Protokoll der Landratssitzung vom 22. Januar 2004

Nr. 354

35 2003/264
Interpellation von Remo Franz vom 30. Oktober 2003: Baselbieter Bussen sind Spitze. Antwort des Regierungsrates

Regierungsrätin Sabine Pegoraro weist darauf hin, dass der Interpellant das Thema Bussen ("offenbar sein Lieblingsthema") nicht zum ersten Mal behandelt. Sie beantwortet die Fragen wie folgt:

Frage 1
Besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den hohen Busseneinnahmen im Kanton Basel-Landschaft und der Verkehrssicherheit in der deutschsprachigen Schweiz? Mit andern Worten: ist der Kanton Basel-Landschaft entsprechend der Busseneinnahmen nun der sicherste Deutschschweizer Kanton?

Antwort
Letzte Woche veröffentlichte das Bundesamt für Strassen (Astra) seine Verkehrsstatistiken. Dabei wurde deutlich, dass das wirksamste Mittel zur Verminderung von Unfällen und zur Senkung der Zahl von Verletzten und Toten ein rigoroses Durchsetzen von Tempokontrollen ist. Überhöhte Geschwindigkeit ist die Hauptursache von Unfällen. Dem entspricht die Einsatzdoktrin der Polizei Baselland, ganz nach dem Motto "Sicherheit vor Geld". Deshalb finden die Kontrollen vor allem dort statt, wo es der verbesserten Sicherheit der VerkehrsteilnehmerInnen dient, und nicht dort, wo hohe Einnahmen zu erwarten sind.
Ein direkter Zusammenhang zwischen der Höhe der Busseneinnahmen und der Sicherheit besteht nicht, wohl aber zwischen der Häufigkeit von Verkehrskontrollen und der Sicherheit.
Die Statistiken der Polizei Baselland (Beilage 1) zeigen die Entwicklung seit der Einführung des Geschwindigkeitskontrollkonzepts im Jahre 1998: die Zahl der tempobedingten Unfälle ist deutlich, um über 35 %, zurückgegangen (815 Unfälle 1999; 520 Unfälle 2002). Viele Tote und Verletzte konnten so vermieden werden.

Frage 2
Trifft die Aussage zu, wonach der Kanton "mit dem zusätzlichen Geld" 40 Polizisten einstellen konnte?

Antwort
In der Tat wurde die Einstellung von 38 neue Polizist(inn)en sowie zweier Zivilangestellter im Rahmen des Konzepts "Erweiterte Kriminalitätsbekämpfung" durch zusätzliche Busseneinnahmen mitfinanziert. Dazu gehören unter anderem auch die sechs polizeilichen Jugendsachbearbeiter und Massnahmen im Bereich Häusliche Gewalt etc. Der Landrat wurde seinerzeit über dieses Vorgehen informiert.

Frage 3
Wie hoch ist denn jetzt der Gesamtbestand der Polizei?

Antwort
Per Ende November verfügte die Polizei Baselland über einen Bestand von 506 MitarbeiterInnen, darunter auch die Zivilangestellten und Teilzeitstellen.

Frage 4
Wie sieht die weitere Personalplanung der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion zu Lasten der Bussengelder aus?

Antwort
Die Planung ist abhängig von den gesamthaft zur Verfügung stehenden Mitteln. Im Bereich Grundversorgung (Streifenpolizisten) herrscht eine Unterdeckung. Zur Behebung sollen die Aspirantenschulen 2003/04 und 2004/05 weiterhin als 24-er Züge geführt werden. So müssen die nötigen Abgänge nicht via Arbeitsmarkt ersetzt werden - dort gibt es keine Polizist(inn)en "von der Stange" -, sondern sie können aus dem eigenen Nachwuchs rekrutiert werden. Um den Anforderungen von GAP zu entsprechen, werden die Aspirantenschulen ab 2006 nur noch mit einem Bestand von 16 SchülerInnen geführt.

Frage 5
Findet es die Regierung richtig, wenn die Personalvermehrung weiterhin über eine nicht gesicherte Einnahmenbasis vorgenommen wird? Versickert so der Bussengeldsegen in unserem finanzknappen Kanton nicht alsogleich wieder in einem Fass ohne Boden?

