LR Protokoll 6. April 2000 (Teil 1)

Protokoll der Landratssitzung vom 6. April 2000



Zur Traktandenliste dieser Sitzung

Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)





Begrüssung, Mitteilungen

Landratspräsident WalterJermann
begrüsst Frau Regierungsrätin, die Herren Regierungsräte, die Kolleginnen und Kollegen, die Gäste auf der Tribüne sowie die Pressevertreter und das Aufnahmeteam von Tele Basel zur Landratssitzung.

Verstorbener alt Landrat

Mit Werner Klaus hat das Baselbiet einen geschätzten Menschen und unermüdlichen Kämpfer verloren. Er war zwischen 1963 und 1975 sowie wiederum von 1979 bis 1991 Landrat,1973/1974 war er Landratspräsident. Werner Klaus zeichnete sich sowohl in der Rolle des Gemeindepräsidenten wie des Landrates als geschickter Verhandler aus.

Verstorbener alt Bankratspräsident

Stephan Herbster aus Oberwil wurde 1971 vom Landrat in den Bankrat der Basellandschaftlichen Kantonalbank gewählt. Dem Bankrat gehörte Stephan Herbster bis zum Jahre 1995 an, zwischen 1985 und 1993 in der Funktion des Präsidenten.

Der Landrat erhebt sich zu Ehren der beiden Verstorbenen.

Rücktritt vom Amt als Strafrichterin


Frau Caroline Franz Waldner, Binningen, tritt per Ende August 2000 vom Amt als Strafrichterin zurück, da sie anfangs September ein Kind erwartet und aufgrund der neuen Aufgabe das Amt neben ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit nicht mehr ausüben kann.

Besetzung des Büros

Christoph Rudin
ersetzt die abwesende Jacqueline Halder im Büro.

Stimmenzähler

Seite Mitte/Büro: Ernst Thöni
Seite SP: Urs Steiner
Seite FDP: Christoph Rudin

Traktandenliste

Da Regierungspräsident Hans Fünfschilling heute Nachmittag nicht an der Sitzung wird teilnehmen können, schlägt der Landratspräsident vor, die Traktanden 11 bis 18 auf den 13. April zu verschieben und die drei, die Finanzdirektion betreffenden Themen der Fragestunde noch vor Mittag von Regierungsrat Hans Fünfschilling beantworten zu lassen.

Antrag zu Traktandum 22

Rita Bachmann
gibt bekannt, dass die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission an der Sitzung vom 31. März den Antrag beschlossen hat, die Beratung der Traktanden 21 und 22 auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Dies nicht, weil die Kommission die Diskussion vermeiden möchte, sondern aus der Überzeugung, dass eine ausführliche Landratsdebatte zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht ist, zumal der Prognos-Evaluationsbericht erst vor den Sommerferien erscheinen wird.
Die Kommissionspräsidentin versichert, dass die Kommission die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst nimmt, die involvierten Gremien mit der gebotenen Sorgfalt vorgehen und das Wohl der kleinen Patienten zu wichtig ist, um voreilige Schlüsse zu ziehen.
Das UKBB wurde von Beginn an als partnerschaftliches Geschäft mit der Gesundheitskommission Basel-Stadt beraten. Die Interpellation 2000/055 wurde mit gleichem Wortlaut auch in Basel eingereicht und von beiden Regierungen entgegengenommen. In Basel wird die Interpellation am 12. und in Liestal am 13. April beantwortet.
Rita Bachmann bittet, die Standortdiskussion auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen und dankt für das Verständnis und die Unterstützung.

Sabine Stöcklin ist ebenfalls der Ansicht, dass die UKBB-Debatte aufgrund des Evaluationsberichtes geführt werden soll und votiert deshalb dafür, beide Vorstösse bis zum Erscheinen des Berichtes zu verschieben.

Rita Kohlermann hat zwar Verständnis für die Argumentation von Rita Bachmann, doch schliesst sie sich der Meinung von Sabine Stöcklin an, den Evaluationsbericht abzuwarten und beide Traktanden zu verschieben.

