LR Protokoll 15. April 1999 (Teil 5)
Protokoll der Landratssitzung vom 15. April 1999
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4 1998/143
Berichte des Regierungsrates vom 18. August 1998 und der Justiz- und Polizeikommission vom 4. März 1999: Revision des Gesetzes betreffend die Strafprozessordnung (StPO) sowie Änderung von § 84 der Kantonsverfassung. 1. Lesung (Fortsetzung der Beratung ab § 47)
Fortsetzung der Detailberatung ab § 47.
§ 47
Landratspräsident Claude Janiak gibt bekannt, dass zum § 47 diverse Anträge vorliegen.
Bruno Steiger stellt zum Absatz 1 einen Änderungsantrag:
„Nach der ersten untersuchungsrichterlichen Einvernahme kann die Verteidigung der angeschuldigten Person an den weiteren Einvernahmen teilnehmen."
Der Landrat begründet den Antrag damit, dass die Gefahr besteht, die Verfahren zu verzögern. Das Verfahren verteuert sich dadurch. Im Fall von unentgeltlicher Verteidigung üben gewisse Offizialverteidiger die Teilnahmerechte bei möglichst vielen, auch belanglosen Einvernahmen, aus. Im Kanton Basel-Stadt sind die Kosten im Bereich der Offizialverteidigung um etwa 50 Prozent angestiegen. Darum bittet der Landrat, seinem Antrag zuzustimmen.
Willi Grollimund stellt einen Antrag zu Absatz 2:
„Das Recht kann nicht bei der Verfahrensleitung bei erheblicher Gefährdung des Untersuchungsrechtes eingeschränkt werden." In diesem Satz soll das Wort „erheblicher" gestrichen werden. Der Landrat stellt sich die Frage, was das Wort „erheblich" für eine Bedeutung hat. Seiner Meinung nach ist „erheblich" relativ. Es könnte zu Diskussionen führen, weil es je nach Ansicht gewertet werden kann.
Sabine Pegoraro bezieht vor ihrem eigenen Änderungsantrag zu den beiden anderen Anträgen Stellung. Zum Antrag von Bruno Steiger: Die FDP hat beim Eintreten festgehalten, dass sie grundsätzlich hinter der Vorlage steht. Das ganze Untersuchungsverfahren wird in der ganzen Strafverfolgung immer wichtiger, weil dort die Nägel für das nachfolgende Gerichtsverfahren eingeschlagen werden. Darum ist es wichtig, dass dort Waffengleichheit herrscht. Was die Landrätin ebenfalls verhindern möchte ist, dass die Stammkunden der Strafverfolgung bevorteilt werden gegenüber jenen, die das erste Mal in ein solches Verfahren verwickelt sind. Diejenigen, die das Verfahren kennen, verweigern bei der ersten Einvernahme die Aussage. Bei der zweiten Einvernahme haben sie das Recht, eine Verteidigung beizuziehen. Diejenigen, die das nicht wissen, sind in diesem Verfahren benachteiligt. Darum bittet Sabine Pegoraro, den Antrag von Bruno Steiger abzulehnen.
Dem Antrag von Willi Grollimund kann die FDP-Fraktion zustimmen.
Änderungsantrag zu Absatz 3:
Es soll im § 47 ein neuer Absatz 3 beigefügt werden:
„Eine Verschiebung der Einvernahme wegen Verhinderung der Verteidigung oder nicht erfolgte Bestellung einer Verteidigung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn triftige Gründe vorliegen und von der Verschiebung kein Nachteil für das Verfahren zu befürchten ist."
Die FDP ist nicht dafür, dass mit dem Teilnahmerecht Missbrauch betrieben wird. Mit der Bestellung eines Verteidigers und mit der Koordination der Termine für untersuchungsrichterliche Handlungen werde versucht, Verzögerungen herbeizuführen. Mit dem Antrag könnte diesem Missbrauch entgegengewirkt werden.
Franz Bloch gibt die Unterstützung der SP für Antrag von Sabine Pegoraro bekannt. Das Recht der Verteidigung der angeschuldigten Person in der ersten Einvernahme ist ein Produkt der Zusammenarbeit der Parteien FDP und SP.
