LR Protokoll 23. März 2000 (Teil 6)

Protokoll der Landratssitzung vom 23. März 2000



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Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)





Nr. 432

16 2000/009
Postulat von Max Ritter vom 13. Januar 2000: Auch für den Baselbieter Obstbau beginnt ein neues Jahrtausend!

://: Der Landrat überweist das Postulat an die Regierung.

Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei



Nr. 433

17 1999/190
Postulat von Max Ribi vom 16. September 1999: Erleichterung der Einführung von Tempo 30 auf Quartierstrassen

Heinz Mattmüller zeigt sich nicht einverstanden damit, dass das Postulat von der Regierung entgegengenommen werde. Auf einem übersichtlichen Strassenabschnitt, auf welchem Tempo 50 erlaubt wäre, ist es jedermann selbst überlassen, trotzdem nur mit Tempo 40 zu fahren. Wird die Höchstgeschwindigkeit für den selben Strassenabschnitt auf 30 km/h heruntergesetzt und jemand fährt trotzdem mit 40 km/h, kann dies sehr teuer werden, wenn die Polizei "arglistig" hinter einem Gebüsch sitze und auf Verkehrssünder warte, obwohl im oben beschriebenen Fall niemand gefährdet würde. Sollte auf einer Strasse nicht schneller als mit 30 km/h gefahren werden, muss diese derart umgestaltet werden, dass ein Fahren mit höherer Geschwindigkeit gar nicht erst möglich ist. Damit sind rein theoretisch weder umgebungsverschandelnde Verkehrsschilder noch Polizeikontrollen notwendig.

Beim früher festgelegten Erfordernis von baulichen Massnahmen haben die Verantwortlichen Überlegungen angestellt, an denen sich bis heute nichts geändert haben dürfte. Heinz Mattmüller bittet daher den Landrat, das Postulat nicht zu überweisen.

Max Ribi entgegnet, oftmals sei die Einführung von Tempo 30 in den Gemeinden bisher an den Kosten für die entsprechenden baulichen Massnahmen gescheitert. Seiner Meinung nach sollte die Einführung von Tempo 30 auch mit weniger und einfacheren baulichen Massnahmen möglich werden, damit dem berechtigten Anliegen von Tempo 30 auf Quartierstrassen zum Durchbruch verholfen werden kann.

Bruno Steiger hält Max Ribi entgegen, das Tempo 30-Anliegen beispielsweise der Gemeinde Allschwil sei nicht allein an den baulichen Massnahmen gescheitert, sondern an der Tatsache, dass mit Tempo 30 das Gefahrenpotential polarisiert werde. Mit der Einführung von Tempo 30 nach dem heutigen Gesetz werden zugleich Fussgängerstreifen, Stoppstrassen und Haifischzähne aufgehoben. Dafür wird wechselseitiges Parkieren empfohlen, so dass die Strassen sehr unübersichtlich werden. Auf Gemeindestrassen geschehen im Vergleich zu den Kantonsstrassen sehr wenig Unfälle.

Jedermann könne bestätigen, dass es täglich zu Unfällen kam, nachdem in Pratteln ohne grosse bauliche Massnahmen Tempo 30-Zonen eingeführt wurden. Diese Erfahrungen zeigen, dass ein Beibehalten von Tempo 50 sinnvoller wäre. Verheerende Unfälle geschehen auch mit Tempo 30, wobei sich die oben erwähnte Aufhebung von Strassenmarkierungen als sehr gefährlich erwiesen hat.

Von den Gemeinden werde verlangt, eine Gemeindepolizei einzuführen, um der Bevölkerung ein gewisses Sicherheitsgefühl vorzugaukeln. Die Ortspolizei wird aber prioritär damit beschäftigt sein, in Tempo 30-Zonen im Hinterhalt zu liegen. Dieses Vorgehen erhöht die Sicherheit nicht, sondern dient allein dazu, VerkehrsteilnehmerInnen "abzuzocken".

Sabine Stöcklin gibt namens der SP-Fraktion bekannt, sie unterstütze Max Ribis Postulat. Nachdem nun während mehrerer Jahre Erfahrungen mit den kantonalen Vorschriften zur Einführung von Tempo 30 gesammelt worden sind, kann festgestellt werden, dass die Einführung von Tempo 30 vielerorts wegen der Auflagen im baulichen Bereich aus finanziellen Gründen scheiterte. Heute gehe es darum, die jetzigen Regelungen differenziert zu betrachten und in gewissen Bereichen zu modifizieren, damit in unserem Kanton vermehrt Tempo 30-Zonen eingerichtet werden.