Hans Schäublin votiert im Namen der SVP ebenfalls dafür, die beiden Traktanden zu streichen, weil man nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen sollte.

Remo Franz ist an sich gegen ein Absetzen seiner Interpellation, doch sieht er vor der Übermacht aller anderen Fraktionen keine reellen Verteidigungschancen.

Roland Meury weist darauf hin, dass das laufende Verfahren seit 20 Jahren im Gange ist. Mühe bereitet dem Landrat der Grünen, dass derart subtil umgegangen werden muss, obwohl in den Zeitungen von den Chefärzten und dem Spitalratspräsidenten seitenlange Abhandlungen nachgelesen werden können. Sollte er im Landrat den "politischen Eunuchen" spielen müssen, so bliebe er nächstes Mal lieber zu Hause.

Roland Bächtold vertritt namens der Schweizer Demokraten die Meinung, die Motion sollte verschoben, die Interpellation aber behandelt werden.

Rita Kohlermann entgegnet Roland Meury, sie bliebe ihrerseits lieber zu Hause, falls sie aufgrund von Zeitungsartikeln im Landrat politisieren müsste.

Remo Franz bedankt sich bei Roland Meury, effektiv vergebe sich der Rat gar nichts, wenn er sich dafür entscheiden würde, bereits am 13. April darüber zu diskutieren.

Rita Bachmann weiss, dass in Basel nur äusserst selten bei Interpellationen Diskussion gewährt wird; das heisst, die Interpellation könnte für den 13. April stehen gelassen werden, sofern man sich ohne Diskussion mit der Beantwortung zufrieden geben würde.
Die Kommissionspräsidentin weist noch darauf hin, dass die landrätliche Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission für den 24. Mai eine gemeinsame Sitzung mit den wichtigsten Vertretern des UKBB organisiert hat. Zusammen mit dem Evaluationsbericht dürfte dannzumal der Wissensstand für eine fundierte Debatte erreicht sein.


2000/061
Motion der Fraktion der Grünen vom 23. März 2000: Kinderspital: Kurskorrektur!


://: Der Landrat spricht sich dafür aus, Traktandum 22, Motion 2000/061 der Grünen Fraktion von der Traktandenliste abzusetzen.

2000/055
Interpellation von Remo Franz vom 24. Februar 2000: Nur noch ein Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB). Schriftliche Antwort vom 4. April 2000


://: Der Landrat spricht sich mehrheitlich dafür aus, Traktandum 21, Interpellation 2000/055 von Remo Franz, von der Traktandenliste abzusetzen.

Der Landratspräsident legt definitiv fest, die Traktanden 8 und 9 sowie 11 - 18 am 13. April zu behandeln.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei




Nr. 437

1 2000/058
Bericht der Petitionskommission vom 9. März 2000: Petition bezüglich Parteientschädigung

Heinz Mattmüller : Der betreffende Anwalt beanstandet in seiner Petition, dass im Einspracheverfahren vor Verwaltungsgericht einer obsiegenden Partei generell keine Parteientschädigung zugesprochen wird.
Nach Auskunft des Rechtsdienstes ist die Meinung des Petenten zu relativieren.
Der Petent verlangt zudem die Einführung einer Kostenpflicht auf Stufe Einspracheverfahren. Dies halten sowohl der Rechtsdienst wie die Kommission nicht für notwendig, weil ein Recht des Bürgers nicht unnötig mit Gebühren behindert werden soll. Eine allfällige Kostenpflicht wäre nicht Voraussetzung für den Zuspruch von Parteientschädigung.
Gemäss gängiger Praxis können bereits jetzt Parteientschädigungen ausbezahlt werden, wenn beispielsweise die Behörde eine Rechtsverletzungen begangen hat, so dass die obsiegende Partei einen Anwalt zuziehen musste.
Die Kommission beantragt dem Landrat, nicht weiter auf die offene Türen einrennende Petition einzugehen.

