LR Protokoll 10. Februar 2000 (Teil 2)

Protokoll der Landratssitzung vom 10. Februar 2000



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Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)





Nr. 338

6 1999/110
Motion von Maya Graf vom 20. Mai 1999: Gesetzliche Verankerung des Rechts auf Einbürgerung

7 1999/136
Motion der SP-Fraktion vom 24. Juni 1999: Einführung eines rechtsstaatlichen Einbürgerungsverfahrens

Walter Jermann lässt die Traktanden 6 und 7 zusammen beraten.

RR Andreas Koellreuter bespricht einleitend ein paar generelle Aspekte des Einbürgerungsverfahrens.
Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass das Einbürgerungsverfahren für ausländische Staatsangehörige neu organisiert werden muss. Die Situation zeigt sich heute sowohl wegen der sehr langen Dauer als auch für die involvierten Behörden als unbefriedigend. Gemeinsam mit der Petitionskommission hat der Regierungsrat ein zwei- stufiges Vorgehen geplant: In einem ersten Schritt geht es mittels einer Teilrevision des Bürgerrechtsgesetzes um Vereinfachungen des Verfahrens. Es wird angestrebt, statt mit 13 Verfahrensschritten mit deren 8 auszukommen.
Als zweiten Schritt hat der Regierungsrat die erleichterte Einbürgerung der Zweit- und Drittgeneration geplant. In der Justiz- und Polizeikommission soll die Thematik diskutiert werden, auch wenn die diesbezüglichen Schritte des Bundes noch in weiter Ferne liegen.
Das weitere Vorgehen wird davon abhängen, welche Vorstösse der Landrat überweisen wird, insbesondere bittet der Justizdirektor die SP-Motion, welche aus Anlass der 500-jährigen Zugehörigkeit des Kantons zur Eidgenossenschaft eine Einbürgerungsaktion fordert, aus Gründen der zeitlichen Realisierbarkeit nicht zu überweisen.
Zu den Vorstössen 1999/110 und 1999/136 generell: Gemäss geltendem Bürgerrechtsgesetz vom 21. 1. 1993 ist die Einbürgerung nicht durch unverhältnismässige Auflagen erschwert. Das Gesetz schreibt den Gemeinden vor, für die Erteilung des Bürgerrechts nicht mehr als maximal 5 Jahre Wohnsitz in der Gemeinde zu verlangen. Die Gebühr für Unmündige, die selbständig eingebürgert werden, darf maximal 500 Franken und die Gebühr für Mündige und Ehegatten, die gemeinsam eingebürgert werden, darf maximal ein Zwölftel des steuerbaren Jahreseinkommens betragen. Richtig ist, dass die Einbürgerung dadurch erschwert sein kann, dass die Bürgergemeindeversammlung die Einbürgerung bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen verweigern darf. Dieses Recht ist als Folge der vom Gesetzgeber aufgestellten Zuständigkeitsordnung zu sehen. Gemäss dieser Ordnung ist der Entscheid über die Einbürgerung nicht einer Verwaltungs-, sondern einer politischen Behörde zu übertragen. Wenn ein Einbürgerungsanspruch verankert werden sollte, was, gestützt auf die Kantonsverfassung, an sich möglich wäre, so müsste die Kompetenz zur Erteilung des Gemeindebürgerrechtes der Bürgergemeindeversammlung weggenommen und einer anderen Behörde übertragen werden. In der Folge würden die Bürgergemeinden ihre Existenzberechtigung verlieren. Gleichzeitig müsste aber auch die Kompetenz des Landrates zur Erteilung des Kantonsbürgerrechtes in Frage gestellt werden, denn auch der Landrat ist eine politische Instanz, welche die Einbürgerung bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen verweigern kann.
Im Rahmen der derzeit laufenden Revision des Bürgerrechtsgesetzes, die eine Straffung des Einbürgerungsverfahrens zum Ziel hat, ist auch über die Frage der Einbürgerungskompetenz des Landrates diskutiert worden. Dabei kamen die Petitionskommissionsmitglieder mehrheitlich zum Schluss, dass der Landrat weiterhin für die Erteilung des Kantonsbürgerrechtes zuständig sein soll. Die Verankerung eines Einbürgerungsanspruchs für ausländische Staatsangehörige macht folglich nur Sinn, wenn die politischen Instanzen bereit sind, die Einbürgerung nicht mehr auf einen politischen, sondern auf einen Verwaltungsakt zugeschnitten zu sehen. Gleichzeitig würde dies auch den Anspruch auf Justiziabilität festlegen, was bedeutet, dass letztlich das Verwaltungsgericht entscheiden würde und das Einbürgerungsrecht den politischen Instanzen somit entzogen wäre.
Insgesamt ist der Justizdirektor der Ansicht, dass die Zeit für die Erfüllung der Forderungen der SP-Motion und der Motion Maya Graf nicht reif ist. In einer Volksabstimmung würden wohl beide Vorstösse chancenlos bachab geschickt. Persönlich ist der Justizdirektor ein Anhänger der kleinen Schritte. Zuerst sollen das Einbürgerungsverfahren vereinfacht, danach die Probleme für die Zweit- und Drittgeneration gelöst werden und vielleicht wird in 20 oder 25 Jahren die Zeit für für die Realisierung der beiden Motionen gekommen sein.

