Protokoll der Landratssitzung vom 19. September 2002

Nr. 1680

4 2002/126
Berichte des Regierungsrates vom 21. Mai 2002 und der Umweltschutz- und Energiekommission vom 5. August 2002: Rechtsgültigkeit der formulierten Gesetzesinitiative Gewässer-Initiative Baselland

Jacqueline Halder gibt einleitend zu bedenken, dass nur noch 5 Prozent aller Gewässer im Kanton Basel-Landschaft als naturnah bezeichnet werden können. Gemeinden und Kanton unternehmen zwar einiges, doch fehlt ein umfassendes staatliches Programm zur Wiederbelebung der Flüsse. Erinnert sei an die Zeit vor den Achtziger Jahren, als mit Postulaten, die noch heute Jahr für Jahr weitergeschoben werden, ein Wasserbaukonzept verlangt wurde. Natur-, Umwelt-, Vogel- und Fischereiorganisationen fordern nun mit einer formulierten Gesetzesinitiative ein Gesetz für ein lebendiges Wassernetz Baselland. Die Initiative wurde im Februar 2002 mit rund 3000 Unterschriften eingereicht. Bei der materiellen Prüfung durch den Rechtsdienst des Regierungsrates zeigte sich, dass zwei Bestimmungen (Siehe Vorlage und Bericht) offensichtlich gegen höherranginges Recht (Kantonsverfassung) verstossen. Die Bedeutung der beiden Bestimmungen ist allerdings nicht derart gross, dass deshalb die Initiative als ungültig erklärt werden müsste.
In der Zwischenzeit hat die BUD die Revision des Wasserbaugesetzes an die Hand genommen. Im günstigen Fall wird darüber im Jahre 2003 abgestimmt. Sinnvoll wäre es nun, wenn die Initiative, welche dasselbe Ziel verfolgt, gleichzeitig mit dem revidierten Wasserbaugesetz, zum Beispiel als Gegenvorschlag, zur Abstimmung gelangte. Dazu müsste die kürzlich festgesetzte gesetzliche Frist von 18 Monaten bis zur Abstimmung verlängert werden.
Die Kommission hörte Vertreter des Initiativkomitees an und konnte deren Einverständnis mit der Fristverlängerung und mit der Ungültigkeitserklärung der beiden genannten Bestimmungen erfahren.
Die Kommission beantragt den beiden Punkten in vorliegender Form zuzustimmen.

Röbi Ziegler und die SP-Fraktion hätten es begrüsst, wenn der regierungsrätlichen Vorlage die Initiative im Wortlaut beigefügt worden wäre, um beurteilen zu können, in welchem Verhältnis die beiden als ungültig erklärten Forderungen zum übrigen Inhalt der Initiative stehen.
Im Übrigen schliesst sich die SP dem Vorschlag an und nimmt mit Freude zur Kenntnis, dass die Regierung gewillt ist, die Anliegen der Initianten in das neue Wasserbaugesetz aufzunehmen.

Peter Tobler , Sprecher der FDP-Fraktion, unterstützt die Kommissionsanträge, nimmt die Beurteilung des regierungsrätlichen Rechtsdienstes zur Kenntnis und fügt an, das Einverständnis der Initianten sei dabei nicht von Relevanz. Als Anregung merkt Peter Tobler an, Vorlagen, die Referenden und Initiativen zum Gegenstand haben, sollten künftig auch der JPK zum Mitbericht unterbreitet werden. Damit könnte für die Frage der Volksrechte, der Gültigkeit von Initiativen und Referenden ein Kompetenzzentrum im Landrat geschaffen werden.

Uwe Klein steht im Namen der CVP/EVP-Fraktion vollumfänglich hinter den Anträgen der UEK.

Willi Grollimund dankt namens der SVP-Fraktion dem Initiativkomitee für die Vernunft und die Bereitschaft, das Geschäft zusammen mit der Revision des Wasserbaugesetzes behandeln zu wollen und stimmt den Anträgen zu.

