LR Protokoll 12. November 1998 (Teil 6)
Protokoll der Landratssitzung vom 12. November 1998
Zur Traktandenliste dieser Sitzung
Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)
13 98/190
Postulat von Maya Graf vom 15. Oktober 1998: Verbesserung der Kommunikation bei der kantonalen Zuweisungspraxis im Asylwesen
14 98/217
Motion von Eugen Tanner vom 29. Oktober 1998: Unterbringung und Betreuung von Kosovo Flüchtlingen
Regierungsrat Eduard Belser nimmt zu den 3 Vorstössen gleichzeitig Stellung, obwohl sie in der Stossrichtung sehr unterschiedlich seien. Bekanntlich habe man dank guter Arbeit aller Beteiligten, Organisationen wie Gemeindebehörden, am letzten Montag in Laufen und in Binningen die ersten Durchgangszentren eröffnen können - das erstere eingerichtet für Spezialfälle mit höherem Frauen- und Kinderanteil, die nicht in grösseren Einheiten untergebracht werden könnten, das letztere eher für gemischte Gruppen und jüngere Leute.
Halbwöchentlich werde über weitere Massnahmen aufgrund des Zuflusses entschieden, der sich in Binningen zur Zeit auf täglich zusätzlich 10 bis 15 Personen belaufe und in Laufen tendenziell etwas geringer sei.
Allgemein dürfe festgestellt werden, dass sowohl die Bevölkerung als auch die Gemeindebehörden im Grossen und Ganzen der klaren, auf befristete Aufnahmen ausgerichtete Politik des Kantons, die übrigens mit jener des Bundes übereinstimme, viel Verständnis entgegen gebracht hätten. Obwohl eine andere Entwicklung nie ausgeschlossen werden könne, halte der Regierungsrat eine Klärung der Situation in den Krisengebieten und die Einleitung der Rückwanderung in absehbarer Zeit, d.h. etwa im kommenden Frühjahr, durchaus für möglich.
In den Gemeinden liefen in verdankenswerter Weise auch grosse Anstrengungen für die dezentrale Aufnahme, was zur Hoffnung Anlass gebe, mit den Durchgangszentren eher wieder zurück fahren zu können. Wegen der nach wie vor unklaren Entwicklung wolle er aber keine voreiligen Versprechungen machen.
Bezüglich des Postulates 98/190 dürfe er feststellen, dass das erste Anliegen von Maya Graf zu einem grossen Teil als erfüllt betrachtet werden könne, weil es in allen betroffenen Gemeinden mit der Information und Kommunikation gut bestellt sei. Das zweite Anliegen könne insofern nicht erfüllt werden, als die kantonale Asylpolitik nicht auf eine einzige Gruppe, die Flüchtlinge aus dem Kosovo, ausgerichtet werden dürfe, obwohl das Schwergewicht zur Zeit bei ihnen liege. Niemand werde von der Regierung erwarten, dass sie die kontroversen Meinungen in dieser Frage aus dem Raum schaffen könne.
In der gegenwärtigen Situation müssten Lösungen angestrebt werden, die von der ganzen Bevölkerung getragen werden könnten. Erfahrungsgemäss spiele dabei ein gemeinsames Tragen der Aufgaben und Sorgen eine ganz entscheidende Rolle. Ein Hin- und Herschieben des Schwarzen Peters führe hingegen zu Spannungen. Das Baselbiet sei jedenfalls bereit, seinen Beitrag zur Lösung der landesweiten Probleme zu leisten und gleichzeitig im Kanton für eine gerechte Lastenverteilung auf alle Regionen und Gemeinden zu sorgen, ohne der ökonomischen Effizienz bedingungslose Priorität einzuräumen.
Die Regierung habe dem Bund seit langem wiederholt klar gemacht, dass sie kein gesetzwidriges Verhalten dulde und auf der Ausschaffung straffällig gewordener Personen beharre, und ihn um Hilfe gebeten, einerseits, was die kontrollierte Unterbringung, und andererseits, was das ganze Ausschaffungsprozedere betreffe.
Im übrigen sei der Regierungsrat immer bereit, gute und praktikable Ideen zu prüfen.
Aus diesen Überlegungen bitte er den Rat, das Postulat 98/190 zu überweisen sowie als erfüllt abzuschreiben und die beiden anderen Vorstösse abzulehnen.
