Protokoll der Landratssitzung vom 6. Februar 2003

Nr. 2002

10 2002/158
Postulat von Roland Plattner vom 20. Juni 2002: Nachhaltiger Gemeinde-Support

Regierungsrat Adrian Ballmer erklärt, warum der Regierungsrat das Postulat ablehnt: Es gibt zwar vereinzelte Gemeinden (4-5), welche in den vergangenen Jahren Mühe damit hatten, Kandidatinnen und Kandidaten für vakante Behördensitze zu finden. Dramatisch ist die Situation aber nicht, stellt der Regierungsrat fest. Jede der betroffenen Gemeinden konnte innert nützlicher Frist ihre Behörden vollständig besetzen, und dies meist selbständig. Einzig in zwei Fällen war die aktive Unterstützung der Finanz- und Kirchendirektion mit ihrer Stabsstelle Gemeinden notwendig. Diese nahm an öffentlichen Hearings teil. Es ist nicht zu bestreiten, dass die Gemeindeaufgaben zunehmend komplexer werden. Aber auch die Gemeindeverwaltungen werde immer leistungsfähiger, bemerkt Adrian Ballmer. Sie werden heute ausnahmslos von gut ausgebildeten Profis geleitet. Gerade auch in den kleinen Gemeinden gibt es viele gute Behördenmitglieder, welche die Gemeindeaufgaben pragmatisch und mit gesundem Menschenverstand bewältigen. Die Finanzierung der Gemeindeaufgaben ist, entgegen der Auffassung des Postulats, in genügendem Mass sichergestellt. Dies beweist ein Blick auf die Gemeinderechnungen, welche sich mit wenigen Ausnahmen in einem sehr guten Zustand befinden. Was die unterschiedliche Finanzkraft unter den Gemeinden betrifft, so gleicht das neue Finanzausgleichsgesetz nicht nur die Finanzausstattung der Gemeinden noch besser aus, sondern es führt auch neu Ausgleichsindizes für bestimmte gemeinde-individuelle Belastungen ein wie Sozialindex, Kinderindex, Hochbetagtenindex. Das Postulat rennt mit den vorgeschlagenen Supportmassnahmen entweder offene Türen ein, oder es schiesst über das Ziel hinaus, bedauert Adrian Ballmer.
Adrian Ballmer geht auf den im Postulat erwähnten Punkt Aus- und Weiterbildungsangebot e für Gemeindebehördenmitglieder ein: Der Gemeindeverwalterverband hat zusammen mit der Fachhochschule beider Basel ein sehr gutes Angebot ins Leben gerufen. In einem modularen Ausbildungsgang über Aufgaben und Grundlagen der Gemeinden kann entweder ein Diplom erlangt werden oder eine spezifische Vertiefung von einzelnen Themen. Mit den weiter geforderten Anreizsystemen können nur finanzielle Anreize gemeint sein, vermutet Adrian Ballmer. Dies aber lehnt der Regierungsrat angesichts der prekären Finanzlage des Kantons prinzipiell ab.
Die steuerliche Privilegierung von Gemeindebehördenmitgliedern hält der Regierungsrat für realpolitisch ziemlich chancenlos. Zudem fügt er an, dass diese die Einkommenssituation von Gemeindebehördenmitgliedern in den meisten Fällen nur unmerklich, dafür in wenigen Fällen - bei Halb- und Vollamt - über Gebühr verbessert. Eine tauglichere Lösung wäre seines Erachtens die Anhebung der zum Teil sehr bescheidenen Behördenvergütungen durch die Gemeinden. Dies müsse aber, aus Gründen der Gemeindeautonomie, den Gemeinden überlassen bleiben und könne nicht vom Kanton verordnet werden. Die neue Verfassung schreibe ja bekanntlich vor, dass die durch den Kanton gewährte Gemeindeautonomie möglichst gross sein soll.