Heinz Mattmüller , SD, unterstützt den sinnvollen, eingeschlagenen Weg ebenfalls.

Olivier Rüegsegger schränkt die von Peter Tobler angeführte Irrelevanz der Initiantenmeinung auf Ziffer 1 des Antrages ein und stimmt dem Kommissionsantrag zu.

Dölf Brodbeck stört der Umstand, dass der Kommissionsbericht von einem Mitglied des Initiativkomitees verfasst wurde. Seines Erachtens liegt ein klarer Fall von Befangenheit vor.

://: Der Landrat genehmigt den Antrag der UEK, Vorlage 2002/126 einstimmig.


Antrag:
Die Umweltschutz- und Energiekommission beantragt dem Landrat einstimmig (11 : 0), dem Antrag der Regierung in beiden Punkten zuzustimmen:

1. Die formulierte Gesetzesinitiative für ein lebendiges Wassernetz Baselland wird als gültig erklärt. Ausgenommen davon sind die Bestimmungen von § 20 Abs. 2 Buchstabe e und § 22 Abs. 3 Buchstabe c der Gesetzesinitiative.
2. Die Frist für die Unterbreitung der Gewässer-Initiative Baselland zur Volksabstimmung wird bis zum 30. Juni 2004 verlängert.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei




Nr. 1681

5 2000/157 2000/157a
Berichte des Regierungsrates vom 22. August 2000 und der Umweltschutz- und Energiekommission vom 10. Mai 2001 und vom 27. Februar 2002: Revision des Gesetzes über den Gewässerschutz vom 18. April 1994. 1. Lesung

Jacqueline Halder
stellt fest, dass die Kommission bereits im März für den zweiten Durchgang im Plenum bereit gewesen wäre. Die lange Zeitspanne seither macht es nicht einfacher, die komplizierte Materie a jour zu halten. Die Kommission hat sich an vier weiteren Sitzungen zusammen mit der Verwaltung, mit Juristen und mit Gemeindevertretern intensiv durch das Gesetz gearbeitet und jeden Antrag seriös behandelt. Was nun präsentiert werden kann, entspricht dem grössten gemeinsamen in der Kommission gefundenen Nenner. Trotzdem sind auch heute wieder viele Anträge eingegangen.
Jetzt muss sich der Landrat entscheiden in der komplexen und gleichzeitig wichtigen Aufgabe des Gewässerschutzes. Immer wieder treten nachhaltige Beeinträchtigungen der Gewässer auf. Bei der Behandlung des Gesetzes sollten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht vergessen, dass es nicht um Schikanen des Gesetzgebers gegen Gemeinden und andere Abwasserlieferanten geht, sondern um den wirksamen Schutz der Gewässer. Das Verursacherprinzip stellt im Gesetz einen wichtigen Faktor dar, jedermann hat es selbst in der Hand, wie viel Wasser er verbraucht, wie viel Abwasser er produziert. Wer das Sauberwasser nicht in das Abwasser leitet und das Regenwasser nützt, soll dafür belohnt werden.
Die Kommissionspräsidentin bittet im Namen der UEK, dem vorliegenden mit 10 zu Stimmen bei 1 Enthaltung verabschiedeten Gesetzesentwurf zuzustimmen.

Röbi Ziegler gibt der Hoffnung Ausdruck, das Sprichwort möge zutreffen Was lange währt, wird endlich gut. Der erste Gesetzesentwurf ging an die Kommission zurück, weil er im Spannungsfeld der Kostenverteilung zwischen Gemeinden und Kanton sowie von wirtschaftlichen Interessen abgehandelt wurde. Vorrangig müssen die Ziele des Gewässerschutzgesetzes bleiben: Vermeidbarer Wasserverbrauch ist tatsächlich zu vermeiden; die Gewässerverschmutzung ist zu minimieren und dafür sollen Anreize geschaffen werden; die Gewässerreinigung ist zu optimieren und dafür sind die notwendigen Finanzmittel bereit zu stellen.
Wenn die SP-Fraktion trotzdem noch Änderungsanträge einbringen wird, dann geht es darum, dort noch zu korrigieren, wo das eigentliche Ziel des Gewässerschutzgesetzes aus den Augen verloren ging.

