LR Protokoll 21. September 2000 (Teil 3)

Protokoll der Landratssitzung vom 21. September 2000



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Nr. 626

8 2000/080
Motion von Max Ritter vom 6. April 2000: Änderung des Gesetzes über den Denkmal- und Heimatschutz

RR Elsbeth Schneider erklärt sich bereit, die Motion als Postulat entgegenzunehmen. Bei genauem Studium wurde der Baudirektorin klar, dass es sich beim Begehren von Max Ritter nicht um einen neuen Sachverhalt handelt. Das Gesetz über den Heimat- und Landschaftsschutz des Kantons Basel-Landschaft ist seit über sieben Jahren in Kraft. Es liegt in der Macht der kantonalen, vom Regierungsrat eingesetzten, verwaltungsunabhängigen Denkmal- und Heimatschutzkommission, gegen die Entscheide der Regierung Beschwerde zu erheben. Diese einspracheberechtigte Fachkommission amtiert als beratendes Organ des Kantons und der Einwohnergemeinden.
Bevor alle Absprachen getroffen sind, wäre nach Ansicht der Regierungsrätin das ersatzlose Streichen der Beschwerdeberechtigung dieser Fachkommission verfrüht und nicht die richtige Lösung. Die Regierung erklärt sich aber bereit, die genauen Abläufe zu analysieren und Verbesserungsmöglichkeiten zu prüfen.

Max Ritter masst sich nicht hohe Kompetenz im Bereich des Denkmalschutzes an, doch bewogen ihn sein Empfinden und Aussagen von Bauverantwortlichen in den Gemeinden zum Verfassen der Motion. Max Ritter ist der Ansicht, die Regierung müsste abschliessende Entscheidungskompetenz erhalten. Dies vor allem wegen der finanziellen Konsequenzen, wie aus den in der Motion aufgeführten drei Beispielen (Rössli Hölstein, Bohny-Haus Zunzgen, Engel Liestal) ersichtlich wird. Der vor sieben Jahren begangene Fehler bei der Gesetzgebung sollte korrigiert und die Regierung in die Lage versetzt werden, der Kommission die "Postordnung" zu erklären, damit für die Bauverwaltungen der Gemeinden wieder etwas Licht ins Dunkel der herrschenden Praxis gelangt. Wenn er auch für das Erhalten von schützenswerten Objekten durchaus eintritt, so möchte er doch aus dem Kanton Basel-Landschaft keine zweites Ballenberg entstehen lassen.
Für die Abänderung der Motion in ein Postulat erklärt sich Max Ritter bereit.

Theo Weller stimmt namens der EVP-Fraktion der Wandlung der Motion in ein Postulat zu. Oft sehe die Kommission nur die Schutzwürdigkeit, verliere das Gesamtinteresse aus dem Auge und stosse deshalb bei Besitzern und Gemeinden nicht selten auf Unverständnis.

Alfred Zimmermann empfindet den Vorstoss - nach dem emotionalen Votum von Max Ritter - als gegen den Denkmalschutz gerichtet und hält es demgegenüber für richtig, dass die angesprochene, beschwerdeberechtigte Kommission in ihrer Funktion erhalten bleibt. Den Vorwurf, die Kommission gelange immer wieder zu unausgewogenen und einseitigen Entscheidungen, weist Alfred Zimmermann zurück. Die in der Motion aufgeführten Beispiele überzeugen Alfred Zimmermann nicht. In der heutigen, "bauwütigen und abreissfreudigen" Zeit brauche es ein starkes Gegengewicht zum Erhalten schützenswerter Denkmäler. Gerade die SVP, die immer wieder traditionelle Werte ins Feld führe, sollte doch lieber ein alte schöne Scheune erhalten, als stattdessen Parkplätze zu bauen.