Zum Antrag von Willi Grollimund: Die SP ist der Ansicht, dass das Wort „erheblich" seine Berechtigung hat. Das wichtige Recht auf Verteidigung bei der ersten untersuchungsrichterlichen Einvernahme darf nur bei erheblicher Gefährdung eingeschränkt werden. Klar ist Franz Bloch, dass der Begriff „erheblich" ein „gummiger" Begriff ist. Das Vertrauen in die untersuchungsrichterlichen Behörden des Kantons ist insofern vorhanden, dass dieser Begriff seriös definiert wird und nur dann angewendet wird, wenn nichts anderes angezeigt ist.
Matthias Zoller erklärt die Unterstützung der CVP für die Anträge von der SVP wie auch der FDP, aber die Ablehnung des Antrages von Bruno Steiger.
RR Andreas Koellreuter äussert sich zum Antrag von Bruno Steiger, der dem Vorschlag der Regierung entspricht. Mit der Abänderung dieses Paragraphen, wie sie im Moment vorliegt, ist der Justiz- und Polizeidirektor nicht zufrieden. Der Anwalt der ersten Stunde hat gewisse Schwierigkeiten veranlasst. Andreas Koellreuter sieht jedoch, dass es ein grosses Bedürfnis des Parlamentes ist, dass tatsächlich von der ersten Stunde weg ein Anwalt zur Verfügung steht.
Mit dem Kompromissvorschlag das „erheblicher" im Absatz 2 zu streichen und mit dem Absatz 3, wie er von der FDP vorgeschlagen ist, kann sich die Regierung einverstanden erklären.
Landratspräsident Claude Janiak führt die Abstimmungen über die Anträge zum § 47 durch.
Absatz 1, Antrag von Bruno Steiger:
„Nach der ersten untersuchungsrichterlichen Einvernahme kann die Verteidigung der angeschuldigten Person an den weiteren Einvernahmen teilnehmen."
://: Der Antrag wird abgelehnt und die Kommissionsvariante des Absatzes 1 angenommen.
Absatz 2, Antrag von Willi Grollimund:
1. Linie: Das Wort „erheblicher" streichen.
://: Dem Antrag wird mit 36 : 32 Stimmen zugestimmt.
Absatz 3, Antrag von Sabine Pegoraro:
Es soll ein neuer Absatz 3 beigefügt werden:
„Eine Verschiebung der Einvernahme wegen Verhinderung der Verteidigung oder nicht erfolgte Bestellung einer Verteidigung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn triftige Gründe vorliegen und von der Verschiebung kein Nachteil für das Verfahren zu befürchten ist."
://: Dem Antrag wird zugestimmt.
§ 48; § 49; § 50; § 51; § 52; § 53
Keine Wortbegehren.
§ 54
Esther Maag äussert sich zum umstrittenen Absatz f, der in der ursprünglichen Fassung vorhanden gewesen ist. Der Absatz beinhaltet, dass Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Fürsorgerinnen und Fürsorger unter das Zeugnisverweigerungsrecht fallen. Dieser Absatz ist in der aktuellen Fassung nicht vorhanden. Diese Berufsgattungen hat es bei der Erarbeitung der alten StPO noch gar nicht gegeben. Darum ist es aus Sicht der Landrätin wichtig, dass dieser Absatz ins Gesetz genommen wird. Die Grünen schlagen vor, den Absatz wie folgt aufzunehmen:
„Personen wie Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Fürsorgerinnen und Fürsorger, soweit ihnen Fragen gestellt werden, durch deren Beantwortung sie ein ihnen bei der Ausübung ihres Berufes anvertrautes oder zur Kenntnis gelangtes Geheimnis verletzen würden".
Wenn diese Berufe ein Vertrauensverhältnis zu ihren Klienten aufgebaut haben, und anschliessend nicht gleich wie zum Beispiel Hebammen und Ärzte behandelt werden, sondern aufgrund einer beruflichen Wertung diese Vertrauensverhältnis brechen müssen, findet das die Landrätin nicht gerechtfertigt.
Dieter Völlmin stellt fest, dass die beiden Anträge der Grünen und der SP betreffend Absatz f nicht identisch sind. Bei den Grünen steht die Formulierung „Personen wie Psychologinnen", während beim SP-Antrag die Formulierung auf drei Berufe beschränkt ist: Psychologen, Sozialarbeiter und Fürsorger.
