LR Protokoll 29. Mai 1999 (Teil 9)
Protokoll der Landratssitzung vom 29. April 1999
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17 1999/013
Interpellation von Bruno Krähenbühl vom 14. Januar 1999: Höhe der steuerlichen Vergünstigungen als spezielle Form von Subventionierung. Schriftliche Antwort vom 20. April 1999
Bruno Krähenbühl ist von der schriftlichen Antwort der Regierung nicht befriedigt und beantragt Diskussion.
://: Diskussion wird einstimmig bewilligt.
Bruno Krähenbühl stellt einleitend fest, dass die schriftliche Interpellationsbeantwortung nur so vor Lücken strotze, nennt in der Folge die auf der regierungsrätlichen Liste fehlenden Subventionierungen und fordert die Regierung auf, dazu ebenfalls noch Stellung zu nehmen und insbesondere die damit verbundenen Steuerausfälle zu beziffern:
- Steuererleichterungen für neue Firmen während 6 Jahren (§17)
- Förderung von Wohneigentum durch rekordmässig tiefe Eigenmietwerte (§ 27)
- Abzugsberechtigung für Fahren zwischen Wohn- und Arbeitstätte (§ 29)
- Generelle Abzugsberechtigung für Schuldzinsen (§ 29)
- Abzugsberechtigung für Unterhaltskosten selbstgenutzten Wohneigentums (§ 29)
- Reduktion des Eigenmietwerts während den ersten 6 Jahren nach dem Erwerb auf die Hälfte (§ 29)
- Grosszügige Abschreibungs- und Rückstellungsregelungen (§§ 30 und 31)
- Besteuerung von Aktien aufgrund eines herabgesetzten Verkehrswerts (Regierungsratsbeschluss über die Bewertung von Aktien für die Vermögensbesteuerung vom 21.1.1975)
- Generelle Ausnahmen von der Steuerpflicht und Befreiung von der Staatssteuer der Basellandschaftlichen Kantonalbank, konzessionierter Verkehrsunternehmungen, Pensionskassen, Landeskirchen, Stiftungen aller Art (§§ 15 und 16).
Diese Auflistung sei noch längst nicht vollständig. Beim Vergleich der beiden Listen sei ihm aufgefallen, dass die Regierung sämtliche Steuerausfälle im Sozialbereich präzis aufliste, aber Subventionen im Wirtschafts- und im Eigentumsbereich - ob mit Absicht oder nicht bleibe dahingestellt - schlicht unterschlage. Dies sei insofern problematisch, als sich alle Parteien zur Zeit Gedanken über die Steuergesetzrevision machten und dabei auf seriöse Entscheidungsgrundlagen angewiesen seien. Aus diesem Grund ersuche er den Regierungsrat im Interesse aller, seinen Bericht in Form einer Vorlage 1999/013A entsprechend nachzubessern. Andernfalls bliebe ihm nichts anderes übrig, als seine Auflistung und Forderung nach Bezifferung der Steuerausfälle zum Gegenstand einer weiteren Interpellation zu machen.
Hans Fünfschilling definiert vorab die Interpellation als ein Instrument des Landrates, Fragen zu stellen, die sich von Regierung und Verwaltung mit einigermassen vernünftigem Aufwand vorzugsweise mündlich beantworten liessen. Das mit vernünftigem Aufwand Beantwortbare sei im vorliegenden Fall beantwortet worden, während der Interpellant mit seiner heutigen steuerphilosophischen Betrachtung diesen Rahmen sprenge und in der Auflistung Themen anschneide, die man sich ohne Weiteres als Gegenstand eines Expertenauftrages denken könne, beispielsweise an einen Steuerprofessor mit der Fragestellung "Was kann im Steuergesetz alles als Subvention interpretiert werden?" .
