Protokoll der Landratssitzung vom 11. November 2004
Protokoll der Landratssitzung vom 11. November 2004 |
Nr. 873
8 2004/160
Interpellation von Peter Zwick vom 24. Juni 2004: Ist Klettern im Kanton Baselland noch möglich? Schriftliche Antwort vom 14. September 2004
9 2004/143
Interpellation von Juliana Nufer vom 10. Juni 2004: Behörden bremsen nicht nur die Biker, sondern auch die Kletterer und OL-Läufer aus. Schriftliche Antwort vom 19. Oktober 2004
Peter Zwick
beantragt Diskussion.
://: Dem Antrag auf Diskussion wird stattgegeben.
Peter Zwick
dankt der Regierung für ihre ausführlichen Antworten. Allerdings ist er damit nicht zufrieden, denn es tönt, als ob alles in Ordnung sei - dabei ist das Gegenteil der Fall.
Die Regierung lenkt auf ausländische Konzepte ab. In den Erklärungen muss auf europäische Richtlinien und Naturschutzprogramme ausgewichen werden. Warum? Weil bei uns von der Naturschutzseite her keine entsprechenden Konzepte bestehen. Die Kletterer bzw. ihre Organisationen haben, ganz im Unterschied zu den Naturschutzverbänden, bereits vor Jahren die Schutzwürdigkeit ihrer Aufenthaltsgebiete bemerkt und entsprechende Massnahmen eingeleitet, nämlich die Kanalisierung der Kletterer, Schutz der Vogel- und Fledermausgebiete sowie der Felsköpfe und Routensperrungen bei Vogelbrut usw.
Der Beweis, dass die Kletterer Sorge zu den Felsgebieten tragen, ist das Inventar «Basler Jura» und das Schutzkonzept, das die Kletterer von einem unabhängigen Umweltbüro für viel Geld haben anfertigen lassen. Mit diesem Felsinventar haben sie sogar einen international ausgeschriebenen Preis gewonnen: den «Prix Wilderness» von
keepwild!
und
Mountain Wilderness
.
Auf die Frage, ob eine Übersicht über die Schutzgebiete bestehe und welche Kriterien dafür gelten, wird mit allen möglichen Inventaren argumentiert; aber in Bezug auf die Kriterien bleibt die Regierung eine Antwort schuldig. Das ist klar, denn es gibt im Kanton Baselland kein Felsinventar, mit dem der Schutz der Felsen verhältnismässig begründet werden könnte. Eine Übersicht nur über die Klettergebiete reicht nicht.
Die durch den Landrat und die Regierung beschlossenen Zonenpläne und Vorschriften, welche in der Antwort aufgeführt werden, betreffen nicht die Felsen. Massnahmen dazu werden von Amtsstellen im Alleingang willkürlich festgelegt. Immerhin anerkennt die Regierung den guten Willen der Kletterer und hat Verständnis für ihre Probleme. Die Regierung will Lösungen im Dialog finden.
Es besteht aber der Eindruck, dass immer mehr einseitig zu Gunsten des Naturschutzes entschieden wird. Auch das kann man übertreiben.
Der Regierungsrat sollte darauf achten, dass das Amt für Raumplanung und die Abteilung für Natur und Landschaft nicht zu Sektierern werden und nicht mehr verlangen als überhaupt nötig.
Der Klettersport findet in der Natur statt. Er ist in unserer Region von grosser Bedeutung. Es gibt dümmere Arten, seine körperliche Kraft und Geschicklichkeit einzusetzen und seine Freizeit zu verbringen. Der Kletterer hat selbstverständlich auf die Natur Rücksicht zu nehmen, und das tut er auch. Der Klettersport braucht keine Einschränkungen, sondern vielmehr Förderung.
In ihrer Interpellation geht es
Juliana Nufer
nebst den Kletterern auch noch um die anderen Waldnutzer, insbesondere um die Mountainbiker und die Orientierungsläufer. Sie dankt allen drei beteiligten Direktionen für die Beantwortung der Fragen.
Dass gleich drei Direktionen am Bewilligungswesen für Sport in freier Natur beteiligt sind, hat zur Gründung eines Runden Tisches geführt. Eingebunden sind das Forstamt (VSD), das Amt für Raumplanung, Abteilung Natur und Landschaft (BUD) und das Sportamt (BKSD). Aber zum Bewilligungsverfahren gehören auch die Waldbesitzer, also meist Bürger- und Einwohnergemeinden.
Am Runden Tisch wurde festgestellt, dass die Bewilligungen an sehr viele Bedingungen verschiedener Ämter geknüpft werden. So geschieht es, dass zwar die Gemeinde ihr
Okay
gibt, aber etwa ein Amt dagegen ist. So sind schon OL-Anlässe gescheitert.
Es gibt gewisse Konfliktgebiete, wie zum Beispiel die Krete auf dem Blauenberg. Das ist ein Naherholungsgebiet, wo sich Hinz und Kunz tummeln. Auch dort braucht es eine gewisse gegenseitige Rücksichtnahme, zumal auch der Kanton Solothurn in diesem Fall noch etwas mitzureden hat.