Wie darauf hingewiesen wurde, war man sich in der Justiz- und Polizeikommission nicht einig. Das hat damit zu tun, dass erkannt wurde, dass ein Problem vorhanden ist. Es gibt ein Spannungsfeld zwischen einem Vertrauensverhältnis von Personen und der Pflicht zur Aussage als Zeuge. Vernünftigerweise müssten die Begriffe „Sozialarbeiterin und Sozialarbeiter" rein funktional angeschaut werden. Wer diese Aufgabe in einer Gemeinde wahrnimmt, der hätte dieses Recht - und nicht unbedingt, wer diese Ausbildung hat. Da stellt sich die Frage, wo die Grenze gezogen wird. Eine Mehrheit der Kommission war schlussendlich der Auffassung, dass es Sache des Bundesgesetzgeber ist, diese Abgrenzung zu machen. Gewissen Berufen wie zum Beispiel Ärzten, Pfarrern und Anwälten droht bei Verletzung des Berufsgeheimnisses eine Strafe. Diese Strafdrohung ist bei Sozialarbeiter, Psychologinnen und so weiter nicht vorhanden. Für die Mehrheit der Kommission ist die bundesgesetzliche Abgrenzung das einzig taugliche Abgrenzungskriterium. Darum wurde diese Bestimmung gestrichen.
Sabine Pergoro beantragt, die beiden Anträge abzulehnen. Die Landrätin macht darauf aufmerksam, dass die Zeugenaussagen ein wichtiges Instrument für die Wahrheitsfindung sind. Eine Ausdehnung auf Berufsgruppen, die keinem Amts- oder Berufsgeheimnis unterstehen, lehnt die FDP ab.
Franz Bloch erklärt, dass die beiden Anträge im Wortlaut nicht gleich sind, aber dass sie die gleiche Stossrichtung beantragen. Der Antrag der Grünen geht weiter als der Antrag der SP. Aus diesem Grund lässt die SP ihren Antrag stehen.
Die im Antrag angesprochenen Berufsgruppen haben in der heutigen Zeit eine andere Bedeutung bekommen, sei es für die Täter wie auch für die Opfer. Es ist wichtig, dass diese Berufsgruppen ebenfalls ein Zeugnisverweigerungsrecht erhalten, obwohl sie nicht in die Kategorie des Berufsgeheimnisses fallen.
Matthias Zoller orientiert sich am eidgenössischen Strafgesetzbuch. Wenn dieses geändert wird - und es werde mit höchster Wahrscheinlichkeit bei nächster Gelegenheit geändert - dann sei es richtig, wenn das kantonale Gesetz daran angepasst wird.
Maya Graf bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel. Im ursprünglichen Text war der Absatz f vorhanden. Bei der Erarbeitung des Gesetzestextes wurde von den beteiligten Personen etwas dazu überlegt, warum sie neu diese Berufsgruppen im Absatz f aufführten. Es ist unverständlich, warum alte Berufsgruppen mit Hochschulstudium ein Recht auf Zeugnisverweigerung haben und neue Berufsgruppen, die näher bei Klientinnen und Klienten arbeiten, dieses Recht nicht besitzen.
Landratspräsident Claude Janiak lässt eine Eventualabstimmung machen über die folgenden beiden Anträge:
Absatz f, Antrag von Esther Maag:
„Personen wie Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Fürsorgerinnen und Fürsorger, soweit ihnen Fragen gestellt werden, durch deren Beantwortung sie ein ihnen bei der Ausübung ihres Berufes anvertrautes oder zur Kenntnis gelangtes Geheimnis verletzen würden".
Absatz f, Antrag von Franz Bloch:
„Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Fürsorgerinnen und Fürsorger, soweit ihnen Fragen gestellt werden, durch deren Beantwortung sie ein ihnen bei der Ausübung ihres Berufes anvertrautes oder zur Kenntnis gelangtes Geheimnis verletzen würden".
://: Bei einer Evenualabstimmung wird der Antrag der SP bevorzugt.
://: Der Antrag der SP wird abgelehnt, die Kommissionsvariante wird angenommen.