Rita Kohlermann , von Beginn an in die Thematik involviert, greift zurück in die Geschichte: 1991 beriet eine von einem SVP-Mitglied präsidierte Spezialkommission das ebenfalls mit einem Beschwerderecht ausgestattete Natur- und Heimatschutzgesetz, in welches das Denkmalschutzgesetz ursprünglich integriert war. Nachdem die Spezialkommission dem Landrat beantragt hatte, die beiden Gesetze zu trennen, war es nur logisch, das Denkmalschutzgesetz, das vom Volk anstandslos genehmigt wurde, ebenfalls mit einem Beschwerderecht zu versehen.
Die Tatsache, dass ein vom Regierungsrat eingesetztes Organ gegen Entscheide der Regierung Einspruch erheben kann, mag für Ordnungspolitiker störend sein, doch stellt die Landrätin andererseits fest, die Regierung habe es selbst in der Hand, die Kommission von Prinzipienreitern frei zu halten.
Recherchen zeigten der Landrätin, dass die Kommission während ihrer 7-jährigen Tätigkeit insgesamt 7 Mal Einspruch erhob. Mit einer Ausnahme (Schmiede Ziefen) wurden die Einsprachen geschützt oder es kam zu gütlichen Regelungen, häufig wurde durch die Beratung und die Begleitung der Kommission eine Verbesserung der Projekte erwirkt. Der Vorwurf, seit Bestehen der Kommission seien zuviele Bauten unter Schutz gestellt worden, trifft nicht zu. In Konsequenz dieser Sachlage wird die Landrätin die Motion und auch die Umwandlung in ein Postulat ablehnen.
Der Kanton Basel-Landschaft befindet sich in einer unglaublich schnellen Entwicklungsphase, muss zur bestehenden Bausubstanz Sorge tragen und Acht geben auf seine Tourismus-wirksamen Elemente, auch wenn das dazu verfügbare Instrument etwas ungewöhnlich erscheinen mag.
Die Fraktion der FDP ist geteilter Meinung, zwar unterstützt niemand die Motion, doch gibt es Befürworter des Postulates.

Bruno Krähenbühl erklärt im Namen der SP-Fraktion die ablehnende Haltung gegenüber einer Überweisung des Vorstosses sowohl in der Form einer Motion wie in der Form eines Postulates.
Grundsätzlich hält, so Bruno Krähenbühl, eine grosse Mehrheit der Bevölkerung den Denkmal- und Heimatschutz im Prinzip für sinnvoll. Ist dagegen das eigene Objekt betroffen, so schwindet die Unterstützungsbereitschaft des öftern. Die Gesellschaft bewegt sich in einem augenfälligen Widerspruch: Auf der eine Seite steht die Wegwerfgesellschaft, die Laufzeit von Gütern, auch von Gebäuden, verkürzt sich laufend, auf der anderen Seite wird alles Mögliche und Unmögliche gesammelt, aufbewahrt und unter Schutz gestellt. Mit diesem Widerspruch muss die staatliche Denkmalpflege leben, ihr Auftrag wird damit nicht erleichtert. Konflikte sind vorprogrammiert, insbesondere in Fällen, da wirtschaftliche, finanzielle oder politische Interessen im Spiel stehen. In der aktuellen wirtschaftsorientierten Welt nehmen die Chancen, dass einflussreiche Kreise auf die Entscheidungen Einfluss gewinnen, zu. Der Vorschlag von Max Ritter, das Einsprache- und Beschwerderecht zu "killen", führte über kurz oder lang zur fatalen Situation, dass Schutzziele immer dort durchgesetzt würden, wo es um kleine private Eigentümer ginge, und würden dort abgesetzt, wo potente Eigentümer mit starken Lobbys tangiert werden.

Bruno Steiger erklärt, auch die Schweizer Demokraten hätten gegen einen vernünftigen Denkmal- und Heimatschutz grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings gebe es schon zu denken, wenn man mit ansehen müsse, welch fragwürdige Objekte unter Schutz gestellt würden. Der Einfluss der Denkmalpflegerin auf gewisse Entscheide der Regierungsrätin dürfte gross sein, meint Bruno Steiger, so gross, dass - wie in Allschwil selber erlebt - sogar der Innenausbau bestimmt werden kann. Die Schweizer Demokraten können deshalb grossmehrheitlich die Motion von Max Ritter unterstützen.