Nach der Methode von Bruno Krähenbühl müsste man überall dort, wo man über dem durchschnittlichen schweizerischen Steuersatz liege, von einer Subvention sprechen. Zu Recht würde dann jeder Steuerwissenschafter den Umkehrschluss ziehen, dass jene Kantone, deren Steuerdurchschnitt pro Kopf unter dem schweizerischen Mittel liege, sich dadurch höhere Steuereinnahmen verschafften und demnach ihre Steuerzahler subventionierten. Die Frage laute also, ob ein Steuerzahler, der 100'000 Franken verdiene und im Kanton Basel-Landschaft mit 25'000 Franken 5'000 Franken weniger Steuern bezahle als im Landesdurchschnitt, subventioniert werde. Bereits im Zusammenhang mit der Reichtumssteuer habe man diese politische Diskussion geführt und mehrheitlich argumentiert, die Erhöhung der Steuersätze bedeute keineswegs, dass dann auch die Steuererträge anstiegen.
Weil es praktisch unmöglich sei, im Rahmen einer Interpellationsbeantwortung ein so komplexes Thema tiefschürfend abzuhandeln, habe er nur einige Beispiele zusammen stellen lassen und darauf verzichtet, im Hinblick auf die unterschiedlichen Steuertarife A und B auf die Frage einzugehen, ob dies nicht einer Subventionierung von Familien gleichkomme.
Bruno Krähenbühl habe bei seiner Auflistung angeblicher Subventionierungen den Abzug von Fahrkosten, der Hypothekarzinsen und des Hausunterhalts sowie die basellandschaftliche Praxis bezüglich der Abschreibungen von Unternehmungen erwähnt und dabei ausser Acht gelassen, dass diese samt und sonders zu den Gestehungskosten zählten, die den Einnahmeposten gegenüber ständen. Ein weiteres Beispiel für Kontraproduktivität wäre die Besteuerung der Basellandschaftlichen Kantonalbank , weil diese eine Verminderung des Gewinnes und somit auch der Gewinnausschüttung an den Kanton zur Folge hätte.
Abschliessend versichere er den Interpellanten seiner Bereitschaft, sich jederzeit, aber nicht im Rahmen einer Interpellationsbeantwortung auf eine solche steuerphilosophische und steuerpolitische Diskussion einzulassen.
Kurt Schaub nimmt den steuerphilosophischen Faden auf und bezeichnet Bruno Krähenbühls Betrachtungsweise als eher pessimistisch. Letztlich sollte doch für alle Parteien das Wohl dieses Kantons im Vordergrund stehen, und dieses lasse sich nur durch eine Verbesserung der Standortattraktivität und nicht mit rappenspalterischer Kleinkrämerei wirklich fördern.
Adrian Ballmer hält Bruno Krähenbühl entgegen, dass sich jede Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu richten habe. Eben so selbstverständlich sei, dass jedem Investor der Abzug der Unterhaltskosten und jedem Unternehmer der Abzug der Gewinnungskosten zugestanden werden müsse. Dies als Subventionierung zu definieren, halte er schon für recht "kreativ".
Urs Baumann doppelt mit der Feststellung nach, dass die Auflistung in der Interpellationsbeantwortung noch weitere Positionen enthalte, die keine Subventionen seien, z.B. die Beiträge an die gebundene Vorsorge Säule 3a , für die kein Steuererlass, sondern lediglich Steueraufschub gewährt werde.
Der Interpellant schiesse übrigens auch noch am Ziel vorbei, wenn er Abschreibungen und Rückstellungen unter Submissionen subsumiere, denn mit Abschreibungen, die übrigens von den Unternehmungen begründet werden müssten, werde lediglich der Wertverzehr eines Anlagegutes gewichtet. Oder wenn er die Steuervergünstigungen für neue Unternehmungen nenne, ohne die dadurch ausgelösten positiven Effekte wie Schaffung neuer Arbeitsplätze usw. zu erwähnen.
Bruno Krähenbühl verteidigt sein Anliegen mit dem Argument, dass es ihm darum gegangen sei, im Hinblick auf die bereits angelaufene Steuerdebatte klare Fakten auf den Tisch gelegt zu bekommen. Seine Auflistung enthalte nicht eine einzige Wertung; er habe nur den mit diesen Positionen verbundenen Geldwert ermitteln wollen.