[Die Sprechende begrüsst den Vertreter der IG Klettern Basler Jura, Patrick Müller, auf der Zuschauertribüne.]
Der Runde Tisch hat eine gute Lösung gefunden. Weil die Waldbesitzer nicht die richtigen
Allround
-Experten für jede Sportart haben, sollen sie eine Checkliste erhalten vor der Bewilligungserteilung für solche Sportveranstaltungen. Den entsprechenden Auftrag hat das Forstamt entgegengenommen. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Bewilligungsverfahren so beschleunigt werden können.
Peter Zwick hat betont, beim Naturschutz sei eine gewisse Mässigung notwendig. Wegen eines seltenen Blümleins darf nicht ein ganzer Anlass gestoppt werden. Welche Instanz im Kanton hat in so einem Fall das Recht zu entscheiden? Der Runde Tisch findet, dass es im Kanton eine Stelle braucht, die eine
Triage
vornimmt und über die Verhältnismässigkeit entscheidet. Idealerweise ist eine solche Stelle beim Forstamt anzusiedeln, wo das richtige
Gspüri
vorhanden ist.
Wenn man in den Wald geht und einem ein Ast auf den Kopf fällt, ist der Waldbesitzer haftbar. Daher ist es verständlich, wenn die Waldbesitzer die Nutzung des Waldes regulieren möchten und beispielsweise darauf bestehen, dass die Anlässe sich auf die bestehenden Waldwege zu beschränken haben. Gewisse Leute sehen das aber bereits als Einschränkung ihrer Freiheit. Die Alternative wären absolut sterile Wälder mit Alleen und Parks, wo ganz bestimmt keine Äste mehr abbrechen - aber das ist nicht erstrebenswert.
Aus der Erfahrung des Runden Tisches lässt sich sagen: Gut Ding will Weile haben! - Alle Beteiligten arbeiten aktiv an guten Lösungen mit. Die Konfliktkarten sind zusammengestellt, sie liegen beim Amt für Raumplanung auf und öffnen einem die Augen dafür, dass und weshalb hin und wieder Regelungsbedarf besteht.
Die Welt ist manchmal etwas kompliziert, stellt
Peter Holinger
fest, der seit vielen Jahren SAC-Mitglied ist und daher die steigende Beliebtheit der Jugendkletterkurse und des Familienbergsteigens kennt und auch schon am Baselbieter OL mit seiner Familie mitgelaufen ist. Auf der einen Seite wird für die Aktion
Spray-away
Geld bewilligt zur Beseitigung von Sprayereien durch herumhängende Jugendliche, die sich langweilen, es werden Jugendsport und Jugendmusik gefördert, wird über die Partizipation Jugendlicher am politischen System diskutiert, und auf der anderen Seite schränkt man die Freude am Ausüben von Sportarten in der freien Natur laufend ein. Kantonale Amtsstellen haben Verbote ausgesprochen, Auflagen erlassen, eingeschränkt - zum Teil wird übertrieben, und das führt zu roten Köpfen.
Es ist sehr zu hoffen - gewisse Anzeichen sind bereits erkennbar -, dass in Zukunft etwas pragmatischer vorgegangen wird. Es sind schliesslich auch Mitbewohnerinnen und Mitbewohner unseres Kantons, die sich in dieser Weise sportlich betätigen und so zur Senkung der Gesundheitskosten beitragen. Sie halten sich in der Natur auf statt am Computer, am Flipperkasten oder am Gameboy.
Ein bisschen mehr Flexibilität in Zukunft wäre wünschbar.
Hannes Schweizer
bestreitet den von seinen Vorrednern verbreiteten Eindruck, es herrschten unhaltbare Zustände im Kanton bei der Durchführung von Orientierungsläufen, Kletterveranstaltungen und «Bergfahrrad»-Rennen - um einmal ein deutsches Wort zu verwenden.
[Heiterkeit]
Dass dem nicht so ist, weiss er selber aus eigener Erfahrung als OK-Präsident des zweitgrössten «Bergfahrrad»-Rennens der Nordwestschweiz während fünfzehn Jahren. Er hat die ganze Entwicklung mitverfolgt und sämtliche Gesuche immer selber eingereicht. Die heutige Regelung, dass das Forstamt den Lead für den Veranstalter übernimmt, ist sehr angenehm. Vor zehn Jahren galt es noch sieben Gemeinden zu kontaktieren und um Bewilligungen anzufragen. Jede Gemeinde hat gewartet, was die andere sagt. Heute erledigt dies das Forstamt und erkundigt sich auch selbst bei der Abteilung Natur und Landschaft im Amt für Raumplanung, ob Gebiete tangiert sind, welche zonenrechtlich als Naturschutzgebiet ausgeschieden sind. Die Bewilligung erfolgt innert kürzester Frist, also rund sechs bis acht Wochen.
Das zentrale Thema ist die Kommunikation. Wer in der Gemeinde aktiv ist und weiss, wo Naturschutzgebiete liegen, kann im Voraus mit der Gemeinde eine Regelung treffen, indem z.B. zugesichert wird, dass strikt auf dem Maschinenweg gefahren und dieser nicht verlassen wird. Dass Titterter Mountainbike-Rennen führt direkt durch ein Naturschutzgebiet, wird aber stets bewilligt, weil frühzeitig Lösungen gesucht und getroffen werden.