Antwort
Die Antwort ist so banal wie traurig: die Einnahmebasis ist gesichert, weil sich AutofahrerInnen, wie die Statistiken zeigen, nie restlos an Verkehrsregeln halten werden. Da die Summe der VerkehrsteilnehmerInnen zunimmt, werden auch die Busseneinnahmen nicht zurückgehen.
Die Regierung will die Sicherheit im Kanton beibehalten und wo nötig optimieren. Dazu tragen Bussen weiterhin bei.

Remo Franz verlangt eine Diskussion.

://: Die Diskussion wird bewilligt.

Remo Franz wollte mit seiner Interpellation Widersprüche aufdecken. In der Antwort auf zwei seiner früheren Vorstösse sagte der damalige Regierungsrat Andreas Koellreuter, die Aufstockung des Polizeikorps mittels Busseneinnahmen sei nicht geplant, sondern höchstens eine Vision, und das Parlament könne dazu via Budget noch mitreden. Nun ist dem aber offenbar nicht so, sondern die Polizei wurde einfach um 40 Personen aufgestockt. Wird dem Landrat immer die Wahrheit gesagt?
Es ist falsch, den Finanzhaushalt mit Bussengeldern zu finanzieren. Denn wenn die vorgelegte Statistik stimmt, werden irgendwann einmal keine Übertretungen mehr vorkommen. Trotzdem braucht es noch das Geld für die Finanzierung des Personals. Was passiert dann? - Die Kantonsfinanzen sind mit laufenden Personalaufstockungen nicht in den Griff zu bekommen.
Anlässlich einer Finanzkommissions-Sitzung hat Obergerichtspräsident Peter Meier erklärt, pro Blechpolizist müsse er einen zusätzlichen Richter einstellen - das kostet auch.
Remo Franz gelobt, auf die Problematik weiter hinzuweisen und am Ball zu bleiben.

Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



Karl Willimann-Klaus unterstützt Remo Franz. Seiner Erfahrung nach werde der Mehraufwand an Personal, um "ausländische" Verkehrssünder zu eruieren, negativ zu Buche schlagen, so dass die 17 Mio. Franken Einnahmen wohl bei Weitem durch die Aufwendungen des Staates zur Zielerreichung überstiegen würden.

Ursula Jäggi "lüpft" es jetzt den Hut. Vor wenigen Traktanden habe man über die Verkehrsschulung der Kinder diskutiert. Dabei sei das Thema, dass auf den Strassen zu schnell gefahren wird, weggelassen worden. Aus den nun gehörten Voten vernimmt sie, dass keine Kontrolle über das Verkehrsverhalten der Automobilisten erwünscht ist. Man sei sowohl gegen Blechpolizisten wie auch gegen Bussen, das heisse soviel wie: man darf schnell fahren, das Auto abstellen, wo man will, am Handy telefonieren usw. Aus der Statistik gehe hervor, dass die Unaufmerksamkeit zugenommen hat und Ursula Jäggi nimmt an, dass diese u.a. im Gebrauch von Handys am Steuer begründet ist. Es gebe aber Gesetze und Regeln. Die Polizei ist für deren Einhaltung verantwortlich, um Sicherheit und Anstand auf der Strasse zu gewährleisten. Es sei Unsinn, wenn man nicht darauf pocht, dass existierende Vorschriften auch eingehalten werden.