Maya Graf ist es als Vertreterin der Grüne Fraktion ein Anliegen, auf Denkmuster hinzuweisen, die in Zukunft geändert werden sollten.
Die Fraktion der Grünen anerkennt die vielen guten demokratischen Strukturen der Schweiz, allerdings erachtet sie das Einbürgerungswesen als sehr undemokratisch, ja sogar als demokratisch nicht legitimiert. So entscheidet im Kanton Basel-Landschaft die Bürgergemeindeversammlung über Einbürgerungen, ohne dass danach eine Beschwerde gegen den Entscheid geführt werden kann. Bürgerinnen und Bürger, jener ganz kleine Teil vom Bewohnerinnen und Bewohnern eines Dorfes, der ein Leben lang nicht an einen anderen Ort zieht, entscheidet über diese menschlichen Fragen von grossen Tragweite.
Vergleicht man die Einbürgerungspraxis der Schweiz mit Europa, so kommt man zur Erkenntnis, dass das schweizerische Verfahren das teuerste, das langwierigste und das hindernisreichste in ganz Europa ist. Durchschnittlich dauert eine Einbürgerung in der Schweiz 12 Jahre, in Europa 8 Jahre. In der Schweiz ist die Zustimmung von Bund, Kanton und Gemeinde gefordert.
Man weiss, dass der Entscheid in der Bürgergemeinde auch rassistisch motiviert sein kann oder die Einbürgerung ohne Begründung und ohne Rekursmöglichkeit abgelehnt werden kann, ein Verfahren, wie es ansonsten in keinem Rechtsstaat möglich ist.
Das hürdenreiche Verfahren begründet die Tatsache, dass in der Schweiz sehr wenige Einbürgerungen erfolgen. 1995 registrierte die Schweiz 16'000 Einbürgerungen.
Zum Vorstoss: In der Kantonsverfassung steht der Satz: Das Gesetz kann im Rahmen des Bundesrechtes einen Anspruch auf Einbürgerung einräumen. Offensichtlich haben die Schöpfer dieses Satzes sehr wohl gespürt, dass man sich über das Einbürgerungswesen Gedanken machen sollte. Heute, anlässlich der zweiten Bürgerrechtsrevision, sollte die Chance zu einem grossen Schritt genutzt werden, statt beim Beschleunigen des Verfahrens stecken zu bleiben. Die Fraktion der Grünen findet es an der Zeit herauszufinden, wie ein entsprechendes Recht verankert und wie die Bedingungen festgelegt werden könnten.
Zum regierungsrätlichen Hinweis auf den Zeitdruck hält Maya Graf fest, der Vorstoss sei sehr rechtzeitig schon im Mai 99 eingereicht worden, die Zeit hätte gut gereicht, um die Ideen der Grünen Fraktion in die Revision einzubringen.
Abschliessend unterstützt Maya Graf die in die gleiche Richtung zielende Motion der SP, macht beliebt, sich mit der wichtigen Frage der Einbürgerung zu beschäftigen und hofft, dass die Einbürgerungsfrage nicht zum Spielball politischer Interessen benützt wird.