Sabine Stöcklin ruft in Erinnerung, dass die Motion die Beschwerdebefugnis der Kommission in Frage stellt. Die Landrätin gibt zu bedenken, dass die Kommission bis anhin sehr zurückhaltend von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht hat. Wer etwas weiter zurückdenke, werde überdies realisieren, dass das obere Stadttor von Liestal nur dank dieser Beschwerdebefugnis nicht geschleift wurde und auch die Mauern um die Kirche von Sankt Arbogast stehen heute nur noch dank der Beschwerdebefugnis dieser Fachkommission. Schliesslich findet die Landrätin auch das von Rita Kohlermann bereits angesprochene Argument der Tourismusförderung im Zusammenhang mit der schützenswerten Bausubstanz wesentlich und für die Wirtschaft sehr förderlich.

Heidi Tschopp fühlt sich von Alfred Zimmermann in der Frage des Rössli in Hölstein herausgefordert: Das Rössli, plus zwei dazu gehörende Scheunen, wurde in früheren Zeiten als Stätte für den Pferdewechsel und als Nachtherberge benutzt. Schon vor 15 Jahren, damals noch mit Denkmalpfleger Dr. Heyer, hätte das Objekt verkauft werden sollen, was die Heimatschutzkommission aber ablehnte, obwohl der Käufer bereit gewesen wäre, die Front der Scheune zu bewahren beziehungsweise wiederherzustellen. Sollte doch noch jemand auf dem Rössli, das auch bezüglich der Küche und der sanitären Anlagen saniert werden muss, einen Betrieb führen können, so möchte dann die Landrätin nicht von der Baudirektion mit Auflagen für zusätzliche Parkplätze konfrontiert werden.

Hans Schäublin widerspricht Alfred Zimmermann, der der SVP unterstellte, die Motion sei grundsätzlich gegen den Denkmalschutz gerichtet. Der SVP gehe es mit dem Vorstoss von Max Ritter darum, das Gesetz so abzuändern, dass die Regierung, die in der politischen Verantwortung steht, nicht von einer beschwerdeberechtigten Kommission letztinstanzlich in die Schranken gewiesen werden kann.

Max Ritter rät Alfred Zimmermann, auch auf die Stimme des Volkes im Oberbaselbiet zu hören. Wer den Vorstoss ablehne, müsse sich bewusst sein, dass er oder sie an den Verantwortlichen in den Gemeinden und den privaten Hausbesitzern vorbei entscheide. Die Regierung müsse nun beauftragt werden, der aktuellen Situation ein Ende zu setzen.

Hildy Haas bittet Alfred Zimmermann nicht zu übersehen, dass - wie von Heidi Tschopp geschildert - das Rössli früher Wechselstelle für Pferdefuhrwerke war. Heute steht die Gaststätte noch immer an der Strasse, doch muss sie kaum noch Ross und Wagen, dafür aber den motorisierten Verkehr aufnehmen. Soll das Rössli seine Funktion erfüllen, so braucht es folglich Parkplätze und nicht Pferdeställe.

Roland Plattner versteht die Heimatschutzkommission als Anwältin des Denkmal- und Heimatschutzes, als Anwältin von identitätsstiftenden und kulturhistorisch wertvollen Gütern also. Die Kommission gilt als kompetentes Sprachrohr. Mit der Streichung ihrer Beschwerdefunktion (§ 14 Absatz 2) würde die Kommission auf das Gebell reduziert, man beraubte sie des Gebisses. Dem herrschenden , auch im Bereich Umweltorganisation zu beobachtenden Trend, kompetente Zungen abzuschneiden, sollte entgegengewirkt werden.

Ruedi Brassel ortet leise Desinformation. Wer im Gesetz genau nachlese, stelle fest, dass nicht nur vom Beschwerde-, sondern auch vom Einspracherecht gesprochen wird. Weiter könne nicht, wie Max Ritter vorgebe, von einem abschliessenden Entscheid der Kommission geredet werden. Nicht die Kommission entscheide, sondern das zuständige Gericht. Die von Roland Plattner dargestellte Anwaltsfunktion der Kommission muss nach Ansicht von Ruedi Brassel unter allen Umständen bewahrt werden, weil die Anliegen des Heimat- und Denkmalschutzes in der aktuellen schnelllebigen Zeit von jemandem wahrgenommen werden müssen, wenn Identität, Wohlsein und Standortgunst garantiert bleiben sollen.