§ 55; § 56; § 57; § 58 § 59; § 60; § 61; § 62; § 63; § 64; § 65; § 66; § 67; § 68; § 69; § 70; § 71; § 72; § 73; § 74; § 75; § 76; § 77; § 78; § 79; § 80
Keine Wortbegehren.
§ 81
Matthias Zoller verweist auf die lange Diskussion in der letzten Landratssitzung, wie oder wer darüber entscheiden soll, wenn jemand sagt, dass er nicht in Haft gehen will. Ganz im Sinn und Zweck, was in dieser Revision erreicht werden soll, liegt der Antrag von Matthias Zoller. Im Moment ist vorgesehen, wenn jemandem die Haft eröffnet wird, dass er dann ein Haftentlassungsgesuch stellen kann. Der gleiche, der über die Haft entschieden hat, muss wiederum begründen, warum er dieselbe Person verhaftet hat. Wenn jemandem die Haft eröffnet wird, soll es doch so sein, dass wenn dieser der Ansicht ist, seine Haft sei nicht berechtigt er nicht wieder die gleiche Person anfragen muss, sondern dass er das Präsidium des Gerichtes anfragen kann.
Christoph Rudin hat ebenfalls einen Antrag eingereicht. Dieser deckt sich mit Matthias Zoller`s Antrag. Christoph Rudin hat einen Rückweisungsantrag gestellt und einen konkreten Vorschlag formuliert. Dieser lautet:
Gegen den Haftbefehl kann innert drei Tagen beim Präsidium des Verfahrensgerichts schriftlich Beschwerde eingereicht werden; die Beschwerde wird innert 5 Arbeitstagen entschieden.
Dieter Völlmin erklärt sich bereit, diese Anträge zurück zu nehmen, wenn von Seiten des Plenums nicht opponiert wird.
Der Antrag von Matthias Zoller lautet:
„Der § 81 sei der Justiz und Polizeikommission zurück zu weisen mit dem Antrag, die Bestimmungen des Entwurfes so abzuändern, dass die Hafteröffnung als beschwerdefähige Verfügung, ohne aufschiebende Wirkung, an das Präsidium des Verfahrensgerichts ausgestaltet wird."
://: Der § 81 wird zurück an die Justiz- und Polizeikommission gewiesen.
§ 82; § 83; § 84; § 85 § 86; § 87; § 88; § 89; § 90; § 91; § 92; § 93; § 94; § 95; § 96; § 97; § 98; § 99; § 100; § 101; § 102; § 103; § 104
Keine Wortbegehren.
§ 105
Ursula Jäggi beantragt, im zweiten Absatz das Wort „kurzen" vor Begründung zu streichen. Es ist ihrer Meinung nach nicht gut, einem Verfahrensgerichtspräsident zu sagen, wie eine Begründung sein soll. Dieses Wort ist ein „Satzfüller".
Der Antrag von Franz Bloch bezieht sich auf den dritten Absatz. Dort soll der Begriff „summarisch" ersatzlos gestrichen werden. Summarisch ist ein Begriff, der weit gefasst werden kann.
Sabine Pegoraro ist der Ansicht, dass die beiden Begriffe kurz sowie auch summarisch durchaus ihre Berechtigung haben. Sie stehen laut der Landrätin dafür, dass das Verfahren schnell eröffnet werden kann.
RR Andreas Koellreuter bittet mit Dringlichkeit, den beiden Streichungsanträgen nicht Folge zu leisten. Das seien Momente, in welchen sehr rasch gehandelt werden müsse. Gerade der Begriff summarisch habe seinen Grund, man müsse sich bei der Begründung auf die wesentlichen Punkte konzentrieren.
Ursula Jäggi ist mit Sabine Pegoraro einig, dass das Verfahren in kurzer Frist eröffnet werden soll. Jedoch sei die Frist von 24 Stunden im Paragraphen festgehalten.
Dieter Völlmin berichtigt, dass im Absatz 1 nicht der Verfahrensgerichtspräsident die Haft begründet, sondern die Verfahrensleitung. Wenn die Vorgabe „kurzen" enthalten ist, dann kann es nichts anderes als eine kurze Begründung sein. Darum ist der Kommissionspräsident der Ansicht, wenn dieses gestrichen wird, führe es zu einer Verwirrung. Je nachdem werde die Streichung so verstanden, das es keine kurze Begründung ist. Damit würde von der Verfahrensleitung etwas verlangt, was in dieser kurzen Zeit nicht erfüllt werden kann.