Maya Graf hat nach der Einreichung ihres Vorstosses die erfreuliche Erfahrung machen dürfen, dass unter den Gemeinden grosse Solidarität entstanden sei und der Informations- und Kommunikationsfluss zwischen ihnen und mit dem Kanton sofort zu laufen begonnen habe. Viele Probleme bei der Unterbringung seien noch zu lösen, und sie gehe davon aus, dass der Kanton den Gemeinden weiterhin auf möglichst unbürokratische Weise dabei behilflich sein werde.
Sie sei mit der Überweisung ihres Postulats und gleichzeitiger Abschreibung von Ziffer 1 einverstanden, bitte aber den Rat, Ziffer 2 stehen zu lassen, nachdem Eduard Belser zugesichert habe, gute Vorschläge gerne zu prüfen. Wie hilfreich sich eine solche Kriseninterventionsgruppe erweisen könne, habe sich in der Gemeinde Itingen gezeigt, die eine Konfliktsituation nicht alleine, sondern nur mit kantonaler Hilfe habe bewältigen können, und zwar leider erst, als sie medienkundig geworden sei. Dies müsse in Zukunft vermieden werden können.
Landratspräsident Claude Janiak schlägt vor, die Traktanden 13 und 14 zusammen zu beraten, aber die Traktanden 15 und 16 separat zu behandeln, weil sie in der Thematik nicht übereinstimmten.
://: Dieses Vorgehen ist unbestritten.
Peter Brunner stellt im Gegensatz zu den Vorvotanten eine zunehmende Überforderung des Kantons und der Gemeinden fest, nachdem die auf Bundesebene für die Asylpolitik Verantwortlichen ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten. Die Fraktion der Schweizer Demokraten sei trotz Vorbehalten mit der Überweisung und gleichzeitigen Abschreibung des Postulates 98/190 und der Überweisung der Motion 98/217 einverstanden. Sie bitte aber den Rat um Unterstützung ihrer Motion 98/169, die Heinz Mattmüller noch ausführlich begründen werde.
Eugen Tanner versichert, er habe mit seinem Vorstoss weder eine asylpolitische Grundsatzdiskussion auslösen, noch die Aufnahme Schutzbedürftiger in irgend einer Art und Weise hintertreiben oder verunmöglichen, noch zu kollektivem Ungehorsam aufrufen wollen. Die CVP-Fraktion trete vielmehr für eine menschenwürdige Aufnahme, Betreuung und Unterbringung Schutzbedürftiger ein. Niemand verbiete dem Kanton, dies effizient zu tun. Davon könne aber nicht die Rede sein, wenn man die ganze Aufgabe einfach auf die 86 Gemeinden abwälze und argumentiere, dass diese auf die Dienste des Zivilschutzes zurückgreifen könnten. Ob diese Instrument als erstes eingesetzt werden solle, sei fraglich. Über die sprachlichen Probleme bei der Flüchtlingsbetreuung sei hier noch nicht einmal gesprochen worden.
Wenn man sich schon auf das Gesetz berufe und diese Aufgaben an die Gemeinden delegieren wolle, müsse man sich zu erst einmal überlegen, ob diese überhaupt in der Lage seien, sie zu erfüllen. Gelegentlich müsse man sich einmal darüber Gedanken machen, ob diese gesetzliche Regelung tatsächlich das "Gelbe vom Ei" sei.
Drei Argumente sprächen für eine Lösung auf Bundesebene. Erstens verfüge der Bund über Truppenunterkünfte, die nicht mehr gebraucht und deshalb verkauft würden, und nicht zuletzt in der Armee über Personal, das sich durchaus für Betreuungsaufgaben eigne. Zweitens handle es sich bei der Aufnahme dieser Flüchtlinge um eine vorübergehende und nicht eine dauernde, so dass es alles andere als effizient sei, für die kurze Zeitspanne bis zum nächsten Frühjahr im Kanton einen solchen Wirbel zu veranstalten. Drittens sei den Gemeinden weder die Anzahl noch die Dauer der Zuweisungen bekannt, weshalb es sinvoller wäre, kollektive Unterkünfte anzubieten.