Christoph Rudin weist darauf hin, dass die Einbürgerungspraxis nicht erst seit dem Film "Schweizermacher" von Rolf Lissy ein Thema ist, doch gewinnt er den Eindruck, damals habe man über das Thema noch unverkrampfter diskutiert.
In den letzten Jahren musste sich der Landrat immer wieder mit Vorstössen befassen, die Misstrauen schufen und die Stimmung anheizten. Im Landrat schlug sich diese Stimmung bereits als grosse Mutlosigkeit nieder.
Die Anläufe der Justiz, das Bürgerrecht zu revidieren, erachtet Christoph Rudin zwar als gut, doch wünschte er sich auch noch einen weitergehenden Schritt. Das Thema Migration müsste über die Einzelfälle der Schweizer Demokraten hinaus angegangen werden.
Die Verwirklichung, der Weg, die Voraussetzungen für die Verleihung des Schweizer Bürgerrechts werden noch immer vom Bund vorgegeben. Trotzdem ist dem Kanton ein recht grosser Spielraum gewährt. Grundsätzlich müsste man sich nach Ansicht von Christoph Rudin auch überlegen, wie attraktiv es denn noch ist, das Qualitätssiegel Schweizer Bürger zu erwerben, ob man nicht dankbar sein sollte, dass es Menschen gibt, die sich mit unserem Land identifizieren wollen.
An sich geht es immer wieder um dieselben Fragen, um Integration oder Ausgrenzung, um Gleichstellung, um Tolerierung oder Förderung von rechtlichen und demokratischen Ungleichheiten und letztlich auch um die Beibehaltung von willkürlichen Institutionen, was eines Rechtsstaates unwürdig ist. Als Politikerinnen und Politiker müssten die Landrätinnen und Landräte die Integration von Migrantinnen und Migranten sicher stellen. Einbürgerung ist ein Mittel, hier in der Gesellschaft lebende Menschen einzubinden, Identität und Zugehörigkeit zu schaffen.
Das Stimm- und Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer hat sich beispielsweise in den Kantonen Jura und Neuenburg sehr bewährt und sehr zu begrüssen ist auch die Umsetzung der erleichterten Einbürgerung für die Jungen im Kanton Basel-Landschaft. Sehr wichtig ist die Beseitigung der Verfahrenshindernisse und auch die rechtsstaatliche Forderung, die Einbürgerungswillligen nicht mehr der Willkür auszusetzen.
Die Einbürgerung darf kein Gnadenrecht für Menschen sein, deren Rasse und Herkunft Schweizerinnen und Schweizern genehm ist. Die Geschichte des Kantons Basel-Landschaft ist geprägt durch eine offene und tolerante Art gegenüber Migrantinnen und Migranten. Diese Haltung bittet Christoph Rudin beizubehalten und in diesem Sinne den Vorstössen zuzustimmen.

Walter Jermann begrüsst Nationalrat Rudolf Imhof auf der Tribüne. Der Landratspräsident ist erfreut, dass sich Bundesparlamentarier auch für das Geschehen im Kantonsparlament interessieren.

