LR Protokoll 6. April 2000 (Teil 2)

Protokoll der Landratssitzung vom 6. April 2000



Zur Traktandenliste dieser Sitzung

Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)





Nr. 439

3 2000/001
Berichte des Regierungsrates vom 4. Januar 2000 und der Finanzkommission vom 17. Februar 2000: Personal- und Lohnadministrationssystem / Zusatzkredit

Roland Laube erinnert an die Zustimmung des Landrates zum Kredit von 2,4 Millionen Franken für die Beschaffung und Einführung eines neuen Personal- und Lohnadministrationssystems. In der Zwischenzeit zeigte sich, dass der Betrag aus folgenden zwei Gründen um 700'000 Franken aufgestockt werden muss:

a) Das Projekt erforderte den Beizug externer Experten
b) Gewisse Kosten wurden von den verantwortlichen Stellen unterschätzt.

Da ein Abbruch des Projektes viel teurer als der Zusatzkredit selbst zu stehen käme, bleibt dem Landrat heute an sich nichts anderes übrig, als dem Kreditbegehren zuzustimmen. Dieser unerfreuliche Umstand zeigt laut Roland Laube einmal mehr die große Abhängigkeit von
den EDV-Firmen auf.
Der Vollständigkeit halber weist der Kommissionspräsident darauf hin, dass die gleichzeitige Einführung des Personal- und Lohnadministrationssystems zusammen mit der vorgesehenen Inkraftsetzung der Besoldungsrevision aus technischen Gründen wohl nicht sehr sinnvoll ist und bittet - ohne Begeisterung allerdings - dem Verpflichtungskredit zuzustimmen.

Roland Plattner: Der beantragte Zusatzkredit im Zusammenhang mit der Beschaffung und Einrichtung eines zeitgemässen und sachlich damals wie heute auch völlig unbestrittenen Personal- und Lohnadministrationssystems wird dem Landrat gestützt auf 26 lit. a Abs. 1 des Finanzhaushaltsgesetzes unterbreitet. Es könnte mit Fug darüber diskutiert werden, ob de facto nicht ein Fall von Abs. 2 derselben Gesetzesbestimmung vorliegt. Was heisst das? Der Unterschied liegt darin, dass im einen Fall ein Zusatzkredit vor dem Eingehen weiterer Verpflichtungen einzuholen ist, so wie das heute geschehen soll und wohl auch geschehen wird. Im anderen Fall - dann nämlich, wenn das Einholen des Zusatzkredites vor dem Eingehen weiterer Verpflichtungen mit bedeutenden nachteiligen Folgen für das Projekt verbunden wäre - findet nur eine Unterrichtung des Landrates statt.

Im vorliegenden Fall sind materiell bereits unvorhergesehene und damit nicht budgetierte Massnahmen getroffen und in die Wege geleitet worden, welche - selbst wenn der ursprüngliche Kredit nominell noch nicht überschritten ist - materiell dessen Überschreitung präjudizieren.

Das von der Regierung mit der Vorlage gewählte Vorgehen ist insofern parlamentsfreundlich, als es die Diskussion ermöglicht und nicht nur das unkommentierte Schlucken der "berühmt gewordenen Kröte" erlaubt.

Wir möchten - verbunden mit dem Antrag auf Zustimmung zum Geschäft - die damit verbundene Möglichkeit dazu nutzen, mit Blickrichtung Zukunft konstruktive Kritik zu üben.

Faktum ist: Die uns präsentierte Überschreitung des vor eineinhalb Jahren gesprochenen landrätlichen Kredits von Fr. 2,4 Mio. um Fr. 700'000 oder beinahe 30% ist markant.

Die Optik der Finanzdirektion, wonach sich aus dieser Überschreitung keine besonderen Konsequenzen für die Zukunft ergäben, wird nicht geteilt.

Es ist offenkundig, dass sich die Administrationen - und dies nicht nur im Kanton Basel-Landschaft - mit der masskonformen, zeitgerechten, kostenbewussten und nachhaltigen Abwicklung von komplexen EDV-Projekten schwer tun. So auch im vorliegenden Fall.
Wenn nun das Baselbiet "EDV-technisch gebaut" wäre, könnte ein Ausrutscher wie der vorliegende tatsächlich unter der Rubrik "Vergangenheitsbewältigung" abgespeichert werden. Dem ist aber bekanntlich nicht so, befinden sich doch nicht nur zahlreiche weitere Projekte in der Pipeline, sondern wird die uns prognostizierte Zukunft einen deutlich vermehrten Einsatz elektronischer Hilfsmittel verlangen (Stichworte E-Commerce, Online-Schalter, Internet-Marketing, Data-Warehouse "and so on" (etc.) seien erwähnt.)