Aus all diesen Gründen bitte er den Rat, seine Motion zu überweisen.
Paul Rohrbach gibt bekannt, dass die SVP/EVP-Fraktion von der Lösung, die man im Baselbiet gewählt habe, überzeugt sei und der Überweisung und gleichzeitigen Abschreibung des Postulates 98/190 zustimme.
Das von Eduard Belser heute dargelegte Konzept, seitens des Bundes, des Kantons und der Gemeinden die Problematik solidarisch anzupacken, erscheine ihm am erfolgversprechendsten. Die Unruhe der letzen Wochen führe er vor allem darauf zurück, dass der Bundesrat es an der nötigen Voraussicht und Führung fehlen lassen und damit der Fremdenfeindlichkeit Vorschub geleistet habe.
Seine Fraktion möchte von der Regierung noch erfahren, wo sich die Baselbieter Standorte der gesamtschweizerisch 300 Truppenunterkünfte befänden und von welcher "Schmerzgrenze" an sie erwägen würde, doch noch auf die Option der militärischen Unterbringungen zurück zu greifen.
Eine Mehrheit der SVP/EVP-Fraktion habe sich entschieden, der Überweisung der Motion 98/217 zuzustimmen, während einer Minderheit dieses Vorgehen vor allem aus ethischen Erwägungen nicht unbedenklich erscheine.
Rudolf Felber vertritt namens der FDP-Fraktion die Überzeugung, dass alle Gemeinden fähig seien, diese schwierigen Aufgaben entsprechend ihren unterschiedlichen Mitteln und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu erfüllen. Sie habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass sich einige Gemeinden dieser Aufgaben entziehen wollten, denn sie hätten von Gesetzes wegen die Pflicht, diesen ohne Wenn und Aber und mit Anstand nachzukommen. In einem Rechtsstaat gebe es dazu keine Alternative.
Seine Fraktion habe den Eindruck, dass die Information zwischen Kanton und Gemeinden in dieser schwierigen Situation bald einmal mustergültig zu spielen begonnen habe. Schwierigkeiten bereite weniger die Kommunikation zwischen den Behörden aller Stufen, sofern diese sich der Offenheit befleissigten, sondern die Kommunikation zwischen den Gemeindebehörden und der Bevölkerung. Die Unterbringung in Bundeslagern hätte zweifellos gewisse Vorteile, weil die Flüchtlinge dort kaum heimisch werden könnten und ihre Rückschaffung deshalb entsprechend weniger Probleme bereiten würde. Auch bei dieser Lösung komme es auf die Solidarität an, denn jedes Lager befinde sich auf dem Gebiet einer Gemeinde. Dass es im Baselbiet nur Truppenunterkünfte und keine solchen Lager gebe, entbinde diesen Kanton nicht von seiner Solidarätspflicht gegenüber den anderen Kantonen.
Die FDP-Fraktion fordere eine Unterstützung der Gemeinden in den Bereichen Administration, Betreuung und Kommunikation mit der Bevölkerung, aber auch in finanzieller Hinsicht. Diesbezüglich vermute sie noch einigen Handlungsbedarf. Sie danke allen Personen, die sich in dieser Aufgabe engagiert hätten und weiterhin engagierten.
Urs Steiner dankt gerade in seiner Eigenschaft als Vertreter einer Kommune dem Regierungsrat für die bisherige Informationspolitik, die den Gemeinden sehr stark geholfen habe bei der Bewältigung ihrer nicht leichten Aufgabe. Diese Erfahrungen, die er erst nach der Mitunterzeichnung der Motion von Eugen Tanner gemacht habe, und die Einsicht, dass sich die schwierige Situation nur auf der Basis von Solidarität bewältigen lasse, veranlassten ihn nun, diesem Vorstoss seine Unterstützung zu entziehen, wofür er sich beim Motionär entschuldige.
Im Laufental habe er aufgrund zahlreicher Gespräche feststellen dürfen, dass die Gemeinden bei Aufnahmequoten von bisher 1,2%, von derzeit 1,6% und von 2% ab Januar 1999 mit der Bereitstellung der notwendigen Unterkünfte nicht überfordert seien. Dabei würden sich die 5 bis 6 Durchgangszentren für die Gemeinden bei der Vorbereitung der Aufnahme der Flüchtlinge als zeitliche Pufferstation nützlich erweisen.
