale Vereinbarung aus dem Jahre 1937, eine gesetzliche Basis zur Aufrechterhaltung eines kantonalen Monopols im Bereich des Lotteriewesens schaffen. In der Zwischenzeit sei der Zweite Weltkrieg sowie der Kalte Krieg hinter uns, der Neoliberalismus sei durchs Land gezogen, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft hätten sich verändert und die Schweiz lebe seit dem 1. 1. 2000 mit einer neuen Bundesverfassung. Vor diesem historischen Hintergrund möchte Bruno Krähenbühl über den aktuellen Glaubenskrieg hinaus klären, ob das regierungsrätliche Vorhaben noch als zeitgerecht betrachtet werden darf und ob die Schaffung eines kantonalen Monopols auf Gesetzesstufe rechtlich, verfassungsmässig überhaupt noch zulässig ist.
Als gesetzgeberische Behörde habe sich der Landrat sorgfältig mit der Frage der Rechtmässigkeit auseinanderzusetzen. Artikel 106 der BV hält unmissverständlich fest: Die Gesetzgebung über Lotterien und Glücksspiele ist Sache des Bundes.
Der Landrat habe diese ausschliessliche Bundeskompetenz zur Kenntnis zu nehmen. Ziffer 8 der Übergangsbestimmungen zur neuen BV verstärke diese Kompetenz unter Buchstabe f. wie folgt:
Der Bund kann auch in Beziehung auf die Lotterien geeignete Massnahmen treffen .
Die zitierten Artikel zeigen auf, dass im Lotteriewesen die Führung beim Bund und nicht beim Kanton liegt.
Bekannt ist zumal auf der Gegenseite, dass staatliche Monopole bezwecken, gewisse Wirtschaftsbereiche dem freien Wettbewerb zu entziehen und Monopole ja als schwerster Eingriff in die verfassungsmässig gewährte Wirtschaftsfreiheit gelten.
Dazu Artikel 94 der BV:
1. Bund und Kantone halten sich an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit.
2. Abweichungen vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit, insbesondere auch Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, sind nur zulässig, wenn sie in der BV vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind.
Lotterien zu organisieren und durchzuführen darf wahrlich nicht als hoheitliche Aufgabe bezeichnet werden, vielmehr handelt es sich um eine privatwirtschaftliche Tätigkeit.
Somit ist die regierungsrätliche Vorlage gegen den Wettbewerb gerichtet. Sie hat das Ziel, die im Jahre 1937 geründete Genossenschaft vor Wettbewerb mit dem finanziellen Hintergedanken zu schützen und zu privilegieren, die Alimentierung des kantonalen Lotteriefonds weiterhin ungeschmälert sicherzustellen.
Trotz des grossen Verständnisses für die Absicht der Regierung muss sich das Parlament an das übergeordnete Recht halten. Alle Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit bedürfen einer Grundlage in der BV. Im Bereich der Lotterien gibt es für die Kantone keine derartige Ermächtigung. Die BV schränkt die kantonalen Monopole ausdrücklich auf den Bereich der historischen Regale (Bergbau, Jagd, Fischerei) ein.
Die Fraktion der Sozialdemokraten ist für ein gemäss BV vom Bund reglementiertes Lotteriewesen und bittet aus übergeordneten rechtlichen Gründen nicht auf die Vorlage einzutreten.

Sabine Pegoraro muss feststellen, dass sich die SP gegen ein staatliches Monopol stark macht, während die FDP das Monopol beibehalten möchte und schlägt für die nächste Debatte vor, das Argumentarium der Parteien auszutauschen.
Im vorliegenden Fall lohnt es sich, so Sabine Pegoraro, auf jeden Fall, das Monopol der Interkantonalen Landeslotterie aufrecht zu erhalten, weil im Kanton Basel-Landschaft viele Vereine und Institutionen von den Zuwendungen des Lotteriefonds profitieren und weil es sich hier weder um ein Monopol zur Erfüllung von staatlichen Aufgaben noch um einen Wirtschaftsbereich handelt, sondern um die Sicherstellung von völlig unbestrittenen finanziellen Unterstützungen zum Beispiel an Musikveranstaltungen, an Schulbibliotheken, an ausländische Entwicklungsprojekte, Jugendmusikschulen oder an das Kantonalschwingfest.
Hinter dem Verein für Umwelt und Entwicklung, der ebenfalls die Lotteriezulassung erwirken möchte, stehen Organisationen wie der WWF, Caritas oder Helvetas, alles Organisationen, die sich ihre Mittel auch anderweitig beschaffen können, zum Beispiel durch Subventionen des Bundes oder durch namhafte Spendengelder aus dem In- und dem Ausland. Neben diesem Verein würden zudem bei einer Lockerung des Monopols auch andere Interessenten auf den Markt drängen und schliesslich finde die FDP, dass im Bereich der Glücksspiele der Markt nicht bis zum Letzten ausgereizt werden sollte.
Zum Infragestellen der Rechtmässigkeit kantonalen Legiferierens von Bruno Krähenbühl meint Sabine Pegoraro, die alte BV habe den Kantonen eigene Gesetze zugestanden, während die neue BV das Lotteriewesen dem Bund zuschreibt. Allerdings habe der Bund bisher noch nichts unternommen, weshalb es den Kantonen, gestützt auf die alte BV, freigestellt sei, selber Bestimmungen zu erlassen.
Zur Zulässigkeit des Monopols hat sich das Bundesgericht bisher materiell noch nicht befasst.
Sollte das Monopol vom Landrat heute gelockert werden, so würden sehr sinnvolle Finanzquellen versiegen, was die FDP nicht möchte und deshalb die Vorlage des Regierungsrates unterstützt.