Es ist also von nicht zu unterschätzender Bedeutung - auch für unseren Finanzhaushalt - dass wir uns in dieser Materie fit machen und halten, die entsprechende Projektmanagementkompetenz auf- und ausbauen und damit nicht beliebiger Spielball in einem übermächtigen Anbietermarkt werden.

A propos Budgetgenauigkeit

Das kreditgebende Parlament ist heute und in Zukunft auf möglichst realitätsnahe Management-Informationen angewiesen, damit es mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit und verlässlichen Schlüsseldaten - wozu die Kosten nun einmal gehören - die ihm zustehenden Entscheide fällen kann.

Die Budgetgenauigkeit lässt sich - dies ist uns auch bewusst - nicht in jedem Fall mit der selben Präzision definieren. Der Reservetank ist dementsprechend zu dimensionieren. Wie der Baumeister in altem Gemäuer mit einer Abweichung +/- 20% operiert, während er beim Neubau eine Ziellandung nahe +/- 5% anstrebt, muss dies auch bei EDV-Projekten im Sinne einer antizipierten Würdigung der Gesamt-Komplexität, der möglichen Prozessrisiken und Unwägbarkeiten möglich sein. Der Aufbruch ins Ungewisse darf nicht akzeptiert werden.

Diese Überlegungen führen zu folgenden Empfehlungen, welche nach unserer Auffassung von der Exekutive zu bedenken sind:

Einsatz externe Expertise

Der Ersatz von fehlendem Know-How und Know-Why durch externen Sachverstand ist dort, wo sich ein interner Aufbau nicht lohnt, sowie zur Überbrückung von Ressourcen-Engpässen vorzusehen. Und zwar zweckmässigerweise so, dass das Kosten/Nutzen-Verhältnis im Rahmen einer antizipierten Risikobeurteilung am grössten ist.
Dabei gilt: Schadenprävention vor Schadenminimierung.

Kritische Erfolgsfaktoren und Rückfallebenen

Die kritischen Erfolgsfaktoren sind in jedem EDV-Projekt zu identifizieren und im Gesamtrahmen mit den möglichen Konsequenzen zu würdigen. Dabei sind auch Rückfallebenen zu definieren.

Kostendach

Mindestens dort, wo mehrere Anbieter in Frage kommen ist zu prüfen, ob mit Kostendachklauseln operiert werden kann.

Schwachstellenanalyse und Lehren

Es ist zu überlegen, ob nicht ein "Think Tank" der EDV-Projektverantwortlichen (im weiteren Sinn) eingerichtet werden sollte, dies mit dem Auftrag:

1 .erstellt eine Schwachstellenanalyse von wiederkehrenden Mängeln in EDV-Projekten
2. entwickelt, verbreitet und realisiert Abwehrstrategien gegen diese Mängel
3. hält sich bereit, EDV-Projekte einem internen Challenge zu unterziehen

Vielleicht könnte auch die bestehende Fachgruppe Informatik diesen Auftrag erfüllen und bereits mit einer einfachen Checklist der erfolgskritischen Fragen einiges bewirkt werden. Unter Umständen wären bereits vor dem 25.8.98 Anzeichen für die höheren Kosten der Fremddienstleistungen erkennbar gewesen, wie sie auf S. 3 der Zusatzkreditvorlage im Detail vermerkt sind.

Schlussbemerkung

Wir müssen uns in dieser Sache von der Vision (und es ist keine Utopie) leiten lassen: Irgend einmal - hoffentlich möglichst bald - werden wir dieses Dauerbrennerproblem meistern. Denn wegdiskutieren dürfen wir es nicht.