Ziffer 2 der Motion lehne die FDP-Fraktion ab, weil sie die Betreibung der Durchgangszentren nur bis zum Zeitpunkt der Überführung der Flüchtlinge in die Gemeinden als notwendig erachte. Eine Ausdehnung darüber hinaus hätte eine Ungleichbehandlung der 5 bis 6 Standortgemeinden dieser Zentren zur Folge. Sollte der Flüchtlingsstrom während längerer Zeit auf hohem Niveau anhalten, müsste die Übernahmequote von 2% entsprechend erhöht werden.
Emil Schilt erklärt sich befremdet über die Haltung der Fraktion der Schweizer Demokraten, wenn sie einerseits eine Standesinitiative nach Bern lancieren wolle und andererseits sich nicht von ihrem Mitglied Peter Brunner distanziere, das sich an der letzten TV-Sendung "Arena" erlaubt habe, Bundesrat Arnold Koller zum Rücktritt aufzufordern, wohl wissend, dass dieser Magistrat wie alle kantonalen Instanzen auch von der Entwicklung der Flüchtlingssituation überrascht worden sei und übrigens einiges zu deren Bewältigung unternommen habe. Er könne nicht umhin, diesen peinlichen Faux-pas im Namen des Baselbietes als Schweinerei zu verurteilen.
Maya Graf meldet, dass die Fraktion der Grünen die Motion 98/217 entschieden ablehne, weil sie gegen eine Öffnung der Truppenunterkünfte und eine Betreuung der Flüchtlinge durch Soldaten in grossem Stile sei. Wie befremdlich sich ein militärischer Einsatz in Uniform und kugelsicheren Westen ausnehme, habe man anlässlich der PR-Aktion von Bundesrat Ogi im Gurnigelbad am Fernsehen mitverfolgen können. Abgesehen davon habe die Zeit diese Motion insofern überrollt, als die Kantone und Gemeinden inzwischen bewiesen hätten, dass sie das Problem auf menschenwürdige Art und Weise lösen könnten.
Röbi Ziegler fordert Eugen Tanner auf, einmal die Unsicherheit der Gemeinden wegen des schwankenden Flüchtlingszustromes der viel existentielleren Unsicherheit der Flüchtlinge gegenüber zu stellen. Schon in früheren Jahren sei es im Flüchtlingswesen zu solchen Zuspitzungen gekommen - Stichworte: Kurdistan, Bosnien usw. Jedes Mal sei klar geworden, dass ausserordentliche Situationen nach ausserordentlichen Lösungen riefen, und dieses Mal hätten der Regierungsrat und die Verwaltung sehr rasch und richtig reagiert, insbesondere, indem sie die Erstellung der 5 bis 6 Durchgangszentren in Aussicht gestellt hätten. Dafür und den ausserordentlichen Einsatz danke er allen Beteiligten herzlich.
Er denke, dass auch die Frage der Akzeptanz in der Öffentlichkeit und nicht nur ökonomische Überlegungen bei diesen Vorstössen eine Rolle gespielt hätten. Die Bereitschaft, Asylsuchende aufzunehmen, werde verständlicherweise beeinträchtigt durch Asylbewerber, die delinquierten und in den Heimen Sicherheitsprobleme bereiteten. Wenn es sich bei den Leuten, die ihren Flüchtlingsstatus missbrauchten, auch nur um eine verschwindende Minderheit unter den Flüchtlingen handle, machten halt doch sie die Schlagzeilen. Diesbezüglich bestehe tatsächlich Handlungsbedarf, und die Frage sei berechtigt, ob der Kanton Basel-Landschaft in Bern wirklich seinen ganzen Einfluss geltend mache, dass Asylgesuche delinquierender Gesuchsteller absolut prioritär und innert kürzester Zeit behandelt und diese Leute im Falle eines negativen Entscheides unverzüglich ausgewiesen würden. Dieser Kanton sei solch konsequentes und unmissverständliches Handeln nicht nur der Glaubwürdigkeit seiner Asylpolitik, sondern auch den meisten Bewerbern schuldig, die froh und dankbar seien, hier Aufnahme zu finden, und dies mit ihrem anständigen Verhalten zum Ausdruck brächten.