Zum zweiten Antrag: Es muss klar sein, dass summarisch heisst, dass die wesentlichen Entscheidgründe in dieser Begründung enthalten sind. Wenn „summarisch" gestrichen wird, dann besteht auch hier die Gefahr, dass es heisst, summarisch ist gestrichen worden, also genügt eine summarische Begründung nicht. Daraus kann gefolgert werden, dass ein Entscheid, der nur summarisch begründet ist, auch wenn die wesentlichen Punkte enthalten sind, eventuell angefochten werden kann.
Absatz 1, Antrag von Ursula Jäggi:
Streichung des Wortes „kurzen" vor Begründung.
://: Der Antrag wird abgelehnt.
Absatz 3, Antrag von Franz Bloch:
Ersatzlose Streichung des Begriffes „summarisch".
://: Der Antrag wird abgelehnt.
§ 106; § 107; § 108; § 109
Keine Wortbegehren.
§ 110 ff
Esther Maag will nicht die ganze V-Personen Diskussion von vorne bis hinten aufrollen. Die Argumente seien klar. Die Erfahrungen mit dem V-Personen Einsatz sind relativ schlecht. Die Grünen sind dafür, dass die Paragraphen 110 bis 118 ersatzlos gestrichen werden. Die Möglichkeit des Einsatzes von V-Personen soll gestrichen werden.
Franz Bloch erklärt, dass in der SP ebenfalls darüber diskutiert wurde, den Einsatz von V-Personen ersatzlos zu streichen. Angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Fraktion zum Schluss gekommen, dass sie an ihrem Vorstoss nicht festhalten will. Es wird ein Vorstoss zum konkreten Einsatz von V-Personen eingereicht. Darin wird gefordert, dass unter § 111 ein zusätzlicher Buchstabe a eingefügt wird, welcher nachher begründet wird.
Matthias Zoller bittet im Namen der gesamten CVP die beide Anträge abzulehnen. Vor genau zwei Jahren wurde in der Volksabstimmung dieser Teil des Gesetzes klar angenommen. Eine erste Erfahrung sei mit dem Einsatz von V-Personen gemacht worden, zu welcher der Untersuchungsbericht meint, dass es eigentlich gar kein V-Personen Einsatz gewesen ist. Das ist für den Landrat kein Grund, ein hilfreiches Mittel herauszustreichen.
Sabine Pegoraro schliesst sich dem Votum von Matthias Zoller an. Sie bittet, die beiden Anträge abzulehnen.
Dieter Völlmin weist darauf hin, dass bei dem Gutachten zu dem angesprochenen Fall eine wesentliche Erkenntnis gewesen ist, dass es kein Einsatz von V-Personen gewesen ist, sondern der Einsatz einer Informantin. Es ist nicht jemand gewesen, der konkretisierend auf das Handlungsgeschehen hätte einwirken sollen und beispielsweise die Identität gewechselt hat. Sondern es ist klassischen Sinne ein Spitzel gewesen, der gar nicht unter diese Bestimmungen fallen würde.
Esther Maag entgegnet, dass gerade dies das Problem sei: wenn nicht einmal die Personen, die einen solchen Einsatz anordnen, wissen was sie tun, könne man diese Verfahren nicht gutheissen.
Christoph Rudin beantragt die Rückweisung der Paragraphen 110 bis 118 an die Kommission mit folgender Begründung: Es sind zwei Anträge vorhanden, einerseits völlig streichen, andererseits modifizieren. Nach Beendigung der Kommissionsberatung ist ein Bundesgerichtsurteil gefällt worden, welches sich sehr ausführlich mit der V-Personen Regelung auseinander gesetzt hat. Die Regelung ist darin gutgeheissen worden, aber es sind zahlreiche Fragen aufgeworfen worden, insbesondere was die Vertraulichkeitszusicherung, die praktische Anwendung und die Verwertung dieser Aussagen anbelangt. Christoph Rudin hat an der letzten Landratssitzung eine Interpellation eingereicht. Er ist der Ansicht, dass es gut wäre, die Fragestellungen, die das Bundesgericht aufgeworfen hat, nochmals zu überprüfen.