Urs Steiner gesteht ein, dass, wie Roland Laube im Bericht vermerkt, "diese Kröte geschluckt werden muss", doch weist er auch darauf hin, dass die finanziellen Gefahren bei solchen EDV-Projekten immer sehr gross sind.
Es spricht für die gute Beziehung der Finanz- und Kirchendirektion zur Finanzkommission und zum Landrat, dass die Problematik offen kommuniziert wird. Der Finanzdirektor, der nicht mehr lange im Amt ist, hätte die Sache auch sehr einfach laufen und der Nachfolge überlassen können.
Ein Projekt ist entweder straff oder aber mit grosszügig bemessenen Reserven zu budgetieren. Wird straff budgetiert, läuft die Projektleitung Gefahr, einen Nachtragskredit fordern zu müssen, wird grosszügig projektiert, werden die im Projekt enthaltenen Begehrlichkeiten tendenziell umgesetzt.
Der Fraktionssprecher der FDP hofft insgesamt, dass mit der Einführung dieses Projektes und der Besoldungsrevision der zusätzlich geforderte Kredit auch ausreichen wird und beantragt Zustimmung zum Geschäft.

Urs Baumann ist namens der CVP/EVP Fraktion für Zustimmung zum Zusatzkredit, nimmt die Forderung aber nicht gerade mit Begeisterung zur Kenntnis.
Andererseits findet er es sympathischer, knapp zu kalkulieren, statt sich zum voraus ein Polster anzulegen; zudem hätte der Landrat damals wohl auch einen Kredit von 3,1 Millionen geschluckt.

Helen Wegmüller erkennt die Gründe für die Kostenüberschreitung in der ungenügenden Analyse und Evaluationskontrolle des Projektes, weshalb die SVP-Fraktion dem Zusatzkredit nur sehr ungerne zustimmt. Die Informatikkosten steigen seit Jahren an und man müsste endlich dafür schauen, wie die Kosten in den Griff zu bekommen sind.

Heinz Mattmüller ist im Namen der Fraktion der Schweizer Demokraten und mit Urs Baumann der Meinung, dass es besser ist, eine Kreditüberschreitung zu wagen, als von Beginn an ein dickes Polster anzulegen.
Trotzdem sind die Schweizer Demokraten immer wieder erstaunt, welche Unsummen im Sektor EDV für Beratungen und Programmierungen - also für Software und nicht für Hardware - aufgewendet werden müssen. Der Verdacht liegt in der Luft, dass eine gewisse Abhängigkeit der Fachleute mit eine Rolle spielen dürfte. Trotzdem ist die Fraktion der Meinung, dass das Projekt durchgezogen werden muss und stimmt, der Not gehorchend, dem Zusatzkredit zu.

Alfred Zimmermann bemerkt, die Fraktion der Grünen würde einer Anstellung von Experte Roland Plattner begeistert zustimmen. Die Begründungen für die Erhöhung des Kredites von fast einem Drittel liegen in den höheren Aufwendungen von Fremddienstleistungen, für den Beizug externer Experten und in der Tatsache, dass die Komplexität des Sachverhaltes wieder einmal unterschätzt wurde und dass das Projekt viel zu optimistisch beurteilt wurde.
Nach Ansicht der Fraktion der Grünen sind die Kosten im EDV-Bereich zu hoch und man hat sie nicht im Griff. Ärgerlich ist auch die Abhängigkeit von Firmen, hier von IBM, die eine Monopolstellung inne haben, und deshalb verlangen können, was sie wollen. Die Grüne Fraktion wird deshalb nicht einfach symbolisch zustimmen, sondern sich der Stimme enthalten.

RR Hans Fünfschilling gibt die von Alfred Zimmermann angesprochene Abhängigkeit von der Informatik zu. Ohne Informatik ist ein moderner Verwaltungsarbeitsplatz nicht mehr denkbar, alle Abläufe beruhen auf EDV-Systemen.
Im Vergleich zum Bau ist die Abhängigkeit in der Informatik viel grösser, weil mehrere konkurrenzfähige Baumeister auf dem Markt auftreten; für ein komplexes Informatikprojekt melden sich dagegen allenfalls noch zwei Anbieter. Das neue Submissionsgesetz (Gesetz über öffentliche Beschaffungen) wird zudem dafür sorgen, dass die Beschaffungen im Dienstleistungsbereich in Zukunft garantiert teurer werden, weil das neue Gesetz verbietet, den Auftrag jenem Anbieter zu geben, mit dem man das Vorprojekt bearbeitet hat.
Nur mit sehr grossem Aufwand ist zudem eine annähernde, mit dem Bau aber keinesfalls zu vergleichende Schätzgenauigkeit zu erreichen.
Zum Problem der gleichzeitigen Einführung der Besoldungsrevision und des Personal- und Lohnadministrationssystems hält der Regierungsrat fest, das Problem des Systemwechsels liege im Umstand, dass zwischen dem Verwaltungspersonal (Wechsel auf 1.1.2001) und der Lehrerschaft (Wechsel auf Schuljahresbeginn) unterschieden werden muss. Grundsätzlich gilt aber, dass die Besoldungsrevision, die immerhin 10'000 MitarbeiterInnen betrifft, vor der Einführung des Personal- und Lohnadministrationssystems Priorität geniessen soll.