Bei der Beurteilung der Delinquenz von Asylsuchenden müsse beachtet werden, dass gerade Leute aus dem Kosovo erst in der Schweiz zur Mithilfe im Drogenhandel rekrutiert würden. Dass dies so leicht möglich sei, habe mit zwei Ursachen zu tun. Diese Leute hätten einerseits Kriegszustände erlebt und Zeiten durchgemacht, wo kaum jemand mehr nach Legalität und Illegalität gefragt und jedermann nur die eigene Überlebensstrategie verfolgt habe, und andererseits in der Schweiz eine Situation ohne Beschäftigungsmöglichkeit und Tagesstruktur, also einen idealen Nährboden für Kriminalität, vorgefunden. In dieser Beziehung sei dringender denn je präventives Handeln gefordert, und er hoffe, dass das einschlägige Postulat von Maya Graf, das der Rat überwiesen habe, auch umgesetzt werde.
Hinter den beiden Vorstössen, mit denen in unterschiedlicher Akzentuierung die Unterbringung der Asylsuchenden in grossen Zentren statt in den Gemeinden verlangt werde, vermute er zwei Motive, nämlich einerseits die Sorge um die Sicherheit der Bevölkerung und andererseits die Befürchtung, dass sich die Flüchtlinge in den dezentralen Unterkünften bald einmal allzu heimisch fühlen und nicht mehr dazu zu bewegen sein könnten, in ihre Heimat zurückzukehren. Diesen Überlegungen müsse entgegengehalten werden, dass grosse Zentren viel polarisierender wirkten und extremistischen Kräften eine günstigere Angriffsfläche böten als dezentrale Unterkünfte. In den ersteren sei zudem der Betreuungsaufwand viel grösser, weil sie von der Infrastruktur her weniger geeigneten seien, die Asylsuchenden zur Selbsthilfe anzuregen. Wenn man ihnen die Mühe abnehme, ihre täglichen Bedürfnisse selbst abzudecken, ersticke man jeden Ansatz von Eigeninitiative und individueller Sinnsuche.
Die Unterbringung in Zentren könne demnach nur eine mittelfristige Lösung sein, die von einer dezentralen Unterbringung abgelöst werden müsse. Die Befürchtung, dass sich die Asylsuchenden im letzteren Fall zu sehr akklimatisieren könnten, sei gar nicht zwingend, wenn die individuelle Betreuung auf Rückkehr in die Heimat ausgerichtet und nicht wie in grossen Zentren der Eindruck erweckt werde, dass einem in der Schweiz alles in den Schoss falle.
Die SP-Fraktion empfehle dem Rat aus all diesen Erwägungen sowohl die Motion 98/217 als auch die Motion 98/169 zur Ablehnung.
Eugen Tanner hält Rudolf Felber entgegen, dass die Gemeinden ihre Aufgabe keineswegs nicht wahrnehmen wollten, sondern in vielen Fällen schlicht nicht wahrnehmen könnten, weil sie nicht oder nur in geringem Masse über die dazu erforderlichen Mittel verfügten. Maya Graf erinnere er daran, dass auch Soldaten Menschen seien, und Röbi Ziegler könne kaum bestreiten, dass ausserordentliche Situationen ausserordentliche Massnahmen erforderten. Gerade mit der Schaffung der Durchgangszentren habe der Kanton dieser Devise entsprechend reagiert. Nun gelte es nur noch, auch den zweiten Schritt zu wagen und auf die vorhandenen Bundesressourcen zurück zu greifen.
Willi Müller weist den Angriff auf Peter Brunner wegen seines Auftrittes in der Arena-Sendung zurück mit der Begründung, dass Arnold Koller wie auch seine Vorgänger die Asylgesetzgebung tatsächlich missachtet und dieses Land durch jahrelange Aufnahme unechter Flüchtlinge und Unterlassung der rechtzeitigen Rückschaffung in die Lage gebracht hätten, heute keine echten mehr aufnehmen zu können. Bei den überall schwelenden Krisen sei eine Verschärfung dieser Situation geradezu vorprogrammiert.
Wenn von Glaubwürdigkeit gesprochen werde, müsse sich der Rat bewusst sein, dass er jene der Bürger nur zurück gewinnen könne, wenn er eine Asylpolitik betreibe, die von der Mehrheit des Volkes getragen werde.
