Protokoll der Landratssitzung vom 22. Januar 2004
Protokoll der Landratssitzung vom 22. Januar 2004 |
Nr. 355
36 2003/282
Postulat von Elisabeth Schneider vom 13. November 2003: Beschwerderecht der Gemeinden im verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Verfahren
Regierungsrätin
Sabine Pegoraro
begründet die ablehnende Haltung der Regierung: Auf den erwähnten Gebieten steht den Gemeinden nach geltendem Recht der Rechtsweg offen, wenn eine Verletzung der Gemeindeautonomie gerügt oder wenn die Gemeinde von einer Anordnung wie eine Privatperson betroffen wird.
Elisabeth Schneider möchte für die Gemeinden in den Bereichen der kommunalen Raumplanungs- und Bauvorschriften (Zonenvorschriften) sowie des kommunalen Strassen-, Wasser- und Kanalisationsanschlussbeitragsrechtes ein generelles Beschwerderecht. Dies wäre in den jeweiligen Spezialgesetzgebungen durch das Instrumentarium der so genannten Behördenbeschwerde zu bewerkstelligen.
Der Regierungsrat möchte mit der Verankerung der Behördenbeschwerde mit Rücksicht auf die Wahrung des hierarchischen Staatsaufbaus sehr zurückhaltend sein. Es darf letztlich darauf vertraut werden, dass die den Gemeinden übergeordneten kantonalen Rechtsmittelbehörden, seien es verwaltungsinterne wie die Baurekurskommission oder richterliche wie das Steuer- und Enteignungsgericht, das Recht objektiv richtig anwenden.
Grundsätzlich sind die Gemeinden Teil der Staatsgewalt und haben daher eine andere Stellung und eine andere Funktion als Bürgerinnen und Bürger. Sie sind ein Teil des hierarchischen Staatsgefüges. Dies trifft im Übrigen genau so für den Kanton zu. Der Regierungsrat hat auch nicht immer nur Freude an den Entscheiden des Kantonsgerichts. Er ist aber daran gebunden und kann nicht dagegen rekurrieren, wenn er nicht direkt betroffen ist.
Würde man nun das Gemeindebeschwerderecht ausdehnen, fände einerseits langsam eine Verschiebung der Rechtsstellung der Gemeinden als unterste Trägerin der Staatsgewalt in Richtung derjenigen des Bürgers statt. Den Gemeinden würden immer mehr bürgerähnliche, beim Kanton einklagbare Rechtsgarantien eingeräumt, die nichts mehr mit der Gewährleistung ihrer Autonomie als Institution zu tun haben. Sie bekämen ein Beschwerderecht in Fällen, in welchen sie nur indirekt betroffen sind.
Der Regierungsrat erachtet es als nicht opportun, dass die Gemeinden in den von der Postulantin skizzierten Fällen zusätzlich "zum Rechten" sehen. Gerade im Fallbeispiel, das die Postulantin im Zusammenhang mit den Zonenvorschriften anführt, wäre es möglich, dass gegen den Entscheid der Baurekurskommission anstelle der nicht direkt betroffenen Gemeinde eine unmittelbar betroffene Drittperson (Nachbar) verwaltungsgerichtliche Beschwerde erheben könnte. Daher sieht der Regierungsrat in der Einführung der Behördebeschwerde für die Gemeinden keine Notwendigkeit im Sinne einer wesentlichen Verbesserung der Rechtsstaatsqualität.
Von möglichen personellen und finanziellen Auswirkungen durch die Mehrbelastung der betroffenen Instanzen wurde noch gar nicht gesprochen. Doch auch dieser Aspekt muss beachtet werden.
Elisabeth Schneider
s Anliegen ist, dass sich die Gemeinden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen einen stossenden Entscheid wehren können, wenn es sich nicht um eine Autonomiebeschwerde handelt. Natürlich soll darauf vertraut werden, dass die übergeordnete Rechtsmittelbehörde das Recht richtig anwendet. Einige neuere Beispiele hätten aber gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Und genau für diese Fälle soll für die Gemeinden die Möglichkeit bestehen, den Entscheid durch die nächst höhere Instanz überprüfen zu lassen. Ihr ist klar , dass das allgemeine Beschwerderecht nach § 47 VPO zunächst auf Private zugeschnitten ist, doch durch eine spezialgesetzliche Norm kann die Beschwerdebefugnis erweitert werden. Diese Erweiterung ist, gemäss Ausführungen des Kantonsgerichts in einem seiner Urteile dazu da, das objektive, rechtmässige Staatshandeln zu gewährleisten. Und genau darum geht es ihr in ihrem Vorstoss, betont die Votantin.
Sie möchte von Regierungsrätin Sabine Pegoraro wissen, warum die spezialgesetzliche Norm beispielsweise im Steuerrecht vorgesehen ist, d.h. warum die Gemeinden gegen ein Urteil des Steuergerichts Beschwerde erheben können, aber gegen ein Urteil des Enteignungsgerichts - wenn es um Vorteilsbeitrag geht - nicht. Ausserdem verlangt sie Aufschluss darüber, warum die Gemeinden einen Entscheid beispielsweise vor Enteignungsgericht weiterziehen können, aber vor der Baurekurskommission nicht.