://: Der Landrat stimmt dem Antrag der Petitionskommission grossmehrheitlich, gegen 1 Stimme zu.

Landratsbeschluss
betreffend Petition des Dr. Christoph Bertschi bezüglich Parteientschädigung


Vom 6. April 2000

Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft beschliesst:

Dem Petenten wird mit Bezug auf das Gutachten des Rechtsdienstes des Regierungsrates mitgeteilt, man wolle auf sein Begehren nicht weiter eintreten.

Verteiler:
- Nach Weisungen der Petitionskommission.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei




Nr. 438

2 2000/059
Bericht der Petitionskommission vom 9. März 2000: Eingabe des Ehepaars H. und S.T. bezüglich Aufenthalt in der Schweiz

Heinz Mattmüller verweist einleitend auf den Umstand, dass sich nachträglich, nachdem die Kommission Ende Februar den Fall behandelt und den Bericht druckreif erstellt hatte, noch einiges ereignete, das nicht mehr Eingang in den Bericht finden konnte. So trat der betreffende türkische Mann mit seiner Familie persönlich im Basler Lokalfernsehen auf; aus diesem Grunde macht es für den Landrat auch nicht mehr Sinn, anonymisierende Initialen zu verwenden.
Klar zu unterscheiden gilt es nun zwischen der Situation, in welcher sich Herr Tokla mit seiner Familie tatsächlich befindet und der Situation, wie sie vom Anwalt und gewissen Kreise dramatisierend dargestellt wird.
Herr Tokla kam als Asylbewerber illegal in die Schweiz und zog noch vor dem Asylentscheid seine Familie illegal in die Schweiz nach. Nachdem sein Asylgesuch abgelehnt worden war, erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung für sich und seine Familie, weil er eine Arbeitsstelle nachweisen konnte. Bei einem Arbeitsunfall verlor Herr Tokla darauf 2 Finger und wurde deshalb zu 15 Prozent invalid erklärt. Dieser geringe Invaliditätsgrad ist aus behördlicher Sicht aber kein Grund, nicht mehr zu arbeiten und keine andere Arbeit nachzusuchen. Auf dem Arbeitsamt zu stempeln, wurde Herrn Tokla verweigert, weil er noch nie ein halbes Jahr lang ohne Unterbrechung gearbeitet hatte. Aufgrund seines Besuches beim Psychiater erhielt Herr T vorübergehend wegen psychischer Probleme eine IV-Rente von 100 Prozent. Nach einem Jahr wurde ihm diese Rente wieder abgesprochen, doch liess man ihm im Sinne "eines Aktes der Humanität" eine ausserordentliche freiwillige Rente von 50 Prozent stehen, so dass er heute - statt der ihm gesetzlich zustehenden 15 Prozent - eine IV-Rente von total 65 Prozent bezieht.
Statt wenigstens halbtags arbeiten zu gehen, wendete er sich mit der Begründung an die Fürsorge, er fände keine Arbeit. An sich könnte Herr Tokla die Rolle des Hausmannes übernehmen, wenn Frau Tokla arbeiten ginge. Obwohl die Kinder bereits erwerbstätig sind, arbeitet Frau Tokla aber nur teilzeitig.
