Protokoll der Landratssitzung vom 22. Januar 2004

Nr. 331

14 2003/231
Berichte des Regierungsrates vom 14. Oktober 2003 und der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission vom 18. Dezember 2003: Wirtschaftsbericht 2003

Rita Bachmann
vermeldet, beim vorliegenden Wirtschaftsbericht 2003 handle es sich um den dritten aufeinanderfolgenden seit 1997.
Die durch die beiden Regierungen vorgenommene Auslegeordnung ermöglicht eine gezielte Auseinandersetzung mit der aktuellen Wirtschaftslage.
Nachdem die Vorlage 1997 an das Impulsprogramm "Chance und Qualifikation", und im Jahre 2000 an "Familie und Beruf" gekoppelt war, bekennt sich die Regierung im aktuellen Bericht zum Bereich Life Sciences.
Daneben setzen die beiden Regierungen Schwerpunkte bei der Steuerpolitik und den KMU's.
Der vorliegende Bericht macht deutlich, dass die anhaltende Rezession zwar auch die Region Basel nicht verschont hat, sie jedoch weniger hart betroffen ist, als andere Teile der Schweiz. Aufschlussreich sind dabei die Zahlen und Grafiken des statistischen Teils.
Zu einigen Schwerpunkten:
Der internationale Konkurrenzkampf verschärft sich zusehends; andere Wirtschaftsregionen holen auf. Trotz Höchstleistungen in der Forschung gehen zu wenig Impulse auf das Wirtschaftswachstum über.
In den neunziger Jahren wies die Schweiz als einziges OECD-Land eine negative Wachstumsrate des BIP pro Kopf aus.
Trotz allem gilt die Wirtschaftsregion Nordwestschweiz als attraktiv und lebendig.
Ohne ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum kann der hohe Lebensstandard für die Zukunft aber nicht gesichert werden. Eine zusätzliche Herausforderung ist die demographische Bevölkerungsentwicklung.
Es gilt die Produktivität durch die Förderung der Innovation zu steigern. Im Vordergrund stehen dabei die Bildung und der technische Fortschritt.
Verschiedene Studien ergaben, dass die Innovationsleistung in der Schweiz ihren Vorsprung zunehmend einbüsst.
Der öffentlichen Hand obliegt in Ergänzung der Wirtschaft die Aufgabe, den Rahmen für einen leistungsfähigen Bildungs-, Forschungs- und Technologiebereich zur Verfügung zu stellen. Mit dem Schaffen optimaler Bedingungen soll die rasche Umsetzung des Wissens begünstigt werden.
Ein Antrag auf Nichteintreten auf die Vorlage wurde in der VGK mit 9:4 Stimmen abgelehnt.
Die VGK empfiehlt dem Landrat mit 12:1 Stimme, den Wirtschaftsbericht zur Kenntnis zu nehmen.

Die Notwendigkeit eines Wirtschafsberichts ist für Daniel Münger unbestritten. Vor allem der statistische Teil sei gut strukturiert.
Den Bericht stuft die SP-Fraktion allerdings als sehr einseitig ein, er richtet seinen Fokus zu sehr auf den Bereich Life Science. Andere Bereiche, wie beispielsweise die Logistik werden nur am Rande erwähnt.
Grenzen und Chancen werden im Bericht nicht aufgezeigt, selbst im Bereich Life Science wird kaum differenziert.
Immerhin dokumentiert der Bericht, dass der wichtigste Rohstoff des Kantons die Bildung ist.
Die regionale Zusammenarbeit im Bildungsbereich ist ein absolutes Muss. Sparübungen könnten sich als Eigentore auswirken.
Weiter macht der Bericht deutlich, dass hinsichtlich Steuersenkungen kein Handlungsbedarf besteht.
Künftige Probleme, wie die tripartite Kommission und deren flankierende Massnahmen, die Steuerhinzerziehung und all ihre Formen, aber auch die Langzeitarbeitslosen, werden im Bericht gar nicht oder nur andeutungsweise erwähnt. Strategien und Antworten auf die Probleme fehlen.
Bestimmte Aussagen stehen in einem krassen Widerspruch zu den wichtigsten Ressourcen des Kantons, der Bildung, dem Verkehr und dem Service Public.
Die SP stellt deshalb den Antrag, den Wirtschaftsbericht in nichtzustimmendem Sinne zur Kenntnis zu nehmen.