Ruedi Brassel nimmt zu Heinz Mattmüllers und Bruno Steigers Voten Stellung. Es entspreche einer Tatsache, dass Tempo 30-Zonen wegen der hohen Auflagen in verschiedenen Gemeinden nicht realisiert werden konnten. So scheiterte genau an diesem Punkt eine Einführung von Tempo 30 im ganzen Dorfgebiet von Pratteln. Bruno Steiger sprach ein Gebiet an, in welchem ohne flankierende bauliche Massnahmen ein Versuch durchgeführt wurde. Heute wurden im entsprechenden Gebiet reduzierte bauliche Massnahmen vorgenommen und die seither gemachten Erfahrungen sind ausgesprochen positiv. Dies beweist, dass Max Ribis Postulat genau in die richtige Richtung ziele. Ihn selbst erstaunen Einwände gegen die Erleichterung von baulichen Massnahmen von der gleichen Seite, welche sich jeweils auf Gemeindeebene gegen genau diese Massnahmen ausspricht. Einzelne Personen setzen sich scheinbar generell gegen die Einführung von Tempo 30-Zonen ein.

Regierungsrat Andreas Koellreuter erklärt, der Landrat und die Regierung seien Opfer der eigenen guten Tat geworden. Wie von Ruedi Brassel angetönt, habe der Landrat dem Regierungsrat vor rund zehn Jahren den Auftrag erteilt, Versuche im Zusammenhang mit Tempo 30 durchzuführen. Das Resultat zeigte, dass durch bauliche Massnahmen eine Temporeduktion erzielt werden konnte. Max Ribis Aussage, die Einführung von Tempo 30 in Quartieren sei auch ohne Massnahmen möglich, habe ihn nun etwas verunsichert. Sollte diese Ansicht im Landrat überwiegen, hofft er, das Postulat werde nicht überwiesen.

Begleitende Massnahmen sind notwendig um zu vermeiden, dass die Unfallzahlen steigen. Ein vernünftiger Mittelweg ziele darauf ab, mit einfacheren Massnahmen eine Verbesserung der Verkehrssicherheit zu erreichen. Zu diesen gehören beispielsweise Parkplatzmarkierungen, Fahrbahnbemalungen und gewisse bauliche Massnahmen. Ohne begleitende, regelmässige Geschwindigkeitskontrollen kann das Ziel ebenfalls nicht erreicht werden. Die Gemeinden sollen in Form eines Schreibens darauf hingewiesen werden, dass die Einführung von Tempo 30 auch ohne Luxusvarianten möglich sei.

Marc Joset entgegnet Andreas Koellreuter, ein Brief an die Gemeinden genüge nicht. Laut Bundesbestimmungen sei es nicht möglich, keinerlei Massnahmen durchzuführen. Ebenfalls bestehen Vorschriften, dass die Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkungen kontrolliert werden müsse. Ausnahmebestimmungen erlauben, dass trotzdem Fussgängerstreifen und andere Markierungen angebracht werden. Er verweist auf seine sehr guten Erfahrungen mit der Verkehrsabteilung des Kantons, wenn Sachverhalte gemeinsam mit den zuständigen Stellen in den Gemeinden vor Ort abgeklärt wurden. Jedoch sei der Aufwand für den Kanton zu gross, überall selbst die Situation zu begutachten. Es sollte aber möglich sein, dass Fachpersonen in den Bauverwaltungen gemeinsam mit den kantonalen Stellen gangbare Lösungen finden. Er zeigt sich mit der Stossrichtung des Postulats einverstanden.

://: Der Landrat überweist das Postulat 1999/190 mit wenigen Gegenstimmen.

Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei




Nr. 434

18 1999/219
Motion von Bruno Steiger vom 28. Oktober 1999: Einreichung einer Standesinitiative für die Beibehaltung der einmaligen Anhörung von scheidungswilligen Ehegatten im neuen Scheidungsrecht

Andreas Koellreuter begründet die Ablehnung der Motion durch die Regierung. Bruno Steiger habe sein Anliegen vor nicht allzu langer Zeit bereits im Landrat, aber auch in der vorberatenden Kommission vorgebracht. Unbestrittenerweise verkompliziert sich die fortschrittliche Scheidungspraxis des Kantons Basel-Landschaft durch das neue Scheidungsrecht. Bei Vorliegen einer Konvention konnte die Scheidung bis Ende 1999 aufgrund einer Gerichtsverhandlung ausgesprochen werden. Mit dem seit 1. Januar 2000 gültigen Scheidungsrecht bedarf es zweier Gerichtsverhandlungen.