In Bezug auf die verstärkte Information über Gemeindekooperationsformen und die Standardisierung von Kooperationsformen stellt Adrian Ballmer in Aussicht, dass mit der Teilrevision des Gemeindegesetzes, welches bis zum 20. Dezember 2002 in der Vernehmlassung war, die Formen der Gemeindezusammenarbeit standardisiert und vereinfacht werden. Durch den politischen Prozess der Gesetzesrevision werden die Gemeinden vermehrt über diese Möglichkeit informiert. Zudem wird die Stabsstelle Gemeinden nach erfolgter Gesetzesänderung Informationsveranstaltungen für Gemeindebehördenmitglieder durchführen.
Betreffend die kantonale Unterstützung von fusionswilligen Gemeinden in gesetzgeberischer, rechtlicher, administrativer, organisatorischer, emotionaler und psychologischer Hinsicht betont Adrian Ballmer, dass diese Unterstützung schon heute von der Stabsstelle Gemeinden wahrgenommen wird. Als aktuelles Beispiel fügt er die Beratung der Gemeinden Buckten, Rümlingen, Känerkinden, Häfelfingen und Wittinsburg in Bezug auf die Schaffung eines Zweckverbandes für den Betrieb eines gemeinsamen Friedhofes in Rümlingen an. Eine Zunahme der Nachfrage nach Unterstützung sei nicht festzustellen und ein Aufdrängen von Unterstützung nicht angezeigt.
Zum gezielten Entgegenkommen gegenüber Agglomerations-Kerngemeinden bei deren Interaktion mit den umliegenden Gemeinden und gegenüber städtischen Vorortsgemeinden zeigt sich Adrian Ballmer ratlos; er wisse nicht, worin dies bestehen solle. Ein finanzielles Entgegenkommen wäre seiner Ansicht nach wenig aussichtsreich und dürfte bei den übrigen Gemeinden zurecht auf wenig Gegenliebe stossen. In der Diskussion um Liestal werde beispielsweise sehr aufmerksam von den übrigen Gemeinden mitverfolgt, was in dieser Hinsicht passiert.
Der Kanton ist selbstverständlich schon heute bereit, seine guten Dienste zur Verfügung zu stellen und tut dies auch, allerdings nicht pro-aktiv sondern subsidiär nach Bedarf, hält Adrian Ballmer schliesslich fest. Es gebe viele solche Beispiele. Als Gemeindedirektor habe er selbst regelmässig Gespräche mit dem Vorstand des VBLG, dessen Präsident auch im Landrat anwesend sei. Man wolle ganz bewusst den VBLG stärken und nicht, ihn konkurrenzieren. Als Gemeindedirektor ist Adrian Ballmer an einem starken Verband als Gesprächspartner interessiert. In den Gesprächen könne der VBLG nach Bedarf Geschäfte traktandieren, und man sorge anschliessend dafür, dass die entsprechenden Fachleute aus der Verwaltung die anstehenden Fragen klären und mündlich Red und Antwort stehen. Nicht wünschenswert sei hingegen eine weitere Aufgaben- und Lastenverteilung in die falsche Richtung, nämlich in Richtung Kanton. Er erinnert daran, dass die Aufgaben- und Lastenverteilung im Kanton sich etwa im Verhältnis 100 : 57 bewegt; 100 Prozent fallen auf den Kanton, 57 Prozent auf die Gemeinden. Im Vergleich mit anderen Kantonen liege Baselland gerade etwa "verkehrt". Aus diesen Gründen lehnt die Regierung das vorliegende Postulat ab.