Max Ribi bedankt sich für die intensive Beratung in der Kommission, bedauert aber gleichzeitig, dass diese Intensität der Diskussion nicht im Kommissionsbericht Eingang gefunden hat. Wer die Kommisionsprotokolle nicht gelesen hat, kann mit dem Kommissionsbericht nicht viel anfangen, es fehlen die Begründungen und Erklärungen zu den Entscheiden. Solche Kommissionsberichte dürften dem Landrat nicht mehr vorgelegt werden.
Die sehr komplizierte Vorlage muss eine Antwort geben auf die Frage, wie die Anliegen des Gewässerschutzes möglichst einfach und auch für die Gemeinden und die BürgerInnen einsichtig vollzogen werden können. Leider hat der Bund, der sich natürlich nicht um den Vollzug in den Kantonen kümmern muss, in seine Bestimmungen das hundertprozentige Verursacherprinzip sowie die Art und die Menge des Abwassers aufgenommen. Dass die Kantone zunehmend zu Vollzugsorganen des Bundes werden, ist störend.
Im Namen der FDP-Fraktion wird Max Ribi einige Anträge stellen und die fehlenden Begründungen einfordern, um auf diesem Wege zu einer klaren Meinung zu gelangen.

Thomi Jourdan weist vorab auf die Komplexität des Geschäftes hin und auf die wirklich gut geführten und fachlich ausgezeichnet begleiteten Kommissionsberatungen. Grundsätzlich geht die Vorlage in die richtige Richtung, bedarf aber noch einzelner Anpassungen, wie die Anträge der CVP/EVP-Fraktion zeigen werden.

Willi Grollimund ergänzt, dass es nicht nur um viel Wasser, sondern auch um viel Geld geht, was die Sache nicht einfacher gestalte. Heute, zwei Jahre nach dem Start in der Kommission, liegt gewissermassen wieder ein neues Gesetz vor, zu dem nicht einmal das BUWAL alle Fragen schlüssig beantworten konnte. Die SVP will, dass die Gemeinden einen möglichst grossen Spielraum in der Behandlung des Problems behalten und stimmen für Eintreten.

Isaac Reber , grüne Fraktion, führt als zentrales Anliegen an die Gesetzesrevision die saubere Regelung des Verursacherprinzips und des Trennsystems an. Nachdem der Bund das Verursacherprinzip längst im Gesetz verankert hat, kommt nun auch dem Kanton ein gesetzgeberischer Auftrag zu. Viele Gemeinden handeln heute gemäss Reglementen, die zwar mit der Bundesgesetzgebung überein stimmen, nicht aber mit der kantonalen. Konkret gibt es schon heute Gemeinden, die wenig Abwasser an die ARA liefern, davon aber nicht profitieren können, weil die kantonale gesetzliche Grundlage dafür fehlt.
So steht im Verwaltungsgerichtsurteil in der Angelegenheit Sissach: Andererseits ist der Beschwerdeführerin (Gemeinde Sissach) dahingehend Recht zu geben, dass die fehlende Berücksichtigung der Entlastung der ARA durch Meteorwasser (Niederschlagswasser) aufgrund eines Trennsystems dem bundesrechtlich statuierten Verursacherprinzip nicht entspricht und der kantonale Gesetzgeber gefordert ist, bald möglichst eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.
Leider muss die grüne Fraktion nun feststellen, dass in der zweiten Gesetzesfassung in § 12 das kleine, aber wichtige Wort Niederschlagswasser fehlt, was bedeutet, dass eine Gemeinde, die nur noch halb so viel Wasser in die ARA bringt, dafür nicht entschädigt wird und somit für die Trennungsanstrengungen nicht honoriert wird beziehungsweise jeglicher Anreiz zu trennen, vernichtet wird. Die grüne Fraktion wird in § 12 die frühere Fassung beantragen.