Urs Steiner bittet den Regierungsrat um Stellungnahme zur Äusserung des Kantonsvertreters Heinzelmann anlässlich einer Orientierungsversammlung in Laufen, wonach der Kanton mit dem Bund einen Zweijahresvertrag betreffend Verwendung des Schwesternheimes in Laufen als Durchgangsheim abschliessen werde, und insbesondere um Beantwortung der Frage, ob bei Abnahme des Flüchtlingszustromes die Anzahl der Insassen in allen Durchgangsheimen proportional reduziert werde. Wenn dem überraschenderweise und entgegen der bisherigen Abmachungen und Informationen nicht so sein und beispielsweise das besagte Schwesternheim dank seiner für die Unterbringung von Flüchtlingen offenbar geeigneten Infrastruktur über diese Zeit hinaus vom Kanton weiter betrieben werden sollte, laute seine Zusatzfrage, ob der Regierungsrat bei einer Normalisierung der Lage bereit wäre, die Anzahl der dort untergebrachten Asylsuchenden voll der Prozentquote anzupassen, so dass alle Gemeinden über gleich lange Spiesse verfügten.
Eduard Belser dankt dem Rat für diese Debatte und schickt voraus, dass die Betreuung der Asylsuchenden in den 86 Baselbieter Gemeinden schon bis heute sehr unterschiedlich gehandhabt worden sei und mehr als die Hälfte dieser Leute zufolge ihrer Selbständigkeit, von der besonders nach der dreimonatigen Karenzfrist ausgegangen werden könne, keiner besonderen Betreuung bedürfe. In einer gewissen Anzahl der Fälle genüge eine Teilbetreuung, die von den Gemeinden geleistet werden könne. Für Personen, die intensiv betreut werden müssten, seien hingegen die schon bestehenden grossen Durchgangszentren in Allschwil und Pratteln und die neu zu schaffenden zuständig.
Er habe festgestellt, dass die Gemeinden bei der Bewältigung dieser Probleme unterschiedliche Kreativität entfalteten. So hätten sich auch schon "gemischte Lösungen" bewährt, die vom Zivilschutz zusammen mit Aussenstehenden getragen würden. Der Kanton sehe bewusst davon ab, den Kommunen in dieser Hinsicht sture Vorschriften zu machen.
Truppenunterkünfte des Bundes gebe es im Baselbiet nicht, sondern nur einige Bereitstellungsanlagen für den Luftschutz wie beispielsweise in Aesch, die man zu beanspruchen gedenke. Die überflüssigen Truppenunterkünfte des Bundes befänden sich hauptsächlich in entlegenen Gebirgstälern und vor allem an Standorten mit Schiessplätzen, so dass sie sich in vielen Fällen nicht als Unterkünfte für Asylsuchende, sondern bestenfalls als Ausschaffungslager eigneten.
Wenn in diesem Staat etwas nur eine Ultima ratio sein könne, so sei es der Einsatz der Armee in jeder Hinsicht. Diesbezüglich wisse er, von was er spreche. Von einer Krisensituation, die den Einsatz der Armee rechtfertigte, könne zur Zeit nicht die Rede sein. Allerdings bestehe weder Anlass zu Pessimismus, noch zu allzu grosser Zuversicht, dass sich die Lage bis zum nächsten Frühjahr völlig entspannen werde. Der Kanton setze auf eine mehrstufige Strategie, was nicht bedeute, dass er sich nicht zumindest gedanklich auch auf eine Verschärfung vorbereite. Was die Unterbringung angehe, seien bei einiger Voraussicht dank dem beruhigten Wohnungsmarkt bezahlbare Lösungen möglich.
Er könne Urs Steiner versichern, dass er das kantonale Durchgangszentrum in Laufen nicht auf die Dauer zu unterhalten gedenke. Um aber dem Bund die Investitionskosten belasten zu können, müssten Annahmen für zwei Jahre getroffen werden. In Laufe beabsichtige man eine ganz spezielle Kategorie von Flüchtlingen unterzubringen, die für die Bevölkerung keine besondere Belastung bedeute, für die jedoch die Nähe zu einem Spital von Bedeutung sei. Wegen der Anrechnungsmodalitäten sei er gegenüber der Gemeinde Laufen gesprächsbereit. Im Moment könne er nicht abschätzen, ob das Heim über das kommende Frühjahr hinaus betrieben werden müsse.