Dieter Völlmin wert sich vehement gegen eine Rückweisung an die Kommission, wie sie Christoph Rudin vorschlägt. In der Kommission sei dies besprochen worden. Der Bundesgerichtsentscheid sei sehr ausführlich, aber die Beschwerde sei abgewiesen worden. Es geht darin nur um einen kleinen Teilaspekt, nämlich Vertraulichkeit. Es mache keinen Sinn eine Rückweisung an die Kommission zu machen.
Der Kommissionspräsident bittet darum, zu entscheiden, ob diese V-Personen Regelung gestrichen oder beibehalten werden soll.
Peter Tobler bittet ebenfalls darum, die Angelegenheit nicht an die Kommission zurückzuweisen. Das Bundesgericht hat zwei Dinge geklärt, erstens dass die Regelung stehen bleiben soll, und zweitens hat es Regeln aufgestellt, wie damit umgegangen werden soll. Adressaten, wie mit der Regelung umgegangen werden soll, sind Gerichtspräsidenten, Staatsanwälte, Untersuchungsrichter, Verteidiger und Fachpersonen.
Antrag von Esther Maag:
§§ 110 bis 118 streichen. Kein Einsatz von V-Personen.
://: Der Antrag wird abgelehnt.
Antrag von Christoph Rudin:
Rückweisung der §§ 110 bis 118 an die Kommission.
://: Der Antrag wird abgelehnt.
§ 110
Keine Wortbegehren.
§111
Franz Bloch erläutert den Antrag der SP, der lautet dass ein neuer § 111a gemacht werden soll:
„Als V-Personen dürfen nur Angehörige der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden eingesetzt werden."
Dieser Antrag hat eine Geschichte in der Kommission hinter sich, die zeigt, dass der Antrag nicht völlig chancenlos gewesen ist. Die Begründung, warum die SP gerne hätte, dass der Einsatzbereich von V-Personen nur für Angehörige der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden, hängt mit der Justizaffaire zusammen. Der Misserfolg des Einsatzes von Frau K. zeigt auf - obwohl der Bericht zeigt, dass es eigentlich kein V-Personen Einsatz war - dass ein Einsatz von Privatpersonen als V-Personen oder auch nur als Informanten zu viel Risiken in sich birgt. Aus diesem Grund will die SP analog der Regelung in der baselstädtischen Gesetzgebung, dass vorgesehen ist, dass V-Personen nur im Sinne von verdeckten Ermittlern aus dem Kader der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden rekrutiert werden können.
Im Konzept für eidgenössische Strafprozessordnung sieht genau diese Beschränkung vom Einsatz von V-Personen vor. Aus diesem Grund bittet der Landrat, dem Antrag der SP-Fraktion zuzustimmen.
Sabine Pegoraro weist den Antrag von Franz Bloch klar zurück. Das Gesetz wurde vor zwei Jahren mit 77 Prozent Stimmen in einer Volksabstimmung klar angenommen. Um dieses Gesetz richtig und effizient anzuwenden, müssen zuerst Erfahrungen gesammelt werden. Darum wäre es falsch, wenn jetzt die Voraussetzungen für den Einsatz abgeändert würden, aufgrund von etwas, was gar kein V-Personen Einsatz gewesen ist.
Esther Maag hat einen ähnlichen Antrag wie Franz Bloch eingereicht. Der Einsatz soll auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei beschränkt bleiben. Die Abstimmungserläuterungen, die vor zwei Jahren abgegeben wurden, führen das auch so aus, und sehen nur in Ausnahmefällen andere Personen vor. Dazu kommt, dass wie von Franz Bloch bereits erwähnt wurde, das neue Bundesrecht vorsieht, es so zu regeln wie es Basel-Stadt hat, dass nur von geschulten Personen wie Polizeileuten diese Aufgabe wahrgenommen werden kann. Darum sind die Grünen für eine Einschränkung der V-Personen.