Andererseits bestreite er nicht, dass seine Fragestellungen einen gewissen philosophischen Gehalt hätten. Wie der Regierungsrat habe auch er nicht nachvollziehen können, wie der Kanton Genf darauf gekommen sei, die Subventionierungen durch steuerliche Vergünstigungen mit 1,4 Mrd Franken zu beziffern, bis er heraus gefunden habe, dass die Genfer den Bogen weiter als der Finanzdirektor gespannt und auch sogenannte indirekte Subventionen in die Analyse einbezogen hätten. Viele Punkte in seiner Auflistung hätten keiner vertieften steuerphilosophischen Untersuchung bedurft, z.B. die Ermittlung der von den auf 6 Jahre befristeten Steuererleichterungen für neue Unternehmungen und der von der in der Anfangsphase geltenden Halbierung der Eigenmietwerte auf die Hälfte herrührenden Steuerausfälle.
Hans Fünfschilling begründet die Vernachlässigung der beiden zuletzt erwähnten Punkte mit der Geringfügigkeit der damit verbundenen Steuerausfälle, die unter einer Mio Franken pro Jahr lägen.
://: Damit ist die Interpellation erledigt.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei
18 1999/018
Motion von Eugen Tanner vom 28. Januar 1999: Stabilisierungsprogramm des Bundes: Entlastung der Gemeinden
Hans Fünfschilling leitet die Begründung der ablehnenden Haltung des Regierungsrates gegenüber dieser Motion mit dem Hinweis auf die jüngste Praxis des Bundes ein, immer wie mehr auf die Kantone abzuwälzen. Die Regierung habe stets den Standpunkt vertreten, dass der Kanton sich gegenüber den Gemeinden nicht gleich verhalten solle, und denn auch im Rahmen der Sparprogramme I und II sowie der ganzen Aufgabenteilung darauf verzichtet, sich zu Lasten der Gemeinden zu sanieren.
Das aktuelle Stabilisierungsprogramm des Bundes führe zu Mehrbelastungen, die nach Ansicht der Regierung nicht vom Kanton allein, sondern von ihm gemeinsam mit den Gemeinden getragen werden müssten, z.B. in den Bereichen
- Öffentlicher Verkehr
- AHV
- Straf- und Massnahmenvollzug
- Bildung usw.
Abgesehen davon wäre es aus praktischen Gründen kaum möglich, im Sinne der Motion die Gesetzgebung anzupassen und die Aufteilung der gemeinsamen Trägerschaften so auszutarieren, dass unter dem Strich nichts mehr auf die Gemeinden entfalle.
Eugen Tanner teilt die Auffassung der Regierung bezüglich der gemeinsamen Trägerschaft in dem Sinne, dass sie nicht nur im negativen, sondern auch im positiven Falle funktionieren müsse. Vom letzteren habe der Finanzdirektor nichts verlauten lassen und sich insbesondere über die wesentlich höhere Beteiligung der Kantone an den Gewinnen der Nationalbank ausgeschwiegen, die zwar mit dem Sparpaket direkt nichts zu tun habe, aber mit rund 600 Mio Franken die Mehrbelastung der Kantone von etwa 500 Mio Franken mehr als kompensiere.
In der Motion sei nicht von einer Anpassung aller Gesetze, sondern nur von angemessener Entlastung der Gemeinden in geeigneter Form die Rede. Eine Interpellation von Nationalrat Lötscher beantworte der Bundesrat wie folgt:
"Es besteht für gewisse Kantone durchaus die Möglichkeit, angesichts ihrer finanziellen Lage und der deutlichen Zunahme ihres Anteils am Reingewinn der Nationalbank auf eine Überwälzung der neuen Lasten auf die Gemeinden zu verzichten."
Bei dieser Gelegenheit sei wieder einmal daran zu erinnern, dass der Anteil der Gemeinden an den sogenannten gemeinsamen Lasten sich in den letzten acht Jahren mehr als verdoppelt habe und nun 13 bis 14% des Gesamthaushalts ausmache. Darüber hinaus werde noch einiges auf die Gemeinden zukommen, das sich zur Zeit noch in der "Pipeline" befinde, so das Sozialhilfegesetz, das Gewässerschutzgesetz usw., wo ihnen nicht nur vorgeschrieben werde, was sie zu leisten, sondern auch, wie sie es zu leisten hätten.
Aus diesen Gründen lade er den Rat dringend ein, die Motion zu überweisen und damit die Gemeinden beidseitig am "Segen" zu beteiligen, der vom Bund her komme.