Hans Ulrich Jourdan , der nur zur Motion von Maya Graf Stellung beziehen will, schickt seine Hochachtung gegenüber dem Engagement von Maya Graf zum Thema Migration voraus und fügt an, dass er sich trotzdem erlaubt, nicht immer gleicher Meinung zu sein.
In der Motion von Maya Graf ist die Rede von aktiver und erfolgreicher Integrationspolitik und dass 1997 von den 29'900 niedergelassenen Ausländerinnen und Ausländern nur 1,8 % eingebürgert wurden.
In seiner beruflichen Tätigkeit hatte Hans Ulrich Jourdan immer wieder mit Ausländern zu tun, mit stolzen Ausländern und mit solchen, die sich fragten, warum sie ihren Pass abgeben und auf das EU-Bürgerrecht verzichten sollten, nur um den Schweizer Pass zu erhalten. Man sollte jemanden nicht zu Tode umarmen wollen und meinen, es gäbe auf dieser Welt nur das Schweizer Bürgerrecht.
Weiter zitiert Hans Ulrich Jourdan aus der Motion von Maya Graf: .... vollständig abhängig vom Entscheid der Bürgergemeinde ihrer Wohngemeinde.
In dieser Abhängigkeit befinde sich doch jede Bürgerin und jeder Bürger, die Einwohner- und die Bürgergemeinde bestimmten. Es gelte nicht das Diktat jener, die integriert werden wollten, zu Ungunsten der übrigen. Die Rechtsunsicherheit sei somit für die Integrationswilligen nicht grösser als für alle anderen auch.
Den in der Motion gestellten Auftrag an den Regierungsrat, gemäss Kantonsverfassung § 19 den Anspruch auf Einbürgerung in die Revision des neuen Bürgerrechtsgesetzes aufzunehmen, erachtet Hans Ulrich Jourdan zum Teil als erfüllt. In Muttenz, eine der bockigsten Gemeinden in Sachen Einbürgerungen, wurde diesem Anspruch seit Jahren nachgelebt.
Bei den Ausländern sei dieses Vorgehen wegen des Bundesrechtes nicht möglich, der Landrat habe nicht Bundespolitik zu betreiben und die Motion sei deshalb abzulehnen.

Elisabeth Schneider erklärt, die CVP/EVP-Fraktion sei sich bewusst, dass es sich beim Vorstoss von Maya Graf und den weiter noch folgenden um eine legitime Gegenbewegung zu teilweise sehr fragwürdigen Einbürgerungspraktiken in gewissen Gemeinden handelt und unterstützt grundsätzlich ein faires Einbürgerungsverfahren. Die laufende Revision des Einbürgerungsgesetzes sehe eine wichtige Straffung der Verfahren vor. Der Einbezug eines Anspruches auf Einbürgerung erachtet die Fraktionssprecherin als äusserst brisant. Das nun geschnürte Paket mit dieser Brisanz zu beladen, dient nach Ansicht der CVP/EVP der Sache nicht, weshalb die Motion abgelehnt werden soll.
Die CVP/EVP-Fraktion ist sich bewusst, dass eine Volksabstimmung über die Einbürgerung für rassistische Diskriminierungen Tür und Tor öffnen würde. Die Einführung einer Beschwerdemöglichkeit gegen negative Entscheide würde die Willkürentscheidungen massiv einschränken. Auch der Bundesrat hat das Problem erkannt und eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt, sich mit der vorliegenden Problematik zu befassen und Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Die Arbeitsgruppe hat bis Ende Jahr einen entsprechenden Bericht vorzulegen, der die Grundlage für eine Bürgerrechtsrevision bilden soll.
Die Forderungen der SP-Fraktion erachtet die CVP/EVP-Fraktion als legitim, doch müssten sie unbedingt auf Bundesebene angegangen werden, weshalb auch dieser Vorstoss abzulehnen sei.