Bruno Steiger ist der Ansicht, dass wenn ein glaubhafter Einsatz von V-Personen gemacht werden will, dann gäbe es Situationen, wo nicht Polizeibeamte eingesetzt werden können. In gewissen Milieus können sich nur Menschen bewegen, die darin auch zuhause sind. Darum lehnt die SD den Antrag der SP ab.
Bruno Krähenbühl bringt auf den Punkt, dass sich der Streit um den Begriff „Angehörige der Polizei" dreht. Der Landrat verweist auf das Polizeigesetz (PolG, SGS 700);§ 9 Zusammensetzung der Polizei:
1 Die Polizei besteht aus:
a. Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen;
b. Polizeiaspiranten und Polizeiaspirantinnen;
c. weiteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
Die Angehörigen, die man als V-Personen einsetzen will, wären solche „weitere Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen". Der Zweck dieser Bestimmung ist folgender: Die SP will, dass solche V-Personen über einen Vertrag mit der auftraggebenden Behörde oder Stelle verbunden sind. Wenn ein Vertrag da ist, ist diese Person Mitarbeiter und nach dem neuen Personalgesetz auch Angestellter.
Für das Protokoll:
Colette Schneider, Landeskanzlei
Dieter Völlmin gibt zu bedenken, dass nach der Argumentation von Bruno Krähenbühl im Prinzip jede V-Person per se der Polizei angehören müsste und sich dann die von der SP-Fraktion beantragte Formulierung erübrigen würde. In der Praxis handle es sich bei jedem V-Personeneinsatz um einen Auftrag, was zur Folge habe, dass die betreffende Person automatisch zur Angehörigen der Polizei werde. Ob dies der Intention der Antragsteller entspreche, bezweifle er.
Regierungsrat Andreas Koellreuter dankt dem Rat vorweg dafür, dass er durch die Beibehaltung der §§ 110 bis 118 Standfestigkeit bewiesen und nicht gleich wegen des ersten Gegenwindes alle Viere von sich gestreckt habe. Für die "linke" Seite des Rates sei es gewiss nicht einfach, akzeptieren zu müssen, in einer Volksabstimmung mit dem eigenen Standpunkt haushoch untergegangen und dann auch noch vom Bundesgericht eines Besseren belehrt worden zu sein.
Das in der Debatte erwähnte Polizeigesetz müsse übrigens wegen der Abschaffung des Beamtenstatus demnächst revidiert werden; unter weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seien natürlich Leute zu verstehen, die innerhalb des ganzen Polizeicorps mit irgend welchen Zivilaufgaben, aber sicher nicht mit V-Einsätzen betraut würden, denn es komme ja nicht in Frage, auch noch V-Personen zu den üblichen staatlichen Anstellungsbedingungen ins Corps aufzunehmen.
Wer verfolge, was heutzutage in Sachen internationaler Kriminalität ablaufe, und feststelle, dass gerade im unterdessen SP-regierten nördlichen Nachbarland V-Personeneinsätze an der Tagesordnung seien, könne sich in diesem Rat des Eindrucks nicht erwehren, dass gewisse Kreise wohl auf einer "Trauminsel Schweiz" zu leben wähnten, weil sie offenbar immer noch glaubten, dass man der äusserst prekären Situation allein mit dem Einsatz von Angehörigen der Polizei und Strafverfolgungsbehörden Herr werden könne. Nachdem sich der jüngste sogenannte V-Personeneinsatz im Baselbiet als absolut stümperhaft erwiesen habe, sei es allerdings eine Selbstverständlichkeit, dass V-Personen künftig sorgfältig ausgewählt, angemessen geschult und vor allem begleitet werden müssten. Dieser Vorfall müsse unter "Lehrgeld" abgebucht werden, was keineswegs heissen solle, dass man nicht auch in Zukunft noch solches werde zahlen müssen.
Er bitte den Rat, nicht den Fehler zu begehen, den Antrag der SP-Fraktion anzunehmen und damit auf dieses moderne und bewährte Instrument zu verzichten.
://: Der Antrag der SP-Fraktion, der mit dem Antrag der Fraktion der Grünen identisch ist, wird mit deutlichem Mehr abgelehnt.