Die Antworten des Regierungsrats entsprechen zu hundert Prozent den Erfahrungen von Hannes Schweizer, dass einem bei der Organisation eines solchen Sportanlasses keinerlei künstliche Hindernisse in den Weg gelegt werden.
Als Klettererin outet sich
Sabine Stöcklin
. Sie ist zum Schluss gekommen, dass der Regierungsrat Recht hat mit seinen Antworten. Ganz wichtig ist das Stichwort Interessensausgleich zwischen den Ansprüchen von Natur und Sport. Dass bei Peter Zwick das Verständnis für Naturschutzanliegen fehlt, beweist schon, dass er in der Interpellation von einer «angeblich bedrohte einmalige Flora» schreibt. Dabei sind die Baselbieter Kalkfelsen wirklich etwas ganz Spezielles: seit der letzten Eiszeit hat sich dort eine Flora halten können, die man sonst nirgendwo finden kann.
Auch die Aussage «Wer im Kanton Baselland klettern will, hat es nicht leicht» kann nicht unterstützt werden. Kletterer haben es im Baselbiet sehr gut, weil die Bedingungen ideal sind. Natürlich tut es Kletterern im Einzelfall weh, wenn ein Fels aus Rücksicht auf die Flora oder Fauna geschlossen wird, nachdem sie jahrzehntelang uneingeschränkte Freiheiten genossen haben. Aber es können sicher, wie es der Regierungsrat schreibt, im Dialog ausgewogene Lösungen gefunden werden.
Mit
Florence Brenzikofer
meldet sich eine weitere Klettererin zu Wort. Der Runde Tisch, den Juliana Nufer erwähnt hat, ist eine gute Sache. Nur in einem offenen Dialog kommen auch gute Lösungen zu Stande. Die grüne Landrätin ist gegen ein striktes Kletterverbot. Im Baselbieter Jura gibt es sehr viele Felsen, aber nur wenige davon werden wirklich beklettert. Von den in der regierungsrätlichen Antwort erwähnten 1'800 Routen sind ca. 800 wirklich kletterbar. Einige sind gesperrt, andere müssen saniert werden oder sind einfach zu abgelegen.
Im Klettergebiet Gerstel bei Waldenburg zum Beispiel ist für die Betroffenen eine gute Abmachung getroffen worden: zur Falkenbrutzeit gibt es Einschränkungen für die Kletterer. Solche Ansätze sind weiter zu unterstützen, bevor einfach die Bohrhaken entfernt werden. Denn Letzteres kostet schliesslich auch viel Geld.
Wahrlich ein Sportsfreund ist
Rudolf Keller
, aber er kann den Sturm im Wasserglas nicht verstehen für etwas, das insgesamt recht gut geregelt ist.
In Frenkendorf gab es rund um die Schauenburgerfluh recht viele Probleme: Es wurde kreuz und quer über die Fluh geklettert, jeden zweiten Tag musste die Gemeinde jemanden zur Abfallbeseitigung schicken, Autos sind trotz eines Fahrverbotes hinauf gefahren. Also gab es gar keine andere Möglichkeit für die Gemeinde als das Ganze etwas einzuschränken. Das Klettern wurde nicht ganz verboten, aber reduziert.
Der Vorwurf des Sektierertums muss zurückgewiesen werden. Bei der Schauenburgerfluh wurde eine Bestandesaufnahme der Flora und Fauna vorgenommen, und dort gibt es tatsächlich ganz tolle Pflanzen und Kleinstlebewesen, die ausserhalb dieser Nische kaum irgendwo noch existieren. Sie müssen geschützt werden. Die Bürgergemeinden und anderen Waldbesitzer sollten sich daher auch für den Schutz dieser Gebiete einsetzen, und die Sportverbände haben schliesslich die Hand dazu gereicht.
Es ist letztlich alles eine Frage des guten Willens. Man muss nur miteinander reden, dann kommt man aneinander vorbei. Manchmal reicht es schon, bei einem OL die Strecke um ein paar hundert Meter zu verschieben. Das dürfte kein allzu grosses Problem sein. Auch von der Sportlerseite darf ein wenig
Fairness
erwartet werden.
Juliana Nufer
bemerkt, es laufe sehr viel Kommunikation. Aber die Sportvereine müssen jedes Mal nachfragen, was für Bestimmungen sich seit dem letzten Anlass geändert haben. Darum braucht es eine Stelle im Kanton, welche das Bewilligungsverfahren bündelt und die Verhältnismässigkeit abklärt. Das können die Vereine selber nicht leisten. Es ist aber in den letzten Jahren sehr vieles gegangen.
Peter Zwick
sagt an die Adresse von Ruedi Keller, er habe keine Amtsstellen als Sektierer bezeichnet. Er hat nur aufgerufen, darauf zu achten, dass sie nicht zu Sektierern werden.
://: Damit ist die Interpellation erledigt.
Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei
Fortsetzung >>>
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