Roland Plattner überlegte sich auch hier bei Bekanntwerden der ablehnenden Haltung der Regierung, welche Einwände wohl gegen den Vorstoss sprechen könnten. Dabei gelangte er auf fünf Argumentationslinien, welche nun auch durch die Antwort von Regierungsrat Ballmer bestätigt wurden. Erstens wohl handle es sich dabei um eine grundsätzliche Abwehrreaktion gegen parlamentarische Vorstösse, was bei der momentanen Schwemme verständlich sein könnte. Zweitens besteht kein Handlungsbedarf. Drittens soll dem Zentralismus nicht noch mehr Vorschub geleistet werden, und viertens müsse die Gemeindeautonomie gestärkt werden. Als letztes und fünftes Gegenargument fügt Roland Plattner an, dass in der heutigen Finanzlage keine zusätzlichen Ausgaben oder Aufgabenstellungen gefragt seien. Dazu und zu dem eben Gehörten nimmt der Redner wie folgt Stellung. Zu erstens: In einem politischen Vorstoss könne man natürlich primär einen Vorwurf erkennen, Regierung und Verwaltung hätten zu wenig gemacht, etwas nicht erkannt oder seien daran, eine Entwicklung zu verschlafen. Man könnte darin aber auch eine Chance erkennen, auf Gutem aufbauend mehr zu tun, die eigene Leistung zu steigern und die Angehörigen des Parlaments als Sensoren zu betrachten, welche versuchen, der professionellen Organisation aus ihrer Wahrnehmung gewisse Informationen zukommen zu lassen, von denen sie finden, sie seien für das Wohl des Kantons wichtig. Roland Plattner ist der Meinung, dass sein Vorstoss in diese Kategorie von Vorstössen gehört.
Zu zweitens: Mit Ablehnung des Vorstosses wird der zusätzliche Handlungsbedarf in Sachen Gemeindesupport verneint. Der Redner kann dies nicht nachvollziehen. Die Probleme und ihre Ursachen sind für ihn unübersehbar, sie sind vielfältig und überaus komplex. In einem kürzlich erschienenen Forumsbeitrag in der BaZ habe dazu der Gemeinderat einer kleinen Landgemeinde eindrücklich Stellung genommen. Werde nun bagatellisiert, dass es irgendwann einmal in der Vergangenheit 5 Gemeinden waren, die bei der Rekrutierung ihrer Behördenmitglieder gewisse Schwierigkeiten bekundeten, so waren dies immerhin fünf Gemeinden, meint er. Für Roland Plattner ist dies ein Symptom, welches ernster genommen werden muss. Er ist der Meinung, die Problemlösung könne, solle und dürfe nicht allein den Gemeinden überlassen bleiben, sondern der Kanton müsse aktiv vorausblickend die Führung übernehmen. Dies hält er für einen praktischen sowie auch ökonomischen Ansatz.
Zu drittens, Zentralismus: Gehöre unser Kanton im Quervergleich zu den zentralistischen, so dürfe man eines nicht übersehen. Mit der Verwirklichung der Ideen des Vorstosses erfolge keinesfalls vermehrte Zentralisierung, sondern das pure Gegenteil. Roland Plattner geht es um eine klare Stärkung der dezentralen Gebietskörperschaften, nämlich der Gemeinden. Gerade unser aktuell hoher Zentralisierungsgrad gebiete es, dass die kantonalen Ressourcen dafür eingesetzt werden, die Gemeinden zu unterstützen, zu fördern, Chancen und Vorteile zu analysieren. Gleichzeitig müssten die entsprechenden Ansätze für ein gemeinsames Vorgehen aufgezeigt werden.
Zu viertens: Eine Gefährdung der Gemeindeautonomie finde in keiner Weise statt, wenn man das Postulat genau lese. Das Wort Support bringe ja zum Ausdruck, dass es um eine Unterstützung geht und nicht um eine Autonomieeinschränkung. Eine Unterstützung der Gemeinden in Aufgaben, welche sinnvollerweise aus der Gesamtoptik beurteilt werden, zentral geleistet, so dass nicht jede Gemeinde das Rad neu erfinden müsse. Die Autonomie der Gemeinden kann, soll und darf mit geeigneten Unterstützungsmassnahmen erhalten, gefördert und gestärkt werden. Auf nichts anderes ziele der vorliegende Vorstoss, macht Roland Plattner klar - und dies unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips und im Wissen um die besondere Bedeutung der Gemeinden in unserem Staatsaufbau. Der Vorschlag eines Workshops mit den interessierten Gemeinden, bei dem man die entsprechenden Informationen "abholen" könnte, zeige zudem klar auf, dass es nicht darum gehe, die Gemeinden zu gängeln.
Zu fünftens, finanzielle Auswirkungen: Es gibt Investitionen, die sich lohnen und volkswirtschaftlich über die verschiedenen Ebenen der öffentlichen Haushalte Sinn machen. Man dürfe nicht allein nach dem kantonalen Finanzhaushalt optimieren sondern müsse auch den Zusammenhang mit den kommunalen Haushalten im Auge behalten. Im vorliegenden Fall gehe es um eine vermehrte Organisation und um Angebotsplanung des bereits vorhandenen Know-Hows, welches Roland Plattner als schon sehr gut erachtet. Eventuell müsse man auch eine personelle Aufstockung an zuständiger Stelle in Betracht ziehen. Vom Regierungsrat sei vorgängig verkündet worden, wie vielfältig die Aufgaben der Stabsstelle Gemeinden seien, und diese leiste auch viel Gutes. Aber dabei handle es sich lediglich, salopp ausgedrückt, um eine One-Man-Show; eine Hundertprozent-Stelle, wie Roland Plattner es erlebe. Irgendwo sei eine solche Stelle auch limitiert in ihren Möglichkeiten. In anderem Zusammenhang rede man von einer Aufstockung im Hochbauamt um zehn Stellen, wenn es darum gehe, Sekundarschulbauten zu übernehmen. Roland Plattner ist der Meinung, dass im Bereich der Stabsstelle Gemeinden eine Aufstockung durchaus Sinn machen würde und findet, ein Payback wäre garantiert.
Abschliessend hält Roland Plattner fest, dass er mit dem Postulat einen Bericht sowie zweckmässige Vorschläge, wie in den Aufgabenstellungen und Problemlagen vorgegangen werden könnte, erwartet.

