Protokoll der Landratssitzung vom 22. Januar 2004

Nr. 358

39 2003/194
Postulat von Ivo Corvini vom 4. September 2003: Tramlinie 6 zum Bahnhof SBB (als Zusatzlinie)

Der Regierungsrat erklärt sich bereit, das Postulat entgegenzunehmen und abzuschreiben.

Regierungsrätin Elsbeth Schneider führt aus: Die von Ivo Corvini vorgebrachte Idee erachtet der Regierungsrat als gut und prüfenswert. Die Forderung des Postulats "Prüfung des Vorschlags" ist bereits erfüllt. Im folgenden zeigt sie auf, was bereits geprüft wurde:
Am 18. August hat die Bau- und Umweltschutzdirektion die Allschwiler Bevölkerung über eine mögliche direkte Verbindung Allschwil Dorf-Bahnhof SBB mit der Linie 6 informiert.
Die Arbeitsgruppe "Optimierung der ÖV-Erschliessung im Raum Allschwil" mit Vertretern der Gemeinden Allschwil und Schönenbuch, des Hochbau- und Planungsamtes Basel-Stadt, der beiden Transportunternehmen BLT und BVB sowie des Tiefbauamtes und des Amts für Raumplanung/Abteilung öffentlicher Verkehr des Kantons Basel-Landschaft hat sich während ihrer Arbeit auch mit der Frage der Umleitung der Linie 6 auseinander gesetzt. Dabei ist folgendes festgestellt worden:
Eine integrale Umleitung von der Linie 6 ab Brausebad via Markthalle zur Heuwaage (anstatt via Austrasse) würde allen Fahrgästen der Linie 6 zwischen Allschwil und Allschwilerplatz in Basel eine Direktverbindung zur Markthalle bringen. Von dort aus wäre der Bahnhof SBB mit 3 Tramlinien oder zu Fuss bequem erreichbar. Für Allschwil wäre dies eine deutliche Verbesserung gegenüber heute.
Leider hat dieser Vorschlag auch Nachteile: Die Haltestellen Schützenmattstrasse und Holbeinstrasse (Gymnasium Leonhard) würden von der umgeleiteten Linie 6 nicht mehr bedient. Die Verschlechterung der ÖV-Bedienung von einem Basler Stadtquartier zu Gunsten von einer Baselbieter Vorortgemeinde will die baselstädtische Behörde nicht hinnehmen.
Um die negativen Auswirkungen für Basel-Stadt zu verringern, wurde die vom Postulanten aufgegriffene Idee untersucht, jedes zweite Tram von der Linie 6 vom Brausebad via Markthalle zur Heuwaage zu führen (als Ergänzung zur bestehenden Linie). Dabei entstehen aber neue Nachteile: Die Information der Kundinnen und Kunden wird erschwert. Viele Fahrgäste würden das "falsche" Tram erwischen und müssten umsteigen. Eine eigene Liniennummer für die via Markthalle verkehrenden Kurse könnte eventuell Klarheit bringen, wobei dann die "durchfahrenden" Fahrgäste zwei Fahrpläne konsultieren müssten. Es wäre also - erfahrungsgemäss - mit verärgerten Fahrgästen zu rechnen. Im 10-Minuten-Takt an Sonntagen und im 15-Minuten-Takt nachts ab 20.00 Uhr sowie an Sonntag-Vormittagen wäre das Angebot auf dem aufgeteilten Streckenabschnitt sehr dünn. Die zuständigen basel-städtischen Behörden (BVB) haben zudem am 12. Februar 2003 schriftlich mitgeteilt, dass der heutige Zustand zu belassen sei. Dies wurde damit begründet, dass das heutige Netz weniger Fahrgäste zum Umsteigen zwingt.
Eine zusätzliche Tramlinie von Allschwil zum Bahnhof SBB wurde bereits Anfang der neunziger Jahre geprüft. Die Einführung dieser Linie scheiterte aber, da sich Basel-Stadt nicht an den ungedeckten Betriebskosten beteiligen wollte. Folglich müsste Baselland für die ganze Strecke alleine aufkommen.