Die Absicht, die Investitionskosten möglichst gering zu halten, sei mit ein Grund dafür gewesen, dass er die Nutzung von Zivilschutzanlagen erwogen habe. Rudolf Felber dürfe davon ausgehen, dass man auch mit der Gemeinde Binningen eine beidseits tragbare Lösung zu finden versuchen werde. Alle finanziellen Fragen seien aber gewiss noch nicht gelöst.
Röbi Ziegler habe durchaus recht, wenn er in der Beschäftigungslosigkeit der Asylsuchenden ein grosses Problem orte. Aus diesem Grund strebe man auch an, die Insassen aktiv in den Betrieb dieser Zentren einzubeziehen. Sowohl in Laufen als auch in Binningen habe er das Bestehen einer festen, aber unterschiedlichen Arbeitseinteilung feststellen können. Er sei über diese Unterschiede keineswegs unglücklich, weil damit bestätigt werde, dass nicht nur ein Weg zum Ziel führe. Leider könne er nicht versprechen, dass es gelingen werde, alle Beschäftigungsfragen zu lösen. Er setze darum viel auf die Bereitschaft der Beteiligten zur Selbsthilfe.
Angesichts der Anstrengungen, die schon unternommen worden seien und die man künftig noch zu unternehmen beabsichtige, bitte er den Rat, die zweite Ziffer des Postulates 98/190 entgegen dem Antrag von Maya Graf gleichzeitig mit der Überweisung abzuschreiben. Wesentliche Elemente ihres Anliegens würden durch den Koordinationsstab abgedeckt.
://: Ziffer 1 des Postulates 98/167 wird grossmehrheitlich überwiesen und gleichzeitig abgeschrieben.
://: Ziffer 2 des Postulates 98/167 wird grossmehrheitlich überwiesen.
://: Der Rat beschliesst grossmehrheitlich, Ziffer 2 des Postulates 98/167 gleichzeitig abzuschreiben.
://: Der Rat lehnt die Überweisung der Motion 98/213 mit 50:16 Stimmen ab.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Protokollsekretär
15 98/169
Motion von SD-Fraktion vom 17. September 1998: Einreichung einer Standesinitiative zwecks Neuregelung der Bundespraxis bei der Zuweisung von Asylsuchenden
Heinz Mattmüller ruft in Erinnerung, dass die Bundesrepublik Deutschland drei Jahre vor der Schweiz ein solches Asylgesetz in Kraft gesetzt habe und in der Folge von einer Asylantenwelle förmlich überschwemmt worden sei, was den Bundespolitikern hierzulande eigentlich eben so wenig hätte entgangen sein dürfen wie die Tatsache, dass es sich bei den durchwegs jungen Leuten zu 95% um Wirtschaftsflüchtlinge gehandelt habe.
Interessant sei in diesem Zusammenhang, dass die Schweiz zu jener Zeit kein Asylgesetz gehabt habe und von diesem Phänomen verschont geblieben sei, was beweise, dass Schlepperorganisationen nur in Ländern Erfolg hätten, wo für sie die Gewissheit bestehe, ihre "Kunden" an den Mann zu bringen. Im Prinzip hätten sie nur darauf gewartet, bis die Schweiz in der Gesetzgebung nachgezogen und ihnen damit ermöglicht habe, ihre Tätigkeit dorthin auszuweiten.
Im Zuge des Gesetzgebungsprozesses sei damals wörtlich folgendes gesagt worden: "Die Asylbewerber, die dereinst kommen, werden in bundeseigenen Lagern zentral interniert." Er gestatte sich, gleich auch noch den Zusatz zu zitieren, den man sozusagen als Notbremse eingefügt habe: "In Zeiten grossen Zustromes kann der Bundesrat das Asylgesetz ausser Kraft setzen." Nur diesen Formulierungen sei es zu verdanken gewesen, dass niemand gegen das Asylgesetz das Referendum ergriffen habe.