://: Der Landrat stimmt dem Landratsbeschluss 2000/001 mit wenigen Enthaltungen zu.

Landratsbeschluss
betreffend Bewilligung eines Zusatzkredits zum Verpflichtungskredit Nr. 150/1998 für die Einführung einer neuen Software für die Personal- und Lohnadministration


Vom 6. April 2000

Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft beschliesst:

1. Für die Fertigstellung des Projekts "Software für die Personal- und Lohnadministration" wird ein zusätzlicher Kredit von 700'000 Franken zu Lasten des Kontos 2100.318.81 gesprochen.
2. Ziffer 1 untersteht gemäss § 31 Absatz 1 Buchstabe b der Kantonsverfassung dem fakultativen Finanzreferendum.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei




Nr. 440

4 2000/018
Berichte des Regierungsrates vom 18. Januar 2000 und der Finanzkommission vom 17. Februar 2000: Postulat Peter Brunner i. S. BGV-Versicherungsangebot "Hausratsversicherung" (1998/028). Abschreibung

Roland Laube erinnert, dass mit dem Postulat Brunner die Regierung beauftragt wurde zu prüfen, ob die Gebäudeversicherung zusätzlich nicht auch im Bereich der Hausratsversicherung tätig werden sollte.
Die Regierung beantragt, auf eine Ausweitung des Angebotes zu verzichten und das Postulat als erledigt abzuschreiben, ein Vorschlag, dem sich die Kommission anschliesst. Argumentiert wurde, eine Ausweitung des Angebotes käme einem finanziellen Abenteuer gleich. Sicherlich kämen vorerst große Kosten auf die Gebäudeversicherung zu, die eine neue Aussendienstorganisation eröffnen müsste. Ob diesem Aufwand auch ein entsprechender Nutzen gegenüber stehen könnte, erscheint in höchstem Masse fraglich. Bereits heute funktioniert der Markt im Bereich Hausratsversicherung sehr gut, ein weiterer Anbieter hätte es in diesem Umfeld schwer. Die Finanzkommission beantragt deshalb, die Gebäudeversicherung in ihrem Kerngeschäft zu belassen und gemäss Regierungsantrag zu beschliessen.

Roland Plattner erklärt, dass die SP-Fraktion geschlossen für die Abschreibung des Postulates eintritt.

Das Postulat aus den Reihen der SD ist insofern lobenswert, als es vorwärtsorientiert und in seiner Art konstruktiv ist. Es verlangt von einem Träger öffentlicher Aufgaben in der strategischen Dimension eine Standortüberprüfung und einen Entscheid über seine künftige Ausrichtung.
Dies ist allerdings für das Management einer Anstalt wie die kantonale Gebäudeversicherung sowieso eine ständige Aufgabe. Diese Aufgabe wird im übrigen gestützt auf die ausführlichen und äusserst aufschlussreichen Hinweise des zuständigen Regierungsrates, Regierungspräsident Fünfschilling im Kreise der Finanzkommission, auch mit dem nötigen Einsatz wahrgenommen. Insofern ist das Postulat auch wieder als tendenziell überflüssig zu bezeichnen.

Verfassungsmässigkeit

Es stellt sich abgesehen davon die Frage, ob die im Postulat beabsichtigte Erweiterung der Angebotspalette der BGV - neben den vom Postulanten aufgeführten Kriterien der Wünschbarkeit und Wirtschaftlichkeit auch einem weiteren wichtigen Kriterium Stand zu halten vermöchte - der Verfassungsmässigkeit. Das Postulat hat eine verfassungsrechtliche Dimension.