8. Einsatz von V-Personen
§ 110 bis § 118 : Keine Wortbegehren
Landratspräsident Claude Janiak gestattet sich, die restlichen Paragraphen kapitelweise zusammengefasst aufzurufen, weil dazu keine Anträge vorlägen, und fordert jene Ratsmitglieder, die doch noch Antrag stellen wollten, auf, sich gegebenenfalls zu Wort zu melden.
://: Dieses Vorgehen ist unbestritten.
Zweiter Teil: Die einzelnen Strafverfahren
A. Verfahren auf öffentliche Klage
I. Untersuchungsverfahren
1. Allgemeines
§ 119 bis § 124 : Keine Wortbegehren
§ 125
Esther Maag weist darauf hin, dass die eingeschränkte Gewährung der Akteneinsicht bei Übergriffen auf Kinder aus Kreisen der OpfervertreterInnen immer wieder beanstandet werde. Die Fraktion der Grünen frage sich, ob dieser Missstand tatsächlich durch das neue Opferhilfegesetz vollständig behoben worden sei, wie die Regierung in Beantwortung einer Interpellation der Grünen behauptet habe.
Dieter Völlmin signalisiert vorab Bereitschaft, dieser Frage in der Kommission auf den Grund zu gehen, und beschränkt sich hier auf den Hinweis, dass sich bei der Anwendung des eidgenössischen Opferhilfegesetzes insofern eine Schwierigkeit ergeben habe, als einem Opfer, das auch noch Zivilklage erhebe und damit Zivilpartei werde, grundsätzlich mehr Einsicht gewährt werde. Andererseits habe auch ein Opfer, das gegenüber der Täterschaft keine zivilrechtlichen Forderungen geltend mache, das Recht, gegen Verfügungen - z.B. Einstellung des Verfahrens - Beschwerde zu führen und Einsicht in die Akten zu nehmen.
Er stelle sich aber vor, dass je nach Interessenlage der klagenden Partei aus guten Gründen die Einsichtnahme in gewisse Aktenstücke verweigert und durch eine Zusammenfassung ihres Inhaltes ersetzt werden könnte. Dabei kämen jedoch allgemeine Grundsätze zu Anwendung, die einerseits in der Strafprozessordnung (§§ 118 und 125) und andererseits im Opferhilfegesetz festgehalten seien.
://: § 125 wird im Sinne dieser Diskussion stillschweigend an die Justiz- und Polizeikommission zurückgewiesen.
2. Durchführung der Untersuchung
§ 126 bis § 129 : Keine Wortbegehren
3. Beendigung der Untersuchung
§ 130 : Keine Wortbegehren
II. Strafbefehlsverfahren
§ 131 bis § 134 : Keine Wortbegehren
III. Beschlussfassung durch die Staatsanwaltschaft
§ 135 bis § 136 : Keine Wortbegehren
IV. Abgekürztes Verfahren
§ 137 bis § 142 : Keine Wortbegehren
V. Anklage
§ 143 : Keine Wortbegehren
VI. Hauptverfahren
§ 144 bis § 176 : Keine Wortbegehren
VII. Appellationsverfahren
§ 177 bis § 192 : Keine Wortbegehren
VIII. Verfahren gegen Abwesende
§ 193 bis § 201 : Keine Wortbegehren
IX. Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 202 bis § 206 : Keine Wortbegehren
B. Verfahren auf Privatklage
§ 207 bis § 223 : Keine Wortbegehren
A. Urteilsvollzug
§ 224 bis § 228 : Keine Wortbegehren
B. Strafregister
§ 229 : Keine Wortbegehren
Vierter Teil: Schlussbestimmungen
§ 230 bis § 235 : Keine Wortbegehren
Rückkommen wird nicht beantragt.
Änderung der Kantonsverfassung
Titel und Ingress : Keine Wortbegehren
I. : Keine Wortbegehren
§ 84 Abs. 1 Buchstaben a und b : Keine Wortbegehren
II. : Keine Wortbegehren
III. : Keine Wortbegehren
IV. : Keine Wortbegehren
Rückkommen wird nicht beantragt.
Landratspräsident Claude Janiak : Damit ist die 1. Lesung der Strafprozessordnung und der Verfassungsänderung abgeschlossen.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Protokollsekretär
Fortsetzung des Protokolls vom 15. April 1999