Thomas de Courten stellt fest, der Wirtschaftsbericht stelle eine fundierte Analyse der regionalen Wirtschaft dar.
Daraus wird eine Stärken- und Schwächenanalyse abgeleitet, Handlungsfelder und Strategien werden festgelegt und damit die kantonale Wirtschaftspolitik formuliert.
Die SVP-Fraktion bedankt sich für den sehr ausführlichen Wirtschaftsbericht. Sie ist der Auffassung, die Regierung hat mit dem vorliegenden Bericht die wunden Stellen getroffen.
Gesamthaft dokumentiert der Bericht, dass auch in rezessiven Phasen, verglichen mit der Gesamtschweiz, in der Region eine positive Entwicklung stattand.
Im Uebrigen untermauert er die dominiernde Rolle der Life Science als Konjunkturlokomotive.
Das Bewusstsein ist Voraussetzung, um die entscheidenden Globaplayers langfristig in der Region zu halten.
Die gleichzeitige Stärkung des KMU-Netzwerkes im Bereich Life Science findet die Zustimmung der SVP.
Der Bericht zeigt aber auch, dass die Region von einer stark ausgeprägten, in sich gewachsenen KMU-Struktur mitgetragen wird.
Dass trotz der enormen Anstrengungen in Forschung und Wissenschaft noch zu wenig Impulse auf das Wirtschaftswachstum zu spüren sind, ist darauf zurück zu führen, dass die Schnittstellen zwischen Bildungs- und Forschungsinstitutionen und der Wirtschaft noch nicht optimal funktionieren.
Es scheint der SVP von enormer Bedeutung, dass im Bildungsbereich bereits bei den Basics eingesetzt wird.
Die Stagnation der Arbeitsproduktivität wird als Hauptgrund für die Wachstumsschwäche der Region aufgeführt. Der fundamentale Zusammenhang zur Innovationsförderung wird zwar erkannt, jedoch nicht weiter ausformuliert.
Konkrete Ansätze für Korrekturen fehlen weitgehend.
Die SVP unterstützt den Regierungsrat in seinem Ziel, den Ausgleich des Defizits vorrangig durch einen Abbau der staatlichen Aufgaben zu vollziehen.
Ebenso unterstützt wird die im Wirtschaftsbericht in Aussicht gestellte Reform der Unternehmensbesteuerung.
Damit wird das "Steuerrad" in die richtige Richtung gedreht.
Die SVP geht davon aus, dass die erforderlichen Massnahmen - vorwiegend die Optimierung der Standortbedingungen - zügig an die Hand genommen werden.
Gleichwohl hat auch die SVP vier Handlungsfelder ausgemacht, die im Wirtschaftsbericht zu wenig thematisiert wurden.
Neben dem Problem der KMU-Entlastung sind dies die Verkehrsinfrakstruktur, die Konzentration der Wertschöpfung auf die Kernagglomeration und nicht zuletzt die Submissionsgesetzgebung.
Insgesamt zieht die SVP aber eine positive Bilanz und plädiert für die zustimmende Zurkenntnisnahme.

Judith Van der Merwe bemerkt vorab, im Gegensatz zur SP-Fraktion, beurteilt die FDP-Fraktion den vorliegenden Wirtschaftsbericht als ausgezeichnet und dankt den entsprechenden Stellen für die wertvolle Arbeit.
Nach dem Studium des Berichts gelangt die FDP mit vier Forderungen an die Regierung:

Paul Rohrbach hält den Wirtschaftsbericht für gut gestaltet, gut lesbar und interessant.
Im Auftrag von Remo Franz, der in Zusammenhang mit dem Wirtschaftsbericht 2002 nicht mit Kritik gespart hat, deponiert Paul Rohrbach, dass er den Bericht 2003 für wesentlich besser hält, sich dafür bedankt und der Verwaltung seine Anerkennung ausspricht.
Als Gedankenanstoss an die Adresse der Regierung bemerkt Paul Rohrbach, eine bessere Vernetzung, womöglich in Gemeinschaft mit Basel-Stadt sowie eine komprimiertere Berichtsform würde zu mehr Effizienz führen.
Der Wirtschaftsbericht vermittelt auch Aussenstehenden eine guten Eindruck über die Komplexität und die Zusammenhänge der regionalen Wirtschaft.
Beachtlich ist die Steigerung der Wertschöpfung im Chemie- und Pharmabereich. Betrug sie 1992 noch 13%, waren es 2002 bereits 17%.
Wie von der Vorrednerin bereits erwähnt, ist der wichtigste Motor für das Wirtschaftswachstum die Innovation; sie ist weiter zu fördern.
Ziel der Zusammenarbeit mit Basel-Stadt sollte eine Win-Win-Situation sein. Ein gutes Beispiels dafür sei das ETH-Institut, hier hat die Zusammenarbeit offenbar bestens funktioniert.
Baselland kann nur an Standortattraktivität gewinnen, wenn die Finanzen im Lot und die Steuerfragen optimal gelöst sind. Die CVP/EVP unterstützt die Stossrichtung der Regierung, die Kapitalsteuer zu senken.
Die CVP/EVP-Fraktion stimmt der Vorlage einstimmig zu.
Entscheidend sei für sie dabei nicht der Bericht als solcher, sondern die Massnahmen, die davon abgeleitet werden.

Madeleine Göschke-Chiquet stellt fest, der Wirtschaftsbericht enthalte gute Analysen der wirtschaftlichen Situation des Kantons Baselland., wie beispielsweise die im Bericht erwähnte Innovationsschwäche.
Der Bericht enthält aber auch gute Lösungsvorschläge, wie die Förderung von Bildung und Forschung, die Erhaltung der medizinischen Fakultät sowie die Förderung familienergänzender Kinderbetreuung.
Erfreulich ist ausserdem das Bekenntnis zur Erhaltung und Förderung der Landschaft. Allerdings steht dieses Bekenntnis im Widerspruch zur KMU-Initiative, die den Abbau der Umweltvorschriften fordert.
Eine stärkere Gewichtung wünscht sich die Fraktion der Grünen beim Oeffentlichen Verkehr, im Gegensatz dazu soll die Förderung des Strassenbaus reduziert werden.
Dass sich Baselland weiterhin für den überdimensionierten EAP engagieren will, ist im Zuge der Sparmassnahmen überflüssig.
Nicht einverstanden sind die Grünen aber auch mit dem Regierungsvorschlag, den Service Public abzubauen. Auch hier besteht Widerspruch zum Bericht.
Madeleine Göschke plädiert für ein starkes Engagement in der Bildung und dies nicht nur auf Uni- und Fachhochschulebene und nicht mit dem ausschliesslichen Fokus auf Life Sciences.
Den Optimismus bezüglich des Arbeitsmarktes kann die Fraktion der Grünen mit der Regierung nicht teilen, denn laut BZ ist die Nordwestschweiz vom Stellenrückgang schweizweit am stärksten betroffen. Allein in der Industrie gingen im vergangenen Jahr 5% der Stellen verloren.
In das Kapitel "härtere Bandagen gegenüber der Schwarzarbeit" gehören auch die Arbeitsbedingungen, Lohndumping sowie Working poor.
Zusammenfassend bemerkt Madeleine Göschke, es handle sich um einen interessanten Bericht mit vielen guten Absichterklärungen, auf die Umsetzung dürfe man gespannt sein.
Die Fraktion der Grünen nehmen den Wirtschaftsbericht mit all seinen Absichtserklärungen und Widersprüchen zur Kenntnis.

Auch Bruno Steiger hält den Bericht für zu wenig differenziert, allerdings nicht aus denselben Gründen wie die SP-Fraktion.
Die Wirtschaftsvertreter im Saal erinnert er daran, dass es kein grenzenloses Wirtschaftswachstum gibt. Dieses müsse den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung gerecht werden, und mehr Wirtschaft brauche es nicht...
Die gebetsmühlenartige Jammerei der KMU's könne er bald nicht mehr hören. Andererseits werden immer mehr billige Arbeitskräfte aus dem grenznahen Elsass und dem badischen Raum rekrutiert und die inländischen Arbeitnehmer haben das Nachsehen. Dies führe zu immer mehr Menschen, die vom Staat abhängig werden. Regierung und Parteien tragen an diesem Prozess die Mitverantwortung.
Mit dem recht auf Bildung habe er ebenfalls seine liebe Mühe. Heute müssen ja alle Jugendlichen ins Gymnasium, selbst wenn sie den Anforderungen überhaupt nicht gerecht werden. Dasselbe treffe für die Universität und die Hochschulen zu.
Bruno Steiger beendet seine Ausführungen mit der Bemerkung, er nehme den Wirtschaftsbericht ablehnend zur Kenntnis.