Das Konzept des Gesetzgebers bezüglich Scheidung auf gemeinsames Begehren präsentiert sich also wie folgt: Anlässlich einer ersten Gerichtsverhandlung sind die Ehegatten getrennt und gemeinsam anzuhören. Bestätigen beide Ehegatten nach einer zweimonatigen Bedenkfrist seit der ersten Anhörung ihren Scheidungswillen und die Vereinbarung, kann die Scheidung in einer zweiten Verhandlung ausgesprochen werden. Das Gericht kann nach der ersten Verhandlung zusätzlich eine zweite Anhörung anordnen, diese ist jedoch nicht obligatorisch. Mit der getrennten Anhörung der Ehegatten soll das Gericht feststellen können, ob ein Ehegatte auf den anderen Druck ausübt oder in unzulässigerweise dessen Wille beeinflusst hat.

Während der zweimonatigen Bedenkfrist können die Ehegatten ihr Scheidungsbegehren zurückziehen, zudem kann jeder Ehegatte seine Zustimmung zur Scheidung oder zur Scheidungsvereinbarung widerrufen. Die Anhörung der Kinder im Scheidungsverfahren ergibt sich aufgrund des UNO-Übereinkommens über die Rechte des Kindes, welches im Februar 1997 von der Schweiz ratifiziert wurde und am 26. März 1997 in Kraft trat.

Das neue Scheidungsrecht wurde nach jahrelangen Diskussionen und intensiven Beratungen im Juni 1998 von den eidgenössischen Räten verabschiedet. Das dagegen ergriffene Referendum kam nicht zustande und der Bundesrat setzte das neue Recht wie bereits erwähnt per 1. Januar 2000 in Kraft. Eine Standesinitiative zur Änderung des heutigen Rechts hätte zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Chance auf Erfolg. Der Kanton Basel-Landschaft besass im Gegensatz zur Mehrheit der Kantone eine liberale Scheidungspraxis. Für das heutige Gesetz mussten sich die eidgenössischen Räte auf einen Mittelweg einigen.

Nach Ansicht des Regierungsrates müssen nun Erfahrungen gesammelt werden, wie sich das neue Scheidungsrecht bewährt, weshalb der kantonale Teil vorerst nur auf Dekretsstufe geregelt wurde. Mit der entsprechenden Erfahrung soll das Verfahren dann auch auf Gesetzesstufe geregelt werden. Der Regierungsrat bittet den Landrat, die Standesinitiative nicht zu überweisen, denn der Kanton könnte dadurch momentan keine Änderung erreichen.

Bruno Steiger ist einverstanden mit der Aussage, es sei wichtig, nun erste Erfahrungen zu sammeln. Jedoch ist der Mehraufwand bei Konventionalscheidungen nach dem neuen Scheidungsrecht offensichtlich. Die zweimalige Anhörung beider Ehegatten kommt einer unnötigen Aufblähung des Justizapparates gleich. Der Landrat ist verpflichtet, unseren Kanton vor derartigen Aufgaben zu verschonen. Bereits bei den Verhandlungen in der Kommission und später auch im Landrat wurde bemängelt, das neue Scheidungsrecht des Bundes bringe für den Kanton Basel-Landschaft keine Verbesserungen. Er bittet daher den Landrat, nicht alles vorbehaltslos zu schlucken, was in Bern beschlossen wird und die Standesinitiative zwecks Beibehaltung der einmaligen Anhörung von scheidungswilligen Ehegatten im neuen Scheidungsrecht zu überweisen.

://: Die Motion 1999/219 wird nicht überwiesen.

Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei



Nr. 435

19 1999/238
Interpellation von Max Ritter vom 11. November 1999: Verhältnisse in den Baselbieter Bezirksgefängnissen, Polizeistützpunkten und Polizeiposten. Antwort des Regierungsrates

Andreas Koellreuter beantwortet die Interpellation wie folgt:

Zu Frage 1:
Es ist anzunehmen, dass der Interpellant sich nach der Unterbringung von Untersuchungsgefangenen, nicht von Strafgefangenen, erkundigt. Strafgefangene werden im Kanton Basel-Landschaft nur ausnahmsweise in Bezirksgefängnissen untergebracht, beispielsweise bei Kurzstrafen. Daneben bestehen weitere Vollzugsformen wie electronic monitoring, gemeinnützige Arbeit und Halbgefangenschaft. Der Grossteil der Strafgefangenen wird in den Konkordatsanstalten untergebracht. Zu diesen gehört auch der Arxhof.