Detailberatung

Titel und Ingress Keine Wortmeldungen
§§ 1 und 2 Keine Wortmeldungen

§ 3 Entwässerungsplan

Karl Rudin erkundigt sich in Zusammenhang mit Absatz 1, ob der REP durch den Landrat oder durch den Regierungsrat genehmigt werde.

RR Elsbeth Schneider lässt die Kommissionspräsidentin Stellung nehmen.

Jacqueline Halder führt aus, das Handling des fünf Kantone beinhaltenden REP sei sehr schwerfällig. Ob dieser REP nun vom Landrat oder von der Regierung beschlossen werden soll, sei völlig offen, zumal auch in der Kommission bei einem 6 zu 6 Patt die Präsidentin habe entscheiden müssen.

Max Ribi schlägt für Absatz 1 folgende Fassung vor:
1 Der Landrat genehmigt den REP.
Und für Absatz 2:
2 Der Landrat regelt im Dekret die Anforderungen an den GEP und den REP.

Ursula Jäggi unterbricht die Beratung und bittet Max Ribi, den Antrag über die Mittagszeit klar zu formulieren und beim Präsidium einzureichen.

Fortsetzung der Beratung

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei




Nr. 1682

Frage der Dringlichkeit:

2002/225
Motion von Urs Baumann vom 19. September 2002: Budgetierung in den Gemeinden

Ursula Jäggi gibt bekannt, dass der Regierungsrat bereit ist, die dringliche Motion 2002/225 von Urs Baumann als Postulat entgegenzunehmen, abzuschreiben und den Gemeinden mit einem Schreiben zu antworten.

Urs Baumann erklärt sich angesichts der für die Gemeinden offerierten Lösung des Regierungsrates bereit, die dringliche Motion zurückzuziehen.

://: Damit ist der Vorstoss 2002/225 zurückgezogen.



2002/226
Interpellation von Peter Zwick vom 19. September 2002: Basellandschaftliche Pensionskasse - wie weiter?

Ursula Jäggi erklärt, dass der Regierungsrat die Dringlichkeit ablehnt.

RR Adrian Ballmer , der an der Nachmittagssitzung nicht teilnehmen kann, lehnt die Dringlichkeit ab, da aufgrund der Fragen keine dringenden Aktionen ausgelöst werden müssen und verweist zudem auf die Behandlung der Pensionskassenfragen in der Finanzkommission und die Beantwortung vieler Fragen im Jahresbericht, der auch im Internet abrufbar ist.

Peter Zwick , in der "Zwickmühle", bemerkt, für die Gemeinden sei es auch wichtig zu wissen, wie sie für die Pensionskasse budgetieren müssen. Angesichts der im Bericht ausgewiesenen Deckungslücke von 827 Millionen, aktuell soll sie bereits 1,1 Milliarden Franken betragen, sei es für die Gemeinden von höchster Wichtigkeit zu erfahren, welche Beiträge sie werden leisten müssen.
Da Regierungsrat Adrian Ballmer am Nachmittag nicht anwesend sein kann, zieht Peter Zwick die Dringlichkeit zurück.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



Begründung der persönlichen Vorstösse

Nr. 1683
2002/227
Postulat der SP-Fraktion vom 19. September 2002: Gesundheitsplanungsstelle beider Basel resp. NWCH

Nr. 1684
2002/228
Postulat der SP-Fraktion vom 19. September 2002: Bedarfsgerechtigkeit als Eckwert in der Spitalplanung

Nr. 1685
2002/229
Postulat der SP-Fraktion vom 19. September 2002: Nordwestschweizerisches Gesundheitskonkordat

Nr. 1686
2002/230
Postulat von Dieter Völlmin vom 19. September 2002: Vermeidung der Mehrfachbestrafung bei SVG-Verstössen

Nr. 1687
2002/231
Postulat von Madeleine Göschke vom 19. September 2002: Mehrfach geführte Zentrums-Kliniken zusammenlegen

Nr. 1688
2002/232
Interpellation der SP-Fraktion vom 19. September 2002: Bedarfsgerechtigkeit als wichtige Strategie in der Spitalplanung

Das Wort zur Begründung der persönlichen Vorstösse wird nicht verlangt.