Hanspeter Wullschleger lehnt namens der SVP-Fraktion das Postulat ab. Den Gemeindebehörden werden seiner Ansicht nach bereits heute gute Angebote von Seiten der Direktionen gemacht, dabei spricht er aus eigener Erfahrung. Die Frage sei lediglich, ob man sich darum bemühe oder nicht. Bemühe man sich darum, so erhalte man gute Informationen von den Stabsstellen. In seiner Gemeinde wurde vor ein paar Jahren die Bürgergemeinde aufgelöst und in die Einwohnergemeinde integriert. Dabei wurde die Gemeinde vom Kanton kompetent über das Vorgehen beraten, so dass alles gut "über die Bühne" ging, lobt er. Die SVP sieht in diesem Bereich heute keinen Handlungsbedarf und lehnt aus diesem Grund das Postulat ab.

Roger Moll gibt zu bedenken, dass die Probleme, welche sich um die Rekrutierung der Behördenmitglieder ergeben, grundsätzlich in der Struktur der Organisation zu suchen sind, also innerhalb der Gemeindestruktur. Genauso sei die Gemeindeorganisation dafür verantwortlich, wenn sich aufgrund des Ausscheidens von Behördenmitgliedern Vakanzen ergeben und somit neue Mitglieder gewonnen werden müssen, d.h. genaugenommen werde die Verantwortung gemeinsam getragen von der Exekutive und den in der Gemeinde vertretenen politischen Parteien, präzisiert Roger Moll. Aus- und Weiterbildung liegen ebenfalls in der Kompetenz der Exekutive, des Gemeinderats selbst, wobei auch hier die nötigen interessierten Gruppierungen innerhalb der Gemeinde selbst mitverantwortlich zeichnen, dass diese weiterhin funktioniert. Hier könne die Verantwortung nicht an den Regierungsrat delegiert werden. Die FDP ist der Meinung, dass dies nicht Sache der Regierung ist sondern Sache auch der bereits bestehenden Institutionen, welche gute Grundlagen haben und auch entsprechend dokumentiert seien. Es liege an den Gemeinden selbst, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen. Aus den genannten Gründen lehnt die FDP-Fraktion das Postulat ab.