Die Plätze für Untersuchungs- und Ausschaffungshäftlinge sind knapp und die Belegung in den Bezirksgefängnissen in den letzten Jahren liegt trotz Massnahmen zur Verdichtung und Erhöhung des Platzangebots bei über 80%. Bezirksgefängnisse, welche oftmals kurzfristig verfügbar sein müssen (Polizeiaktionen, untersuchungsrichterliche und fremdenpolizeiliche Massnahmen, etc.), müssen über eine ausreichende Zahl an leeren Zellen verfügen. Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion ist in enger Zusammenarbeit mit der Bau- und Umweltschutzdirektion bestrebt, diesem Problem auf zwei Arten Abhilfe zu verschaffen: Einerseits durch ein erhöhtes Platzangebot in Sissach und der Gutsmatte, andererseits durch die kurzfristige Realisierung zusätzlicher Plätze mittels eines Provisoriums im Gefangenenhof des Bezirksgefängnisses Arlesheim. Mittelfristig soll ein weiteres Gefängnis gebaut werden, wobei die BUD bereits in der Planungsphase steckt und den Landrat gelegentlich mit entsprechenden Vorlagen beglücken wird.

Zu Frage 2:
Kollusionsfälle werden auf die verschiedenen Gefängnisse verteilt. Davon ausgenommen ist das Bezirksgefängnis Sissach, da dieses für Ausschaffungsfälle reserviert ist. Durch die geografische Distanz wird die Verdunkelungsgefahr erschwert. Sind allerdings mehr als drei Personen in den gleichen Fall verwickelt, werden die Verhafteten zuerst auf Postenzellen, später wenn möglich auf Gefängnisse anderer Kantone verteilt.

Zu Frage 3:
Am Stichtag des 18. November 1999 waren 16 Personen in anderen Kantonen untergebracht. Der Konkordatsansatz für Gefängnisse beträgt Fr. 143.90 pro Tag.

Zu Frage 4:
Nach drei Tagen muss eine erste Meldung an die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion erfolgen. In Rücksprache mit der Verfahrensleitung wird umgehend nach geeigneten, anderen Unterbringungen gesucht. Eine Verlegung sollte spätestens nach der zweiten Meldung, also nach sieben Tagen, erfolgt sein. Diese Frist hängt von der Verfügbarkeit der Plätze in Nachbarkantonen ab. Dank intensiver und aufwändiger Kontakte kann dies meist gewährleistet werden.

Zu Frage 5:
Am 18. November 1999 präsentierte sich die Situation wie folgt: In den Bezirksgefängnissen waren 56 Insassen auf 79 Plätze zu verzeichnen. Auf Postenzellen war ein Häftling auf 18 zur Verfügung stehenden Plätzen inhaftiert. Ausserkantonal waren, wie bereits erwähnt, 16 Personen untergebracht. Damals wurden relativ viele Banden verhaftet, was eine starke Verteilung der Häftlinge bedingte.
Die Herkunft der Insassen ist sehr breit gefächert: Der grösste Teil entstammt Ost- bzw. Südosteuropa und Nordafrika, neun Personen waren Schweizer, drei stammten aus Staaten der EU. Die den Häftlingen vorgeworfenen Delikte betrafen achtmal Verstösse gegen das ANAG, 22 Fälle von Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz, viermal Delikte gegen Leib und Leben inklusive Sexualdelikte und elf Eigentumsdelikte. Beim Rest handelte es sich um diverse Delikte sowie Strafvollzugs- oder Massnahmenfälle.

Zu Frage 6:
Mit dem neuen Gefangenenbetreuungskonzept (in Kraft seit Oktober 1999) ist die Polizei mit Ausnahme von Kontrollen, Interventionen und Vorfällen in der Nacht nicht mehr mit der Gefangenenbetreuung beschäftigt. Befinden sich die Häftlinge ausnahmsweise auf Postenzellen, werden sie von der Polizei betreut. Als Richtgrösse muss die Postenmannschaft bei einem bis allenfalls drei Insassen täglich rund zwei bis zweieinhalb Stunden für diesen Dienst aufwenden.

Zu Frage 7:
Zur Zeit bestehen die Grundlagen für eine Vollkostenrechnung noch nicht. Der genannte Konkordatssatz von Fr. 143.90 dürfte trotz schlanker Gefangenenbetreuung den effektiven Kosten nicht entsprechen.

Max Ritter zeigt sich von der Antwort befriedigt und verdankt diese.

Walter Jermann schliesst die heutige Sitzung, wünscht aber, dass im Landratsordner die Definitionen einer Motion und eines Postulats studiert werden, damit unnötige Diskussionen zu diesem Thema im Landrat künftig vermieden werden können.

Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei


Die nächste Landratssitzung findet statt am 6. April 2000, 10.00 Uhr

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