Hans Fünfschilling ist Eugen Tanner dankbar für den Hinweis, dass die Beteiligung der Kantone am Gewinn der Nationalbank überhaupt nichts mit dem Sparpaket zu tun habe. Bei den Aktionären der Nationalbank handle es sich um die Kantone, denen nach Nationalbankgesetz eine Beteiligung am Gewinn zustehe. Der Bund habe diese Gewinne aber während einiger Jahre nicht mehr ausgeschüttet und sei nun in seiner prekären Finanzsituation auf die Idee verfallen, dieses Gesetz zu seinen Gunsten zu ändern und die Anteile der Kantone nach dem Finanzausgleich auszuschütten. Dies habe für den als finanzstark eingestuften Kanton Basel-Landschaft die unangenehme Folge, gegenüber früher in viel geringerem Masse am Gewinn der Nationalbank beteiligt zu werden.
Übrigens sei die Gewinnausschüttung nur möglich geworden, weil man der Kantonalbank erlaubt habe, ihre Goldreserven zu reduzieren und ihr Geld gewinnbringend anzulegen.
Bisher habe der Kanton alle finanziellen Folgen der Änderungen von Bundesgesetzen - insbesondere des KVG - klaglos selbst getragen. Nun habe der Bund ein Sparpaket geschnürt, das gemeinsame Aufgaben des Kantons und der Gemeinden betreffe und demnach auch von beiden gemeinsam getragen werden müsse. Bei der Verknüpfung der kantonalen Beteiligung am Gewinn der Nationalbank mit seinem Stabilisierungsprogramm handle es sich also um einen Trick des Bundes, die Auswirkungen des letzteren als weniger gravierend erscheinen zu lassen.
Bei der Beurteilung des Lastenausgleichs müsse beachtet werden, dass der grösste Teil der EinwohnerInnen dieses Kantons heute wesentlich weniger Gemeindesteuern bezahle als im Ausgangsjahr 1974, oder, anders ausgedrückt, dass die allermeisten Gemeinden in diesem Zeitraum ihre Steuern hätten senken können und kein Anlass bestehe, die Finanzströme vom Kanton, der seine Steuern nicht im gleichen Ausmass habe senken können, in Richtung Kommunen zu verschieben.
Adrian Ballmer erklärt namens der FDP-Fraktion, dass sie sich mit der Anamnese von Eugen Tanner ("Wo tut es weh!") einverstanden erklären und das Anliegen sowie die Stossrichtung des Vorstosses grundsätzlich unterstützen könne. Wenn man die Motion allerdings beim Wort und als verbindlichen Auftrag ernst nehme, stelle man fest, dass mit einer derart "handgestrickten" Lösung nur der Handlungsspielraum eingeschränkt werde. Seine Fraktion sehe das Problem in einem grösseren Zusammenhang, was bedeute, dass sie der Überweisung des Vorstoss nur in Postulatform zustimmen könne.
Wenn man sich mit der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden auseinander setze, müsse man auch über die Finanzflüsse sprechen, und zwar in dem Sinne, dass nicht wie schon bei einem früheren Sparpaket das Ziel der ganzen Übung in einem Nullsummenspiel, sondern in einer Lösung aufgrund des Subsidiaritätsprinzips gesehen werde. Überdies müssten im Rahmen einer solchen Überprüfung der Finanzflüsse gleichzeitig Verzerrungen, die sich beim Finanzausgleich eingeschlichen hätten, korrigiert werden.
Peter Meschberger gibt bekannt, dass die SP-Fraktion heute Mittag beschlossen habe, den Vorstoss zu unterstützen, weil sie es bei allem Verständnis für die Argumentation des Finanzdirektors als psychologisch ungeschickt erachte, einerseits die ganze Mehrbelastung auf die Gemeinden abwälzen und sie andererseits nicht am Mehrertrag partizipieren lassen zu wollen.
Esther Maag erklärt, dass die Fraktion der Grünen an einer grundsätzlichen Klärung dieser Probleme interessiert sei und der Überweisung des Vorstosses als Postulat zustimmen werde.
Eugen Tanner ist der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach und wandelt deshalb die Motion in ein Postulat um.
://: Der in ein Postulat umgewandelte Vorstoss wird mit grosser Mehrheit überwiesen.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei
Die nächste Landratssitzung findet statt am 20. Mai 1999, 10.00 Uhr