Mit einer einfachen Gesetzesänderung wäre die Absicht der Angebotserweiterung möglicherweise nicht in rechtlich genügender Weise umzusetzen. Mindestens eine Ritzung der Kantonsverfassung würde damit in Kauf genommen.

Wir denken dabei an folgendes Mittel- und Ziel-Konfliktpotential:

§ 121 KV umschreibt die Ziele der kantonalen Wirtschafts-politik, welche der Förderung einer ausgewogenen Entwicklung der Volkswirtschaft gewidmet ist. Der Kanton ist gehalten, seine eigenen volkswirtschaftlich bedeutsamen Tätigkeiten auf diese Ziele auszurichten. Daraus folgt: Er hat all das zu unterlassen, was der volkswirtschaftlich ausgewogenen Entwicklung zuwiderläuft und bei seinen eigenen Aktivitäten auf die Ziele der Volkswirtschaft gebührend Rücksicht zu nehmen.


Mit einem Eindringen - um nicht zu sagen Einbrechen - in den (arg umkämpften und nach einem Wegfall des heutigen Obligatoriums schrumpungsgefährdeten) Hausratsversicherungsmarkt wird dieses Verfassungsgebot negiert.

Zudem: § 128 KV sieht unter dem Titel "Versicherungswesen" explizit vor, dass Gebäude, Land und Kulturen gegen Schäden in dem vom Gesetz bestimmten Rahmen bei einer Anstalt des Kantons - der BGV - zu versichern sind.
Dem Kanton obliegt es, durch Gesetz weitere Sachversicherungen - so die de facto umstrittene - Hausratsversicherung obligatorisch zu erklären.

Diese Verfassungsbestimmung kann dahin interpretiert werden, dass hoheitliche Aufgabe der kantonalen Anstalt die Schadenversicherung von Gebäude, Land und Kulturen bildet, nicht aber weitergehend der ganze Komplex des Hausrates. Eine dementsprechende verfassungsrechtliche Ermächtigung scheint zu fehlen.

M.a.W. liegt eine zweistufige Verfassungs-Inkompatibilität des Postulats vor.

(Das geltende Sachversicherungsgesetz aus dem Jahre 1981 respektiert die geltenden konstitutionellen Rahmenbedingungen bzw. hat diesen Pate gestanden, indem es in §§ 9 und 25 die exklusive Versicherungspflicht für Gebäude und Liegenschaften bei der BGV zwingend vorschreibt und in § 52 die - ebenfalls noch obligatorische - Fahrhabeversicherung konzessionierten privaten Gesellschaften überlässt.)

Nun heisst dies alles noch nicht, dass im Falle der Sinnhaftigkeit einer um das Sachversicherungsgeschäft erweiterten Wettbewerbsbeteiligung durch die BGV eine Änderung der Verfassung Tabu wäre. Allerdings ist hier gut abzuwägen, um welchen Preis unsere bewährte Wirtschaftsverfassung aus den Angeln gehoben werden sollte? Und bei näherer Betrachtung zeigt sich: Der Preis wäre zu hoch.

Ich bin aufgrund der Diskussion in der Finanzkommission überzeugt, dass sich zu diesem Aspekt die nachfolgenden RednerInnen noch zur Genüge äussern werden, so dass ich darauf im Sinne der Ökonomie der Kräfte verzichten kann.


Stichwortartig sei nur darauf hingewiesen, dass es (uns mit) der BGV darum gehen muss:
- positiv ausgedrückt, das Kerngeschäft durch konsequente Umsetzung der laufend aktualisierten strategischen Erfolgspositionen zu halten.
- Negativ ausgedrückt, keine unproduktiven Verpuffungen von Ressourcen am falschen Objekt zu betreiben.

Urs Steiner bezweifelt die gute Absicht hinter dem Postulat von Peter Brunner nicht. Allerdings zeugt der Hinweis im Postulat, mit jedem Konkurrenten weniger steigt die Wahrscheinlichkeit, dass durch Macht- und Angebotsmonopole die Konkurrenzfähigkeit und freie Marktwirtschaft beeinträchtigt wird , nicht von besonderer Kenntnis des Versicherungswesens. Tatsächlich herrscht nämlich ein heftiger Verdrängungskampf, die Deregulierung ist voll im Gange. Die veröffentlichten Bilanzen zeigen für beinahe alle Versicherungen Prämienrückgänge im "Nicht-Leben" - Bereich. Würde die Gebäudeversicherung in dieses Geschäft einsteigen, ginge sie ein grosses finanzielles Abenteuer ein.
Die FDP-Fraktion warnt vor solchen Schritten und beantragt, das Postulat abzuschreiben.