Ivo Corvini ist gemeinsam mit einer Mehrheit der CVP/EVP-Fraktion nicht einverstanden mit der Abschreibung des Postulats. Er beschränkt sich daher im Folgenden auf die Abschreibungsfrage. Der Grundgedanke des Postulats ist ein attraktiveres Angebot von Allschwil zum Bahnhof SBB mit dem öffentlichen Verkehr. Dieser Grundgedanke wurde möglicherweise auch von der BUD aufgenommen, indem sie eine Arbeitsgruppe einsetzte, welche im letzten August ihr Resultat präsentierte.
Das Resultat sehe eine Verlängerung der Tramlinie 8 bis zum Dorfplatz vor, welche zur Zeit in Richtung Neuweilerplatz fährt. Das sei ein Vorschlag, welcher viele Konsequenzen habe. Es müssten Kilometer von neuen Schienen verlegt sowie neue Haltestellen gebaut werden, was mit grossen Kosten verbunden wäre. Man redet von 25 Mio. Franken. Am Dorfplatz von Allschwil müsste zusätzlich zur Wendeschlaufe ein Gleis errichtet werden; auch das würde dem doch sehr sehenswerten Ortsbild von Allschwil schaden und noch mehr- wenn auch öffentlichen - Verkehr nach sich ziehen. Es wurde gesagt, dass die Realisierung dieses Projekts mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen würde. Das Wichtigste: Ein grosser, um nicht zu sagen, der grösste Teil von Allschwil, d.h. die Bevölkerung des so genannten Neuallschwil - dem stadtnahen Teil - wäre von dieser Variante gar nicht betroffen (der 8-er fährt nicht nach Neuallschwil) und könnte daher nicht davon profitieren. Die vorgeschlagene Variante vermag also nicht zu überzeugen.
Es gelte nun, in erster Linie nach Verbesserungsmöglichkeiten auf dem bestehenden Schienennetz zu suchen. Und zwar nach solchen, die eindeutig weniger Kosten verursachen. Mit der vorgeschlagenen Variante wären keine grösseren baulichen Massnahmen verbunden. Die Schiene Richtung Bahnhof ist nämlich am Brausebad bereits vorhanden, da diese Linie in früherer Zeit, vor vierzig bis fünfzig Jahren, bereits einmal existierte. Es sei also völlig unproblematisch und sinnvoll, dies einmal zu prüfen oder versuchsweise Trams Richtung Bahnhof zu führen. Das heisse nicht, dass man dies nun an einem Sonntag oder am Samstag um zehn Uhr abends macht, wo niemand interessiert sei daran, sondern man könnte es auch beschränken auf die Stosszeiten am Morgen und abends und auch auf die Werktage.
Was ist nun neu an dem Vorschlag und spricht daher gegen eine Abschreibung? - Neu ist, dass die veränderte Linie nicht über den Bahnhofplatz geführt werden soll, sondern bis zur Markthalle und dann hinunter Richtung Heuwaage. Der Zentralbahnplatz würde also mit dieser Variante nicht mit einem zusätzlichen Tram belastet, womit diesem Gegenargument der Boden entzogen wäre. Auch ist der Fussweg von der Markthalle zum Bahnhof in etwa vergleichbar mit der Distanz vom Regierungsgebäude zum Liestaler Bahnhof, also durchaus machbar. Seiner Ansicht nach gibt es also keinen zwingenden Grund für eine Abschreibung, denn die von ihm vorgebrachte Variante müsse aktuell bleiben; sie sei auch kostengünstig und betreffe einen grossen Teil der Allschwiler Bevölkerung. Mit einer Abschreibung aber sei sie weg vom Tisch.
Noch zwei Reaktionen auf die Begründung von Elsbeth Schneider: Es handelt sich nicht um eine neue Linie, sondern um eine Zusatzlinie, d.h. die Haltestellen in Basel-Stadt bleiben bestehen. Es würde lediglich eine zusätzliche Linie Richtung Bahnhof geben. Zur Verwirrung durch die Linienvarianten: Die Allschwiler seien vielleicht nicht gescheiter, aber auch nicht dümmer als andere. Was in anderen, u.a. auch Millionen-Städten möglich sei, also Linienführungen mit Varianten (siehe Metro, Paris), das könne man wohl auch den Allschwilern zutrauen. Die CVP/EVP-Fraktion stellt den Antrag auf Überweisung des Postulats ohne Abschreibung.

Jacqueline Halder spricht sich gegen eine Überweisung des Postulats aus. Sie bezeichnet sich als Pendlerin, damit auch rege Benützerin der SBB und führt die diversen Möglichkeiten auf, wie man von Allschwil an den Bahnhof gelangen kann: mit dem 6-er bis Brausebad, dort umsteigen auf den 1-er, im Normallfall habe man den Anschluss innert drei Minuten; oder mit dem 6-er bis zur Heuwaage und von dort zu Fuss zum Bahnhof - eine gute Variante für Pendler, meint sie, welche anschliessend den ganzen Tag im Büro sitzen; die Anwohner des Einzugsgebietes Neuwilerplatz haben natürlich das Glück, dass sie mit dem 8-er Tram über eine direkte Verbindung zum Bahnhof verfügen; vom Dorfplatz könne man auch mit dem 61-er Bus zum Neuwilerplatz gelangen und dann mit dem direkten Tram zum Bahnhof - der Bus fährt leider nur halbstündlich, fügt sie an; die Variante per Velo ist vor allem für Neuallschwil attraktiv, da die Fahrzeit zum Bahnhof nur knappe zehn Minuten beträgt, zudem gibt es nun "wunderbare" Velo-Abstellplätze am Bahnhof.
Was aber Ivo Corvini und die CVP/EVP-Fraktion sowie gewisse Vertreter von Allschwil fordern, also eine viertelstündliche Verbindung zur Markthalle vis-a-vis des UBS-Gebäudes, welche im Übrigen nicht viel näher beim Bahnhof sei als die Heuwaage, findet die Landrätin weder eine attraktivere Verbindung für Allschwil noch bringe sie grosse Vorteile gegenüber den heute möglichen Varianten. Vielleicht finde man mit der Zeit etwas Attraktiveres, ja gar das Ei des Kolumbus, spekuliert sie, ist aber der Meinung, dass man der im Postulat vorgeschlagenen Variante nicht noch lange nachgehen sollte.