Eugen Tanner bestätigt die im Postulat gemachte Aussage, dass es heutzutage schwierig ist, Kandidaten für eine politische Aufgabe in der Gemeinde zu finden. Nur, mit dem vorliegenden Support-Vorstoss finde man nicht mehr und auch nicht zwingend die besseren Leute. Er könnte sich sogar vorstellen, dass das Gegenteilige der Fall wäre. Er selbst habe in seiner bald fünfzehnjährigen Gemeindetätigkeit festgestellt, dass beim Auftauchen von Fragen und Problemen auch die entsprechenden kantonalen Stellen durchaus behilflich seien. Selbstverständlich müsse man die Arbeit dann selbst besorgen, aber Hilfestellung sei gewährleistet, versichert er. Des weiteren konnte er beobachten, dass bei anstehenden Neuerungen in aller Regel die Initiative vom Kanton ausgehe, welcher die Gemeinden einlade, um das Neue vorzustellen. Mittlerweile habe man zudem einen guten, funktionstüchtigen Verband, welcher u.a. den Gemeinden gegenüber wertvolle Unterstützung leiste. Eugen Tanner weist auch darauf hin, dass das Gemeindegesetz in Überarbeitung ist und Zweckverbände zunehmend im Kommen seien. Er ist der Meinung, dass sich wohl die eine oder andere Gemeinde noch überlegen muss, ob sie sich nicht auf diesem Weg das nötige Know-How sowie Fachkompetenz beschaffen will. Für sehr wichtig hält er letztlich auch den Erfahrungsaustausch unter den Gemeindebehörden / Gemeinderäten sowie auch unter dem Personal der Gemeindeverwaltungen. Eugen Tanner ist der Meinung, dass sich auch daraus wertvolle Unterstützung ergeben kann. Aus diesen Gründen bittet er die Ratskollegen - mit einer kleinen Ausnahme in der Fraktion - das Postulat abzulehnen.

Eduard Gysin ist für Ablehnung des Postulats aus zwei Gründen, welche bereits genannt wurden: Erstens gebe es den Gemeindeverband, welcher die geforderte Aufgabenwahrnehmung erfülle und zweitens - Hanspeter Wullschleger habe das Argument geliefert - erhalten die Gemeinden sehr wohl Unterstützung, wenn sie nachfragen. Er hält die im Postulat aufgeworfenen Fragen für richtig und wichtig, der Leidensdruck auf Seiten der Gemeinden sei aber noch nicht gross genug.

Regierungsrat Adrian Ballmer hat mit Vergnügen das Lob zur Kenntnis genommen, dass der Kanton Support leistet. Auch er ist überzeugt davon, dass dem so ist. In Bezug auf die One-Man-Show möchte er klar widersprechen. Bei den jeweiligen Sitzungen mit dem VBLG, welche regelmässig stattfinden, seien zahlreiche Mitglieder dabei, neben dem Finanzdirektor auch etliche seiner Kadermitglieder, von welchen eine Grosszahl regelmässig, einige wenige nach Bedarf zugegen sind. Oft seien auch Vertreter aus der BUD, EKD, VSD usw. als Referenten eingeladen. Die Regierung spiele sozusagen den Key Account Manager, welcher dafür sorgt, die nicht direkt mit der Direktion lösbaren Probleme von Gemeinden zu kanalisieren und an die richtige Stelle weiterzuleiten. Es handle sich also keineswegs nur um eine "Einzelmaske", welche hier schalte und walte. Zudem gebe es diverse Angebote. Er erinnert an die kürzlich stattgefundene Veranstaltung über Informatik-Support, Rechnungswesen, Applikationen in den Gemeinden. Die Regierung habe hier Interesse an einer Analyse, um die Schnittstellen zu verringern. Diverse Lösungen ständen zur Diskussion, und die Regierung leiste Hilfestellung. Ausserdem wolle man gerade mit dem Gemeindegesetz den Gemeinden die Kooperation erleichtern und ihnen die Schaffung gemeinsamer Institutionen noch leichter machen. So wären beispielsweise gemeinsame Sozialhilfebehörden denkbar, und damit auch die Möglichkeit, dass diese Verfügungen erlassen könnten, was heute nicht möglich sei.

Keine weitere Wortmeldung.

://: Der Landrat beschliesst, das Postulat 2002/158 von Roland Plattner nicht zu überweisen.

Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei



Nr. 2003

11 2002/195
Motion der SVP-Fraktion vom 5. September 2002: Standesinitiative "Bankgeheimnis"