Im Anschluss an den Fraktionssprecher möchte Martin Rüegg-Schmidheiny noch zwei Anregungen deponieren.
Dass die Bildung für die Region einen wichtigen Baustein darstellt, wurde bereits mehrfach erwähnt. Wichtig dabei ist, dass nicht nur der Tertiärstufe sondern auch dem Unterbau der ihm gebührende Stellenwert eingeräumt wird und die Maturitätsschulen in einem nächsten Bericht miteinbezogen werden.
Erfreut habe er festgestellt, dass unter Kapitel 5.3 auch das Thema Sport aufgegriffen wurde. Da der Sport immer mehr zu einem Wirtschaftsfaktor wird, regt Martin Rüegg an, anstatt von der Sportstadt Basel von der Sportregion Basel zu reden.
Neben den Mitteln für die Infrastruktur sollte künftig auch in die Ausbildung und die Forschung des Sports investiert werden.

Kaspar Birkhäuser erkundigt sich, wie die Aussage " Der Kanton setzt sich zudem für eine möglichst bevölkerungsverträgliche Abwicklung des Luftverkehrs ein" unter 4.5.3 Flughafenausbau trotz Problemen im Luftverkehr zu verstehen ist.
Seit zwanzig Jahren habe sich in dieser Hinsicht überhaupt nichts bewegt.

Sabine Stöcklin stellt fest, die Forderung Nr. 3 von Judith Van der Merwe deute darauf hin, dass die FDP Baselland, was die medizinische Fakultät angeht, erwacht ist.
Die medizinische Fakultät ist Teil der Life Science-Strategie der Region. Sabine Stöclin lädt all Anwesenden dazu ein, diese Erkenntnis bei der Beurteilung des Strategieberichts zur Spitalversorgung zu berücksichtigen.
Zu den Grundsätzen der Wirtschaftspolitik meint RR Erich Straumann, um die Arbeitsproduktivität zu steigern, braucht es den Wettbewerb, dieser löst Innovationen aus, die ihrerseits zu Wertschöpfung führen.
Ziel de Wirtschaftsberichts ist es, die Schwerpunkte zu darzulegen sowie die Marschrichtung und den Fokus aufzuzeigen.
Bereits bei der Kommissionsberatung habe er zum Ausdruck gebracht, dass die Regierung Themen wie Lohndumping und Schwarzarbeit als Teil der Regierungsaufgabe ansieht und bei der Umsetzung dem Parlament dazu entsprechende Vorlagen unterbreiten wird.
Die Regierung habe sich im Bericht bewusst auf wenige, wichtige Schwerpunkte konzentriert.
Dadurch dass zwischen der Realisierung des Berichts bis zur Behandlung im Parlament beinahe ein Jahr vergangen ist, enthält der Bericht auch einige bereits überholte Fakten.
Dass Baselland im Vergleich zur gesamten Schweiz mit 3,5% noch relativ gut dasteht, tröstet die Regierung nicht.
Die Forderung Bruno Steigers, keine zusätzlichen Arbeitsplätze zu schaffen, stosse mit Sicherheit weder bei der Bevölkerung noch bei der Regierung auf Verständnis.
Dass zur Erfüllung der anstehenden Arbeiten Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigt werden, sei dabei unvermeidlich.
Die Verordnung über die Zusammenstellung der tripatiten Kommission wird im Februar 2004 in der Regierung beraten. Die Kommission soll per 1.6.2004 ihre Arbeit aufnehmen.
Abschliessend bekräftigt der Sanitätsdirektor, dass die Regierung die erwähnten Forderungen ernst nimmt und bereit ist, die entsprechenden Massnahmen in die Wege zu leiten.

://: Der Landrat lehnt den SP-Antrag ab und nimmt den Wirtschaftsbericht mit 39 : 23 Stimmen zustimmend zur Kenntnis.

://: Das Postulat 2001/064 wird als erfüllt abgeschrieben.

://: Der Landrat schreibt das Postulat 2002/034 von Patrick Schäfli als erledigt ab.

Für das Protokoll:
Ursula Amsler, Landeskanzlei



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