Urs Hintermann geht es ähnlich wie seiner Vorrednerin, obwohl es nicht das erste Mal sei, dass er die Welt nicht versteht. Nun aber gebe es innerhalb einer Viertelstunde derartige Turbulenzen, wie er sie noch nie erlebt habe. Ein Beispiel habe Ursula Jäggi bereits gebracht: Gerade eben wurden Fr. 400'000.-- bewilligt für die Verkehrserziehung von Kindern. Sei man nun aber im Gegenzug darauf bedacht, dass sich auch die Automobilisten an die Vorschriften halten - Vorschriften notabene, denen das Volk zugestimmt hat - so sei jeder Franken zuviel. Der andere Aspekt tauchte bei ihm bereits auf, als er am Vormittag das Postulat von Karl Willimann gesehen habe. Offenbar gebe es nun eine neue Philosophie: Gesetz und Recht werden nur dann durchgesetzt, wenn es sich unter dem Strich lohnt. Er vermutet, dass in einem solchen Fall nun die ganze Justiz sozusagen "abgestellt" werden könnte. Ein Verbrechen nur noch dann zu verfolgen, wenn man unter dem Strich einen finanziellen Gewinn damit macht, das könne es doch wohl nicht sein, empört er sich. Diese Haltung bereite ihm sehr viel Mühe. Entweder werden die vorhandenen Gesetze eingehalten respektive deren Einhaltung auch kontrolliert, dann kostet das Ganze auch etwas, oder man kann die Vorschriften gleich ganz weglassen, ist sein lapidarer Schlusskommentar.

Thomi Jourdan ist weder gegen Bussen, schon gar nicht gegen Prävention und auch nicht gegen Blechpolizisten, auch wenn sie ihn selbst schon erwischt haben. Er findet aber, man vermische hier ein paar Argumentationsketten. Letztlich gehe es um die Kostentransparenz bei solchen Massnahmen. Einerseits werden Blechpolizisten aufgestellt, welche einen Haufen Geld kosten, anschliessend noch zusätzlich eine Menge Leute eingestellt. Dabei werde aber nie beachtet, weil die Kosten anderswo - nämlich bei den Gerichten - anfallen, dass dahinter ein ganzer Rattenschwanz von Massnahmen notwendig ist. Seiner Ansicht nach wäre es möglicherweise besser, nur 50 Blechpolizisten aufzustellen und keine zusätzlichen Polizisten /innen, um damit den ganzen 'Rattenschwanz' finanzieren zu können. So bliebe das Geld nicht in der Justizdirektion, sondern die Einnahmen flössen dorthin, wo die Ausgaben auch finanziert werden müssen.

Es gehe also nicht gegen die Blechpolizisten, sondern um die Transparenz; wenn man etwas aufstelle, so müsse über die Kosten informiert werden sowie darüber, wie es finanziert werden soll. Habe man etwa anderes verstanden, so sei irgend etwas hinein interpretiert worden, findet er.

Remo Franz erwidert auf Ursula Jäggis Votum, dass er nicht gegen Sicherheit oder Kontrollen eingestellt sei, sondern er möchte darauf hinweisen, dass mit diesen Blechpolizisten letztlich Ausgaben am Parlament vorbei geschmuggelt werden. Er möchte verhindern, dass die Polizei ohne Anfrage beim Parlament laufend aufstockt. Das Parlament müsse hierbei etwas zu sagen haben, und nur dank den Bussengeldern sei dies möglich.

Isaac Reber hat bereits vor einer Viertelstunde vorausgesagt, dass man wieder zu diesem Thema zurückkomen wird. Nun habe die SVP zum Thema Verkehrssicherheit ein Postulat eingebracht, in dem es um die Verkehrserziehung / Verkehrssicherheit der Kinder geht. Davor kam die FDP mit einem Vorstoss zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Autobahnen und verlangte einen entsprechenden Verwaltungsbericht. Nun aber, wo es ums konkrete Handeln gehe, das enttäusche ihn manchmal, wolle man Knebel 'reinwerfen'. Alle im Landrat wissen es, die Justizdirektorin habe Unterlagen mit Zahlen abgegeben; Geschwindigkeitsübertretungen sind der Hauptgrund für die Verkehrsunsicherheit auf unseren Strassen, also, appelliert er, sollte man doch dafür sorgen, dass diejenigen Leute, welche diese Unsicherheit schaffen, auch in die Schranken verwiesen und bestraft werden. Er fragt sich zudem, wie die Verkehrspolizisten den Kindern erklären sollten, dass sie sich einerseits an die Verkehrsregeln zu halten haben, während anderseits Verkehrssünder geschont werden sollen; dies passe einfach nicht zusammen. Zu Remo Franz bemerkt er ausserdem, dass sich das Problem wohl von selbst lösen werde. Gebe es nämlich weniger Raser auf den Strassen, so werde sich bald auch die Zahl der Polizisten reduzieren.

