Protokoll der Landratssitzung vom 11. November 2004
Protokoll der Landratssitzung vom 11. November 2004 |
2 2004/278
Bericht der Petitionskommission vom 2. November 2004: Petition der Schülerorganisation Baselland "Der Spartragödie zweiter Teil"
Kommissionspräsident
Röbi Ziegler
stellt einige Überlegungen zum zentralen Begriff der vorliegenden Petition an, zur Frage der Qualität in der Bildung. Die Petition fordert keinen Qualitätsabbau in der Bildung, was jedoch macht die Qualität unseres Bildungswesens aus? Soll als Beispiel im Strassenbau gespart werden und wird daher eine zwei Zentimeter dünnere Tragschicht eingebaut, so entspricht dies klar einer Qualitätsverminderung, welche sich auf die Lebensdauer der Strasse auswirkt. Lässt sich die Qualität im Bildungswesen genauso messen? Macht beispielsweise die PISA-Studie klare Aussagen zur Qualität unseres Bildungswesens?
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So lange keine klaren Vorstellungen dazu bestehen, was die Qualität der Bildung ausmacht, bleiben auch die Stellungnahmen zum Leitsatz: "Kein Qualitätsabbau in der Bildung!", vage und unverbindlich. Jedes Landratsmitglied sollte sich daher überlegen, ob die folgenden Fragen mit Ja oder Nein beantwortet werden können:
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Wird die Qualität der Bildung verringert, wenn auf der Gymnasialstufe nur jede zweite Turnstunde in einer Halle stattfindet?
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Wird die Qualität der Bildung verringert, wenn an der Volksschule kein Russisch- und Japanischunterricht mehr angeboten wird?
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Wird die Qualität der Bildung verringert, wenn der Zeichenunterricht an den weiterführenden Schulen aufgegeben wird?
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Wird die Qualität der Bildung verringert, wenn die Ausbildungsdauer an der Gymnasialstufe um ein halbes Jahr verkürzt wird?
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Wird die Qualität der Bildung verringert, wenn in der Jugendmusikschule das Angebot auf die Grundausbildung für Flöte und Klavier reduziert wird und das Erlernen anderer Instrumente privater Initiative überlassen wird?
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Wird die Qualität der Bildung verringert, wenn im Sonderschulbereich auf die psychomotorische Therapie verzichtet wird?
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Falls jemand all diese Fragen klar mit Ja oder Nein beantworten konnte, so verfügt diese Person über eine präzise Vorstellung, was die Qualität in der Bildung ausmacht. Röbi Ziegler selbst verfügt nicht über eine derartige Vorstellung. Er hat den Eindruck, man sei sehr rasch zu Aussagen wie: "Kein Qualitätsabbau in der Bildung!" bereit, da ein Zusammenhang zwischen Bildungsqualität und wirtschaftlichem Erfolg hergestellt werde. Bildung werde also als Produktivitätsfaktor verstanden. Zudem sei man auch schnell bereit, einen Zusammenhang zwischen Bildungsqualität und Standortattraktivität zu sehen.
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Laut Röbi Ziegler besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Lebenstüchtigkeit der Menschen und unserem Wohlbefinden sowie der Bildung, denn Bildung verhilft uns zu einer reicheren Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung. Dieser Zusammenhang stellt einen höheren Anspruch an die Bildungsqualität, als wenn diese nur als wirtschaftlicher Produktionsfaktor betrachtet wird.
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Es wurde bemängelt, dass dem Kommissionsbericht die Petition selbst nicht beigelegt wurde. Dies liegt jedoch daran, dass die Petition keinen ausführlichen Text enthält, sondern einen schlagwortartigen Titel, welcher wie folgt lautet:
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"Die Schülerorganisation Baselland fordert, dass das aktuelle Bildungsangebot an den Baselbieter Schulen nicht unter der verantwortungslosen Spareuphorie leidet und die Qualität unserer Ausbildung erhalten bleibt."
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Die Petitionskommission führte ein Gespräch mit den Petenten und versuchte, konkrete Vorstellungen der Petenten zur Sicherung der Qualität im Bildungswesen herauszukristallisieren. In diesem Zusammenhang ergaben sich drei konkrete Aussagen:
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Die Qualifikation der Lehrkräfte darf nicht verringert werden.
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Die gesamthaft unterrichtete Stundenzahl darf nicht verringert werden.
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Die Breite des Bildungsangebots muss erhalten bleiben.
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Die Petitionskommission beantragt dem Landrat, die vorliegende Petition zur Kenntnisnahme an den Regierungsrat zu überweisen.
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Keine Sparmassnahmen, die einen Qualitätsabbau in der Bildung zur Folge haben.
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Sparen
in
der Bildung und nicht
an
der Bildung.
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Im Namen einer Mehrheit der SP-Fraktion unterstreicht Elsbeth Schmied diesen Antrag mit der Bitte an die Regierung, sich im Zusammenhang mit den GAP-Diskussionen tatsächlich von den beiden oben genannten Grundsätzen leiten zu lassen.
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Paul Schär
beschreibt die Anhörung der jungen Petenten in der Petitionskommission und die von ihnen vorgebrachten Sparideen als sehr interessant. Es sind dies: Eintrittsprüfung für den Besuch eines Gymnasiums, Hinterfragen der Administration im Bildungswesen (Schulsekretariate) und Tutoriatssystem. Gegenüber letzterer Idee zeigten sich sowohl die Kommission als auch Regierungsrat Urs Wüthrich kritisch.
Paul Schär bezeichnet es als höchst erfreulich, dass sich Schülerinnen und Schüler im Rahmen von GAP aktiv an den Spardiskussionen beteiligen und die politischen Instrumente entsprechend nutzen. Die FDP-Fraktion empfindet es als richtig, die Petition zur Kenntnis an den Regierungsrat zu geben, diesen jedoch nicht mit konkreten Anträgen zu binden. Sie unterstützt daher die Anträge der Petitionskommission.
Hans Jermann
gibt bekannt, die CVP/EVP-Fraktion stimme dem Kommissionsantrag zu, denn man wolle nicht mit einem Postulat in die GAP-Verhandlungen eingreifen.
Jürg Wiedemann
erklärt, auch die Grüne Fraktion unterstütze die Anträge der Petitionskommission einstimmig und hält fest, die Forderungen sollten nicht nur für die Gymnasien, sondern auch für die übrigen Schulstufen gelten. Zu einer im Bericht wiedergegebenen Aussage von Urs Wüthrich meint er, es sei zweifelsohne richtig, dass qualifizierte Lehrkräfte nicht einfach durch ältere Schülerinnen oder Schüler ersetzt werden dürfen. Ein Tutoriatssystem, wie es von den Petenten vorgeschlagen wird, sei schwierig durchführbar, im richtigen Mass könne es aus pädagogischen Gründen jedoch sinnvoll sein. Auf ihrer Bildungsreise besuchte die Erziehungs- und Kulturkommission eine Primarschulklasse im Kanton Tessin und erfuhr dort eindrücklich, wie ältere Schülerinnen und Schüler in den Unterricht jüngerer SchülerInnen eingebunden werden. Die Regierung sollte derartige Fragen daher gemeinsam mit dem Bildungsrat eingehend erörtern.
://: Der Landrat stimmt dem Antrag der Petitionskommission zu und überweist somit die Petition der Schülerorganisation Baselland mit dem Titel "Der Spartragödie zweiter Teil" zur Kenntnisnahme an den Regierungsrat.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
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