Regierungsrat Adrian Ballmer nimmt zur Ablehnung der Motion durch den Regierungsrat Stellung und betont, in der Sache könne er sich mit dem Anliegen sehr wohl einverstanden erklären. Seiner Meinung nach sollte das Bankgeheimnis, oder besser gesagt das so genannte "Bankkundengeheimnis", gewährleistet bleiben. Der Begriff Bankkundengeheimnis sei zutreffender, da es nicht um den Schutz des Geschäftsgeheimnisses einer Bank, sondern um den Schutz der Kundinnen und Kunden gehe.
Seit 1995 führe die Schweizerische Bankiervereinigung jährlich eine repräsentative Meinungsumfrage über die Rolle der Banken in der Schweizerischen Wirtschaft durch. Aus diesen Umfragen gehe jeweils klar hervor, dass rund 70 bis 80 Prozent der Befragten dem Bankkundengeheimnis einen hohen Stellenwert zumessen.
Abgesehen davon, dass eine Standesinitiative ein schwaches Instrument darstelle und die SVP auf Bundesebene bereits eine parlamentarische Initiative zum gleichen Anliegen eingereicht habe, könnte die Verankerung des Bankkundengeheimnisses in der Bundesverfassung - dieses ist laut Adrian Ballmer heute keinesfalls akut gefährdet - international zu unnötigen Provokationen führen. Das Vorgehen könnte sich negativ auf die nicht allzu einfachen Verhandlungen mit der EU auswirken. Im Übrigen ist das Bankkundengeheimnis bereits in Art. 13 der Bundesverfassung, in Art. 28 ZGB und in Art. 47 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen geregelt.

Helen Wegmüller schickt ihren Ausführungen voraus, dass die SVP-Fraktion das Wort "Bankgeheimnis" in ihrer Motion jeweils auf "Bankkundengeheimnis" abändern wolle.
Für die Schweiz als Land ohne Rohstoffe spiele der Finanzplatz traditionell eine wichtige Rolle. Im globalen Wettbewerb unter den Dienstleistungszentren nehme dieser eine Spitzenposition ein und sei ein unentbehrlicher Pfeiler der Volkswirtschaft. Die Schweizer Banken beschäftigen rund 120'000 Personen und tragen damit jährlich 45 Mia. Franken oder 11,2 % zum BIP bei. Sie generieren 15 % der Steuereinnahmen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden. Mit diesem kostbaren Gut dürfe nicht leichtfertig umgegangen werden. Dazu kommt, dass die Achtung der Privatsphäre und des Privateigentums zentrale Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaates darstellen. Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung, ihres Briefpost- und Fernmeldeverkehrs sowie auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. Dazu gehört auch, dass der Staat und Private nicht jederzeit auf die finanziellen Verhältnisse und Finanzverhaltensweisen der einzelnen BürgerInnen Zugriff haben.
Das Bankkundengeheimnis schütze die Privatsphäre der Bankkunden, ein für die schweizerische Demokratie selbstverständliches Rechtsgut. Diskretion sei nicht gleichbedeutend mit Anonymität, denn mit dem Geldwäschereigesetz verfügt die Schweiz über eine der fortschrittlichsten Gesetzgebungen der Welt. Zur Ahndung von Steuerbetrug, Geldwäscherei und anderer krimineller Handlungen stehen damit griffige Mittel zur Verfügung. Das Bankkundengeheimnis schützt weder die Gelder krimineller Personen oder Terroristen noch bietet es Schutz für zweifelhafte Potentatengelder oder Steuerbetrüger. Es schützt die Kunden, die einzelnen Bürgerinnen und Bürger also, und nicht die Bank.
Die Gewährung von Diskretion und Privatsphäre stelle für die Schweiz einen wesentlichen Standortvorteil dar. Die traditionellen Stärken der Schweiz wie wirtschaftliche und politische Stabilität, das professionelle Know-how und die Integrität der Banken kommen insbesondere bei der Vermögensverwaltung zum Tragen. Obwohl sich der Wettbewerb um Finanzdienstleistungen in den vergangenen Jahren weltweit intensiviert hat, nimmt der Bankensektor in der Schweiz nach wie vor eine überragende Stellung ein.
Der Druck auf das schweizerische Bankkundengeheimnis ziele darauf ab, eine generelle Einsichts- und Kontrollmöglichkeit des Staates gegenüber Privatvermögensanlagen durchzusetzen. Damit ginge jedoch die Privatsphäre auch von unbescholtenen Bürgern verloren. Diese Entwicklung gelte es zu verhindern, denn die Bewahrung des Bankkundengeheimnisses sei für einen wettbewerbsfähigen Wirtschafts- und Finanzplatz Schweiz zentral. Der Bundesrat müsse wissen, dass die Bevölkerung hinter dem Bankkundengeheimnis stehe, und dürfe dem Druck aus dem Ausland gegen den Willen der Bevölkerung nicht nachgeben. Es gelte daher, von den Kantonen ein Signal nach Bern zu senden, dass eine Aufweichung des Bankkundengeheimnisses unerwünscht sei, da die Folgen für den Wirtschafts- und Finanzplatz Schweiz gravierend wären. Es gehe bei den Forderungen, das Bankkundengeheimnis aufzuweichen, primär darum, den ausländischen Finanzplätzen zusätzliche Marktanteile zu sichern.
Mit der Überweisung der vorliegenden Motion wird ein Input zur Verankerung des Bankkundengeheimnisses in der Bundesverfassung gegeben, womit ein wichtiges Institut der schweizerischen Rechtsordnung massiv gestärkt würde. Helen Wegmüller bittet den Landrat um Zustimmung zur Überweisung der Standesinitiative "Bankkundengeheimnis".