Roland Bächtold schliesst sich dem Zitat von Regierungsrat Koellreuter an: Die Zeit ist nicht reif für die eingebrachten Forderungen. Spreche man mit der Bevölkerung, so werde diese Feststellung immer wieder bestätigt.
Nach Ansicht von Roland Bächtold ist man, was man ist: Ist man als Schweizer geboren, so ist man Schweizer, ist man als Franzose geboren, so ist man Franzose, und die andern sind Italiener. Seit Jahrzehnten fühlten sich Italiener und Spanier in der Schweiz mit Niederlassungsbewilligung C wohl.
Heute, da so viele Leute aus dem Balkan in der Schweiz lebten, mache man einen grossen Wirbel um die Einbürgerungen. Wer hier lebe, werde vielleicht durch das Erlernen der Sprache auch Schweizer, aber alle, die man quasi mit Gewalt einbürgere, würden nie Schweizer, sie blieben immer, was sie sind.
Eigentlich müsste zuerst der Landrat gefragt werden, ob jemand eingebürgert werden soll oder nicht und erst danach die Gemeinde.
Die Schweizer Demokraten lehnen sämtliche Vorstösse ab.

Heinz Mattmüller geht auf die Motion von Maya Graf ein, die sich auf die Kantonsverfassung stützt und erinnert, dass die Verfassung damals in der Volksabstimmung nur äusserst knapp durch ging und sehr umstritten war. Persönlich hat Heinz Mattmüller gar kein Vertrauen in diese Verfassung und bedauert noch heute, dass nicht mehr Leute abstimmen gingen.
Seines Erachtens scheitert der Gedanke, im Rahmen der eidgenössischen Gesetzgebung einen Anspruch auf Einbürgerung gesetzlich zu verankern, am Widerspruch in sich selber. Das eidgenössische Gesetz über den Erwerb des schweizerischen Bürgerrechts setzt voraus, dass der Bewerber persönlich geeignet sein muss. Nur wenn das Erfordernis der Assimilation erfüllt ist, kommt eine Einbürgerung überhaupt in Frage. Immer wird eine Einbürgerung an Bedingungen geknüpft sein, alles andere sind reine Wunschgedanken.
Die Schweizer Demokraten lehnen aus den genannten Gründen die Überweisung des Vorstosses als unrealistisch ab.
Zum Vorstoss der Sozialdemokraten hegen die Schweizer Demokraten zwar ein gewisses Verständnis, weil es zugegebenermassen für einen Bewerber nicht sehr angenehm sein muss, wenn er von der momentanen Stimmungslage einer Bürgergemeindeversammlung abhängig ist, doch gibt es andererseits auch immer wieder Bürgergemeinden, die Personen einbürgern, die sie gar nicht kennen, nur um ein paar tausend Franken einstreichen zu können. Allerdings gehen die Überlegungen und Forderungen der SP nicht auf den Umstand ein, dass es Ausländer und Ausländer gibt, es fehlt jegliche Differenzierung. Die Erfahrung lehrt, dass oft nicht einmal Ausländer aus den Nachbarländern assimilierbar sind, wenn sie sich beispielsweise weigern, die hiesige Sprache zu erlernen. Die Schweizer Demokraten verlangen deshalb weiterhin, dass jedes Gesuch sorgfältig geprüft wird, lehnen eine Generalisierung und einen Automatismus bei den Kriterien zur Einbürgerung von Ausländern und somit auch die Motion der Sozialdemokraten ab.

Peter Tobler musste über die verfasssungsrechtliche Vorlesung von Heinz Mattmüller schmunzeln. In der Demokratie gälten die Mehrheitsergebnisse. Der angesprochene Passus sei als Missbrauchsbremse in das Gesetz aufgenommen worden. Ein generelles Einbürgerungsrecht wollte man aber nicht aufnehmen, weil den Bürgergemeinden als demokratisches Institut das Kerngeschäft Einbürgerungen erhalten werden sollte.