Sicher haben die Gemeinden primär Aufgaben zu erfüllen, meint sie. Zu diesen Aufgaben gehört aber auch, dass sie alle Bürgerinnen und Bürger gleich zu behandeln und sicherzustellen haben, dass sich nicht jemand seinen Pflichten entzieht. Dass die Gemeinden gegen einen Entscheid Beschwerde führen können ist ihrer Auffassung nach nicht ein Recht, sondern eine Pflicht den übrigen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber. Man könnte das Problem nun noch 'hochjuristisch' abhandeln. Damit würden aber alle gelangweilt, meint Elisabeth Schneider. Daher die einfache Frage: Wollen wir den Gemeinden in den beiden genannten Bereichen dasselbe Beschwerderecht einräumen, wie es bereits im Steuerrecht besteht? - Sie beantwortet die Frage mit einem Ja, denn auch die Gemeinden sollen die Möglichkeit haben, einen stossenden Entscheid der Baurekurskommission oder des Enteignungsgerichts an das Kantonsgericht weiterzuziehen. Sie bittet daher das Plenum um Überweisung des Postulats, um damit der Regierung die Möglichkeit zu geben, sich nochmals mit diesem Anliegen zu befassen.
Regula Meschberger
ist der Ansicht, die Tatsache, dass die Gemeinden nicht legitimiert sind, im verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Verfahren Beschwerde zu erheben - ausser es liegt eine spezialgesetzliche Ermächtigung vor - führe dazu, dass die Gemeinden schlechter gestellt sind als die Privatpersonen, obwohl sie in ihren eigenen Interessen betroffen sind.
In einem neueren Entscheid habe das Kantonsgericht festgehalten, dass ein allgemeines Interesse der Gemeinde an der richtigen Anwendung des objektiven Rechts keine Beschwerdebefugnis begründet; eine Rechtsauffassung, welche die Landrätin zumindest anzweifelt. In den im Postulat genanten Bereichen, also im Baupolizeiwesen und bei Vorteilsbeiträgen, führt die fehlende Beschwerdelegitimation zu stossenden Ergebnissen. Aus diesem Grund ist die große Mehrheit der SP-Fraktion für Überweisung des Postulats, da man der Meinung ist, diese Frage müsse seriös geprüft werden.
Dieter Völlmin
ist auch namens der SVP-Fraktion für eine Überweisung des Postulats. Man ist zwar nicht der Meinung, dass das, was hier geprüft werden soll, nun auch unbedingt verändert werden muss, aber man teilt die Auffassung, dass sich diesbezüglich heute ein Problem stellt, dass Unklarheiten bestehen und dass es als Postulat geprüft werden muss. Anschliessend müsse man darüber entscheiden, was geändert werden soll und was nicht. Die Rechtsprechung sei nicht ganz so klar, wie der Eindruck aus der Einleitung der Regierungsrätin hätte entstehen können. Erst seit kurzer Zeit sei das Problem dieser Unklarheit erkannt worden. Natürlich könne man sagen, die Gemeinde sei beschwerdeberechtigt, wenn es um die Gemeindeautonomie geht. Genau das aber führe dazu, dass man irgendwelche Verrenkungen machen müsse, um zu begründen, dass ein Fall in Richtung Gemeindeautonomieverletzung geht, um die Beschwerde vor Gericht bringen zu können. Dies hält Dieter Völlmin für unschöne Umwege. Zudem würden dabei Ungleichheiten unter den Gemeinden entstehen, da es welche geben könnte, die aus Erfahrung sozusagen den Dreh raus haben und andere weniger.
Persönlich besteht für ihn vor allem bezüglich lit.b im Bereich von Wasser und Abwasser (Vorteilsbeiträge) eine Lücke. In Bezug auf die Bauvorschriften (lit.a) hält er den Zustand für nicht so schlimm. Hierzu muss er allerdings in Antwort auf Sabine Pegoraros Ausführungen bemerken, dass auch ein Nachbar nur dann Beschwerde einreichen kann, wenn er von Anfang an in das Verfahren involviert war. Aus all diesen Überlegungen stimmt die SVP für eine Überweisung des Postulats.
Daniele Ceccarelli
sieht sich schon mitten im 'Juristengeplänkel'. Er muss Regierungsrätin Sabine Pegoraro absolut recht geben. Die Gemeinde ist eine Behörde und kein Privater, und so soll's auch bleiben, postuliert er. Das Kantonsgericht sei so grosszügig mit den Gemeinden. Bezüglich Gemeindeautonomie werde beispielsweise materiell geprüft, aber nicht mehr weiter abgeklärt, ob die Gemeinde überhaupt beschwerdeberechtigt ist. Der Vergleich der Regierungsrätin sei auch durchaus zulässig; kriege der Regierungsrat vom Kantonsgericht eins aufs Dach, so sei fertig. Und so soll es seiner Meinung nach auch sein. Er spricht sich daher im Namen der FDP-Fraktion für Ablehnung aus.
Jürg Wiedemann
ist mit Unterstützung einer grossen Mehrheit der Grünen Fraktion für die Überweisung des Postulats. Die Argumentationen der bisherigen Befürworter hält er für überzeugend. Zudem ist man auch in seiner Fraktion der Auffassung, dass im Beschwerderecht eine Lücke besteht.
://: Der Landrat überweist das Postulat 2003/282 von Elisabeth Schneider mit deutlichem Mehr.
Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei
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