Paul Schär erklärt, die FDP-Fraktion könne der vorliegenden Motion nach dem Ersetzen des Begriffs "Bankgeheimnis" durch "Bankkundengeheimnis" zustimmen, denn das Bankkundengeheimnis stelle einen zentralen Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaates dar. Er kann sich den Äusserungen seiner Vorrednerin vollumfänglich anschliessen.

Ruedi Brassel geht auf die Vorgeschichte das aktuellen Vorstosses ein. Im letzten Jahr wurde von der SVP-Fraktion im Bundeshaus eine parlamentarische Initiative lanciert, ein Manöver im Zusammenhang mit den Verhandlungen zu den bilateralen Verträgen II mit der EU. Das Bankkundengeheimnis wurde in diesem Zusammenhang als unerschütterlicher Pfeiler der schweizerischen Identität bezeichnet, welches unbedingt bewahrt werden müsse. Das mit der Initiative verbundene Signal bezeichnet Ruedi Brassel - wie bereits Adrian Ballmer - als sehr problematisch, da es die Verhandlungen mit der EU zum Teil auch erschwert habe.
Vor rund zwei Wochen fanden die EU-Finanzminister nun aber einen Konsens, welcher es als höchst wahrscheinlich erscheinen lässt, dass das Bankgeheimnis gar nicht angetastet werde. In Zukunft soll auch für ausländische Konten in der Schweiz eine Verrechnungssteuer eingeführt werden, von welcher 75 % den ausländischen Staaten zugehalten wird. Zumindest steuermässig vermindert sich damit die Attraktivität der Schweiz als Fluchtmöglichkeit. Das von der SVP eingeleitete, taktische Manöver sei nun nicht mehr notwendig.
Ruedi Brassel stellt fest, in anderen Zusammenhängen würden Flüchtlinge an der Schweizer Grenze abgewiesen, hier jedoch sollen Steuerflüchtlinge angezogen werden. Seiner Meinung nach dürfe das Bankgeheimnis auf keinen Fall als Einladung zur Steuerflucht dienen.
Ruedi Brassel meint, dass der aktuelle Vorstoss der SVP-Fraktion in der jetzigen Situation nicht mehr notwendig sei und auch nie sinnvoll war. Zudem bestehen sowohl im Bankengesetz wie auch im ZGB genügend rechtliche Grundlagen für ein Bankengeheimnis. Für die Forderung, das Bankkundengeheimnis in der Bundesverfassung zu verankern, bleiben praktisch nur noch metaphysische Gründe übrig. Dem Bankgeheimnis komme die Qualität eines Bekenntnisses zum schweizerischen Finanzplatz und einer angeblichen schweizerischen Identität zu, was letztlich absurd sei. Ruedi Brassel hat den Eindruck, die SVP wolle mit ihrem Vorstoss das Bankgeheimnis in der Bundesverfassung selig sprechen. Seligsprechungen jedoch können nur bei Toten erfolgen, und das Bankgeheimnis sei nicht tot. Demzufolge gehe es also nicht darum, das Bankgeheimnis selig zu sprechen, sondern ihm ewiges Leben zu garantieren, und dies könne nicht einmal der Papst. Die SP-Fraktion sei nicht bereit, diese Metaphysik mitzutragen, und spricht sich daher klar gegen eine Standesinitiative aus.