Ruedi Brassel sieht es so: Wäre die Sorge von Remo Franz und anderen die, dass durch die eingenommenen Bussengelder die Finanzierung von Polizisten ermöglicht und damit ein Personaletat geschaffen wird, welcher auch bei einem Rückgang der Busseneinnahmen aufrechterhalten bleibt, wenn dies die Sorge wäre, so gäbe es einfache Mittel, eine Korrelation zu verlangen zwischen Einnahmen und dem Bestand der Polizei, welcher diese Bussen einholt, um die Rechtssicherheit und die Sicherheit auf den Strassen garantiert. Diese Korrelation wäre das Thema. Was hier aber gemacht werde, sei daher nicht ganz lauter, da man von den Staatsfinanzen rede und so tue, als gehe es nicht um die Abschaffung der Tempokontrollen oder deren Minimierung (schlägt mit der Hand auf den Tisch). Dort liege der Punkt (empörte Rufe aus der Mitte).

Regierungsrätin Sabine Pegoraro schaltet sich ein. Der Blick -Artikel mit den 677 Prozent Zunahme ist folgendermassen zustande gekommen: Es wurden damals verschiedene Kantone vom Blick betreffend die Zeitperiode 1997 - 2002/03 angefragt. Der Kanton Baselland war in diesem Zeitpunkt der einzige Kanton, welcher 1997 noch keine Blechpolizisten hatte. Diese wurden erst im Jahr 1998, zusammen mit einem verstärkten Kontrollkonzept, eingeführt. Es sei nun logisch, dass die Kurve sowie die Prozentzahl anders aussieht, wenn von null aus ein gewisser Bestand erreicht wird als wenn schon Bestehendes weiter aufgestockt wird. Eine Klammerbemerkung: Der Blick-Artikel erschien unter dem spektakulären Titel So werden die Autofahrer abgezockt (in den Kantonen) . Mit dem Blick-Journalist wurde Rücksprache genommen. Man hatte diese Zahlen bekanntgegeben, aber gleichzeitig auf den Sicherheitsaspekt, also die Erhöhung der Sicherheit, hingewiesen. Er habe nach eigener Aussage an der Redaktionssitzung den Titel Jetzt geht es den Rasern an den Kragen beantragt, sei aber überstimmt worden, da man befand, das mit der "Abzockerei" sei wirksamer.
Zum Thema Transparenz: Das Projekt der erweiterten Kriminalitätsbekämpfung wurde 1998 beschlossen und eingeführt mit Information des Landrats; damals in Antwort auf die Sicherheitsinitiative der SVP. Regierungsrat Andreas Koellreuter gab bei diesem Anlass bekannt, dass man sozusagen als Gegenvorschlag zur Initiative die Kriminalitätsbekämpfung erweitern wolle, was mehr Personal notwendig mache. Die Zahl der 40 Polizisten wurde wahrscheinlich damals genannt und somit transparent gemacht. Die Busseneinnahmen sind alljährlich budgetiert bei der Justiz- und Polizeidirektion. Jede Direktion hat ihren Direktionssaldo und muss ihre für das kommende Jahr budgetierten Aufgaben finanzieren. Nun mache es wohl auch Sinn, die budgetierten Busseneinnahmen für die Polizei zu verwenden.

Die Personalplanung richtet sich selbstverständlich nach den finanziellen Möglichkeiten, auch bei der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion. Daher habe sie zuvor ausgeführt, was im Bereich Sicherheit und Ordnung geplant ist.
Zum Argument "Mehr Bussen generieren mehr Personal und damit mehr Gerichtsfälle": Selbstverständlich könne man auch zurückfahren mit den Verkehrskontrollen. Sie macht dabei aber klar und deutlich, dass die Unfallstatistik in diesem Fall wieder deutlich ansteigen würde, nachdem sie in den letzten Jahren, dank dem Konzept Geschwindigkeitskontrolle, stetig abgenommen habe.

://: Damit ist die Interpellation 2003/264 von Remo Franz beantwortet.

Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei



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