Peter Brunner legt für den Nachmittag folgendes Vorgehen fest:

Der Landratspräsident schliesst die Sitzung und wünscht Guten Appetit.


Fortsetzung der Beratung

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei





Nr. 941

Überweisungen des Büros

Landratspräsident Peter Brunner gibt Kenntnis von folgenden Überweisungen:

2001/059
Bericht des Regierungsrates vom 20. März 2001: Exploration nach Erdöl und Erdgas im Kanton Basel-Landschaft - Schürfkonzession; an die Bau- und Planungskommission

Petition "Psychopharmaka an Kinder" vom 23. Februar 2001; an die Petitionskommission

Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei





Begründung der persönlichen Vorstösse

Nr. 942
2001/060
Interpellation von Paul Schär: Maul- und Klauenseuche im Kanton Basel-Landschaft (wird dringlich behandelt)

Nr. 943
2001/061
Interpellation von Elisabeth Schneider: Maul- und Klauenseuche (wird dringlich behandelt)

Nr. 944
2001/062
Interpellation von Max Ritter: Maul- und Klauenseuche (wird dringlich behandelt)

Nr. 945
2001/063
Motion von Ursula Jäggi: Schaffung eines Konkubinatsgesetzes

Nr. 946
2001/064
Motion der FDP-Fraktion: Bildung eines Biotech-Task-Force zwecks Koordination und Umsetzung einer Förderstrategie

Nr. 947
2001/065
Motion der FDP-Fraktion: Wirtschaftsförderungsgesetz den neuen Anforderungen anpassen

Nr. 948
2001/066
Motion der FDP-Fraktion: Elektrizitätsmarktöffnung: Anpassung der kantonalen Gesetzgebung

Nr. 949
2001/067
Motion der FDP-Fraktion: Für die Zukunftsicherung des Impulsprogramms "Qualifikation"

Nr. 950
2001/068
Postulat von Franz Hilber: Veröffentlichung der Achsenzählung auf den Eisenbahnlinien

Nr. 951
2001/069
Postulat der FDP-Fraktion: Behebung des Mangels an Arbeitskräften

Nr. 952
2001/070
Postulat der FDP-Fraktion: Wirkungskontrolle bei der Standortpolitik und den dafür wichtigen Gesetzen

Nr. 953
2001/071
Postulat von Thomas Haegler: Förderung der Oeko- Landwirtschaftsbetriebe im Baselbiet

Nr. 954
2001/072
Postulat von Daniel Wyss: Für eine ethisch- ökologische Pensionskasse BL Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit

Nr. 955
2001/073
Postulat von Esther Maag: Aggression im Strassenverkehr

Nr. 956
2001/074
Interpellation von Sabine Stöcklin: Aktuelle Probleme der abstinenzorientierten Drogentherapieeinrichtungen

Nr. 957
2001/075
Interpellation der SP-Fraktion: Zukunft der Arbeitsplätze bei Adtranz/Railcor Pratteln

Nr. 958
2001/076
Interpellation der FDP-Fraktion: Neue Verwendungszwecke für stillgelegte Industrie- und Bahnhofareale

Nr. 959
2001/077
Interpellation der FDP-Fraktion: Standortfaktor Steuern

Nr. 960
2001/078
Interpellation von Dölf Brodbeck: Parking-Konzept im Gebiet Brüglingen / St. Jakob

Nr. 961
2001/079
Interpellation von Hanspeter Ryser: Budgetposten 2420.473.900, Bussen

Nr. 962
2001/080
Interpellation von Max Ritter: Flugemissionen im Oberbaselbiet

Nr. 963
2001/081
Interpellation von Max Ritter: Geplanter Ausbau der Fernwärme Liestal

Nr. 964
2001/082
Interpellation von Alfred Zimmermann: Dem Baselbieter Wald geht es schlecht

Nr. 965
2001/083
Interpellation von Maya Graf: Luftverkehr - Wachstum auf unser aller Kosten

Nr. 966
2001/084
Schriftliche Anfrage von Franz Ammann: Entwicklung der Folgen des Cannabis-Konsums unter Jugendlichen

Zu den Vorstössen 2001/063 - 2001/084 kein Wortbegehren. Die Vorstösse 2001/060 - 2001/062 werden dringlich behandelt.

Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei

Fortsetzung >>>
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