Urs Baumann weiss, dass im Bereich der Gebäudeversicherung Liberalisierungsbestrebungen im Gange sind und damit ein gewisser Druck spürbar wird. Allerdings möchte er die Gebäudeversicherung nicht im Hausratsbereich aktiv sehen, weil sie vom staatlichen Schutz profitiert und sich tariflich deshalb besser positionieren könnte als die Privatassekuranz. Insbesondere unterstützt Urs Baumann auch die Ansicht, dass der Aufwand für den Aufbau einer Aussendienstorganisation sehr hoch wäre.

Hildy Graf erinnert daran, dass das Postulat von Peter Brunner am 14. Mai 1998 überwiesen und damit der Gebäudeversicherung grünes Licht für eine Evaluation im Segment Hausratsversicherung erteilt wurde.
Da, wie gehört, offenbar der Markt spielt, ist ihres Erachtens nicht einzusehen, warum nun eine halbstaatliche Organisation wie die Gebäudeversicherung in diesem Segment auch noch mitmischen soll.
Die SVP -Fraktion schliesst sich der Kommissionsmeinung an und will das Postulat als erledigt abschreiben.

RR Hans Fünfschilling ergänzt, dass der Kanton schon heute auf dem freien Markt eine ausgewiesen nicht quersubventionierte Wasserschadenversicherung unterhält und damit innerhalb des Kantons Marktleader geworden ist.

://: Der Landrat beschliesst, das Postulat 2000/028 von Peter Brunner als erledigt abzuschreiben.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei


Nr. 441

5 1999/241
Berichte des Regierungsrates vom 23. November 1999 und der Justiz- und Polizeikommission vom 6. März 2000: Teilrevision des Notariatsgesetzes vom 18. September 1997. 1. Lesung

Dieter Völlmin ruft in Erinnerung, dass die Übergangsbestimmungen des Notariatsgesetzes vom 18. September 1997 vor Bundesgericht angefochten wurden. Diese lauteten, dass der Eintrittsgeneration der basellandschaftlichen Advokatinnen und Advokaten ein prüfungs- und praktikumsfreier Erwerb des Notariatspatentes unter bestimmten Bedingungen hätte ermöglicht werden sollen. Nachdem das Bundesgericht diese Bestimmung aufgehoben hatte, war der Gesetzgeber aufgefordert, neue Übergangsbestimmungen zu verfassen.
Die bundesgerichtlichen Vorgaben sehen den prüfungsfreien Erwerb des Notariatspatentes unter Beachtung der verfassungsmässigen Grundsätze nicht vor, hingegen könnte der Verzicht auf ein Praktikum unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein.
In der Kommission war das Geschäft weitgehend unbestritten, der vorliegende Antrag wurde mit 12 Stimmen gegen 1 Stimme gutgeheissen. Ursprünglich hiess es, vom Notariatspraktikums sollte befreit werden, wer mindestens 5 Jahre Advokaturpraxis nachweisen kann. Die Kommission ersetzte dagegen den Nachweis der Advokaturpraxis durch die juristische Berufserfahrung.
Bruno Steiger beantragt zudem, dass nicht mehr auf die basellandschaftliche Advokaturprüfung abgestellt werden soll, sondern generell Personen mit ausgewiesenen Notariatskenntnissen zugelassen werden sollen. Dieser, ähnlich bereits in der Kommission gestellte Antrag wurde abgewiesen.

Christoph Rudin tritt namens der SP-Fraktion für die Änderung gemäss Kommissionsfassung ein.

Sabine Pegoraro schliesst sich im Namen der FDP-Fraktion dem Antrag der Kommission an. Innerhalb der engen vom Bundesgericht gesetzten Schranken erscheint der Vorschlag der Kommission als die bestmögliche Lösung. Den allzu unklaren Änderungsvorschlag von Bruno Steiger lehnt die FDP ab.

Elisabeth Schneider spricht sich im Namen der CVP/EVP-Fraktion für den Kommissionsantrag aus und bittet den bereits ausgiebig in der Kommission diskutierten Antrag von Bruno Steiger abzulehnen.