Die kommunale Fürsorgebehörde, die Fremdenpolizei, das Verwaltungsgericht und die Regierung sind der Ansicht, dass mit diesem Verhalten, gestützt auf Art. 4 des eidgenössichen Gesetztes über den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländern (ANAG) der Tatbestand der fortgesetzten Fürsorgeabhängigkeit in erheblichem Masse erfüllt ist und deshalb ein Aufenthalt in der Schweiz nicht länger toleriert werden darf.
Nach zwei Verwarnungen und rechtlichem Gehör hatte die Fremdenpolizei bereits vor zwei Jahren die Ausweisung angeordnet. Das Ehepaar konnte sich aber bisher unter Ausschöpfung des Rechtsweges der Ausweisung entziehen.
Der Vollzug des ANAG, ein eidgenösssiches Gesetz, unterliegt der Kompetenz der Fremdenpolizei, weshalb der Landrat im Falle einer Ausweisung eines Ausländers nicht rechtsverbindlich intervenieren kann. Allerdings hat der Landrat das parlamentarische Aufsichtsrecht; die Kommission hat festgestellt, dass keine verfahrenstechnischen Mängel vorliegen. Um der Transparenz willen ist denn auch das Plenum über die wichtigsten Fakten des Falles orientiert worden. Wenn das türkische Ehepaar ausgewiesen werden sollte, würde die gesetzliche Rente von 15 Prozent in die Türkei überwiesen, nicht aber die freiwillige Rente von 50 Prozent. Dies wird vom Anwalt bemängelt und als unzumutbar empfunden. Die Rente würde nicht in die Türkei ausbezahlt, weil die Schweiz mit der Türkei ein bilaterales Abkommen hat, das die Bezahlung freiwilliger Renten nicht vorsieht.
Zum aktuellen Zeitpunkt stellen sich das Ehepaar, der Anwalt und gewisse Kreise mit der Begründung gegen eine Ausweisung, die Fürsorgekasse werde inzwischen nicht mehr in Anspruch genommen, weil Herr Toklu von seinen erwerbstätigen Kindern unterstützt werde. Die Behörden halten dagegen, die finanzielle Unterstützungspflicht von dieser Höhe könne auf gesetzlicher Ebene von den Angehörigen nicht verlangt werden. Die Kommission vertritt die Meinung, die Fürsorgebehörde müsste wieder einspringen, wenn die Kinder nicht mehr zur Zahlung im Stande wären; zudem könnten die Kinder ihre finanzielle Unterstützung ja auch in die Türkei senden.
Fragen kann man sich auch, ob die Idee, sich von seinen Kindern aushalten zu lassen, den gesellschaftlichen Normen der Schweiz entspricht. Fest steht jedenfalls, dass ein arbeitsfähiger Ausländer ohne festes Einkommen und ohne Vermögen in der Schweiz kein Aufenthaltsrecht beanspruchen kann.
Man muss den Ausführungen des Rechtsdienstes entnehmen, dass der Landrat im ausländerrechtlichen Bereich absolut keine Kompetenzen hat. Die Kommission beantragt mit 7 zu 0 Stimmen nicht näher auf die Eingabe einzutreten.
Weil zum Zeitpunkt der Kommissionsberatung vom Anwalt des Ehepaars ein Rückkommenantrag gestellt wurde, beschloss die Kommission, keine Empfehlung an den Regierungsrat abzugeben. In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass die Fremdenpolizei den Rückkommensantrag abgelehnt hat. Somit steht es dem Plenum frei, dem Regierungsrat eine unverbindliche Empfehlung abzugeben.