Ursula Jäggi wünscht guten Appetit, macht darauf aufmerksam, dass die Nachmittagssitzung um 14.15 Uhr beginnt, und schliesst die Sitzung um 11.58 Uhr.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei




Nr. 1689

6 2002/221
Fragestunde


1. Eduard Gysin: Umwelt-Bericht des Regierungsrates
Gemäss § 50 Umweltschutzgesetz Basel-Landschaft (USG BL) erstellt der Regierungsrat alle fünf Jahre einen Umwelt-Bericht, wenn möglich in Koordination mit dem Kanton Basel-Stadt. Demnach ist für die am 31. Dezember 2001 abgelaufene 5-Jahresperiode ein entsprechender Bericht fällig.

Fragen:

1. Kommt ein Umwelt-Bericht mit dem Kanton Basel-Stadt über den fraglichen Zeitraum zustande?
2. Wann wird der Umwelt-Bericht vorliegen?

Regierungspräsidentin Elsbeth Schneider-Kenel erläutert, dass die Erarbeitung des Umweltberichtes beider Basel sich in der Schlussredaktion befindet und momentan noch zwischen den beiden Basel Anpassungen vorgenommen werden. Er wird im November dem Landrat und der Öffentlichkeit vorgelegt.

Eduard Gysin bedankt sich für die Beantwortung der Frage.


2. Thomas H. Friedli: Jugendterror im Baselbiet?
Übergriffe unter Jugendlichen sind gemäss Medienberichten in der Stadt Basel an der Tagesordnung. Die jungen Täter stammen überproportional oft aus dem Balkan oder aus der Türkei! Und die Gewaltbereitschaft gewisser Jugendlicher scheint grenzenlos zu sein, indem Angriffe ohne Anlass und zum Teil mit erheblichen Verletzungen für die Opfer erfolgen. Die Gewaltbereitschaft eskaliert, sie führt zu Ohnmachtgefühlen, Verunsicherung und zur Gegengewalt und Radikalisierung der Jugendlichen insgesamt. Von der Jugendgewalt zur Kriminalität ist es zudem nur noch ein kleiner Schritt, was auf die ganze Gesellschafts- und Rechtsordnung unseres demokratischen Rechtsstaates Auswirkungen hat. Es ist auch anzunehmen, dass sich die Jugendradikalisierung nicht nur auf die Stadt Basel beschränkt, sondern die ganze Region Basel mit betroffen ist (siehe zum Beispiel der Vorfall in der SBB bei Gelterkinden).

Fragen:

1. Wieweit ist die Zunahme der Jugendgewalt auch im Baselbiet aktuell (registrierte Anzeigen, Dunkelziffer, Gerichtsurteile)? Aus welchen Kultur- und Sozialkreisen stammen die vorwiegend jungen Täter?
2. Mit welchen Strategien kann und wird auf die Jugendgewalt reagiert und mit welchen Erfolgen?
3. Mit welchen Massnahmen wird zudem auf unbelehrbare Wiederholungstäter reagiert?