Das Problem der Demokratie liege eben darin, dass ein Entscheid nicht wie ein Gerichtsurteil begründet werden müsse, sondern spontan getroffen werden könne.
Möchte man der Idee von Maya Graf Folge leisten, so führte man einen totalen Systemwechsel ein und man könnte die Bürgergemeinden abschaffen. Man müsse klar sehen, dass mit dem Vorstoss die Entdemokratisierung und die Verrechtlichung des Einbürgerungsverfahrens gefordert werde. Wer die heutigen Verfahren undemokratisch nennt, verkenne das, was es wirklich ist, nämlich ein demokratischer, abschliessender Entscheid, mit dem man sich abzufinden habe, ob es einem passe oder nicht.
Peter Tobler schliesst seine Ausführungen mit der rhetorischen Frage, was wohl geschähe, wenn die Einbürgerungen auf reine Verwaltungsverfahren reduziert würden.

Hans Schäublin lehnt namens der SVP beide Vorstösse ab. Mit der Gesetzesrevision werde das Verfahren vereinfacht. Die Strukturierung der Einbürgerungen durch die Bürgergemeinden wird als bewährtes demokratisches Vorgehen weiterhin befürwortet.
Hans Schäublin meint an die Adresse der Grünen, auf der einen Seite wollten sie die Natur erhalten und andererseits würden sie mit ihren Einbürgerungstendenzen die Bevölkerungszunahme begünstigen, dies erachte er als Widerspruch. Die Schweiz als eines der am dichtesten besiedelten Länder Europas ertrage nicht jede bauliche und bevölkerungsmässige Zunahme.

Bruno Steiger gibt Maya Graf zu verstehen, den Grünen fehle die ökologische Verantwortung, wenn sie das dicht besiedelte Land weiter mit Ausländern - zumal aus sehr geburtenfreudigen Ländern - auffüllen wolle.
An die Adresse von Christoph Rudin bemerkt Bruno Steiger bezüglich der erleichterten Einbürgerung junger Ausländer, das Bundesgericht habe klar einen negativen Entscheid getroffen. Gerade er als Jurist müsste doch das Demokratieverständnis aufbringen und solche Entscheide akzeptieren.

Ursula Jäggi unterstützt die Motion von Maya Graf und ergänzt, die Motion der Sozialdemokraten wolle zusätzlich nichts anderes, als was im Kanton Basel-Stadt bereits besteht, nämlich eine aktive Integration von Migrantinnen und Migranten in der Schweiz. Auf die Erfüllung der Voraussetzungen wird weiterhin bestanden, auch die Sozialdemokraten wollen nicht darauf verzichten. Das Aus für die Bürgergemeinden, die weiter ihre Abklärungen treffen müssen, bedeutet der Vorstoss keinesfalls, aber den Willkürentscheiden soll der Riegel geschoben werden. Die Landrätin bittet, der Motion, die auch die menschliche Tradition des Kantons Basel-Landschaft berücksichtigt, mutig zuzustimmen.

Maya Graf fügt an, ein Recht zu haben, beinhalte immer auch das Recht, davon nicht Gebrauch zu machen. Ihr gehe es nicht darum, eine grosse Einbürgerungsaktion zu starten, sondern jenen Ausländerinnen und Ausländern, die hier leben, in die Schulen gehen, Kinder haben und Steuern bezahlen nach einer gewissen Anzahl Jahren keine erschwerten Bedingungen für die Einbürgerung in die Wege zu legen.