Isaac Reber betont, die rigorose Wahrung des Bankgeheimnisses schütze vor allem die Steuerflucht. Jeder geflüchtete Franken muss jedoch durch die kleinen und mittleren Einkommen kompensiert werden, welche nicht über die gleich langen Beine verfügen. Dass die SVP solches Handeln gutheisst und den kriminellen Akt der Steuerflucht auch noch begünstigen will, spricht laut Isaac Reber Bände. Auch an die Adresse der FDP meint er, dass die Standesinitiative nicht die Interessen der kleinen und mittleren Einkommen vertrete, denn ein Lohnausweis beschränke die Möglichkeiten, Geld den Steuern zu entziehen. In der radikalen Art, wie das Bankkundengeheimnis in der Verfassung festgeschrieben werden soll, ist es nicht notwendig und daher abzulehnen.

Heinz Mattmüller kann den von linker Seite vorgebrachten Voten eine gewisse Berechtigung nicht absprechen. Andererseits sei die Schweiz mit dem System des Bankkundengeheimnisses bisher gut gefahren und die Schweizer Demokraten wenden sich entschieden gegen die von der EU diktierten Aufweichungsmethoden des Finanzplatzes Schweiz. Aus diesem Grund unterstützen die Schweizer Demokraten die aktuelle Motion.

Hans Schäublin hebt hervor, dass sich der Finanzdirektor in der Sache mit dem Anliegen der Standesinitiative einig erklärt habe. Das Bankkundengeheimnis geniesse nach wie vor einen hohen Stellenwert und soll daher in der Verfassung festgeschrieben werden, auch weil die Verhandlungen mit der EU noch keine definitiven Resultate gebracht haben. Das Einreichen von Standesinitiativen aus verschiedenen Kantonen soll dem Bund ein Zeichen sein, in welche Richtung seine Verhandlungen mit der EU zielen sollen. Er bittet die Ratsmitglieder noch einmal, die Motion zu unterstützen.

Ursula Jäggi-Baumann gibt bekannt, dass die SVP-Fraktion einen Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt habe.

://: Die Motion 2002/195 wird mit 35:32 Stimmen an den Regierungsrat überwiesen, und zwar wie folgt modifiziert: Das Wort "Bankgeheimnis" wird jeweils durch das Wort "Bankkundengeheimnis" ersetzt.

Mit Ja gestimmt haben:
Anderegg Romy, Bächtold Roland, Brodbeck Dölf, Corvini Ivo, Fritschi Anton, Gerber Fredy, Grollimund Willi, Haas Hildy, Haegler Thomas, Hasler Gerhard, Holinger Peter, Krähenbühl Jörg, Liechti Sylvia, Mattmüller Heinz, Moll Roger, Pegoraro Sabine, Ribi Max, Ritter Max, Rudin René, Ryser Hanspeter, Rytz Liz, Schäfli Patrick, Schär Paul, Schäublin Hans, Schenk Dieter, Schmidlin Stephan, Schneeberger Daniela, Thöni Ernst, Tobler Peter, Van der Merwe Judith, Wegmüller Helen, Wenk Daniel, Wullschleger Hanspeter, Wyss Pascal, Zoller Matthias

Mit Nein gestimmt haben:
Abt Simone, Aebi Heinz, Aeschlimann Esther, Bachmann Rita, Baumann Urs, Brassel Ruedi, Bucher Esther, Chappuis Eva, Franz Remo, Fuchs Beatrice, Göschke Madeleine, Gysin Eduard, Halder Jacqueline, Hilber Franz, Hintermann Urs, Jäggi-Baumann Ursula, Jermann Hans, Jermann Walter, Joset Marc, Klein Uwe, Maag Esther, Meschberger Peter, Münger Daniel, Plattner Roland, Reber Isaac, Rudin Christoph, Schmied Elsbeth, Schneider Elisabeth, Schuler Agathe, Stöcklin Sabine, Tanner Eugen, Ziegler Röbi

Enthalten haben sich:
Frey Hanspeter, Jourdan Thomi

Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei

Fortsetzung >>>
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