Elsbeth Schmied gibt namens der SP-Fraktion den Rückweisungsantrag des Geschäftes an die Kommission bekannt. Sie begründet den Antrag mit folgendem Hinweis aus dem Bericht der Petitionskommission: Bis zum Eintreffen jenes noch ausstehenden Entscheides wollte die Kommission nicht vorgreifen und nahm deshalb auch von der Abgabe einer Empfehlung an die Exekutive Abstand. Da die Fremdenpolizei den Rückkommensantrag zwischenzeitlich abgelehnt hat, erscheint es der SP-Fraktion angezeigt, dass die Petitionskommission noch einmal über Familie Tokla zu Rate sitzt. Da Familie Tokla nicht ganz unverschuldet in die aktuelle Lage geraten ist, versteht die Fraktion das Urteil, doch findet sie es stossend, den Kindern jetzt schon misstrauisch zu signalisieren, sie würden die Eltern möglicherweise dann doch nicht unterstützen.

Paul Schär verzichtet bewusst auf die Repetition der Familiengeschichte und betont, dass es sich die Kommission nicht leicht gemacht hat.
Auch in der FDP-Fraktion wurde der Fall hinterfragt; als störend wurde der lange zeitliche Ablauf von 14 Jahren empfunden. Während dieser Zeit wurden alle Rechtsmittel über all die Jahre hinweg ausgeschöpft.
Da der Landrat in ausländerrechtlichen Fragen nicht zuständig ist und die Fraktion - in Kenntnis der gesamten Geschichte - auch nicht der Meinung ist, das Geschäft sollte an die Kommission zurückgewiesen werden, unterstützt die FDP-Fraktion den Petitionsantrag einstimmig.

Esther Gallacchi weist darauf hin, dass in der CVP-Fraktion vor allem die emotionalen Aspekte des Falles intensiv diskutiert wurden. Die Fraktionsmitglieder sind sich bewusst, dass der Landrat, im Gegensatz etwa zu Begnadigungen und Amnestieerteilungen in Strafsachen, im Bereich des Ausländerrechtes keinen direkten Einfluss auf den Vollzug nehmen kann. Aus diesem Grunde unterstützt die CVP/EVP-Fraktion den Beschluss der Petitionskommission.

Hildy Haas schliesst sich im Namen der SVP-Fraktion der Meinung der Petitionskommission an. Aufgefallen ist der Landrätin insbesondere die lange Frist von mehr als 14 Jahren, ein viel zu langer Zeitrahmen, der vor allem auch deshalb für die bertoffenen Personen gekürzt werden müsste, damit sie schneller wissen, woran sie sind - eine Forderung im Übrigen, welche die SVP schon lange gestellt hat.

Bruno Steiger nimmt Bezug auf das Votum von Elsbeth Schmied, in welchem Eigenverschulden der Familie zugegeben wurde. Aus Sicht der SD-Fraktion ist dies beschönigend, vielmehr gelte es festzuhalten, dass Herr Toklu seinerzeit illegal eingereist ist und seinen Aufenthalt mit einem fragwürdigen Asylantrag erschlichen hat. Noch vor den Abklärungen des Asylgesuches schleuste er seine Familie auf dieselbe Weise in die Schweiz ein.
Die Invalidität von Herrn Toklu relativiert Bruno Steiger, manch ein Schreiner oder Metzger habe auch zwei Finger verloren und arbeite trotzdem weiter.
Mühe bereitet der Fraktion der Schweizer Demokraten auch das sonderbare Kulturverständnis und die Haltung von Herrn Toklu, sich von seiner Frau und seinen Kindern aushalten zu lassen.
Der Fraktionssprecher unterstützt die Schlussfolgerungen der Petitionskommission und beantragt, falls dies nicht fruchten sollte, die eingeleiteten Massnahmen im Sinne des ANAG nachzuvollziehen.

Maya Graf ist - gemeinsam mit der Fraktion der Grünen - mit den Schlussfolgerungen der Petitionskommission, keine Empfehlung abzugeben, nicht einverstanden. Nach dem Verständnis der Landrätin hat der Landrat als oberster Gesetzgeber stets die Möglichkeit, dem Regierungsrat eine Empfehlung mitzugeben. Die Fraktion der Grünen missbilligt deshalb das Vorgehen der Petitionskommission, die sich aus der Sache herauszuschleichen versuche, indem sie sich für nicht zuständig erklärt. Der Kanton könnte sein Ermessen im Umgang mit Aufenthaltsbewilligungen geltend machen.
Aus diesem Grunde beantragt die Fraktion der Grünen, der Regierungsrat sollte sich bei der Fremdenpolizei dafür einsetzen, die humanitäre Aufenthaltsbewilligung für Herrn und Frau T zu verlängern.
Erstaunt hat die Fraktion der Grünen auch, dass sich die SP in der Petitionskommission mit ihren beiden Vertretern nicht durchsetzen konnte.
Grundsätzlich hält Maya Graf fest, dass der Fall der Familie, die ein Arbeitseinkommen wegen eines Unfalls verloren hat, nicht untypisch ist für viele, nicht nur für ausländische Familien. Weiter weist sie darauf hin, dass es für einen ausländischen Mitarbeiter zum schwierigsten gehört, eine 50-Prozent-Arbeitsstelle im handwerklichen Bereich zu finden.
Die Fraktion der Grünen setzt sich Familie T ein, weil die Fürsorgeabhängigkeit seit Oktober 1998 nicht mehr besteht und weil die Bindung der Kinder an die Eltern im türkischen Kulturkreis viel enger ist als hier.
Zum Thema Integration bemerkt die Landrätin abschliessend, Integration habe stattgefunden, wenn man 14 oder 16 Jahren in einem Land gelebt und die Kinder hier zur Schule geschickt habe.
Die Fraktion der Grünen bittet, das Geschäft nicht an die Petitionskommission zurückzuweisen, sondern dem Regierungsrat zu empfehlen, noch einmal bei der Fremdenpolizei mit dem Antrag um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vorstellig zu werden.