Ursula Jäggi wäre, aus dem gleichen Orte stammend wie Rita Kohlermann, sehr froh gewesen, wenn eine Denkmal- und Heimatschutzkommission zu bestimmten Zeiten zum Rechten gesehen hätte. Bis heute hat die Kommission von ihrem Recht jährlich zweimal Gebrauch gemacht, von einer unnützen Strapazierung des Beschwerderechtes könne somit nicht gesprochen werden. Etwas enttäuscht zeigt sich die Landrätin von der Tatsache, dass die Regierung bereit ist, den Vorstoss entgegenzunehmen. Ursula Jäggi empfindet diese Bereitschaft als Misstrauensbekundung gegenüber der Kommission.

Dieter Völlmin nimmt den Gedanken auf, die Kommission erfülle eine Anwaltsfunktion zugunsten des Heimatschutzes. In letzter Konsequenz müsste für jede staatliche Aufgabe, die die Verwaltung so oder so wahrnehmen muss, noch eine Kommission eingesetzt werden, die darauf achtet, dass die Regierung jene Aufgaben erfüllt, die sie von Gesetzes wegen zu erfüllen hat.
Bei allem Verständnis für den Heimatschutz gilt es nach Ansicht von Dieter Völlmin weiter zu sehen, dass keine andere regierungsrätliche Kommission mit einem Beschwerderecht ausgestattet ist. Eine solche Ausnahme würde sich nur rechtfertigen, wenn es sich um eine eminent wichtige, überragende Staatsaufgabe handeln würde.
Schliesslich bittet Dieter Völlmin zu erkennen, dass die kleinen Leute unter dem Druck, entweder einzulenken oder das Risiko eines Weiterziehens ans Verwaltungsgericht einzugehen, eher zum Rücktritt neigen, weil sie die Anwaltskosten scheuen, während die Begüterten dieses Risiko problemlos eingehen können.

Max Ribi vermutete schon bei der ersten Lektüre der Motion, dass sich die Beratung im Plenum nicht um die Kommission, sondern um die Amtsstelle drehen wird. Als Lösung des Interessenskonfliktes zwischen Heimatschutz und Besitzerin oder Besitzer sieht Max Ribi nur das Aufeinanderzugehen.
Persönlich ist er der Meinung, entweder die Regierung oder die GPK müssten die Richtlinien des Denkmalschutzes überprüfen, insbesondere müsste die Frage der modernen Nutzung der Objekte beantwortet werden.

Peter Tobler gibt abschliessend zu bedenken, dass Heimat- und Denkmalschutz immer im Widerspruch zwischen Alt und Neu steht. Das politische Problem ortet er darin, dass mangels klarer Konzepte die Aufgaben einer Kommission übertragen werden, einer Kommission, die zudem Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben kann. Erst dort wird dann im freien Ermessen entschieden, was schön und erhaltenswert beziehungsweise nicht erhaltenswert ist. Dass dieses Vorgehen ungewöhnlich ist, sollte zumindest nicht bestritten werden.

://: Der Landrat bestimmt, den Vorstoss von Max Ritter (2000/80) als Postulat zu überweisen.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



Nr. 627

Frage der Dringlichkeit:

Keine Neonatologie in der Basler Frauenklinik?
(2000/185)

://: Die 75 anwesenden Landrätinnen und Landräte sprechen sich mit grossem Mehr für Dringlichkeit aus.

Peter Brunner bedankt sich für die Mitarbeit, wünscht guten Appetit und schliesst die Sitzung um 12.10 Uhr.

Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



Nr. 628

Überweisungen des Büros

Landratspräsident Peter Brunner gibt Kenntnis von folgenden Überweisungen:

Bericht des Regierungsrates vom 19. September 2000: Jahresprogramm des Regierungsrates für das Jahr 2001:
Finanzkommission

Für das Protokoll:
Ursula Amsler, Landeskanzlei


Fortsetzung des Protokolls vom 21. September 2000

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