Zu 1.: RR Elsbeth Schneider-Kenel führt aus, dass, gemäss Feststellung der JuPoMi, die Jugendgewalt und die Gewaltbereitschaft in der ganzen Schweiz zugenommen hat, nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch bei Erwachsenen. Gründe dafür können die Jugendarbeitslosigkeit sein, aber auch ganz generell die Ziel- und Orientierungslosigkeit von Jugendlichen. Viele der jugendlichen Straftäter kommen aus einem sozial schlechten Umfeld und aus zerrütteten Familien. Dort wurden und werden sie oft mit Gewalt konfrontiert. Darum gilt es nicht nur die Symptome - d.h. bei den Jugendlichen - zu bekämpfen, sondern bei den Familien anzusetzen. Es darf keine Toleranz mehr geben bei Gewalt im sozialen Nahraum. Mit der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt wurde ein guter Grundstein gelegt.
Klar festhalten wolle man auch, dass Jugendpolitik nicht mit Mitteln des Jugendstrafrechts gemacht werden kann. Dazu brauche es ein Bündel von Massnahmen wie Ausbildungsprogramme, Familien- und Sozialpolitik oder Integrationsanstrengungen. Die Jugendanwaltschaft führt erst seit Anfang dieses Jahres entsprechende detaillierte Statistiken. Die Jugendanwaltschaft und die Polizei ermuntern bei ihrer intensiven Präventionsarbeit vor allem an den Schulen Betroffene, Anzeige zu erstatten, wenn etwas vorgefallen ist. Die Konsequenz sei der Anstieg der Fallzahlen, aber dementsprechend auch die Reduktion der früher hohen Dunkelziffern. Statistiken sind gemäss JuPoMi also mit Vorsicht zu geniessen. Deshalb mit allen Vorbehalten einige Zahlen:
Die Täterschaft aller erfassten Delikte setzt sich im Zeitraum vom 1.1.2002 bis 16.9.2002 aus 504 Schweizern und 236 Ausländern zusammen. Betrachtet man nur die Gewaltdelikte (schwere, einfache und fahrlässige Körperverletzung, Tätlichkeit, Raufhandel, Angriff, Raub, Erpressung, Drohung, Nötigung, Freiheitsberaubung und Entführung), so wurden von diesen im genannten Zeitraum 111 begangen und angezeigt, wobei 57 von Schweizern und 54 von Ausländern (Albanien 4, Jugoslawien 15, Türkei 31, 4 übrige Länder) verübt wurden.
Das Jugendgericht hatte im Jahr 2002 sieben neue Fälle, zusammen mit dem Überhang aus dem Jahr 2000 wurden insgesamt elf Fälle behandelt. Es handelte sich um 10 männliche und eine weibliche Jugendliche, 7 davon waren Schweizer und 4 Ausländer. Das Jugendgericht verhängte eine Einweisung in ein Erziehungsheim, eine Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt, drei Einweisungen in ein Jugendheim, eine Person wurde in einer Familie platziert. Alle Fälle wurden von einer Psychotherapie begleitet.

Zu 2.: Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion hat das Problem vor einiger Zeit erkannt. So wurden bei der Polizei letztes Jahr drei Stellen für Jugendsachbearbeiter neu geschaffen. Diese werden bis Mitte 2003 von 3 auf 6 Stellen verstärkt. Polizei und Jugendanwaltschaft bekämpfen die Jugendkriminalität professionell und konsequent mit repressiven und präventiven Aktionen. Damit übernimmt der Kanton Basel-Landschaft in diesem Bereich gesamtschweizerisch eine führende Rolle.

Zu 3.: Jugendliche mit massiven und wiederholten Gewaltdelikten müssen beim Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen mit der Einweisung in ein Jugendheim rechnen.

Ursula Jäggi stellt fest, dass der Fragesteller nicht anwesend ist und keine Zusatzfragen vorhanden sind.


3. Mirko Meier: Kindergärten und Standardsprache
In Basel-Stadt läuft zur Zeit ein so genannter Pilotversuch, wo in zwei Kindergärten nicht mehr unsere Muttersprache, sondern eine Fremdsprache (Hochdeutsch) gesprochen werden muss. In der Amtssprache wird diese Fremdsprache sogar neu Standardsprache genannt.

Fragen:

Ist das jetzt eine neue Art Integration, wonach wir uns den Ausländern anzupassen (unterzuordnen) haben und ist ein solcher Versuch auch im Baselbiet vorgesehen?
Wie hoch ist der Prozentanteil der fremdsprachigen Kindergartenschülerinnen und Kindergartenschüler im Baselbiet, aufgeteilt nach einzelnen Bezirken?