Fredy Gerber stimmt namens der SVP-Fraktion den vorliegenden Änderungen zu, weil damit notwendig gewordene Anpassungen des Notariatsgesetzes vorgenommen werden.

Bruno Steiger fällt auf, dass sich - mit einer Ausnahme - nur Juristen zu diesem Geschäft gemeldet haben. Offenbar herrsche die Angst, dass die Abwicklung privater Notariatsgeschäfte künftig auch von Nichtjuristen getätigt werden könnte.
Schon in der Landratsdebatte zur Einführung des kleinen Notariates setzten sich die Schweizer Demokraten gegen die in den Übergangsbestimmungen enthaltenen Sonderprivilegierungen betreffend die erleichterte Erlangung einer Notariatsbewilligung für Baselbieter Advokatinnen und Advokaten ein, leider ohne Erfolg.
So sind die Schweizer Demokraten im Nachhinein nicht unglücklich, dass das Bundesgericht aufgrund einer staatsrechtlichen Beschwerde die in § 32 Abs. 1 und 2 enthaltenen Übergangsbestimmungen aufgehoben hat. Mit der nun von der Kommission gewählten Version hat die Fraktion der Schweizer Demokraten Mühe, weil die Neuformulierung nicht uneigennützig ist und § 32 aufgeweicht wird, indem sämtliche Personen mit juristischer Ausbildung, auch solche ohne notarielle Kenntnisse automatisch vom Nachweis eines Notariatspraktikums befreit sind. Von daher besteht nach Ansicht von Bruno Steiger nach wie vor eine ungerechtfertigte Privilegierung des Juristenstandes gegenüber andern Berufsgruppen mit Kenntnissen im Notariatswesen. Die Schweizer Demokraten werden noch einen Antrag stellen und die Kommissionsfassung in jedem Fall ablehnen.

Esther Maag war ursprünglich nicht ganz glücklich über das Notariatsgesetz. Nun aber, da der Spielraum durch das Bundesgerichtsurteil sehr eingeschränkt wurde, kann sich die Fraktion der Grünen mit dem Kommissionsantrag einverstanden erklären.

Max Ribi schickt voraus, dass er die Neuformulierung bezüglich des Praktikums als vernünftig erachtet. Zweifel beschleichen ihn allerdings, ob die gewählte Lösung dem Bundesgerichtsurteil wirklich gerecht wird. Nach seiner Auslegung fordert das Bundesgerichtsurteil das Absolvieren eines Praktikums, weshalb er bittet, die Frage bis zur zweiten Lesung abzuklären.

RR Andreas Koellreuter dankt für die allgemein gute Aufnahme und gibt seiner Befriedigung Ausdruck, bald wieder bei den ehemals vom Regierungsrat abgegebenen Empfehlungen angelangt zu sein. Schon immer wollte die Regierung eine Notariatsprüfung einführen und nimmt nun das Bundesgerichtsurteil durchaus mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis. Nicht mit hundertprozentiger Sicherheit kann der Justizdirektor den Erfolg einer möglichen Beschwerde gegen die festgeschriebenen fünf Jahre juristischer Berufserfahrung beurteilen. Trotzdem glaubt er, mit der getroffenen Lösung auf den richtigen Weg eingeschwenkt zu haben.

Bruno Steiger schliesst die Debatte mit dem Hinweis ab, dass er die regierungsrätliche Fassung dann halt schlucke, wenn es nicht anderes gehen sollte. Trotzdem verurteilt er das Ausschliessen von ganzen Berufsgruppen und bittet, den SD-Antrag zu unterstützen, um dadurch in Zukunft nicht weiter mit Beschwerden rechnen zu müssen.

Antrag Bruno Steiger zu § 32 Absatz 1

Personen mit ausgewiesenen Notariatskenntnissen sind vom Nachweis des Notariatspraktikums befreit, wenn sie die Notariatsprüfung spätestens 5 Jahre nach Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung ablegen.

://: Der Landrat lehnt den Antrag von Bruno Steiger ab.

In der Detailberatung werden keine Änderungen vorgenommen.

Damit ist die 1. Lesung abgeschlossen.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei

Fortsetzung des Protokolls vom 6. April 2000


Back to Top