Als Reaktion auf dieses liberale Asylgesetz, mit dem theoretisch die ganze Erdbevölkerung eingeladen worden sei, in der Schweiz um Asyl nachzusuchen, hätten die Schlepperorganisationen vom grosszügigen Angebot Gebrauch gemacht und sofort Tausende von Asylanten illegal in unser Land gebracht, also Leute, bei denen es sich zu 95% um Wirtschaftsflüchtlinge gehandelt habe, wie sogar der Bund habe zugeben müssen. Spätestens als die Kriminalität von Asylbewerbern manifest geworden sei, hätte der Bundesrat handeln und das Asylgesetz ausser Kraft setzen müssen.
Nach Ansicht der Fraktion der Schweizer Demokraten sei es eines demokratischen Staates unwürdig, derart skandalöse Zustände zu dulden, ja sogar noch zu fördern. Weil das Gesetz mit Uno-Konventionen zusammenhänge, die man hierzulande erfüllen zu müssen glaube, werde das Asylunwesen ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen.
Als der Bund bei der Unterbringung der zahllosen Flüchtlinge nicht mehr aus und ein gewusst habe, sei er kurzer Hand auf die Idee verfallen, das Gesetz abzuändern und die Kantone zur Aufnahme von Asylanten zu verpflichten. Die Kantone hätten ihrerseits den "Schwarzen Peter" an die Gemeinden weitergereicht, und so seien die Asylanten am Schluss auf die Bevölkerung losgelassen worden.
Als während Jahren persönlich Betroffener liege ihm am Herzen, dass gegen die Praxis vieler Gemeinden eingeschritten werde, in Wohnungen, bei denen es sich gemessen an internationalen Standards um Luxuswohnungen handle, für deren Miete ein Schweizerbürger acht bis zwölf Stunden arbeiten müsste, Asylanten unterzubringen, die den ganzen Tag lang nicht arbeiteten und angesichts der hohen Arbeitslosenzahl auch nicht arbeiten dürften. Er verzichte darauf, die desolaten Zustände und Verhältnisse in solchen Liegenschaften im Detail zu schildern.
Er bitte den Rat, mit der Überweisung der Standesinitiative einerseits dazu beizutragen, dass auf privater Ebene wieder Ordnung geschaffen werde, und andererseits den Bund an die Aufgaben zu erinnern, die er sich mit dem Asylgesetz aufgebürdet habe.
Wenn Emil Schilt seinen Parteikollegen Peter Brunner schelte, weil er den Rücktritt von Arnold Koller gefordert habe, müsse er zur Kenntnis nehmen, dass eben dieser Bundesrat mit der Bemerkung in der Arena-Sendung, er erwarte bis Ende Jahr nochmals 20 000 Asylbewerber aus dem Kosovo, geradezu eine Einladung verbreitet habe, die garantiert nicht ungehört verschallt sei. Abgesehen davon richte sich die Standesinitiative nicht an Herrn Koller, sondern an das eidgenössische Parlament, das diesem dann klar machen müsse, wo es lang gehe.
://: Die Überweisung der Motion 98/169 wird grossmehrheitlich gegen 7 Stimmen abgelehnt.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Protokollsekretär
16 98/56
Interpellation von Willi Müller vom 12. März 1998: Asylgesuche von ausländischen Straftätern und illegalen in der Schweiz weilenden Ausländern. Schriftliche Antwort vom 28. April 1998
://: Auf Antrag des Interpellanten wird Diskussion bewilligt.
Willi Müller fragt Andreas Koellreuter, was der Regierungsrat gegen das Untertauchen ausgewiesener Asylanten zu unternehmen gedenke.
Regierungsrat Andreas Koellreuter antwortet, dass untergetauchte Personen logischerweise nicht ausgeschafft werden könnten, dass aber sofort Ausschaffungshaft angeordnet werde, sobald man ihrer habhaft werde. Auch in solchen Fällen könne die richterliche Überprüfung nicht umgangen werden. Das grosse Problem bestehe darin, dass diese Leute meist über keine Papiere mehr verfügten und diese zuerst beschafft werden müssten, um den Ausschaffungsentscheid vollziehen zu können.
://: Damit ist die Interpellation erledigt.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Protokollsekretär
Die nächste Landratssitzung findet statt am Donnerstag, 26. November 1998, 10 Uhr