Röbi Ziegler bezieht sich auf die in einem Roman beschriebene Einbürgerung eines italienischen Scherenschleifers in einem Dorf der Ostschweiz vor 70 Jahren. Der Mann stellte sich in den einzelnen Familien mit seiner Geschichte vor; danach fand dann in der Bürgergemeindeversammlung die Einbürgerung statt. In solchen Verhältnissen funktionierte die Demokratie noch. Schaut man eine Einbürgerung aber in einer durchschnittlichen Baselbieter Gemeinde mit 8000 Einwohnern an, so kann man sich fragen, ob diese Demokratieform noch funktioniert. Man wähle ja auch nicht einen Regierungsrat, von dem man allenfalls eine Foto zur Verfügung habe. An diesem Punkt setzt nach Ansicht von Röbi Ziegler die Kritik der beiden Vorstösse ein. Wenn man aus Bürgergemeindeversammlungen die Haltung vernehme, jemand, der Hasan oder Kemal heisse, könne nicht Schweizer sein, müsse man sensibel werden. Im Grunde genommen fehle das rechtsstaatliche Mittel, mit dem sich jemand, der sich ungerecht behandelt fühlt, weitere Schritte unternehmen könnte, um doch noch zu einem Bürgerrecht zu gelangen.
Nachdenklich stimmt Röbi Ziegler die CVP-Position und zudem entlockt sie ihm folgendes Bibelzitat, nota bene sein erstes im Landrat: Es herrsche für den Fremdling wie für dich gleiches Recht in deinen Toren (Drittes Buch Mose). Die Tore waren die Orte der Rechtsprechung und der politischen Verhandlungen.

Dieter Völlmin erschreckt das Votum Röbi Zieglers weniger als Christ denn als Staatsbürger und empfindet dessen Argumentation generell gegen die Demokratie gerichtet und nicht nur gegen die Einbürgerungspraxis. Die Vorstösse verkennten die Tatsache, dass Demokratie eben immer die Willkür der Mehrheit repräsentiere. Zu achten sei darauf, wie diese Mehrheit ihre Rechte ausübt. Die Motionäre müssten ehrlich sein und dazu stehen, dass sie die Einbürgerungsfrage den demokratischen Entscheidungsprozessen entziehen und der Justiz übertragen möchten.

Eva Chappuis deklariert den Entscheid für eine Einbürgerung als Rechtsanwendung im Einzelfall. Wenn die Regierung als demokratisch gewählte Instanz diesen Entscheid fällt, so kann eine betroffene Person eine richterliche Überprüfung verlangen. Dasselbe ist gegenüber jedem Organ, das entscheidet, möglich. Nicht mehr möglich ist einzig ein Volksentscheid. Dieses Vorgehen ist nicht irgendwie dramatisch, sondern allgemein üblich im Staat.

Peter Tobler erschüttern die Aussagen von Eva Chappuis. Demokratie bedeute nicht, dass irgendwelche demokratisch gewählten Behörden entscheiden. Das geltende Einbürgerungssystem basiere auf den demokratischen Entscheiden der Bürgergemeindeversammlung. Gegen diese Entscheide könne man eben keine Rechtsmittel ergreifen. Sollte dieser Sachverhalt nicht verständlich sein, so solle der Rat demokratisch abstimmen und damit allen die Funktionsweise der Demokratie aufzeigen.

Paul Schär betrübt und beunruhigt das spürbare starke Misstrauen gegenüber den Bürgergemeinden. Als Mitglied der Bürgergemeinde Reinach kann Paul Schär versichern, dass die Bewerber seriös überprüft und in der Bürgerversammlung vorgestellt werden. Die 86 Gemeinden in der heute zum Ausdruck gebrachten Art und Weise bevormunden zu wollen, empfindet er beinahe als eine Unverschämtheit des Landrates.

Christoph Rudin erschüttert eher, wie sich die FDP-Fraktion - und andere - von der Stimmungsmache der Schweizer Demokraten ins Schlepptau nehmen lassen. Der Vorstoss richte sich keinesfalls gegen die Bürgergemeinden, die weiterhin Anträge ablehnen könnten; als Einschränkung müssten sie bloss ihren Entscheid begründen und sich einer rechtlichen Kontrolle unterziehen, ein Anspruch, der in anderen Kantonen, etwa in Basel-Stadt, längst Praxis ist.