Roland Bächtold erachtet den Fall Toklu als typisch für das Ausnützen der hiesigen Sozialleistungen. Den Entscheiden der Fremdenpolizei sollte nun Folge geleistet werden.
Bekannt sind Roland Bächtold auch Fälle von Selbstvestümmelungen von Schweizern, die dafür, im Gegensatz zu den Ausländern, keine IV-Rente bekommen.
Roland Bächtold beantragt, Herrn Toklu für immer aus der Schweiz auszuweisen.

Heinz Mattmüller macht beliebt, den Rückweisungsantrag an die Kommission abzulehnen, da die Kommission keine Beschlusskompetenzen hat.

RR Andreas Koellreuter hält fest, dass von der Dauer des Problems her zwei Zeitblöcke unterschieden werden müssen, dass Herr T damals als Asylbewerber in die Schweiz kam und nicht als Arbeitskraft gerufen wurde. Heute gelte übrigens das Prinzip: Last in first out, was besagt, dass die eingegangenen Fälle möglichst schnell behandelt werden.
Der Regierungsrat wendet die Diskussion mit folgendem Vorschlag: Der Bund hat für Asylbewerberinnen und Asylbewerber eine Aktion gestartet, die besagt, dass, wer das Gesuch vor dem 1. Januar 1993 eingereicht hat, nicht fürsorgeabhängig und nicht kriminell ist, über die Kantone einen Antrag auf vorläufige Aufnahme stellen kann. Familie Toklu erfüllt diese Kriterien. Der Regierungsrat wird aufgrund dieser Aktion dem Bund den Fall Toklu vorlegen und prüfen lassen, ob eine vorläufige Aufnahme in Frage kommt. Bewusst muss sich Familie Toklu aber sein, dass ihr, falls sie wieder fürsorgebhängig würde, die vorläufige Aufnahme entzogen würde.

Elsbeth Schmied zieht aufgrund der regierungsrätlichen Ausführungen ihren Rückweisungsantrag zurück.

Antrag Maya Graf: Der Regierungsrat wird gebeten, sich bei der Fremdenpolizei Baselland dafür einzusetzen, dass die humanitäre Aufenthaltsbewilligung von Herrn und Frau T gemäss Eingabe an die Petitionskommission verlängert wird.

://: Der Landrat lehnt den Antrag Maya Graf grossmehrheitlich ab.

://: Der Landrat stimmt dem Antrag der Petitionskommission zu.

Landratsbeschluss
betreffend Eingabe des Ehepaars H. und S.T. bezüglich Aufenthalt in der Schweiz


Vom 6. April 2000

Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft beschliesst:

Der Landrat ist für diesen Fall nicht zuständig. Da ein anderes Verfahren bei der Fremdenpolizei läuft, wäre eine Behandlung dieser Eingabe somit subsidiär.

Verteiler:
- Nach Weisungen der Petitionskommission.


Walter Jermann bemerkt abschliessend, die Zustimmung zum Petitionsantrag bedeute nicht, dass die Regierung ihr heute abgegebenes Versprechen nicht einhalten werde.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei


Fortsetzung des Protokolls vom 6. April 2000

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