Bea Fuchs ist auch eine Frau aus Allschwil und "auch nicht ganz so dumm". Sie hat verstanden, dass für eine so grosse Gemeinde wie Allschwil der direkte Zugang zum Bahnhof Basel mit dem Tram gewährleistet sein müsste. Der Verlängerung der Tramlinie 8, welche eine Schienenverlegung für 25 Mio. Franken, zudem eine Tramlinienführung entlang der am meisten befahrenen Strasse von Allschwil, der Binningerstrasse, zur Folge hätte, kann sie gar nichts Positives abgewinnen. Um so weniger, ärgert sie sich, da Allschwil zwar den Wackerpreis für seinen Dorfkern erhalten habe, dieser aber bereits jetzt immer in der Wendeschlaufe verstellt sei durch zwei grosse Combino-Trams, zwei Busse und "ellenlange" Autoschlangen im Feierabendverkehr. Nun solle dort auch noch die Linie 8 wenden und die Schlaufe machen. Sie kann sich nicht vorstellen, wie der Allschwiler Dorfkern dies noch "vertragen" soll.
Hingegen findet sie die von Ivo Corvini aufgezeigte Variante eigentlich sehr bestechend. Eine viertelstündliche direkte Tramverbindung von Neuallschwil, welches über den höchsten Einwohneranteil der Gemeinde Allschwil verfügt, zum Bahnhof habe sie schon immer unterstützt. Sie ist auch der Meinung, dass die allfällige Irritation der Fahrgäste durch die Linienvarianten wenig wiegt in der Waagschale der grossen Vorteile dieser Lösung gegenüber der schlechten 8-er-Variante. Die Mehrheit der SP-Fraktion spricht sich für eine Überweisung des Postulats und gegen die Abschreibung aus. Bea Fuchs hofft, dass sich das Ratskollegium dieser Meinung anschliesst.

Claudia Piatti kann abgekürzt sagen, dass ihr Ivo Corvini völlig aus dem Herzen gesprochen hat (Freudenruf und Gelächter). Sie bittet alle, das Postulat zu überweisen, aber gegen eine Abschreibung zu stimmen.

Iris Zihlmann-Glanzmann unterstützt ebenfalls namens der FDP-Fraktion Ivo Corvini und spricht sich für eine Überweisung sowie für das Stehenlassen des Postulats aus.

Kaspar Birkhäuser wiederum erklärt, dass ihm Bea Fuchs aus dem Herzen gesprochen habe (mehr Gelächter; der Ratspräsident ruft mittels Glocke zur Ruhe). Auch die Grüne Fraktion empfiehlt Überweisung ohne Abschreibung.

Ursula Jäggi fragt, ob der letzte Satz im dritten Abschnitt des Postulats ein Wunschgedanke oder eine Tatsache sei: "Mit dem Umbau des Bahnhofes wird zudem der Zugang der Passagiere von der Haltestelle Markthalle zu den Gleisen ermöglicht."

Auch Bruno Steiger sagt als einer der Unterzeichner noch etwas: Von Allschwil komme immer ein gewisser Druck oder Wunsch für eine direkte Tramverbindung zum Bahnhof. Er sei nun kein Verfechter von falschen Bequemlichkeiten, daher hält er die Idee von Ivo Corvini für die äusserste aller Massnahmen. Er nimmt auch nicht an, dass man Hand bieten würde für eine Verlängerung der Linie 8 (zu RR Elsbeth Schneider), also ein Tram dort durchzuzwängen, wo schon genug Werkverkehr vorhanden ist. Namens der SD möchte er aber der Baudirektorin "Mut machen", in den Verhandlungen mit Basel-Stadt am Ball zu bleiben, das Postulat stehen zu lassen und damit u.a. mitzuhelfen, dass die Allschwiler sich nicht immer als Waisenkinder des Kantons vorkommen.

://: Der Landrat überweist das Postulat 2003/194 von Ivo Corvini grossmehrheitlich und spricht sich nur mit vereinzelten Gegenstimmen gegen eine Abschreibung aus.

Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei



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