Hildy Haas kann, von der Annahme ausgehend, dass die SP- und die Grüne Fraktion den Menschen in den Mittelpunkt stellen, nicht verstehen, warum die beiden Fraktionen derart massiv gegen das geltende Verfahren revoltieren. Sie fragt sich, warum diese menschliche Art des Einbürgerungsverfahrens an die Gerichte abgeschoben werden soll und fügt bei, sie habe jetzt nicht nur als Staatsbürgerin, sondern auch als Christin gesprochen.

Dölf Brodbeck hält fest, dass beim heutigen Einbürgerungsverfahren die Behördenentscheide begründet werden müssen. Beide Motionen unterschlagen diesen Sachverhalt. Dölf Brodbeck ist froh, dass im menschenfreundlichen Kanton Basel-Landschaft die Volkssouveränität hoch
gehalten wird, das Volk immer wieder zu gewissen Entscheiden Stellung bezieht, wie etwa zum klaren Entscheid bezüglich der Rheinstrasse.
Sollten die Motionen überwiesen werden, so wäre - als Abschluss der Verfahrensstrecke - der demokratische Entscheid der Bürgergemeinden nicht mehr möglich.

Uwe Klein bittet zwischen Bürgerrat und Bürgergemeindeversammlung wohl zu unterscheiden. Gefährlich werde es in der Bürgergemeindeversammlung, wenn die Stimmung emotional werde. Um die Entscheide den Emotionen zu entziehen, müsste das Verfahren gedreht werden, so dass, wie in Basel, die Bürgergemeinde gegen den Beschluss des Bürgerrates rekurrieren könnte.

://: Der Landrat spricht sich gegen die Überweisung der Motion 1999/110 von Maya Graf aus.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei




Nr. 339

7 1999/136
Motion der SP-Fraktion vom 24. Juni 1999: Einführung eines rechtsstaatlichen Einbürgerungsverfahrens

Namentliche Abstimmung

Für die Motion stimmen:
Simone Abt, Heinz Aebi, Esther Aeschlimann, Franz Bloch, Ruedi Brassel, Esther Bucher, Eva Chappuis, Beatrice Fuchs, Maya Graf, Jacqueline Halder, Franz Hilber, Ursula Jäggi, Bruno Krähenbühl, Roland Laube, Esther Maag, Peter Meschberger, Roland Meury, Eric Nussbaumer, Roland Plattner, Heidi Portmann, Christoph Rudin, Karl Rudin, Emil Schilt, Elsbeth Schmid, Sabine Stöcklin, Urs Wüthrich, Daniel Wyss, Röbi Ziegler, Alfred Zimmermann

Gegen die Motion stimmen:
Franz Ammann, Rita Bachmann, Roland Bächtold, Urs Baumann, Margrit Blatter, Patrizia Bognar, Dölf Brodbeck, Peter Brunner, Peter Degen, Remo Franz, Hanspeter Frey, Barbara Fünfschilling, Esther Gallacchi, Fredy Gerber, Hildy Haas, Peter Holinger, Hans Jermann, Walter Jermann, Hans Ulrich Jourdan, Uwe Klein, Rita Kohlermann, Silvia Liechti, Gerold Lusser, Christine Mangold, Heinz Mattmüller, Mirko Meier, Roger Moll, Ruedi Moser, Juliana Nufer, Sabine Pegoraro, Max Ribi, Max Ritter, Hanspeter Ryser, Liz Rytz, Paul Schär, Hans Schäublin, Dieter Schenk, Daniela Schneeberger, Elisabeth Schneider, Bruno Steiger, Urs Steiner, Eugen Tanner, Ernst Thöni, Peter Tobler, Heidi Tschopp, Judith Van der Merwe, Dieter Völlmin, Helen Wegmüller, Hanspeter Wullschleger, Pascal Wyss, Ruedi Zimmermann, Matthias Zoller, Peter Zwick

Stimmenthaltung:
Paul Rohrbach, Theo Weller

://: Der Landrat lehnt die Motion 1999/136 der SP-Fraktion mit 53 zu 29 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei

Fortsetzung des Protokolls vom 10. Februar 2000


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