Im Namen des Erziehungsdirektors beantwortet RR Elsbeth Schneider-Kenel die beiden Teilfragen zusammen und beginnt mit einer Übersicht über die Anzahl fremdsprachiger Kinder in den Kindergärten.
Total besuchen 5077 Kinder im Kanton den Kindergarten, davon sind 1305 Fremdsprachige, was 26% entspricht. Der grösste Anteil findet sich im Bezirk Liestal, wo von total 1128 Kindergartenkindern 409 Fremdsprachige sind, was 36% entspricht. Der kleinste Anteil hat der Bezirk Sissach, wo von total 680 Kindergartenkindern 116 Fremdsprachige sind, was 17% entspricht.
Im Kanton Basel-Landschaft gibt es kein Projekt, das mit dem Versuch in Basel-Stadt vergleichbar ist. Es ist auch kein solches geplant. Im Gegensatz zu den anderen Schulstufen, für die der Erziehungsrat schon vor Jahren eine Weisung über den Gebrauch der deutschen Standardsprache erlassen hat, besteht derzeit für den Kindergarten keine analoge Vorgabe. Die Handreichungen zum Lehrplan Kindergarten BL halten Folgendes fest: "Jedes Kind wird vom Sprachmilieu, das in der Familie und in der engeren Umgebung vorherrscht, beeinflusst. Für die sprachliche Förderung im Kindergarten ist es daher wichtig, dass die Lehrkraft das individuelle Sprachniveau und die sprachliche Eigenart (Dialekt) des einzelnen Kindes kennt aber auch anerkennt. Nur wenn das Kind zunächst einmal die positive Anerkennung seines gegenwärtigen Sprachverhaltens erfährt, wird es auch bereit sein, neue sprachliche Anregungen aufzunehmen."
Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der PISA-Studie studiert das Schulinspektorat zur Zeit Möglichkeiten, die kontinuierliche Sprachförderung über die Schulstufen hinweg und unter Einbezug des Kindergartens zu optimieren. Dabei gehe es nicht um eine Form der Unterordnung, sondern um eine Erweiterung, welche die Realität der Kinder berücksichtigt. Das Fernsehen, Märchen- und Geschichtenkassetten, Vorlesetexte und Lieder vermitteln den Kindern bereits lange vor dem Schuleintritt erste Begegnungen mit der deutschen Standardsprache. Es wird nun geprüft, inwieweit neben der Sprachschulung in der Mundart in einzelnen Unterrichtssituationen auch dieser Aspekt der Sprachrealität der Kinder miteinbezogen werden kann. Damit soll der Erkenntnis Rechnung getragen werden, dass Sprachenlernen im frühen Kindesalter besonders effizient und nachhaltig ist. Kleine Kinder haben eine Fähigkeit, für sich Sprachlandschaften anzulegen, die mit zunehmendem Alter weniger ausgeprägt ist. Die Beherrschung der deutschen Standardsprache ist eine Schlüsselkompetenz im Hinblick auf die spätere Schul- und Berufswahl. Indem wir uns von ihr als "Fremdsprache" abgrenzen, leisten wir den Kindern und Jugendlichen für ihre Zukunft keinen Dienst. Wichtig sei, das sprachliche Potential der Kinder alters- und stufengerecht zu nutzen, sie mit Sprachen spielen zu lassen und ihnen so zu ermöglichen, Freude an weiteren Sprachen zu erlangen und diese weiter zu entwickeln.

Ursula Jäggi fragt nach Zusatzfragen und stellt fest, dass der Fragesteller nicht anwesend ist.

Heinz Mattmüller kann sich mit der sehr ausführlichen Beantwortung der Frage 3 einverstanden erklären.

Ursula Jäggi erklärt die Fragestunde als beendet.

Für das Protokoll:
Seline Keiser, Landeskanzlei


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